Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
82
10
VerhandlungDrucksache:
883/2022 Neufassung
GZ:
AKR
Sitzungstermin: 27.04.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht th
Betreff: Gründung einer Beratungs-GmbH beim Amt für Digitalisierung, Organisation und IT

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 26.04.2023, öffentlich, Nr. 178
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung mit Maßgaben des Antrags Nr. 116/2023 (einschließlich Halbierung der Aufsichtsratsvergütung bei deutlicher Vergrößerung des Aufsichtsrates)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 20.04.2023, GRDrs 883/2022 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gründung der Digital MoveS GmbH und deren Gesellschaftsvertrag (Anlage 1) wird zugestimmt.

2. Von den weiteren Ausführungen zum Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft (Anlage 2) wird zustimmend Kenntnis genommen.

3. Die Landeshauptstadt Stuttgart erbringt zur Gründung der Gesellschaft eine Stammeinlage in Höhe von 25 TEUR.

4. Die Gesellschaft erhält zur Betriebsaufnahme und Sicherstellung der mittelfristigen Liquidität eine Kapitaleinlage von 1.000 TEUR.

5. Die Stammeinlage und die Kapitaleinlage mit zusammen 1.025 TEUR werden im Teilfinanzhaushalt 170 - Amt für Digitalisierung, Projekt-Nr. 7.170002 - Digital MoveS GmbH, AuszGr 784/6 - Erwerb von Finanzvermögen finanziert. Die erforderlichen Mittel sind im Nachtragshaushaltsplan 2023 berücksichtigt.

6. Der Bestellung von Herrn Thomas Bönig als Gründungsgeschäftsführer der Digital MoveS GmbH während der Gründungs- und Aufbauphase der GmbH für den Zeitraum bis zum 31.12.2024 wird zugestimmt.

7. Die Landeshauptstadt Stuttgart entsendet in den Aufsichtsrat der Digital MoveS GmbH die in der Begründung genannten Mitglieder.

8. Die Aufsichtsratsmitglieder erhalten für ihre Aufsichtsratstätigkeit eine pauschale Vergütung in Höhe des in der Begründung dargestellten Betrags.

9. Die Verwaltung wird ermächtigt, den vorgelegten Gesellschaftsvertrag redaktionell oder aus anderen Gründen anzupassen und zu ergänzen, sofern hierdurch keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden.


StR Pitschel (90/GRÜNE) streicht die vielen großen Herausforderungen hervor, vor denen die Stadtverwaltung und damit auch die Beschäftigten, die Ämter und Verwaltungseinheiten stehen. Man sei in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Die städtischen Ämter bräuchten daher alle Unterstützung, die aktiviert werden kann. Hierfür wolle man heute ein neues städtisches Tochterunternehmen gründen, das die Stadtverwaltung agil und zielgerichtet bei der digitalen Transformation unterstützen soll. Man habe sich - vor allem auf Intervention und auf Druck des Personalrats - dafür die notwendige Zeit genommen. Hierfür bedanke er sich ausdrücklich, denn deren Beteiligung an dem Gründungsvorhaben habe die Vorlage besser gemacht. Es werde nun sichergestellt, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird in der Stadtverwaltung, es gebe ein klar abgegrenztes Geschäftsfeld - nämlich die Unterstützung bei der digitalen Transformation - und es werde keine Aufgabenübertragung von Aufgaben der städtischen Ämter, z. B. von DO-IT auf die neue GmbH geben. Es sei ein Inhousing-Geschäft, bei dem es darum gehe, die bisher extern vergebenen Beratungsleistungen selber zu machen - aus einer Hand. Man wolle bei dem Thema Fahrt aufnehmen, die Verwaltung unterstützen, externe Vergaben zu verringern, die Stuttgarter Stadtverwaltung mit agilen Strukturen krisenfest aufzustellen und mithilfe eines Aufsichtsrates, in dem auch der Gemeinderat vertreten ist, zu begleiten. Sehr gerne werde man daher der GRDrs 883/2022 Neufassung zustimmen.

StR Sauer (CDU) sagt im Namen seiner Fraktion ebenfalls Ja zur Gründung der Digital MoveS-GmbH als neues städtisches Beratungsunternehmen, das sich die durchgängige und kontinuierliche Digitalisierung der Stadtverwaltung zum Ziel gesetzt habe. Deshalb stimme man der Vorlage in der Neufassung plus der Maßgabe des Antrags Nr. 116/2023 zu. Auch die CDU möchte, dass die Landeshauptstadt Stuttgart spürbar mehr Fahrt aufnimmt bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsziele, z. B. in den Bürgerbüros, bei der Ausländerbehörde, beim Baurechtsamt oder in der Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle, wo diesbezüglich noch viel Arbeit wartet. Es sei wichtig, den Weg dorthin künftig einfacher, ohne Ausschreibungen schneller über so genannte Inhouse-Vergaben und kostengünstiger als im Vergleich zur Inanspruchnahme externer Dienstleistungen mit der neuen Beratungs-GmbH zu gehen. Sie sorge für die notwendige Kontinuität bei der Umsetzung dieser Ziele durch einen festen Stamm von hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Fachwissen auf Dauer gesichert und durch Schulungen im Unternehmen den neuen Anforderungen laufend angepasst werden müsse. Mit der neuen Digital MoveS GmbH stärke man zugleich das vor ca. einem Jahr neu entstandene städtische Amt für Digitalisierung, Organisation und IT sowohl in fachlicher als auch in strategischer Hinsicht. Mit Blick auf die Vorbehalte des Gesamtpersonalrats weist er darauf hin, dass mit der neuen Beratungsgesellschaft städtische Aufgaben weder ausgegliedert noch privatisiert werden. Somit verliere niemand in der Verwaltung seine Aufgabe oder seinen Arbeitsplatz. Die neuen Kolleginnen und Kollegen der Digital MoveS GmbH unterstützen und entlasten vielmehr die IT-Fachkräfte in den Ämtern und bei DO-IT. Die neue Beratungs-GmbH gebe also die Möglichkeit, beim Thema Digitalisierung nicht Out- sondern In-Sourcing zu betreiben.

StRin Meergans (SPD) teilt die Meinung, dass Digitalisierung eine der größten Aufgaben der Stadtverwaltung ist. Diese Aufgabe schnell zu meistern sei wichtig für die Bürger*innen, für die Servicequalität, aber auch für die Beschäftigten der Stadtverwaltung, um Prozesse zu optimieren, um mit dem zunehmenden Fachkräftemangel umgehen zu können und um die ein oder andere Arbeit leichter zu machen. Hierbei müsse man schneller werden und könne daher nicht so weitermachen wie bisher. Ihre Fraktion begrüße ausdrücklich, dass man sich auf den Weg macht, Beratungsstrukturen intern, nahe an der Stadtverwaltung, zu schaffen. Auch habe man größtes Verständnis für das Ansinnen, die Struktur in dieser Form aufzubauen. Dennoch werde man die Vorlage ablehnen. Dem Dank von StR Pitschel an den Gesamtpersonalrat schließt sie sich an. Jedoch verabschiede sich die Landeshauptstadt Stuttgart mit dieser Vorlage fast gänzlich von der Tarifbindung in diesem Bereich, wo sie doch sonst als Arbeitgeberin in der Verwaltung darauf den größten Wert lege, und keine Gesprächsbereitschaft für einen Haustarifvertrag zeige, der selbstverständlich höhere Gehälter als der TVöD bis heute zulässt, ermöglichen könnte. Dies hätte aus Sicht der SPD das mindeste sein müssen für eine solche Gesellschaft. Gerade wenn man sich aus der Tarifbindung verabschiedet, wäre die gewerkschaftliche Vertretung im Aufsichtsrat der GmbH dringend notwendig gewesen, um den Prozess auch kritisch zu begleiten. Abzulehnen sei auch die vorgesehene dreijährige Wechselsperre, weil dies eine unverhältnismäßige Einschränkung der Arbeitnehmer*innen-Freiheit, der Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, darstelle.

StRin Tiarks (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) übt harsche Kritik an der Gründung dieser Beratungs-GmbH. Diese sei ein Offenbarungseid der Verwaltung und stehe dafür, was alles nicht klappt und was die Verwaltung alles nicht kann. Man setze damit ein fatales Zeichen nach außen. Pikant sei zudem, dass der Amtsleiter in einer Doppelfunktion auftritt, nämlich als Amtsleiter und Geschäftsführer, auch wenn es nur für einen begrenzten Zeitraum ist. Der jetzige Amtsleiter habe gewusst, worauf er sich einlässt, als er seine Stelle angetreten hat, fange jedoch jetzt schon an, weitere Strukturen aufzubauen. Anscheinend sei das neu gegründete Amt 17 nicht in der Lage, die notwendigen Aufgaben zu übernehmen. Anstatt die Chance zu ergreifen und Personalentwicklung zu betreiben und für die Beschäftigten bei der Stadt attraktive Arbeitsbedingungen bereitzuhalten, gründe man nun eine Beratungs-GmbH, um hochwertiges Knowhow langfristig in der Stadt halten zu können. Sie fordert, an die Beschäftigten des Amts 17 zu denken, die sich geringgeschätzt fühlen müssten, wenn sie diese Vorlage lesen. Auch sie bemängelt die fehlende Tarifbindung, da es möglich sei, innerhalb des TVöD bei besonderen Umständen bis zu 1.000 EUR mehr zu bezahlen. "Warum werden diese Möglichkeiten nicht genutzt, um die Stadt zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen, der nach Vergütung bezahlt?" Es stelle sich die Frage, ob eine solche Auslagerung der Beginn des Ausverkaufs der Stadtverwaltung sein soll. Es gelte, solchen Tendenzen entschieden entgegenzutreten und die Vorlage abzulehnen. Da es innerhalb der Fraktionsgemeinschaft unterschiedliche Perspektiven gebe, werde StR Urbat eine eigene Erklärung abgeben.

Aus Sicht von StRin Schumann (PULS) sind bisher die Worte Landeshauptstadt Stuttgart, Informationstechnik und Digitalisierung einfach nicht zusammengegangen, weil in der Vergangenheit verpasst wurde, was nur möglich war. Die Gründung einer Beratungs-GmbH für Digitalisierung und IT sei ein ebenso wichtiger Schritt wie der, ein eigenes Amt für Digitalisierung und IT zu haben. Für eine Arbeitgeberin der Größe der Landeshauptstadt sei es sehr gut und alles andere als ungewöhnlich, dies zu tun. Das dort aufzubauende Knowhow werde der Stadtverwaltung, aber auch ihren Töchtern zugutekommen. Die GmbH werde nicht analog zu den typischen Verwaltungs-Stereotypen aufgebaut und geführt - weder strukturell noch organisatorisch und das sei gut so. Es sei nötig, dass die Gründung und die zukünftige Arbeit der GmbH durch einen vielseitigen Aufsichtsrat begleitet wird. Man befürworte die zügige Gründung eines Betriebsrats und die Vereinbarung eines Haustarifvertrags, der Spielräume für Sondervereinbarungen lässt, "und unbedingt die schnelle Besetzung des zweiten Geschäftsführer*innen-Postens". Darum habe man mit Unterstützung der FrAKTION, der GRÜNEN, CDU und Freien Wählern den Antrag Nr. 116/2023 gestellt, der für alle Fraktionen im Gemeinderat unabhängig ihrer Größe einen Sitz im Aufsichtsrat der Beratungs-GmbH vorsieht. PULS freue sich, heute der Vorlage in der Neufassung zuzustimmen und damit einen weiteren entscheidenden Beitrag zu einer digitalen Zukunft Stuttgarts beizutragen.

StR Dr. Oechsner (FDP) erklärt ebenfalls Zustimmung zur Vorlage. Er finde es jedoch absurd, dass sich Teile des Gemeinderats heute gegen eine bessere Bezahlung von Mitarbeitenden aussprechen, weil dies ungerecht sei und weil es nicht in das Weltbild eines Flächentarifvertrages passe. Es handle sich hier jedoch um eine Beratungs-GmbH mit einer völlig anderen Aufgabe als ein Amt mit einer Verwaltungsstruktur. Würde man der vorgetragenen Logik folgen, dann hätte man z. B. keine Stadtwerke oder andere Tochterunternehmen gründen dürfen. Er halte es für den Anfang für eine sehr gute Idee, dass der Amtsleiter auch den Geschäftsführer macht. Dass für den Beginn der GmbH aus jeder im Gemeinderat vertretenen Fraktion bzw. Fraktionsgemeinschaft ein Vertreter in den Aufsichtsrat entsandt wird, halte er ebenso für eine gute Idee. Es sei weder ein Angriff auf den Tarifvertrag, noch ein Angriff auf die Mitarbeiter in den Ämtern, die eine ganz andere Aufgabe haben als die Aufgaben, die die Beratungs-GmbH hat. Würde man diese Gesellschaft jetzt nicht gründen, so müsste man das Knowhow irgendwo einkaufen und hätte überhaupt keinen Zugriff darauf.

Für die Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion schickt StRin von Stein ebenfalls Zustimmung zur Vorlage voraus. Sie freue sich, dass alle Fraktionen im Aufsichtsrat vertreten sein werden. Weiter merkt sie an, wenn das Ziel sei, schneller bei der Digitalisierung voranzukommen, so brauche es offensichtlich dafür andere Strukturen. Es sei somit folgerichtig, sich mit dem Thema Gründung einer GmbH zu beschäftigen, die eine ganze Reihe von Vorteilen bringt. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass durch die höhere Bezahlung die Chance bestehen könnte, dass das Tarifgefüge sich insgesamt nach oben verändert.

StR Dr. Mayer (AfD) erklärt ebenfalls Zustimmung zur Vorlage. Man wisse, dass bei IT-Entwicklungen in der Vergangenheit es den einen oder anderen Skandal gegeben hat, sowohl finanzieller Art als auch in Bezug auf das Expertenwissen der damit beschäftigten Experten. Um diesen Problemen zu begegnen, müssen sowohl die Geschäftsführung als auch der Aufsichtsrat der GmbH gut aufpassen, dass gut gearbeitet wird.

StR Urbat (FrAKTION) bestätigt, dass das Beratungsgeschäft in IT-Firmen sich völlig unterscheide von allem, "was wir sonst in unseren Ämtern machen". Jedoch werde man in den aktuellen Strukturen keine Leute bekommen. Auch wenn er sonst kein Freund von Auslagerungen sei, werde er in diesem Sonderfall der Gründung der Beratungs-GmbH zustimmen. Ansonsten würden die in der Vorlage genannten Nachteile für die Stadt eintreten.

EBM Dr. Mayer dankt vorab für die sich abzeichnende Zustimmung und für das Interesse, das im Vorfeld der heutigen Beschlussfassung gezeigt wurde. Den Wortbeitrag von StRin Tiarks aufgreifend merkt er an, er finde sich bei dem verwendeten Vokabular wie Offenbarungseid und Armutszeugnis etc. nicht wieder. Er betont, Herr Bönig sei gerade deswegen geholt worden, um an den Strukturen zu arbeiten. Auch macht er darauf aufmerksam, dass Berater nicht nur in der Landeshauptstadt Stuttgart gebraucht werden im Kontext mit dem Thema Digitalisierung und IT, sondern in jeder anderen großen Organisation auch. Auch das Land Baden-Württemberg, andere Großstädte und natürlich auch große Unternehmen der Privatwirtschaft brauchen solche Beratung. Man werde die Digitalisierung aus eigener Kraft nicht schaffen können. In der Vorlage gehe es darum, einen Teil der Aufträge, die extern vergeben werden, zu kommunalisieren. Von einem Ausverkauf der Stadt könne daher nicht gesprochen werden. Die kritisierte Wechselsperre sei deswegen wichtig, um das Amt nicht zu schwächen. "Wir wollen nicht, dass es zu einer Aushöhlung des Amtes kommt, wir wollen nicht, dass die GmbH-Gründung auch zulasten der Performance im Amt geht. Wir brauchen deswegen die Wechselsperre für einen gewissen Zeitraum, haben in der Vorlage aber auch dargelegt, dass wir dann total auch offen sind für Bewerbungen aus städtischer Belegschaft und geneigt sind, da natürlich auch zu bevorzugen." Mit Blick auf die Amtsgründung erinnert er daran, dass er im Jahre 2020 eine solche Amtsgründung für noch nicht sachgerecht gehalten habe. In der Rückschau halte er diese Aussage nach wie vor für berechtigt. Denn damals sei gerade erst die Digitalisierungsstrategie bei der Stadtverwaltung Stuttgart entworfen worden und ein erstes Paket mit 100 zusätzlichen Stellen beschlossen worden. "Es war eine wahnsinnige Strapaze für die Organisation, das Personal zu finden, onzuboarden, die Struktur zu klären und vor allen Dingen einen Haufen Themen voranzutreiben." Von der logischen Abfolge erachte er die Gründung der Beratungs-GmbH jetzt für richtig. Was in der Beratungs-GmbH passiert, werde der Gemeinderat durch seine Vertreter*innen im Aufsichtsrat überwachen und kontrollieren können. Die klare Botschaft auch an den Gesamtpersonalrat laute: "Der ausschließliche und einzige Gesellschaftszweck dieser GmbH ist Digitalisierungsberatung und IT-Beratung und nichts Anderes!"

OB Dr. Nopper stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 883/2023 Neufassung mit den Maßgaben des Verwaltungsausschusses zu Antrag Nr. 116/2023 - Niederschrift Nr. 178 - mehrheitlich wie beantragt (9 Nein-Stimmen).
zum Seitenanfang