Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1336/2015
GZ:
StU 6200-30.3
Sitzungstermin: 14.04.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Lärmaktionsplan der Landeshauptstadt Stuttgart
- Erste Fortschreibung 2015

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 22.03.2016, öffentlich, Nr. 118

Ergebnis: Vertagung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 12.04.2016, öffentlich, Nr. 170

Ergebnis: Zustimmung mit Maßgabe


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 26.02.2016, GRDrs 1336/2015, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Fortschreibung des Lärmaktionsplans der Landeshauptstadt Stuttgart wird zur Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die Maßnahmen - soweit sie im Einflussbereich der Verwaltung liegen - im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten umzusetzen. Über die Durchführung und Finanzierung der Maßnahmen ist jeweils gesondert durch Einzelbeschlüsse zu entscheiden. 3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart appelliert an externe Institutionen, die in ihre Zuständigkeit fallenden Maßnahmen im Sinne dieses Lärmaktionsplans möglichst bald umzusetzen.

Zum Stellenwert des Lärmaktionsplans für seine Fraktion führt StR Hill (CDU) aus, zunächst einmal wohnten die Menschen sehr gerne in Stuttgart. Doch stelle die teilweise enorme Lärmbelastung eines der größten Probleme dar. Hauptquellen des Lärms seien der Kfz-Verkehr und die Schiene, die Industrie sei dagegen vernachlässigbar. Der Lärmaktionsplan mache deutlich, wie viele Maßnahmen realisiert werden könnten, wenn die Mittel - viele hundert Millionen Euro - dafür vorhanden wären. Außerdem benötige man Zeit, um alles umzusetzen und kontinuierlich abzuarbeiten. Hier habe sich seit 2009 schon viel getan. Seine Fraktion unterstütze die Verwaltung in ihrem Versprechen, Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden könnten und für die Haushaltsmittel vorhanden seien, zu realisieren. Um auch bei größeren Maßnahmen voranzukommen, habe u. a. auch seine Fraktion eine Prioritätenliste zu den nächsten Haushaltsplanberatungen beantragt.

Auch StRin Munk (90/GRÜNE) bezeichnet den Verkehrslärm als größte Last der Stadtbevölkerung. Besonders betroffen seien 36.800 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Bericht belege die Wirksamkeit der wesentlichen Maßnahmen, und das sporne ihre Fraktion an, in dieser Richtung weiterzugehen. Dabei müssten die einzelnen Maßnahmen prioritär entsprechend dem Beschlussantrag umgesetzt werden. Sie verweist auf das in den Haushaltsplanberatungen geschnürte Gesamtpaket in Höhe von 6 Mio. €, das die Ausweitung des Parkraummanagements auf die gesamte Innenstadt und Bad Cannstatt, die IVLZ mit den verkehrslenkenden Maßnahmen und das Lkw-Durchfahrtsverbot beinhalte. Zudem seien die Mittel für den Radwegebau auf 3,6 Mio. € deutlich erhöht worden. Des Weiteren habe man für die Temporeduzierung - Tempo 30 vor Schulen und 40 auf Steigungsstrecken - Geld eingestellt, außerdem im Rahmen der Fußwegeförderung 1 Mio. € für den Erhalt der Stäffele. Nicht zuletzt sollten Anreize zum Umstieg auf den ÖPNV - Jobticket, Neubürgerticket, Sozialticket - den Verkehr und den dadurch entstehenden Lärm reduzieren. Insofern müsse der Lärmaktionsplan als wesentliche Grundlagenplanung bei allen Planungen und Maßnahmen berücksichtigt werden.

Noch eine Menge zu tun gibt es nach Ansicht von StRin Gröger (SPD) auf diesem Gebiet. Sie erinnert an die in drei Stadtbezirken eingerichtete und sehr stark nachgefragte Bürgerbeteiligung. Auf Antrag ihrer Fraktion habe man ja einen Konsens darüber erzielt, dass die Fortschreibung auch in den Bezirksbeiräten beraten werden müsse. 2009 habe es noch relativ wenige Untersuchungen zu den gesundheitlichen Folgen von andauerndem Lärm gegeben, doch inzwischen sei deren Zahl stark angestiegen und man müsse sie ernst nehmen, da auch das Grundgesetz vorschreibe, alle Menschen unabhängig von ihrem Geldbeutel gleichermaßen zu schützen. An stark belasteten Straßen lebten in der Regel Menschen mit geringem Einkommen. Insofern trage auch ihre Fraktion die Prioritätenliste der Maßnahmen und Kosten gerne mit. Schließlich weist sie darauf hin, dass in vielen Gebieten der Stadt die Menschen nicht nur durch Lärm, sondern auch durch Feinstaub belastet seien.

Grundsätzliche Bedenken und Unzufriedenheit mit der Verwaltung bringt StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) zum Ausdruck. Hauptverursacher des Lärms sei das Auto. Insbesondere entlang von Abschnitten des Vorbehaltsstraßennetzes von insgesamt 80 km und Schienentrassen sei die Bevölkerung von gesundheitsschädigenden Lärmemissionen betroffen. Dies sei seit Jahren bekannt. In Umfragen hätten 38 % der Befragten den Lärm als größtes Problem in der Stadt genannt. Besonders betroffen seien Menschen, die an Verkehrsschneisen wohnten und sich aufgrund prekärer Einkommensverhältnisse oder ihrer Verbundenheit mit dem Quartier hier nicht entziehen könnten. Sie erwarteten zu Recht, dass die Stadt ihre Lebensverhältnisse verbessere. Anhaltende, vor allem nächtliche Lärmbelastung mache chronisch krank.

Mit dem Lärmaktionsplan lege die Verwaltung nun eine unverbindliche Maßnahmensammlung vor, in die die Öffentlichkeit in Form der Bezirksbeiräte nicht involviert worden sei. Weiter kritisiere seine Fraktionsgemeinschaft, die Fachverwaltung habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass im aktuellen Doppelhaushalt null Euro für explizite Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen seien, obwohl die Stadtspitze die Vision Lärmschutz 2030 als Selbstverpflichtung formuliert habe. Entsprechende Anträge seiner Fraktionsgemeinschaft - Mittel für verkehrsberuhigte Bereiche, Temporeduzierungen, einen Fußgängerbeauftragten etc. - seien meist kommentarlos von den anderen Ratsfraktionen abgelehnt worden. Die einzige nennenswerte Maßnahme sei die Ausweitung von Tempo 40 auf Steigungsstrecken. Das schwarz-grüne Haushaltsbündnis investiere in die autogerechte Stadt - mit dem Parkleitsystem, mehr Personal für das Baustellenmanagement zur Verbesserung des Verkehrsflusses, kräftigen Investitionen in das Straßennetz. Das Lkw-Durchfahrtsverbot sei eine schon alte Maßnahme, die nicht im aktuellen Haushalt finanziert sei.

Der Lärmaktionsplan liefere keine Rechtsgrundlage für wirksame Temporeduzierungen. Doch könnte der Lärmschutz eine Rechtsgrundlage darstellen, um Straßenabschnitte, z. B. in der Hauptstätter Straße, wenigstens nachts zu entschleunigen. Allerdings wäge die Verwaltung die Interessen der Autofahrer höher als den Gesundheitsschutz der Anwohner.

Für ein differenziertes Geschwindigkeitssystem auf dem Vorbehaltsstraßennetz solle nun ein Gutachten lediglich Straßenabschnitte in der Innenstadt untersuchen, das sei gegenüber den Lärmschwerpunkten in den Außenbezirken und den dort Betroffenen inakzeptabel.

Andere Städte zeigten, wie man das Straßennetz entschleunigen könnte. Seine Fraktionsgemeinschaft lehne die Vorlage ab, denn sie bringe nicht zum Ausdruck, dass die Stadt wirksame Abhilfe gegen Lärm schaffen und die Menschen davor schützen wolle.

Im Namen seiner Fraktion nimmt StR Zeeb (FW) den Lärmaktionsplan gerne und zustimmend zur Kenntnis. Darin seien auch Maßnahmen in den einzelnen Stadtteilen enthalten. Er bittet, auch wenn der Lärmaktionsplan schon öffentlich ausgelegen habe, ihn doch nochmals den Bezirksbeiräten zur Kenntnis zu geben, damit eine sinnvolle Priorisierung gelinge.

StR Brett (AfD) erklärt, seine Fraktion sehe im Lärmaktionsplan viele, vor allem technische Vorteile. Leisere Straßen und Schienenfahrzeuge oder auch Lärmschutzwände seien sehr sinnvoll. Tempolimits seien aber nach Ansicht seiner Fraktion nicht geeignet, Lärm zu reduzieren. Elektromobilität verursache z. B. keinen Lärm, doch die Tempolimits würden auch für diese Fahrzeuge gelten. Tempolimits sollten deshalb nur aus Sicherheitsgründen eingeführt werden. Seine Fraktion werde sich enthalten.

Zustimmung zur Vorlage signalisiert StR Dr. Oechsner (FDP). Jeglicher Lärm könne krank machen, weshalb es sinnvoll sei, dass sich die Stadt in den Bereichen, in denen sie zuständig sei, Gedanken zur Lärmminderung mache, Aktionen - durchaus auch Tempolimits - plane und hoffentlich dann auch durchführe.

Wenig konkrete Maßnahmen hat StR Dr. Schertlen (STd) im Lärmaktionsplan entdeckt. Für die nächste Ausgabe erhoffe er sich weniger Auflistungen und dafür konkrete Priorisierung und Umsetzung. Hauptursache des Lärms sei der motorisierte Straßenverkehr, und hier weniger der gleichmäßig rollende Verkehr, sondern die Fahrweise Einzelner. Als Techniker rege er in diesem Zusammenhang an, einen sogenannten Dezibelblitzer entwickeln zu lassen, der solche Lärmsünder mit Videonachweis über Dopplereffekt stellen könnte.

Der Ausbau des Radverkehrs bleibe weiterhin ein frommer Wunsch, und der Nahverkehrsentwicklungsplan lasse Verbesserungen im ÖPNV kaum erwarten. Dessen Attraktivität könnte versuchsweise mit neuartigen Tariftickets gesteigert werden. Lärmmindernde Kreisverkehre seien gar nicht vorgesehen. Beruhigungsmaßnahmen an Hauptverkehrsadern dürften nicht zu Schleichverkehr in Wohngebieten führen. Letztendlich müsse sich jeder darüber im Klaren sein, dass durch das individuelle Verhalten die Lärmemission mitbestimmt werde. Er werde der Vorlage zustimmen.

BM Pätzold weist darauf hin, dass die Vorlage im UTA behandelt und öffentlich ausgelegt und also mitnichten geheim gehalten worden sei.

Der Lärmaktionsplan sei ein Maßnahmenplan, der fortgeschrieben werde und Grundlage für die weitere Planung des Verkehrs innerhalb der Stadt sei. Und das Thema Verkehr beinhalte sowohl die Lärm- als auch die Luftbelastung. Mit dem Paket Nachhaltige Mobilität habe man z. B. auch Tempo 40 oder die Förderung der E-Mobilität beschlossen. Mit dem Lärmaktionsplan plane man Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt, z. B. lärmmindernde Fahrbahnbeläge, die schon ausgeführt worden seien, zusätzliche Lärmschutzwände, aber auch Ausbau des ÖPNV, Tempo 40 an Steigungsstrecken. Das Gutachten für die Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt sei momentan nicht das einzige, ein anderes solle in Zuffenhausen an der Friedrichswahl eine Temporeduzierung prüfen.

Er sagt zu, mit dem Thema nachhaltige Mobilität, Lärm und Luftreinhaltung in die Bezirksbeiräte zu gehen und dies im Zusammenhang zu diskutieren. Für diese ganzheitliche Betrachtung liefere der Lärmaktionsplan die Grundlage, und dies werde dazu führen, dass man im Hinblick auf den Verkehr breit aufgestellte Maßnahmen habe, mit denen man die Lebensqualität in der Stadt verbessere.

OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 1336/2015 bei 7 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen mehrheitlich mit der Maßgabe, dass die Themen Lärm, Luftreinhaltung und nachhaltiger Verkehr als Gesamtpaket im Laufe des Jahres 2016 in den einzelnen Bezirksbeiräten beraten werden.
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