Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen

Gz: OB 9011-05
GRDrs 513/2020
Stuttgart,
07/15/2020



Nachtragshaushaltssatzung mit Nachtragshaushaltsplan 2020
und Bewirtschaftungsvorgaben zum Doppelhaushaltsplan




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
22.07.2020
23.07.2020



Beschlußantrag:

1. Der Nachtragshaushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2020 mit Nachtragshaushaltsplan wird gemäß Anlagen 1 und 2 zugestimmt.

2. Bewirtschaftung des Haushaltsplans 2020 mit Nachtrag

a) Dem Vorschlag der Verwaltung, die für das Jahr 2020 verfügte Haushaltsbremse aufzuheben und somit der vollständigen Freigabe der Aufwandsansätze 2020 (Anlage 3 Ausführungsbestimmungen zum Doppelhaushaltsplan 2020/2021) wird zugestimmt.

b) Die im Zusammenhang mit der GRDrs 250/2020 „Hilfen zur Abmilderung finanzieller Notlagen im Zusammenhang mit COVID-19“ beschlossenen Flexibilisierung im Haushaltsvollzug innerhalb der Teilhaushalte wird aufgehoben.

3. Haushaltsplan 2021

a) Zur Vorbereitung eines notwendigen Nachtragshaushalts für das Haushaltsjahr 2021 wird die Verwaltung beauftragt, ein Konzept zur Verbesserung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte und Vorschläge zur Sicherstellung der Finanzierung künftiger Haushalte zu erarbeiten.

b) Um den dafür erforderlichen Handlungsspielraum für Verwaltung und Gemeinderat zu sichern, dürfen Planansätze des Haushaltsjahres 2021 im Ergebnishaushalt grundsätzlich nur bei gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen verfügt werden (Anlage 3 Ausführungsbestimmungen zum Doppelhaushaltsplan 2020/2021).




Begründung:


Bereits kurz nach Erlass der ersten CoronaVO für Baden-Württemberg am 16. März war abzusehen, dass COVID-19 auch gravierende Auswirkungen auf die Finanzen der Landeshauptstadt haben wird.

Aufgrund der am 2. April im Gemeinderat beschlossenen Flexibilisierung im Haushaltsvollzug wurden die Ämter in die Lage versetzt, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung der COVID-19-Pandemie in Stuttgart ohne ansonsten erforderliche Verwaltungsabstimmung innerhalb ihrer Budgets aufzufangen und so die im Verwaltungsstab getroffenen Entscheidungen zügig umzusetzen.

Wie die Verwaltung im Verwaltungsausschuss am 13. Mai berichtete, ist durch die COVID-19-Pandemie mit massiven Einbrüchen auf der Ertragsseite, insbesondere bei der Gewerbesteuer, zu rechnen. Darüber hinaus gab und gibt es in verschiedenen Bereichen auch erhebliche Corona-bedingte Mehraufwendungen. Insgesamt wurde unter Berücksichtigung von Ertragsverschlechterungen bei den Beteiligungsgesellschaften mit finanziellen Risiken für die Landeshauptstadt Stuttgart zwischen 550 und 850 Mio. EUR gerechnet. Dadurch musste der Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung geprüft werden.

Da jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch zu viele Unsicherheiten vorlagen – insbesondere war bereits vom Land avisiert, den Kommunen in der Corona-Krise zu helfen, die Höhe eventueller Hilfen jedoch noch völlig unbekannt – wurde auf kurzfristige, harte haushaltwirtschaftliche Maßnahmen verzichtet und, wie im Gemeinderat kommuniziert, vom Oberbürgermeister am 2. Juni eine „Haushaltsbremse“ verfügt. Diese sah eine reduzierte Freigabe der Planansätze 2020 (auf 85 %) im Sachaufwand vor, um im Falle notwendiger Budgetkürzungen zum Nachtragshaushalt ausreichend Spielräume zu haben. Personalaufwendungen und Investitionen waren dabei ausdrücklich ausgenommen.

Im Gemeinderat wurde am 25. Juni eine Aktualisierung der Corona-Auswirkungen auf den Stadthaushalt vorgestellt. Danach betragen die ergebniswirksamen Belastungen voraussichtlich ca. 500 Mio. EUR, die sich infolge der prognostizierten Bundes- und Landeshilfen auf etwa 290 Mio. EUR reduzieren. Zur Deckung im Nachtrag wurde die vollständige Verwendung der freien Liquidität aus dem Jahresabschluss 2019 (GRDrs 512/2020) vorgeschlagen.

Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen freien Liquidität zum 31.12.2019 in Höhe von 238,5 Mio. EUR und verschiedener weiterer Veränderungen insbesondere aus der Mai-Steuerschätzung, konnte ein Nachtragshaushaltsplan erarbeitet werden, der es in der aktuellen Situation ermöglicht, auf Budgetkürzungen, die Einschnitte für alle Stuttgarter Einwohner*innen und Unternehmen bedeutet hätten, zu verzichten, sämtliche Investitionen planmäßig fortzuführen und die Personalausstattung, wie vom Gemeinderat zum Stellenplan 2020 beschlossen, in allen Bereichen der Stadtverwaltung zu verbessern.


Zu Nr. 1 Nachtragshaushalt 2020

Nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 GemO ist eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, wenn sich zeigt, dass im Ergebnishaushalt beim ordentlichen Ergebnis oder beim Sonderergebnis ein erheblicher Fehlbetrag entsteht oder ein veranschlagter Fehlbetrag sich erheblich vergrößert und dies sich nicht durch andere Maßnahmen vermeiden lässt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Für einen Nachtrag gelten grundsätzlich dieselben Form- und Verfahrensvorschriften wie für einen regulären Haushaltsplan. Da jedoch bereits zum Jahresende ein Nachtrag zum Haushaltsjahr 2021 erarbeitet wird, beschränkt sich der vorgelegte Nachtrag auf die Veränderungssatzung und den Ergebnishaushalt. Die Fortschreibung der Finanzplanung und die Anpassung sämtlicher Pflichtanlagen erfolgt mit der Nachtragssatzung 2021.

Alle zum jetzigen Zeitpunkt bekannten und abschätzbaren Auswirkungen durch die COVID-19-Pandemie wurden in den Nachtragshaushaltsplan aufgenommen. Darin enthalten sind auch die Beschlüsse des Gemeinderats, insb. die Hilfen in den Bereichen Kultur und Sport (GRDrs 250/2020 und 439/2020), der Verzicht auf Elternbeiträge u.a. in Kindertageseinrichtungen (GRDrs 262/2020 und 359/2020), die Maßnahmen aufgrund der Schließung von Schulen (GRDrs 264/2020 mit Ergänzung und 345/2020 mit Ergänzung) und die Stärkung des Gesundheitsamts (GRDrs 429/2020).

Auf der Ertragsseite wurden insbesondere die Mindererträge bei der Gewerbesteuer
(-350 Mio. EUR; unter Berücksichtigung der geringeren Gewerbesteuerumlage:
-320,8 Mio. EUR netto), die geringeren Erträge aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (-42,9 Mio. EUR), niedrigere Erträge bei der Vergnügungssteuer
(-10,0 Mio. EUR) sowie weitere Ertragsausfälle bei den öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Leistungsentgelten (-10,4 Mio. EUR) berücksichtigt. Beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird hingegen auf Basis der Mai-Steuerschätzung – unabhängig von Corona-Auswirkungen – mit Mehrerträgen (+11,7 Mio. EUR) gerechnet, da sich der Anteil der Umsatzsteuer, der an die Kommunen verteilt wird, in 2020 erhöht hat.


Weiterhin wurden die Anteile der LHS an den zwei 100 Mio. EUR Abschlagszahlungen der Corona-Soforthilfen des Landes (+14,8 Mio. EUR) berücksichtigt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Kommunen in Baden-Württemberg einhellig Nachbesserungen vom Land fordern, da diese Abschlagszahlungen für die Deckung der tatsächlich angefallenen Kosten und Ertragsausfälle nicht ausreichend sind. In Stuttgart sind z.B. Belastungen für die vom Land beabsichtigte Förderung für Familien in Höhe von 23,9 Mio. EUR entstanden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass bei den unveränderten Ertragsansätzen der Schlüsselzuweisungen erhebliche Risiken bestehen. Bei den bisher erfolgten ungekürzten Teilzahlungen handelt es sich laut Land um „Liquiditätshilfen“. Sollte das Land tatsächlich noch Kürzungen vornehmen, wären hohe Ertragsausfälle im Haushalt die Folge, die eventuell sogar einen weiteren Nachtrag erforderlich machen könnten.


Weiterhin wurden die erwarteten Auswirkungen der Beschlüsse des Koalitionsausschusses der Bundesregierung zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen in den Nachtragshaushaltsplan aufgenommen. Nachdem das Land Baden-Württemberg die anteilige Mitfinanzierung zugesagt hat, wird zur Kompensation der Gewerbesteuerausfälle vorläufig mit Erstattungen in Höhe von 150 Mio. EUR für die Stadt Stuttgart gerechnet. Dabei ist allerdings anzumerken, dass auf Basis der prognostizierten Gewerbesteuerausfälle die Landeshauptstadt Stuttgart deutlich höhere Erstattungsbeträge erhalten müsste. Zum jetzigen Zeitpunkt ist hier noch kein endgültiger Verteilschlüssel zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden vereinbart worden, sodass auch die 150 Mio. EUR noch durchaus mit Risiken behaftet sind. Durch die Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft konnten Mehrerträge für 2020 in Höhe von rd. 40 Mio. EUR berücksichtigt werden.

Auf der Aufwandsseite wurden Corona-bedingte Mehraufwendungen, wie z. B. die direkten Aufwendungen für die Pandemiebekämpfung berücksichtigt. Weiterhin wurden alle Beschlüsse, deren Finanzierung aus der Deckungsreserve erfolgt, berücksichtigt, sodass die Deckungsreserve wieder in voller Höhe zur Verfügung steht. Ebenfalls enthalten sind Mittel zur teilweisen Abdeckung von Ertragsausfällen bei den Beteiligungen (-50 Mio. EUR). Dabei handelt es sich nur um einen pauschalen Ansatz, da der tatsächliche Bedarf zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar ist.

Weiterhin wurden auch sonstige, nicht Corona-bedingte, Veränderungen, z. B. aus der Mai-Steuerschätzung und der aktuellen Hochrechnungen im Sozialbereich veranschlagt.

Im Finanzhaushalt werden keine Kürzungen oder Verschiebungen bei den Investitionen vorgenommen.

Durch die zahlungswirksamen Änderungen im Ordentlichen Ergebnis entsteht ein zusätzlicher Finanzierungsmittelbedarf von 238,4 Mio. EUR. Dieser wird aus der verfügbaren freien Liquidität zum Jahresabschluss 2019 finanziert.

Dadurch ist es möglich, die Nachtragssatzung ohne Kreditermächtigungen aufzustellen, wodurch eine finanzielle Belastung der Folgejahre vermieden werden kann.

Bei dem festgesetzten Gesamtbetrag für die Verpflichtungsermächtigungen, dem Höchstbetrag für Kassenkredite und den Hebesätzen für die Grund- und Gewerbesteuer ergeben sich keine Änderungen.

Zu Nr. 2 Bewirtschaftung des Haushaltsplans 2020 mit Nachtrag

Durch den erfreulich guten Jahresabschluss 2019 (GRDrs 512/2020), und die daraus resultierende vorhandene freie Liquidität zum 31.12.2019, kann diese Nachtragshaushaltssatzung ohne Kürzungen in den Budgets der Ämter erfolgen. Die im Mai in den Ausführungsbestimmungen zu den Haushaltsplänen 2020 und 2021 vorläufig beschränkte Freigabe der Aufwandsansätze 2020 von 85 % ist aufgehoben und sämtliche Aufwandsansätze einschließlich der Nachtragsmittel können in voller Höhe bewirtschaftet werden.


Mit Erlass der Nachtragssatzung wird die mit GRDrs 250/2020 „Hilfen zur Abmilderung finanzieller Notlagen im Zusammenhang mit COVID-19“ vorläufig beschlossene Flexibilisierung im Haushaltsvollzug entbehrlich. Es gelten somit wieder die üblichen eingeschränkten Deckungsbeziehungen innerhalb der Teilhaushalte der Ämter mit der besonderen Maßgabe, dass speziell für Pandemiekosten bereitgestellte Mittel einer entsprechenden Zweckbindung unterliegen.

Sofern Mehrbedarfe zu einzelnen Haushaltskontierungen der Ämter nicht im Rahmen von Deckungsbeziehungen aufgefangen werden können, sind entsprechend der haushaltsrechtlichen Vorgaben und städtischen allgemeinen Regelungen auch wieder rechtzeitig vor einer Verfügung Mittelbewilligungsanträge zu stellen.

Eventuell künftig noch eingehende Kostenbeteiligungen oder Zuwendungen Dritter zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen sind als Deckungsmittel für bereits angefallene oder veranschlagte Aufwendungen zu betrachten und stellen somit keine von den Ämtern verwendbare Verstärkungsmittel im Rahmen der Deckungsfähigkeit dar.

Zu Nr. 3 Haushaltsplan 2021

Momentan ist noch nicht absehbar, welche Verschlechterungen bei den Erträgen in 2021 und später in Folge der Corona-Pandemie im Stadthaushalt eintreten. Die Mai-Steuerschätzung enthält zwar Hochrechnungen, geht dabei aber von einer zügigen Erholung der Wirtschaft und wieder steigendem Konsumverhalten aus. Zudem können auch in einem regulär laufenden Haushaltsplanverfahren die auf Bundes- und Landesebene angenommenen Prognosen nur unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse und Erwartungen in Stuttgart berücksichtigt werden.

In welchem Umfang Verschlechterungen im Haushaltsjahr 2021 eintreten werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös vorhergesagt werden. Hier ist insbesondere auch die eingeschobene Steuerschätzung im September 2020 abzuwarten. Von einem Nachtragshaushaltsplan 2021 ist jedoch auszugehen.

Um diesen vorbereiten zu können, ohne an Handlungsspielraum zu verlieren, wird vorgeschlagen entsprechend Anlage 3 (Ausführungsbestimmungen zum Doppelhaushaltsplan 2020/2021) eine vorläufige Verfügungssperre für das Haushaltsjahr 2021 zu erlassen. Dadurch dürfen außerhalb gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen keine Verfügungen in das Budget 2021 mehr erfolgen. Ausnahmen davon sind nur in Abstimmung mit dem Referat Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen und mit Zustimmung des Gemeinderats oder zuständiger Ausschüsse zu entsprechenden Beschlussvorlagen zulässig.

Da zum laufenden Haushaltsjahr 2020 und in den Folgejahren nicht mit Überschüssen aus den Jahresabschlüssen zu rechnen ist und die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie weiterer auch globaler wirtschaftlicher Entwicklungen die Ertragskraft der künftigen Ergebnishaushalte voraussichtlich spürbar belasten werden, hält es die Verwaltung für erforderlich, ein Konzept zur Verbesserung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte und Vorschläge zur Sicherstellung der Finanzierung künftiger Haushalte zu erarbeiten. Dieses Konzept wird dem Gemeinderat bis Ende 2020 vorgelegt.


Auf Basis der Beratungsergebnisse hierzu und der aktuellen Steuerschätzungen wird die Verwaltung anschließend den notwendigen Nachtrag 2021 und die haushaltsrechtlich vorgeschriebene Fortschreibung der Finanzplanung vorbereiten.

Eine Fortschreibung des Stellenplans 2021 wird im Rahmen des parallel stattfindenden „Kleinen Stellenplanverfahrens“ vorgenommen.







Fritz Kuhn Thomas Fuhrmann
Oberbürgermeister Bürgermeister

Anlagen
1. Nachtragshaushaltssatzung 2020
2. Nachtragshaushaltsplan 2020
3. Ausführungsbestimmungen zum Doppelhaushaltsplan 2020/2021


Finanzielle Auswirkungen









Anlagen




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