Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
153
9a
VerhandlungDrucksache:
417/2012
GZ:
KBS/SJG
Sitzungstermin: 25.07.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh st
Betreff: Einrichtung von Schülerhäusern
- Pädagogisches Rahmenkonzept
- Standardfestlegung
- Umsetzungsschritte

Vorgang:

Jugendhilfeausschuss vom 16.07.2012, öffentlich, Nr. 53
Ergebnis: Verweisung ohne Votum / Vorberatung bzw. Beschlussfassung soll erst am 25.07.2012 erfolgen.

Verwaltungsausschuss vom 18.07.2012, öffentlich, Nr. 213
Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 25.07.2012, öffentlich, Nr. 268
Ergebnis: Vorberatung

Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Kultur, Bildung und Sport und des Referats Soziales, Jugend und Gesundheit vom 12.07.2012, GRDrs 417/2012, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem als Anlage 1 beigefügten "Pädagogischen Rahmenkonzept zur Arbeit in Schülerhäusern", das den Anspruch und die Haltung der Landeshauptstadt Stuttgart für dieses Angebot definiert, wird zugestimmt.

2. In den Schülerhäusern gelten die in Anlage 2 beschriebenen Standards.

3. Ab September 2012 werden, sobald alle personellen und sächlichen Voraussetzungen vorliegen, an folgenden Schulen weitere Schülerhäuser eingerichtet:

- Schwabschule im Stadtbezirk Stuttgart-West
- Grundschule Riedenberg
- Grund- und Werkrealschule Ostheim
- Ameisenbergschule in S-Ost
- Grundschule Kaltental
- Riedseeschule in S-Möhringen
- Steinbachschule in S-Vaihingen (Büsnau)
- Pestalozzischule in S-Vaihingen
- Neuwirtshausschule in S-Zuffenhausen 4. Der Auswahl der pädagogischen Partner (nicht städtische und städtischer Träger der Jugendhilfe) für diese Schülerhäuser wird zugestimmt.

5. Mit nicht städtischen Trägern werden individuell für jedes Schülerhaus Vereinbarungen abgeschlossen, in welcher die Finanzierung entsprechend der Standards (Beschlussantrag Nr. 2) und die Verpflichtung zur Arbeit nach dem sozialpädagogischen Rahmenkonzept (Beschlussantrag Nr. 1) festgelegt wird.

6. Von den Grundsätzen zum Besitzstand für die städtischen Mitarbeiter/innen wird zustimmend Kenntnis genommen.

7. Die Verwaltung des Jugendamts (städtischer Träger) wird ermächtigt, im Rahmen der im Doppelhaushalt 2012/2013 zur Verfügung stehenden Finanzmittel und unter Prüfung einer Einsatzmöglichkeit des vorhandenen Personals, baldmöglichst das für die Besetzung der Gruppen notwendige pädagogische Personal ohne Blockierung von Planstellen im Umfang von bis zu 20 Vollzeitstellen einzustellen bzw. bestehende Arbeitsverträge zu erhöhen. Über formale Stellenschaffungen wird im Stellenplanverfahren 2014/2015 entschieden. Die stellenplanrelevanten Veränderungen in den bestehenden Einrichtungen werden dargestellt.

8. Die Entgelte in den Schülerhäusern und das Essensgeld werden entsprechend den beigefügten Tabellen (Anlagen 2 und 3) erhoben.

9. Von der Kostenentwicklung und den im Abschnitt "finanzielle Auswirkungen" dargestellten Mehrkosten wird Kenntnis genommen. Neue Schülerhäuser werden nur im Rahmen der im Doppelhaushalt 2012/2013 zur Verfügung stehenden Mittel eingerichtet. Rechtzeitig zum Doppelhaushalt 2014/2015 wird aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse über die finanziellen Folgen und die anstehende weitere Entwicklung berichtet.

Weitere Beratungsunterlagen sind die Tischvorlagen für den Verwaltungsausschuss am 25.07.2012 sowie der gemeinsame Antrag Nr. 253/2012 der Gemeinderatsfraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (CDU) vom 20.07.2012 und der Antrag Nr. 258/2012 der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE vom 25.07.2012. Letzterer ist diesem Protokoll beigefügt.

Zunächst begründet StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) den Antrag seiner Fraktionsgemeinschaft. Bezüglich Ziffer 1 erklärt er, man habe sich in den Fraktionen darauf verständigt, diese Ziffer nicht zu beschließen. Darüber sollte dann in den Verhandlungen mit den freien Trägern gesprochen werden.

Stellungnahmen zu diesem Antrag

StRin Walker (90/GRÜNE) bestätigt die im Verwaltungsausschuss vereinbarte Ergänzung der GRDrs 417/2012 im Sinne der Tischvorlage, wobei der Begriff "positive Geschlechtsidentität" durch "selbstbewusste Geschlechtsidentität" ersetzt werde. Auch Ziffer 2 des Antrags könne ihre Fraktion mittragen. Ziffer 1 sollte aber im Zusammenhang mit der Vereinbarung mit den freien Trägern nochmals diskutiert werden. Ihre Fraktion sehe die sexuelle Orientierung zwar durchaus als Unterscheidungsmerkmal an, das aber bei Kindern im Grundschulalter noch verfrüht sei.

Diese Bewertung unterstreicht StRin Ripsam (CDU) nachdrücklich. Seine Fraktion könne dem Antrag mit Ausnahme der Ziffer 1 ebenfalls zustimmen, erklärt StR Reißig (SPD). StR Gulde (FW) lehnt den Antrag im Namen seiner Fraktion kommentarlos ab.

Seinem Ärger über das Vorgehen der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE macht StR Klingler (FDP) Luft. Nach eineinhalbstündiger Diskussion am Vormittag im Verwaltungsausschuss habe man sich auf den Kompromiss verständigt, den Begriff positiv durch selbstbewusst zu ersetzen. Er habe deutlich gemacht, dass seine Fraktion am Nachmittag im Gemeinderat keine kurzfristigen Anträge beantworten wolle, und dennoch sei ein solcher dann von der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE um 16:05 Uhr vorgelegt worden. Ziffer 1 sei nicht nachvollziehbar und bei Ziffer 2 wolle seine Fraktion die Formulierung in der Vorlage beibehalten, also "Vielfalt als Normalität" und nicht "Vielfalt als Bereicherung".

StR Dr. Schlierer (REP) lehnt diesen Antrag als Ausdruck "ideologischen Zwangsverhaltens" rundweg ab.

Zum Antrag ihrer Fraktion merkt StRin Küstler (SÖS und LINKE) noch an, Kinder würden sehr früh, wenn auch nicht unbedingt deutlich sichtbar, ihre eigene Identität herausbilden, wozu auch die sexuelle Orientierung gehöre. Das heiße nicht, dass man es von außen forcieren müsse, doch sollte man es als Teil der Realität zur Kenntnis nehmen und auch so vermitteln.

Stellungnahmen zur GRDrs 417/2012

Ergänzend zu ihrem Wortbeitrag im Verwaltungsausschuss betont StRin Walker, die Konzeption für die Übergangslösung Schülerhäuser solle als Basis für die Ganztagesschule weiterentwickelt werden. Wichtig ist ihr hierbei, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen und den Kindern optimale Fördermöglichkeiten zu bieten, um die individuellen Chancen von der Herkunft zu entkoppeln. Sie verweist nochmals auf den gemeinsamen Antrag Nr. 253, der im Verwaltungsausschuss mit einer kleinen Modifizierung beschlossen worden sei (siehe VA Niederschrift Nr. 268). Nun warte man gespannt auf die Vorlage zur Ganztagesschule. Die Eltern beschäftige hier vor allem die Gestaltung des Übergangs. Darüber hinaus müsse auch geklärt werden, wie die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit anderer Träger, die für eine reiche Landschaft vor Ort sorge, erfolgreich eingebunden werden könne.

Auch StRin Ripsam begründet nach einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Konzepts Schülerhäuser nochmals den gemeinsamen Antrag Nr. 253.

StR Reißig unterstreicht die Bedeutung der Schülerhäuser als Vorstufe für die Bildung von Ganztagesschulen, die seiner Fraktion aus den bereits von StRin Walker genannten Gründen - Chancengleichheit, individuelle Förderung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf - immer ein sehr wichtiges Anliegen gewesen sei. Vieles, was seine Fraktion angeregt habe, sei im Beratungsverlauf geklärt worden, unter anderem die Schlüsselrolle der Schulleitungen im Entscheidungsprozess, die Nachqualifizierung der Betreuungskräfte der Verlässlichen Grundschule und die Möglichkeit, Trägerschaften zu kündigen. Wichtiges Kriterium für die Träger sei für seine Fraktion, dass sie weltoffen und tolerant seien.

Die finanzielle Ausstattung der Träger müsse dem hohen Hortstandard angemessen sein, was mit dem Beschluss der Ziffer 2 des Antrags Nr. 253 im Verwaltungsausschuss gewährleistet werden solle. Dies halten die StRe Gulde und Klingler nicht für erforderlich. Ihre Fraktionen teilten hier die Auffassung der Verwaltung, die sehr schlüssig erläutert worden sei. StR Klingler erhofft sich dadurch auch ein besseres Kostenbewusstsein. Im Übrigen weist StR Gulde darauf hin, dass der Schulbetrieb eigentlich Sache des Landes sei und die Stadt hier in eine ordentliche Vorleistung gehe, die Kompromisse notwendig mache.

Die Ziffern 1 und 3 des gemeinsamen Antrags Nr. 253/2012 könne seine Fraktion akzeptieren, merkt StR Klingler an.

Auch StR Dr. Schlierer unterstützt diesen Antrag in den Ziffern 1 und 3 und auch er schließt sich bei Ziffer 2 der Verwaltung an. Sollte sich hier jemals ein Bedarf zum Nachjustieren ergeben, werde der Gemeinderat dann anhand vorgelegter Zahlen die notwendigen Anpassungen vornehmen.

Der weitere Ausbau der Schülerhäuser als Vorstufe für Ganztagesschulen stelle eine wichtige Richtungsentscheidung dar. Dennoch müsse manches in diesem Konzept kritisch hinterfragt werden. Das Ziel müsse mehr Chancengerechtigkeit sein, was bedeute, dass nicht nur die Schwächeren gefördert werden, sondern auch die Begabten. Die Eltern müssten frei wählen können, ob sie ihr Kind in eine Ganztagesschule schicken oder nicht. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei wichtig, doch müsse dabei das Wohl der Kinder maßgeblich bleiben und dürfe nicht hinter ideologischen Zwängen zurücktreten. Insofern ergebe der im Verwaltungsausschuss eingefügte Absatz für ihn keinen Sinn.

Die Schülerhäuser werden auch von StRin Küstler als ein erster Schritt auf dem Weg zur Ganztagesschule, die nicht für alle Kinder obligatorisch sein solle, befürwortet. Die Konzeption müsse jedoch noch weiterentwickelt werden, weg von der gegenwärtigen Ausprägung von vormittäglichem Unterricht und nachmittäglicher Betreuung. Inklusion sei zu gewährleisten und die Mitarbeiter der städtischen Horte müssten einbezogen und entsprechend fortgebildet werden.

In Zusammenhang mit dem gemeinsamen Antrag Nr. 253/2012 lässt OB Dr. Schuster zunächst über den weitergehenden mündlichen Antrag von StR Gulde, wieder zum ursprünglichen Beschlussantrag der Verwaltung zurückzukehren, abstimmen und stellt fest:

Der mündliche Antrag wird bei 14 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Beim Antrag Nr. 258/2012 ziehen StR Rockenbauch und StRin Küstler die Ziffer 1 zurück. OB Dr. Schuster stellt klar, dass dieser Punkt damit auch nicht in die Trägerverhandlungen eingebracht wird.

Im Zusammenhang mit Ziffer 2 dieses Antrags, "Vielfalt als Bereicherung" anzuerkennen, lässt er zunächst über den mündlichen Antrag von StR Klingler abstimmen, die Formulierung "Vielfalt als Normalität" der Verwaltungsvorlage beizubehalten. Er stellt fest:

Dieser Antrag wird bei 14 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich abgelehnt. Damit ist die Formulierung "Vielfalt als Bereicherung" beschlossen.

Abschließend stellt er fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 417/2012 mit den genannten Änderungen bei 1 Gegenstimme mehrheitlich.

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