Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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43a
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
Sitzungstermin: 25.04.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Vorstellungsrede anlässlich der Wahl der Beigeordneten für Kultur, Bildung und Sport

Die Rede von BMin Dr. Eisenmann anlässlich ihrer Bewerbung um die Wiederwahl als Beigeordnete für Kultur, Bildung und Sport (Wahlvorgang s. NNr. 43) wird nachstehend im Wortlaut wiedergegeben.

BMin Dr. Eisenmann:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stelle mich heute sehr gerne Ihnen vor für eine weitere Amtszeit als Beigeordnete für Kultur, Bildung und Sport hier in Stuttgart. Gerade auch deshalb sehr gerne, weil es mir in den vergangenen acht Jahren mit Ihnen gemeinsam viel Freude gemacht hat, diese Bereiche zu gestalten, hier in Stuttgart zu wirken. Und deshalb möchte ich mich zuallererst auch bei Ihnen, dem Stuttgarter Gemeinderat, für die stets konstruktive und offene Zusammenarbeit in den vergangenen acht Jahren bedanken.

Die Bereiche Kultur, Bildung und Sport sind geprägt von gesellschaftlichen Veränderungen und von neuen gesellschaftlichen Herausforderungen. Und ich glaube, wir haben in den vergangenen Jahren gemeinsam in diesen Bereichen sehr viel erreicht. Benennt man einen übergeordneten Begriff, der prägend ist für alle diese drei Bereiche, ist es vielleicht der Begriff der Entwicklungsplanung. Eine etwas sperrige Bezeichnung, zugegebenermaßen, aber wie ich finde, sehr treffend im Inhalt: Weiterentwickeln, um das Vorhandene zukunftsfähig zu machen und veränderte gesellschaftliche Bedarfe durch ergänzte und neue Angebote abzubilden. Konkret bedeutet dies, im Kulturstandort Stuttgart haben wir Vieles schon sichtbar - optisch - weiterentwickelt. Die Renovierung des Gustav-Siegle-Hauses, heute die Heimat unserer Stuttgarter Philharmoniker, des BIX, der Galerie Kunstbezirk, unsere neue Stadtbibliothek am Mailänder Platz oder der Umzug des Stadtarchivs an den Bellingweg. Hingewiesen sei als Beispiel auch auf die Eröffnung des Stadtmuseums Bad Cannstatt. Dies sind nur Beispiele der vergangenen Jahre, aber auch in Zukunft, in den nächsten Jahren, stehen wichtige zentrale Projekte für den Kulturstandort Landeshauptstadt an: das Thema Stadtmuseum im Wilhelmspalais, die konzeptionelle Ausgestaltung des Hotels Silber oder auch die Frage nach der Schaffung von Räumen für Tanz, Theater, Musik und Film. Da haben wir für diesen Bereich sicher alle gemeinsam noch keine befriedigende Lösung entwickeln können.

Die übergeordnete inhaltliche Herausforderung lautet aus meiner Sicht 'Kulturelle Bildung und kulturelle Teilhabe'. Das heißt: Wie können wir Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft den Zugang zu, oft aber auch erst den Wunsch nach kultureller Bildung erfolgreich vermitteln? Wie gelingt die stärkere Vernetzung mit unseren Bildungseinrichtungen? Welche neuen, welche veränderten Angebote, muss der demografische Wandel mit sich bringen? Wie stärken wir interkulturelle Angebote? Und mit welchen Konzepten gelingt uns inklusive Kulturarbeit? An diesen Themenstellungen orientiert sich auch der Prozess 'Kultur im Dialog' als Forum aktiver Bürgerbeteiligung und auch der von der Kulturverwaltung erarbeitete Kulturentwicklungsplan. Über beides wird in den nächsten Monaten diskutiert werden und wir werden daraus gemeinsam Handlungsempfehlungen für die folgenden Jahre entwickeln. Ein wichtiger Schwerpunkt für mich ist in diesem Bereich auch die Weiterentwicklung der Kulturverwaltung zum Dienstleister im Bereich der Kulturpädagogik. Mit dem konkreten Ziel, Hilfestellung - organisatorisch wie inhaltlich - zur Vernetzung unserer Kultureinrichtungen, wie Schulen, Kitas und vielen weiteren Partnern, analog zu den genannten Themen zu entwickeln.

Und bei all diesem, den inhaltlichen Herausforderungen, den anstehenden neuen - auch baulichen - Projekten, dürfen wir nicht vergessen, was die Basis all dessen ist, nämlich die Arbeit unserer bestehenden Kultureinrichtungen, die seit vielen Jahrzehnten in Stuttgart tolle Arbeit leisten. Mit 242 € Kulturausgaben pro Kopf pro Einwohner steht Stuttgart übrigens im bundesweiten Vergleich hervorragend da. Nichtsdestotrotz dürfen wir unsere bestehenden Einrichtungen nicht vergessen. Und deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, strukturelle Defizite in diesem Haushalt, aber auch in kommenden Haushalten, konsequent anzugehen. Wenn 'kulturelle Bildung und kulturelle Teilhabe' eine zentrale Themenstellung der Zukunft ist, dann setzt dieses zwingend Bildungsgerechtigkeit voraus, faire Bildungschancen, unabhängig von sozialer Herkunft.

Der vom Gemeinderat und der Verwaltung eingeleitete Schulentwicklungsprozess ist daher auch künftig von höchster Bedeutung. Denn neben sozialen und demografischen Verschiebungen in unserer Gesellschaft gilt es vor allem auch, bildungspolitische Veränderungen zu berücksichtigen. Große Herausforderungen stellen sich uns durch ein verändertes Übertrittsverhalten auf weiterführende Schulen, die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen, G8 und G9 und die Entwicklung unserer Gymnasien insgesamt oder auch die inhaltliche Unterstützung unserer Realschulen. Und neben der Schulentwicklungsplanung für die allgemeinbildenden Schulen, an der wir jetzt und auch in Zukunft gemeinsam arbeiten, läuft momentan der Schulentwicklungsplan für unsere beruflichen Schulen. Gerade für den Standort Stuttgart, für den Wirtschaftsstandort, den Ausbildungsstandort Stuttgart, für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen ist das ein ganz wichtiges Thema. Wir erwarten die Ergebnisse in diesem Herbst und werden uns dann gemeinsam an die Handlungsempfehlungen für die nächsten Jahre im beruflichen Schulwesen machen müssen.

Ich bin dem Gemeinderat auch sehr dankbar für seine Entscheidung, parallel zu dieser Schulentwicklungsplanung ein umfassendes Schulsanierungsprogramm zu schalten. Sie wissen, ich war selbst elf Jahre im Gemeinderat hier in Stuttgart, und deshalb weiß ich, welche Fülle - gerade in Haushaltsplanberatungen - auf einen hereinstürzt an Wünschen, an Bedarfen in völlig unterschiedlichen politischen Themenfeldern, Aufgabenstellungen, die nicht leicht sind. Und ich weiß auch, was ein ehrenamtlicher Gemeinderat in diesem Bereich leistet, auch die stete Abwägung. Und deshalb finde ich es eine ganz hervorragende Entscheidung, die Ihnen auch nicht leicht gefallen ist in der Gesamtabwägung, rund 480 Mio. € in mehreren Jahrestranchen für Schulsanierungen einzusetzen. Und dieses ist, gerade auch vor dem Hintergrund der Bedarfe, die eine Großstadt wie Stuttgart insgesamt hat, eine ganz herausragende Entscheidung, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Nach aktuellem Stand sind es 1.665 Maßnahmen, die im Sanierungsprogramm abgearbeitet werden müssen. An dieser Stelle möchte ich mich auch ausdrücklich beim Kollegen Thürnau und der Hochbauverwaltung für die tolle Zusammenarbeit bedanken. Das ist ein ganz schönes Paket, was wir alle gemeinsam da stemmen dürfen.

Inhaltlich und finanziell wegweisend war der kürzlich gefasste Grundsatzbeschluss zur Schulkindbetreuung und der flächendeckenden Einführung von teilgebundenen Ganztagesgrundschulen. Und es waren heftige Diskussionen, wir wissen das. Wir haben viele Wochen und viele Stunden in den unterschiedlichen Ausschüssen um dieses Thema gerungen. Ich glaube aber, dass dieses Ringen und die inhaltliche Auseinandersetzung diesem Beschluss sehr, sehr gutgetan haben. Und deshalb ganz herzlichen Dank für die Einmütigkeit in dieser Beschlusslage. Ich möchte mich auch ausdrücklich bedanken, denn ich weiß, es ist nicht immer ganz leicht mit mir, und ich habe da manchmal einen ganz schönen 'Dickkopf', aber ich freue mich, dass wir insgesamt gerade auch bei diesem so wichtigen und auch emotionalen Thema 'an einem Strang gezogen' haben.

Wegweisend ist dieser Beschluss in doppelter Hinsicht. Finanziell, wir reden hier von Investitionskosten im Endausbau von 230 Mio. € und laufenden Betriebskosten dann im Jahr von 38 Mio. €, und inhaltlich wegweisend, weil wir ein pädagogisches Rahmenkonzept beschlossen haben, das heute schon landesweit als vorbildlich gilt. Und deshalb auch an dieser Stelle meinen Dank an die Kollegin Fezer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SJG für die inhaltliche Zusammenarbeit. Ganz ausdrücklichen Dank auch an den Kollegen Föll und sein Team von WFB für das stete Nachrechnen und für das stete Nachkontrollieren und trotzdem das konstruktive Begleiten angesichts dieser Summen, von denen wir da reden. Und diese Themen werden natürlich auch in den kommenden Jahren das Themenfeld der Bildungspolitik insgesamt beherrschen.

Hinzu kommt eine große Aufgabenstellung, nämlich wie es uns gelingt, die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern zum Wohle aller umzusetzen: Inklusion. Aber nicht nur als Realisierung irgendeines Maßnahmenkatalogs, sondern Inklusion muss gelebt werden, muss in dieser Gesellschaft verankert sein, muss Selbstverständlichkeit werden in unserer Gesellschaft. Und ich glaube, das ist die größte Herausforderung, vor der wir gemeinsam stehen.

Wirkliches inklusives Miteinander ist auch im dritten Bereich, im Bereich des Sports, ein wichtiges Thema. Der Sport ist das verbindende Element in unserer Gesellschaft. Sportvereine, wie natürlich auch Kulturvereine, stellen weit über das reine Sportangebot in den einzelnen Stadtbezirken hinaus ein ganz wichtiges Angebot. Und im Bereich der Inklusion müssen wir gemeinsam mit den Sportvereinen ein Konzept entwickeln, wie aus dem Nebeneinander ein wirkliches Miteinander im Sport treiben, aber auch im Vereinsleben werden kann. Denn die Vereine haben hier eine entscheidende Rolle, sie sind, wie ich sagte, bedeutsam für gesellschaftliches Zusammenwachsen in jeder Hinsicht und deshalb das Bindeglied und der wichtige Faktor in all unseren Stadtbezirken vor Ort. Und deshalb ist die Stärkung unserer Vereinslandschaft trotz sich verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ganz entscheidend, um auch in Zukunft unserer Gesellschaft den Rahmen bieten zu können, den sie brauchen wird.

In zwei Bereichen haben wir dieses auch konkret begonnen und gemeinsam erarbeitet. Zum einen haben wir in der Sportentwicklungsplanung zwölf Handlungsfelder gemeinsam entwickelt, auch mit den Sportvereinen in vielen Sitzungen, zwölf definierte Handlungsfelder, die wir umsetzen. Hingewiesen sei nur auf 'Kita fit' oder auf das aktuelle EU-Projekt 'Fit im Alter'. Die Umsetzung dieser Handlungsfelder, die wir entwickeln und erarbeiten, erfolgt durch die Sportverwaltung in den Stadtbezirken, in Netzwerken, an Runden Tischen, wo alle Beteiligten, die in einem Stadtbezirk eine Rolle spielen - Vereine, Schulen, Kitas, Kirchen, Jugendverbände - überlegen: Wie können wir dieses erfolgreich für die Menschen im Stadtbezirk herunterbrechen?

Der zweite Teil, wo wir dieses begonnen haben, war die Überarbeitung unser Sportförderrichtlinien. Ich weiß, ich war mit vielen von Ihnen über ein Jahr lang in mindestens drei Klausursitzungen, es war ein großes Ringen und es gab viel Skepsis. Gemeinsam haben wir gerade auch mit den Sportvereinen, dem Sportkreis veränderte finanzielle Förderansätze, die den Vereinen konkret helfen, zukunftsfähige Angebote durch vermehrte Kooperationen zu entwickeln und sich dadurch breiter aufzustellen für alle gesellschaftlichen Gruppen und Schichten, entwickeln können.

Ein weiteres Thema der Sportförderrichtlinien, bei dem wir sicher noch Handlungsbedarf in Zukunft haben werden, ist das Thema des ungebundenen Sports, den wir mit berücksichtigt haben, aber die Frage, wie wir auf Trendsportarten der Zukunft reagieren können, ist sicher noch etwas, wo wir uns anstrengen müssen. Dass dieses Jahr die Downhill-Strecke eröffnet wird, ist ein gutes Beispiel, hat ja - unter uns gesagt - auch lange genug gedauert.

Und auch hier gilt: Neben den inhaltlichen Themen darf die Sportinfrastruktur nicht vergessen werden. Wichtig waren in den letzten Jahren die Sanierung und Erweiterung der Molly-Schauffele-Halle, gerade auch für unseren Olympia-Stützpunkt. Der Oberbürgermeister wird sie im September eröffnen. Ebenfalls wichtig waren der Umbau des Stadions Festwiese und die Aufgabenstellung an uns, vermehrt auch wieder leichtathletische Angebote in unsere Stadt zu holen, die SCHARRena, eine tolle Ergänzung zur Porsche-Arena, zur Schleyerhalle, gerade für sogenannte Randsportarten, die dort eine tolle Basis finden, und, das möchte ich ausdrücklich erwähnen, die anstehende Entscheidung über ein Sportbad mit 50 m-Becken ist für die Sportstadt Stuttgart eine ganz zentrale Entscheidung. Und künftig, auch das muss man sagen, gilt es, wie im kulturellen Bereich auch, die Basis nicht zu vergessen. Wir müssen auch in Zukunft mit unseren Sportvereinen die Sportanlagen weiter ertüchtigen und auch neu ordnen, weil das die Basis ist, wo die Sportvereine ihre Arbeit leisten - im Angebot, aber auch gesellschaftlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, in allen Bereichen gibt es aus meiner Sicht noch vielfältige und spannende Aufgaben, die anstehen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen drei Ämtern bedanken. Wir haben viele Themen und viele Konzepte und ich weiß, mir kann es manchmal nicht schnell genug gehen. Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, wie toll die Zusammenarbeit in allen Bereichen in den vergangenen Jahren war, und ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit Ihnen als Gemeinderat, natürlich mit dem Oberbürgermeister, den Kolleginnen und Kollegen Bürgermeistern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung weiter mit so viel Freude an diesen Themen arbeiten dürfte. Deshalb bitte ich um ihr Vertrauen für eine weitere Amtszeit. Danke schön."



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