Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
644/2013
GZ:
WFB 9011-00.00
Sitzungstermin: 18.07.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Bürgerhaushalt Stuttgart
Verfahren zur Beteiligung der Bürger an der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2014/2015

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 04.07.2013, GRDrs 644/2013. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


In ihren Ausführungen bewertet StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) die Entwicklung beim Bürgerhaushalt positiv. Die Bürgerinnen und Bürger hätten beim jetzt zweiten Bürgerhaushalt sehr gut mitgemacht. Die Online-Diskussionen hätten sich verbessert und seien zahlreicher geworden. An dieser Stelle spricht sie namens ihrer Fraktion ein Lob gegenüber der Verwaltung, insbesondere gegenüber der Abt. Kommunikation, für die gelungene Werbung zur Beteiligung am Bürgerhaushalt aus. Außerdem anerkennt sie die Weiterentwicklung des Verfahrens, wobei die Multiplikatoren und die Einbeziehung der Bezirke sich positiv ausgewirkt hätten.

Ihre Fraktion werde jetzt die Vorschläge sorgfältig auswerten und auch unter den Kriterien der Nachhaltigkeit nochmals durchleuchten. Auch mit den Stellungnahmen der Verwaltung werde sich ihre Fraktion, im Einzelfall vielleicht auch kritisch, beschäftigen.

Überlegt werden müsse auch die Weiterentwicklung des Verfahrens, beispielsweise wie Vorschläge zu ähnlichen Themen zusammengeführt werden können. Als Beispiele nennt die Stadträtin Vorschläge im Zusammenhang mit Stuttgart 21 (Platz 15: Streichung aller städtischen Mittel für die "Öffentlichkeitsarbeit S 21"; Platz 19: "Stuttgart 21 - Werbung dazu stoppen"; Platz 30: "Kein Geld für das Stuttgart 21-Turmforum im Stuttgarter Hauptbahnhof").

Der Bürgerhaushalt sei "ein kleiner Meilenstein" für eine lebendige Demokratie, resümiert StRin Deparnay-Grunenberg. Die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger seien interessiert und engagiert und ihre Fraktion sei für die Vorschläge offen. Beschlossen werden müsse der Haushalt aber vom Gemeinderat, der darauf achten müsse, dass dieser genehmigungsfähig ist.

Seine Fraktion sei erfreut darüber, dass die Bürgerinnen und Bürger sich im Rahmen des Bürgerhaushalts verstärkt mit Ideen, aber auch mit Bewertungen engagiert haben, erklärt StR Kotz (CDU).

Bei der Fortführung des Bürgerhaushalts müsse nach Meinung seiner Fraktion darauf geachtet werden, dass die Bezirksbeiräte nicht in eine Abseitsstellung gebracht werden, wo sie von den Bürgerinnen und Bürgern im Direktverfahren überholt werden. Die Bezirksbeiräte erbrächten das ganze Jahr über großes ehrenamtliches Engagement, oft auch zu weniger interessanten Themen, die aber auch in den Bezirken bearbeitet werden müssen; deshalb müsse darauf geachtet werden, dass sie im Rahmen der Haushaltsdiskussionen auch beachtet werden.

Für seine Fraktion stelle sich hinsichtlich der Negativstimmen die Frage, ob diese im nächsten Bürgerhaushalt herausgenommen werden könnten. Er verweist auf einen Antrag seiner Fraktion hierzu. Wenn zumindest diese zwei Punkte beim nächsten Mal mit berücksichtigt würden, werde seines Erachtens das Verfahren des Bürgerhaushalts noch wesentlich besser, schließt StR Kotz seine Wortmeldung ab.

Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Bürgerhaushalt ist für StR Reißig (SPD) ein "richtig schöner Erfolg". Innerhalb kurzer Zeit sei der Bürgerhaushalt ein zentraler Bestandteil der kommunalen Beteiligungskultur geworden. Auch seine Fraktion werde selbstverständlich die Vorschläge ernst nehmen und in der Fraktion diskutieren. Allerdings müsse der Gemeinderat im Rahmen der Haushaltsplanberatungen entscheiden, was unterstützt wird und was nicht unterstützt werden kann. Seine Fraktion werde, wie beim letzten Mal, in ihren Anträgen Bezug darauf nehmen, was die Vorschläge des Bürgerhaushalts betreffe.

Seine Fraktion wolle, bei aller Freude über den Erfolg, auch dieses Mal das Verfahren des Bürgerhaushalts weiterentwickeln, so StR Reißig. Es komme darauf an, dass der Bürgerhaushalt "in die Breite und Tiefe" der Stadt weiterkommuniziert werde, damit durch alle sozialen Schichten die Menschen überhaupt von diesem Verfahren erfahren und die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Mit diesem Thema werde sich die entsprechende Arbeitsgruppe, die hoffentlich fortgesetzt werde, zu beschäftigen haben. Mit dem Hinweis, dass seine Fraktion den Bürgerhaushalt maßgeblich mit auf den Weg gebracht hat, kündigt StR Reißig die Zustimmung seiner Fraktion zur GRDrs 644/2013 an.

StR Zeeb (FW) beginnt seine Wortmeldung mit dem Hinweis, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Wünsche zum Bürgerhaushalt ohne die Kenntnis der von EBM Föll dargestellten Haushaltssituation geäußert haben. Seine Fraktion sehe das Verfahren des Bürgerhaushalts nach wie vor kritisch, auch aufgrund der Negativerscheinungen, dass einige Wünsche über interne Wettbewerbe manipuliert worden seien. Eine interessante Frage sei für seine Fraktion nach wie vor auch, wie ernst Gemeinderat und Verwaltung die Wunschliste nehmen, insbesondere Platz 2 "Senkung der Grundsteuer". Für seine Fraktion sei nach wie vor unklar, ob den Bürgern mit dem Instrument des Bürgerhaushalts tatsächlich ein Gefallen getan werde, oder ob ein Mitspracherecht, teilweise über die Bezirksbeiräte hinweg, "vorgegaukelt" werde, das im Grunde keines sei. Für bedauerlich halte seine Fraktion es auch, dass z. B. das Thema, wo die Bürgermeister Möglichkeiten zur Einsparung sehen und wo Sparideen verwirklicht werden könnten, nur mit einem sehr geringen Prozentsatz angenommen worden sei. Die Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion sei gespannt, welche der Wünsche im Dezember d. J. noch übrig bleiben, wenn der Gemeinderat anstrebe, einen ausgeglichenen und genehmigungsfähigen Haushalt zu verabschieden.

StR Klingler (FDP) äußert sich positiv zur erfolgten Weiterentwicklung des Bürgerhaushalts. Es seien sehr viele, sehr gute Ideen eingegangen, mit denen sich die FDP-Gemeinderatsfraktion beschäftigt habe und die sicherlich in irgendeiner Form in die Arbeit der Fraktion einfließen werden. Angesichts der gewünschten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Haushalt tue man sich, wenn auf Platz 2 die Absenkung der Grundsteuer auftauche, schwer mit der entsprechenden Erklärung dieses Themas. Seine Fraktion sei auch gespannt auf die Reaktionen anderer Fraktionen hierzu. Seine Fraktion stehe in allen Punkten zum Bürgerhaushalt und werde die GRDrs 644/2013 zur Kenntnis nehmen.

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) dankt allen Beteiligten der Verwaltung, die an der Erstellung der Vorlage beteiligt waren, sowie den sehr engagierten Bürgerinnen und Bürgern für ihren Ideenreichtum. Es sei sehr erfreulich, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich an diesem Haushalt zu beteiligen, so gestiegen ist. Er meine, dass dies auch ein Auftrag für den Gemeinderat sei, grundsätzlich darüber nachzudenken, wie der Haushalt weiterentwickelt werden könne.

Kritisch äußert sich der Stadtrat dazu, dass das Zusammenfassen von Vorschlägen noch nicht richtig geklappt hat und dass Vorschläge abgewertet werden könnten. Für einen solidarischen Aushandlungs- und Lernprozess der Bürgerinnen und Bürger erachte seine Fraktionsgemeinschaft die Durchführung von Beteiligungsveranstaltungen als wünschenswert, und zwar nicht nur online, sondern auch offline, real vor Ort. Wenn angestrebt werde, breitere gesellschaftliche Schichten zu erschließen, sei es seines Erachtens notwendig, auch über die Verbindlichkeit des Ganzen nachzudenken, da in der Vorlage ausgeführt sei, dass Vorschläge nur dann in die Haushaltsplanberatungen kämen, wenn sie von den Fraktionen des Gemeinderats innerhalb eines Haushaltsantrags aufgegriffen würden.

Zur Weiterentwicklung des Verfahrens gibt es nach Ansicht von StR Rockenbauch Möglichkeiten, die geprüft werden müssten, wie z. B. Synergieeffekte, indem beispielsweise die Stadtbezirke durch die Direktwahl der Bezirksbeiräte gestärkt würden, diesen ein eigenes Budget gegeben würde und dieses Budget gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern in einem echten Bürgerhaushalt entwickelt würde. Diesem Prozess könnte, immer zeitversetzt zu den Haushaltsplanberatungen, in dem Jahr, in dem keine Haushaltsplanberatungen stattfinden, mehr Zeit gegeben werden. Diese Überlegungen würde seine Fraktionsgemeinschaft gerne bis zum nächsten Bürgerhaushalt weiterentwickeln, um ein etwas verbindlicheres, verantwortungsvolleres Instrument schaffen zu können. Seine Fraktionsgemeinschaft freue sich, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, diesen Schritt weiterzugehen, damit es in Zukunft in Stuttgart nicht eine Bürgerwunschliste, sondern einen Bürgerhaushalt gibt.

An StR Rockenbauch gewandt macht StR Dr. Schlierer (REP) darauf aufmerksam, dass, wenn eine Direktwahl der Bezirksbeiräte und Veränderungen in der Kommunalverfassung gewollt würden, der Landtag hiermit befasst werden müsste.

Zum Bürgerhaushalt merkt StR Dr. Schlierer an, dass trotz der Skepsis bei manchen Leuten, dass die Enttäuschung mancher, die sich um entsprechende Vorschläge bemüht und sie eingebracht haben und die letztlich keine Berücksichtigung gefunden hätten, nicht dazu geführt habe, dass die Beteiligung abgenommen habe. Im Vergleich zu anderen Städten habe in Stuttgart die Teilnehmerzahl am Bürgerhaushalt deutlich zugenommen. Das Interesse sei größer geworden, wozu sicherlich auch die intensive Bewerbung des Verfahrens beigetragen habe.

Auch in Zukunft werde die Problematik bestehen bleiben, dass die im Rahmen des Bürgerhaushalts vorgebrachten Vorschläge nicht alle berücksichtigt werden können, da nicht alles finanzierbar sei. Dies werde sicherlich immer wieder dazu führen, dass manche Leute, die sich im Rahmen des Bürgerhaushalts engagieren, dann unzufrieden sein werden, wenn die Vorschläge nicht berücksichtigt werden. Dennoch sollte das Verfahren im Rahmen des Bürgerhaushalts noch weiter verbessert werden. Wichtig für den Gemeinderat sei sicherlich, dass er mit dieser Wunschliste auch einen Gradmesser erhalte, welche Dinge für die Stadtgesellschaft von Bedeutung sind.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass im Herbst d. J. eine Art Evaluierung des Verfahrens durchgeführt wird, wozu alle Änderungswünsche im Hinblick auf mögliche Verbesserungen willkommen seien. Daraus werde dann das Verfahren für den dritten Bürgerhaushalt entwickelt.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat hat von der GRDrs 644/2013 Kenntnis genommen.

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