Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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198a
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 25.10.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Vorstellungsrede anlässlich der Wahl des Beigeordneten für Städtebau und Umwelt

Die Rede von BM Hahn anlässlich seiner Bewerbung um die Wiederwahl als Beigeordneter für Städtebau und Umwelt (Wahlvorgang siehe Niederschrift Nr. 198) wird nachstehend im Wortlaut wiedergegeben.


BM Hahn:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, ich danke für die freundliche Einladung, mich hier vorstellen zu dürfen. Ich bin 1964 als Immigrant aus der Kurpfalz nach Stuttgart gekommen, durchaus mit gemischten Gefühlen, aber es war Liebe auf den ersten Blick. Wer nach Motiven für meine Bewerbung sucht, mag sie hier finden.

Seit 1973, damals als stellvertretender Bezirksbeirat in Mitte habe ich an der Gestaltung dieser Stadt mitwirken dürfen. Stuttgarts herausragendes Merkmal ist der Grünflächenanteil von über 50 % im Stadtgebiet, mehr als in jeder anderen deutschen Großstadt. Fast 40 % des Stadtgebiets stehen unter Landschafts- oder Naturschutz. Das zeigt sich im Stadtbild und im Lebensgefühl der Stadtbewohner, und deshalb ist mit diesem Bereich vorsichtig gestaltend und pfleglich umzugehen. Aber umso heftiger stoßen sich die Dinge gelegentlich im darüber hinaus verbleibenden Raum.

Wir sind vielfältiger Hochschulstandort und haben gleichzeitig einen guten Anteil an stabilen Industriebetrieben, von denen einige, wie z. B. Porsche, gerade mit unserer Unterstützung die Erweiterung ihrer Produktion vorantreiben. Wir sind gesuchter Wohnstandort in der Halbhöhe, in den Innenstadtbereichen und der vielfältigen Welt der Außenbezirke. Wir sind Kulturstadt, Einkaufsstadt, Dienstleistungsstadt, Sportstadt. Wir haben ein glänzend ausgebautes Nahverkehrsnetz und haben dennoch eine hohe Individualverkehrsdichte mit partiell unzuträglichen Auswirkungen. Dies alles möglichst gleichzeitig im Blick zu behalten und eine gerechte Balance unter Verbesserung der Verhältnisse herzustellen, ist eine der Aufgaben der Stadtplanung. Dazu ist sie immer wieder auf die Mitwirkung der Bürger angewiesen. Und das ist kein neues Phänomen, auch wenn man es manchmal glaubt, wenn wir heute darüber diskutieren.

Zu den zahlreichen Ausspracheabenden zur Entwicklung des Bohnenviertels erschienen Mitte der 70er Jahre bis zu 200 Menschen, und trotz der Aufgabe der Pläne für das Technische Rathaus in dem Bereich stand immer wieder die Frage im Raum: Wie viel Veränderung erträgt der Mensch in seiner Umgebung und wird es hinterher besser? Und es ist gut geworden.

Der Workshop zur Gestaltung der neuen Mitte von Vaihingen war für mich in meiner ersten Amtszeit eine nachhaltige Erfahrung, weil es im Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Bürgern - Bürger und Verwaltung auf derselben Seite - gelungen ist, eine drohende Fehlentwicklung zu verhindern und einen neuen Investor zum Partner einer gelungenen Entwicklung zu machen.

In der gerade abgeschlossenen Bürgerwerkstatt Wohnen an der Roten Wand am Killesberg haben wir gemeinsam entspannt die noch offenen Möglichkeiten erörtert. Früher am Killesberg einberufene Versammlungen verliefen dagegen gelegentlich schon hektischer. Ich will damit sagen, da es viele vielfältige Konstellationen in dieser Welt gibt, sind auch die Methoden der Bürgerbeteiligungen in jedem Fall anders und sind verschiedene Ansätze zu wählen.

Mit dem Beschluss zum geltenden Flächennutzungsplan im Jahr 1999 und im Übergang zum Grundsatz 'innen vor außen', haben wir weitgehend auf den Weg verzichtet, Lösungen zulasten von Landschaft und Natur zu suchen, und den Innenbereich trotzdem nicht zu überfordern. Als Beispiel nenne ich den Rahmenplan Halbhöhe von 2007, wo nach den klimatischen Empfehlungen des Umweltamts die Stadtplanung sensibel zu behandelnde Bereiche markiert oder gar rechtlich festgesetzt hat, und das Baurechtsamt nun in seiner täglichen Praxis die Überbauung der Grundstücke im Rahmen der Vorgaben hält.

Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell SIM, das wir im letzten Jahr eingeführt haben, soll die Chancen des Wohnens allgemein, aber auch für Bevölkerungsgruppen erhöhen, die in unserer reichen Stadt an den Rand gedrängt zu werden drohen. Wir sind im Augenblick mit immerhin 17 Verfahren noch in der Erprobungsphase, an deren Ende wir für Anregungen offen sind. Ich möchte nicht versäumen, bei der Gelegenheit daran zu erinnern, dass wir bei der Überplanung eigener Flächen frei sind, den Anteil des geförderten Wohnraums auch zu erhöhen. Dieser Tage einigen wir uns auch darüber, zu welchen Bedingungen wir Baugrundstücke an Baugemeinschaften vergeben, z. B. im Olga-Areal im Westen. Die Baugemeinschaft ist eine Bereicherung der Wohnungsszenerie der Stadt, was Architektur und Qualität des Zusammenlebens angeht. Die Befriedigung der Wohnbedürfnisse vieler Menschen in der gesamten Stadt setzt Verdichtung in Baulücken und untergenutzten Bereichen, Umnutzung von Gebäuden und Brachen voraus. In der Zeitstufenliste Wohnen und im nachhaltigen Bauflächenmanagement haben wir eine Vielzahl dafür notwendiger Flächen identifiziert. Das gilt übrigens auch für gewerbliche Flächen.

Dies verstärkt die positive Tendenz zur Stadt der kurzen Wege, setzt aber auch eine ernsthafte Abwägung mit den Belangen der Klimasituation in der Stadt voraus. Ich leite dem Gemeinderat gerade eine Vorlage mit Vorschlägen zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu. Diese Strategie der Folgenminderung läuft parallel zu unseren zahlreichen Beiträgen zur Vermeidung weiteren Klimawandels. Stichwort ist unter anderem seit 1997 das Klimaschutzkonzept KLIKS mit seiner breiten Palette an städtischen Maßnahmen. Das geht von der Versorgung der städtischen Gebäude ausschließlich mit Ökostrom seit zwei Jahren bis zum vom Gemeinderat gut dotierten städtischen Contractingmodell mit seinem kumulierten Rückfluss von bisher 14 Mio. €. In diesem Zusammenhang liegt mir das Gebiet Neckarpark auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Bad Cannstatt, das viele Themen vereinigt, besonders am Herzen. Dort soll ein Wohn- und Dienstleistungsquartier entstehen, das der Vorstellung vom CO2-freien Quartier nahekommt. Ein Energiekonzept, das den Wärmebedarf vollständig aus dem vorhandenen Abwasserhauptsammler deckt, ist bereits konzipiert. An den weiteren Qualitäten des Gebiets müssen wir noch gemeinsam arbeiten. Die begonnene Reihe von Workshops unter Einbeziehung der Nachbarn werden wir fortsetzen. Der Neckarpark ist die Vorübung für die Entwicklung des Rosensteinviertels.

Zu Recht hat die Feinstaubbelastung und mögliche Abhilfemaßnahmen im zurückliegenden OB-Wahlkampf eine Rolle gespielt. Stichwort Parkraummanagement. Zurzeit laufen die Untersuchungen für die Ausweitung des Parkraummanagements in den Stadtgebieten Mitte, Süd, Nord, Ost und im inneren Bereich von Bad Cannstatt. Die Erhebung für die Bezirke Nord und Ost ist inzwischen abgeschlossen. Nach Auswertung aller Erhebungen rechnen wir mit Ergebnissen im März 2013, rechtzeitig zu den nächsten Haushaltsberatungen.

Stichwort Radverkehr. In Fahrt gekommen sind wir mit dem Ausbau des Radverkehrs. Inzwischen stehen 2,4 Mio. € im Jahr zur Verfügung. Das ist durchaus ausbaufähig. Für eine wichtige Maßnahme halte ich den Ausbau der Tübinger Straße, jenseits der Paulinenbrücke stadtauswärts als Radverkehrsstraße.

Stichwort Nahverkehr. Allein in den städtischen Nahverkehr hat die SSB AG von 1998 bis 2011 insgesamt 552 Mio. € investiert. Das Zweieinhalbfache von dem, was die Stadt im selben Zeitraum in große Straßenprojekte gesteckt hat. Im Bau ist die Strecke durchs Europaviertel und in den Hallschlag, die Strecke nach Dürrlewang wird unmittelbar folgen. Die Frage ist, in welchem Maße eine weitere Verlagerung von Fahrten zum ÖPNV durch Verdichtung von Taktzeiten erreicht werden kann.

Stichwort Tempolimit. Tempo 40 wird vermutlich keine so große Rolle spielen, weil wir schon in den letzten Haushaltsberatungen im Zusammenhang festgestellt haben, dass es im Wesentlichen ein Thema von Bergaufstrecken ist. Deshalb machen wir da auch den Versuch. Allerdings kann ich mir Tempo 50 auf der Hochstraße in Zuffenhausen und vergleichbaren Straßen durchaus vorstellen.

Besonderen Spaß macht mir nach wie vor die Entwicklung der Gebiete der Sozialen Stadt. Für Freiberg, Mönchfeld und Fasanenhof, Rot, Giebel, Hallschlag und Neugereut stand bzw. steht ein Förderrahmen von insgesamt 48,5 Mio. € bereit. Es wird dort in jedem Fall ein Stadtteilmanagement eingerichtet, das gemeinsam mit den städtischen Mitarbeitern aus verschiedensten Ämtern meist in Bürger-Workshops Projekte vorantreibt. Diese Bürger sind in vielen Fällen Kinder und Jugendliche, soweit Jugendhäuser, Jugendtreffs, Bolz- und Spielplätze betroffen sind.

Bei allen Projekten der Sozialen Stadt spielt die Verbesserung der Qualität des öffentlichen Raumes eine große Rolle. Plätze werden in aller Regel aus Wettbewerben entwickelt.

Dem Umfeld ums Rathaus gilt unsere weitere Aufmerksamkeit. Beim Blick rechts und links aus dem Fenster sehen wir Gestaltungsbedarf, das ist jetzt etwas eingeschränkt, aber man kann es im Prinzip sehen. Auf der einen Seite das Quartier mit der Rathausgarage, wo wir ein Wettbewerbsergebnis haben und demnächst 'springen' sollten. Der Blick links aus dem Fenster, für Sie links, für mich rechts, fällt auf das künftige Dorotheenquartier, wo wir dieses Jahr noch den Auslegungsbeschluss fällen wollen und wo der Bewerber um die Wiederwahl gezeigt hat, dass er über Jahre hartnäckig und mit Erfolg mit Bauherr und Architekt verhandeln kann.

Wir sollten gemeinsam überlegen, ob wir uns bei den kommenden Projekten der Hilfe eines Gestaltungsbeirats nach dem Vorschlag der Architektenkammer versichern.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns weiter am Dienstagvormittag treffen würden, um gemeinsam an der Gestaltung unserer Stadt zu arbeiten. Dafür bitte ich um Ihr Vertrauen."

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