Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 25.06.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:Herr Berger (Polizeipräsidium Stuttgart)
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Ausschreitungen am Wochenende in der Stuttgarter Innenstadt (20./21.06.2020) und Einrichtung einer
Sicherheitspartnerschaft "Sichere Innenstadt 2020"
- mündlicher Bericht -

Aufgerufen ist der gemeinsame Antrag Nr. 252/2020 "Keine Gewalt in Stuttgart" vom 25.06.2020 der Gemeinderatsfraktionen von CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, FW sowie StRin Halding-Hoppenheit (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) und StR Walter (PULS). Zu diesem Tagesordnungspunkt liegt außerdem die Stellungnahme der sachkundigen Mitglieder des Internationalen Ausschusses des Stuttgarter Gemeinderats "Bei Gewalt endet die Toleranz! Für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt" vom 23.06.2020 als Tischvorlage aus. Beide Unterlagen sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei angeheftet.


OB Kuhn schickt voraus, er habe diesen Tagesordnungspunkt nach den Ausschreitungen am letzten Wochenende kurzfristig als Nachtrag auf die Tagesordnung gesetzt. Er verweist auf die oben genannten Unterlagen und darauf, dass für die Aussprache eine Redezeit von 7 Minuten vereinbart worden sei. Anschließend begrüßt er sehr herzlich den stellvertretenden Polizeipräsidenten, Herrn Berger, und übergibt ihm zu einem Bericht zur Lage das Wort. Die Ausführungen von Herrn Berger sind wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut.

Herr Berger (stellv. Polizeipräsident):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr verehrte Stadträtinnen, sehr verehrte Stadträte, Frau Dr. Sußmann und Frau Fezer, sehr geehrte Herren Bürgermeister, ich war schon oft in der Liederhalle, aber dass ich mal an einer Gemeinderatssitzung der Stadt Stuttgart in der Liederhalle teilnehmen darf, das hätte ich mir auch nicht zu träumen gewagt, hier einmal vor Ihnen zu sprechen. Der Anlass ist natürlich kein so schöner. Zunächst einmal möchte ich anfangen mit einem recht herzlichen Dankeschön an Sie alle für die viele Unterstützung, die wir in den letzten Tagen und Stunden erhalten haben, sei es von der Verwaltungsspitze, Herrn Oberbürgermeister allen voran, aber auch natürlich von Ihnen aus dem Gremium. Das hat uns gutgetan, und ich werde nicht müde zu sagen, dass uns das sehr freut als Polizeibeamte, aber dass wir diese Unterstützung gerne auch für andere Kollegen der Blaulichtfraktion, der Rettungsteams und der Feuerwehr, die an diesem Tag im Einsatz waren, entgegennehmen.

Ich möchte jetzt die Basisausgangslage eigentlich gar nicht mehr so sehr darstellen. Ich glaube, das ist hinreichend geklärt, was passiert ist. Ich könnte vielleicht ein bisschen was zur Bilanz sagen, die wir in der Zwischenzeit haben. Klar war, die Ausschreitungen gingen von 23:30 Uhr bis morgens um halb fünf. Ich wurde alarmiert irgendwann so um 00:30, 00:45 Uhr, war dann kurz nach 01:00 Uhr in der Stadt und habe dann mit ein paar Kollegen die Koordination des Einsatzes übernommen, der uns alle, die hier für diese Stadt verantwortlich sind, zutiefst getroffen hat - nicht nur so sehr aus der Quantität, die wir erlebt haben, sondern aus der Qualität der Gewalt, die wir erlebt haben. Das ist für Stuttgart absolut unüblich, und das ist gut so, und ich habe jetzt gerade die aktuellen Daten mitgebracht. Also momentan, Stand heute, haben wir 32 verletzte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. In meinem letzten Bericht waren es noch 19. Es ist genau das, was ich gesagt habe, die gehen nicht immer gleich zum Doktor, und da sind auch Leute dabei, die traumatisiert sind. Das kommt natürlich erst jetzt alles hoch. Davon sind 13 Kollegen nicht aus Stuttgart.

Wir haben einen Sachschaden insgesamt von 100.000 € in der Stadt. Da gehört alles dazu, da gehören die Geschäfte dazu. Wir haben insgesamt 40 angegangene und 11 geplünderte Geschäfte. Stand heute verfolgen wir 240 Spuren. Und ich kann Ihnen an der einen Stelle sagen, dass Sie mal ein Gefühl dafür kriegen, wie ernst wir die Situation nehmen: Die Ermittlungsgruppe Eckensee ist die größte Ermittlungsgruppe, die je in Stuttgart im Zusammenhang mit einem Verbrechenstatbestand gearbeitet hat, und besteht, Stand heute, aus 111 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eingeschaltet sind das Landeskriminalamt Baden-Württemberg, das BKA und die Kriminalpolizei Hamburg, weil die besondere Erfahrung mit technischen Auswertungsmöglichkeiten haben. Und ich habe das jetzt mehrfach in der Medienlage auch gesagt: Also ich rate jedem, der sich an dieser Randale beteiligt hat und noch ein bisschen Gewissen hat, sich zu stellen. Weil, wir werden alles daransetzen - und wenn ich sage, alles daransetzen, dann meine ich das -, wir werden alles daransetzen, diese Täter zu ermitteln.

Wenn wir bei den Tätern sind, dann ist es so: Wir haben momentan 27 Tatverdächtige identifiziert, davon sind 9 in Haft gegangen, bei diesen 9 ist eine Frau dabei, die restlichen sind Männer. Unter diesen 9 sind 3 deutsche Staatsangehörige und, wie gesagt, 6 andere. Momentan ist ein Haftbefehl noch offen, das heißt, wir fahnden nach dieser Person noch, und auch diese Person werden wir ermitteln, und wir werden ihrer auch habhaft werden. Das ist der Zwischenstand.

Ich denke, Herr Kuhn, mehr oder weniger könnten wir uns ein Büro teilen, denn wir sehen uns relativ oft gerade, aber das ist auch gut. Auch morgen sehen wir uns wieder, Sie werden sicher noch etwas dazu sagen. Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg was das Thema Sicherheitskooperation angeht, weil, es ist jetzt natürlich die Frage, wie gehen wir weiter vor? Ich denke, wir sind alles andere als hilflos in dem Angesicht, was wir gesehen haben, sondern wir werden uns massiv dagegen wehren.

Medienlage: Sie haben es vielleicht im SWR gesehen, also ich war früher im Innenministerium ziemlich lange und habe auch in der Flüchtlingskrise viel erlebt, aber das war jetzt schon ziemlich besonders: Wir haben es in die New York Times leider geschafft und in den Guardian! Das kann nicht unser Ziel sein, sondern das Ziel muss sein, dass Stuttgart ruhig in der New York Times kommt, aber mit anderen Schlagzeilen, als wir sie haben, und da arbeiten wir jeden Tag daran. Wir fangen am Wochenende an, dass das so wird, und da möchte ich einen ganz kleinen Ausblick geben.

Wir haben auf der einen Seite die ganz normale Freitagnachts- und Samstagnachts-Lage, da werden wir natürlich verstärkt mit Kräften da sein. Unser Minister hat es auch gestern im Innenausschuss gesagt, da war ich auch dabei, dass wir mehrere hundert Beamte hier einsetzen werden. Und wir werden auf gar keinen Fall solche Zustände mehr zulassen. Das ist auch von hier ausgehend ein Appell an alle, die sich überlegen, in dieser Situation das nochmals zu machen. Da rate ich Ihnen dringend davon ab, das zu tun, weil, das wird uns nicht zweimal passieren. Das ist unser ganz großer Anspruch, den wir versuchen an uns zu stellen, und das müssen wir den Menschen aber auch zusagen auf der anderen Seite. Wir werden es nicht ausschließen können, dass es Gewaltstraftaten gibt, auch gegen uns, aber eines kann ich Ihnen versprechen: Wir werden auf jeden Fall besser aufgestellt sein, und - ich sage es immer so -, wir sind eine Polizei des zweiten Schritts, das ist im Rechtsstaat gut und richtig. Das heißt, wir sind nicht die, die agieren, sondern wir vertrauen unserer Bürgerschaft in Gänze. Und erst wenn dieses Vertrauen zerstört wird, kommt die deutsche Polizei und greift ein. Das ist so unser Grundprinzip. Ich werde ganz oft danach gefragt, warum wir so spät eingreifen. Und ich sage immerzu: Zu einer liberalen Polizei gehört natürlich auch, zunächst einmal abzuwarten, wie die Situation sich darstellt, die Lage, und dann erst in der Verhältnismäßigkeit auch einzuschreiten. Das bedingt aber, dass ich zunächst einmal warten muss, was passiert.

Und ich möchte gar nicht in einer anderen Polizei arbeiten müssen. Ich komme aus einer Polizeifamilie, meine Frau ist dabei, mein Sohn ist dabei, und mein Bruder ist Polizeibeamter. Und wir sind deswegen zur Polizei gegangen, und da spreche ich nun nicht nur für mich, sondern für uns alle, weil wir den Menschen helfen wollen. Und nicht weil wir als gewaltausübende Personen wahrgenommen werden wollen. Und das hat sich in der Diskussion in den letzten Wochen, und das sage ich an dieser Stelle, natürlich auch um ein Stück weit auf eine schiefe Ebene begeben.

Ich möchte jetzt nicht über Rassismus berichten, das ist nicht das Thema. Ich möchte Ihnen aber eines zusagen und versprechen: Uns ist bewusst, dass wir als Träger der staatlichen Gewalt besondere Verantwortung haben. Und ich habe das mehrfach betont: Die schärfste Waffe der Polizei in Stuttgart und überhaupt in Deutschland ist ihre moralische Integrität. Das ist uns bewusst. Und danach handeln wir. Das ist viel wichtiger, als alle Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, die uns zur Verfügung stehen. Und nach dem handeln wir auch. Deswegen kann man mit uns sehr wohl über Rassismus diskutieren in der Polizei, natürlich, das ist gut so. Und da ist jeder Fall einer zu viel. Nur, pauschales Übertragen von Sachverhalten, die irgendwo auf anderen Kontinenten sind, das ist einfach nicht okay. Das ist nicht okay für die Polizei, das ist nicht okay für Polizeibeamte, das ist aber auch nicht okay für Politiker, weil, ich glaube, Sie wollen sich auch nicht mit republikanischen Abgeordneten im Kongress verglichen sehen.

Ich habe einen Punkt hier drauf, da steht "Gefühlslage der Polizei". Ich habe da schon angefangen. Uns geht es gut. Wir sind bereit. Bereit, unseren Dienst ganz normal weiterzuführen, so wie Sie es gewöhnt sind in Stuttgart. Sie brauchen sich da keine Gedanken zu machen. Wir wollen nicht Stuttgart zur Polizeistadt machen. Wir wollen, dass die Menschen ihre Stadt wieder so erleben, von uns organisiert, von der Verwaltung flankiert, wie Sie es gewöhnt sind. Das ist unser großes Ziel. Und Sie können davon ausgehen, dass wir nicht die Absicht haben, Revanche zu nehmen oder Rache. Das wird jetzt viel gefragt: Schlägt die Polizei zurück? Nein. Das tun wir nicht. Wir schlagen nicht zurück. Wir passen uns der veränderten Lage an. Und sonst nichts. Weil, das ist nicht unser Motto. Wir wollen uns auf diese Ebene nicht begeben. Das, was die Menschen von uns erwarten und was sie glauben, wenn sie vor uns Respekt haben, das werden wir nie erfüllen, weil, das ist kein rechtsstaatliches polizeiliches Handeln. Das wird man nie erfüllen, was die Erwartungshaltung ist, und zwar, dass wir zuerst Gewalt ausüben, sondern wir werden immer eine Polizei des zweiten Schritts sein. Und das ist auch gut so. Das bezahlen die Kolleginnen und Kollegen manchmal mit einem hohen Preis. Dennoch glaube ich, dass das der richtige Weg ist. Und da bin ich mit allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Stuttgarts einig, einschließlich dem Präsidenten, von dem ich herzliche Grüße sagen soll.

Am Freitag, Samstag, Sonntag haben wir eine heftige polizeiliche Lage in der Stadt. Am Freitag wird das Wetter gut. Wir werden wahrscheinlich auch starke Zuläufe an Besuchern haben. Am Samstag haben wir eine sehr diffuse Demonstrationslage in der Stadt. Also, wir haben insgesamt 15 Versammlungen. Das ist der Stand heute, Herr Dr. Schairer, das ändert sich immer mal wieder ein bisschen, große und kleine. Die größte davon ist am Sonntag, eine Solidaritätskundgebung der AfD für uns, die dazu führt, dass viele Beamte am Sonntag nicht bei ihren Familien sind, sondern im Einsatz sein werden. Und wir werden das natürlich entsprechend schützen. Von der Arbeitsaufteilung her wird es so sein, dass den Einsatz am Sonntag, der natürlich eine gewisse Brisanz hat, ich als Polizeiführer vornehmen werde. Und in den Nächten wird der Kollege Höfler, den werden Sie kennen aus vielen Gesprächen, diese Einsätze leiten. Und wir werden das sehr behutsam machen. Und mit viel Fingerspitzengefühl und mit kühlem Kopf. Da können Sie sich darauf verlassen. Wir haben einen kühlen Kopf. Und wir sind nicht korrumpierbar durch Gewalt.

Ausblick auf die gemeinsame Zusammenarbeit: Wir sind in intensiven Gesprächen in der Task Force unter der Leitung des Oberbürgermeisters, wo wirklich die Entscheider zusammensitzen und sehr ernsthaft - und ich denke, ich kann das nach 30 Jahren Polizeiarbeit ganz gut beurteilen, ob jemand es ernsthaft macht -, sehr ernsthaft an den Themen arbeiten. Und das ist gut und richtig und auch unterstützt durch Viele. Und für diese ernsthafte Arbeit, und ich bin selber einer von Ihnen, weiß ich, dass das Hauptorgan dieser Stadt, Sie, diejenigen sind, die für die Stadt stehen. Und deswegen brauchen wir Sie. Und deswegen bin ich heute hierhergekommen, um Sie zu bitten aus polizeilicher Sicht, uns auf diesem Weg zu unterstützen, weil, wir müssen jetzt im Sinne der Bürger, die ihre Stadt erleben wollen, einfach mal ein paar wichtige Schritte gehen in die Richtung, dass wir wieder zu den Verhältnissen kommen, die wir alle an unserer Stadt so lieben. Und deswegen bin ich gerne hierhergekommen. Und falls Sie Fragen haben, ich weiß nicht, ob das vorgesehen ist, dann stehe ich gerne noch zur Verfügung. Also, ich habe noch Zeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und ich wünsche Ihnen noch gute Beratungen heute."

Der Vorsitzende dankt Herrn Berger für seinen Bericht und für die Besonnenheit, die darin zum Ausdruck gekommen sei, sehr herzlich. In der Tat habe man in der letzten Samstagnacht schreckliche Exzesse von Gewalt und Kriminalität mitten in Stuttgart erleben müssen. Als Oberbürgermeister und Chef der Verwaltung, aber auch im Namen des Gemeinderats und im Namen der Bürgerinnen und Bürger macht er deutlich, "dass wir voll und ganz hinter unserer Polizei stehen, auch hinter den Rettungsdiensten, die zum Teil auch angegriffen worden sind". Er bittet Herrn Berger darum, es jeder Polizeibeamtin und jedem Polizeibeamten weiterzugeben, "die Stadt Stuttgart schätzt Ihre Arbeit, Sie stehen nicht unter Rassismus-Verdacht pauschal, damit da kein Fehler, kein falscher Zungenschlag reinkommt. Sondern wir sind froh, dass es Sie gibt als liberale Polizei, die in Stuttgart für Sicherheit und Ordnung sorgt. Ich wünsche allen Beamtinnen und Beamten der Polizei eine gute Genesung, auch von den psychischen Problemen, die mit solchen Einsätzen zusammenhängen."

An diejenigen, die solche Taten ausgeübt haben, appelliert er, zu einem normalen Miteinander in der Stadt zurückzukehren. Es sei weder lustig noch mit Jugendsünde, Leichtsinn und ein bisschen Alkohol zu erklären, sondern es seien schwere Verbrechen und Taten geschehen. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen schweren Landfriedensbruchs und in einem Fall sogar wegen versuchten Totschlags. Für solche Taten und solche Art roher Gewalt gebe es keine Entschuldigung. Es gebe vielleicht Erklärungen, doch entschuldigen könne man solches Verhalten nicht. Deswegen werde es mit allem, was dem Rechtsstaat zur Verfügung steht, verfolgt und sanktioniert.

Eindeutig sei inzwischen auch, dass man die Leute, die das gemacht haben, nicht pauschal der Eventszene zuordnen könne. Er betont, "Stuttgart ist eine weltoffene, liberale Stadt mit herausragenden Sommernächten". Weil diese Qualität in der ganzen Region geschätzt werde, kommen so viele nach Stuttgart, um die Wochenendabende zu genießen. Jedoch müsse der Stadtraum als ganzer ein sicherer Stadtraum für alle Bürgerinnen und Bürger sein, und zwar 24 Stunden am Tag. "Es kann nicht sein, dass bestimmte Bereiche des Stadtraums gefährdet sind, von Menschen gefürchtet werden und gemieden werden. Und deswegen müssen wir auch sehr konzentriert z. B. in Stuttgart-Mitte schauen, dass ein Bedrohungsgefühl oder Angstgefühl nicht entsteht. Die Freiheit, die wir ja alle genießen, auf die wir angewiesen sind, die uns ausmacht in Stuttgart, darf nicht durch Gewalt zerstört werden. Und ich habe den Satz vom Internationalen Ausschuss in der Resolution, der ja in der Überschrift schon sagt, "Bei Gewalt endet die Toleranz" exakt richtig gefunden, weil das eben nichts ist, wo man sagt tolerant, sondern da hört es einfach auf, und deswegen sage ich das auch noch mal so drastisch."

Es gehe letztlich um das Thema Rückeroberung der städtischen Räume für die friedliebenden Bürgerinnen und Bürger. Seit vielen Jahren bestehe eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Land, für die BM Dr. Schairer als Ordnungsbürgermeister stehe, weil er die meiste Erfahrung hat und vorher selbst Polizeipräsident war. Der Vorsitzende informiert weiter, er habe das Angebot des Innenministers, diese Sicherheitspartnerschaft zu erneuern und zu vertiefen, sofort angenommen. Doch gab es solche schon zuvor, "denn die Polizei, das Polizeipräsidium Stuttgart mit allen Beamten und Beamtinnen und auch manchmal ergänzt durch Bundespolizei ist ja nicht in städtischer Hand - wir haben nur unseren Vollzugsdienst -, sondern setzt die Beschlüsse und Vorschläge, die wir machen, als Polizeibehörde in der Praxis um. Jedes Wochenende bei den Demonstrationen." Die Sicherheitseinschätzung erfolge, was die Lage angeht, immer von der Polizei. Er betone dies, weil man z. B. bei der baden-württembergischen Polizeigewerkschaft den Eindruck habe, diese wüsste gar nicht, dass es so ist.

Mit Blick auf die vom Polizeigewerkschaftsführer Kirstein heute begonnene Diskussion zu dem Thema Eckensee - der im Eigentum des Landes ist - weist OB Kuhn darauf hin, noch im Februar 2020 habe Herr Polizeipräsident Lutz dem zuständigen Finanzministerium in einem Brief mitgeteilt: "Zunächst freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der obere Schlossgarten derzeit keinen polizeilichen Brennpunkt darstellt". Durch die Ereignisse in der Nacht liege eine neue Lage vor, welcher man zusammen mit dem Land begegnen und versuchen werde, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Insofern sei es eine ziemliche Unverschämtheit, zu sagen, "die Stadt Stuttgart hat es verschlafen. Ich kann es nicht akzeptieren, dass man die Arbeit von vielen Jahren von BM Dr. Schairer in der Weise herabwürdigt und offensichtlich gar nicht weiß, wie die Polizeiarbeit in dieser Stadt Jahr für Jahr stattfindet. Das muss ich wirklich zurückweisen!"

Man werde die Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei des Landes und mit dem Land erneuern und vertiefen. Dazu brauche es mehr Erkenntnisse der Arbeitsgruppe Eckensee. Die Stadt habe beim Thema Abfall viel getan, doch das Lichtkonzept vom Land sei noch nicht ganz umgesetzt, und viele andere Fragen müssten umgesetzt werden, damit die Sicherheit für alle gegeben ist. Dabei werde man über viele Dinge diskutieren, z. B. Videoüberwachung, Beleuchtung, Alkoholverbot. Nächste Woche werden Fachleute aus Freiburg, die dort ein Alkoholverbot durchgeführt haben, in der Arbeitsgruppe von Stadt und Polizei vortragen und ihre Erfahrungen schildern. "Ich muss allerdings, und da sehen Sie die Zusammenarbeit, auch die Polizei fragen, ob sie taktisches Alkoholverbot umsetzen kann und wie die Verlagerungseffekte eingeschätzt werden. Also wenn wir um den Eckensee ein Alkoholverbot machen würden, was sein kann, dass wir das machen, dann muss man natürlich fragen, geht die Szene dann woanders hin, und wie sieht das aus? Auch die Frage, ob wir bei Platzverweisen, Aufenthaltsverboten richtig agieren, werden wir in dieser Sicherheitskooperation mit dem Land rasch aufwerfen und klären." Zunächst gehe es um die nächsten Wochenenden. Sein großer Wunsch sei es, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten unversehrt über diese nächsten Wochenenden kommen.

"Jetzt will ich noch ein Thema ansprechen, das auch wichtig ist. Also wenn man die Zahlen, Herr Berger hat sie ausgeführt, sich anschaut, dann ist natürlich ein gewisser Teil oder sogar der mehrheitliche Teil derer, die da jetzt verhaftet worden sind, schon mit Migrantenhintergrund oder mit einer Staatsbürgerschaft, die nicht die deutsche ist. Also auch Flüchtlinge. Und selbstverständlich - ich habe Frau Dr. Sußmann den Auftrag schon gegeben und mit ihrer Stabsstelle, mit Herrn Pavkovic gesprochen - will ich wissen, noch mal deutlich, ob es bei der Integration bei bestimmten Teilen der Menschen, die hier sind, zu Integrationsproblemen kommt. Also das wollen wir natürlich anschauen und erörtern, und zwar offensiv. Ich will wissen, ob es männliche Jugendliche gibt, die nicht integriert sind, und was wir dagegen tun können. Also das ist selbstverständlich, dass das Teil dieser Überprüfung ist. Und ich habe Frau Dr. Sußmann auch gebeten, Vorschläge zu machen, wie auch Frau Fezer, was die Sozialarbeit angeht auf der Straße und vieles andere mehr. Also klar an die Öffentlichkeit: Wir stecken bei dieser Debatte den Kopf nicht in den Sand und schauen nicht weg. Aber eines ist auch wichtig, wir werden die Debatte, wenn wir feststellen und die Frage thematisieren, hat die Integration vielleicht nicht bei allen geklappt hat, nicht in einer Weise führen, die zu Lasten für diejenigen geht, bei denen die Integration geklappt hat - es sind ja viele Flüchtlinge positiv unterwegs, schaffen z. B. im Handwerk oder sonst wo, lernen Deutsch und versuchen hier Boden zu fassen, verstehen übrigens auch unsere Rechtsordnung. Zu deren Lasten werden wir diese Diskussion nicht führen. Denn sie sind Menschen, wo wir froh sind, dass sie in Stuttgart sind, gut integriert sind und so."

Auf den gestern durchgeführten Runden Tisch werden noch mehrere Runde Tische folgen mit Einzelhändlern, mit der sogenannten Clubszene oder freien Szene, mit vielen Fachleuten aus der Sozialarbeit und Integrationsarbeit, so OB Kuhn weiter. Gegenüber den Menschen, die im Handel arbeiten und die durch solche Vorfälle verunsichert sind, bekräftigt er: "Die Stadt Stuttgart steht hinter Ihnen. Wir werden alles tun, dass so was nicht wieder vorkommt. Und selbstverständlich werden wir unterstützen, da wo Not am Mann oder an der Frau ist". Von der heutigen Sitzung werde ein Signal ausgehen: Keine Toleranz für Gewalttätige und für Gewalt!

StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) schickt voraus, die Geschehnisse in der Nacht von Samstag auf Sonntag lassen sie mit einem verstörten Bild zurück. Stuttgart stehe nach ihrer festen Überzeugung für eine internationale, offene und lebenswerte Stadt. Ausschreitungen in diesem Maße und in dieser Brutalität habe man in Stuttgart bisher nicht feststellen können und sich auch nicht vorstellen können. "Für uns Grüne aus dem Rathaus möchte ich sagen, dass wir entsetzt sind über diesen Ausbruch der Gewalt und der Zerstörungswut. Die offene Ablehnung und die Gewalt gegenüber der Polizei, der Feuerwehr, dem THW, den Sanitäterinnen und Sanitätern sehen wir als nicht hinnehmbar, und sie müssen aufgeklärt und geahndet werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Sachbeschädigungen und Plünderungen. Das sind Straftaten, die wir nicht hinnehmen wollen und die wir nicht hinnehmen dürfen. Für uns Grüne, aber auch da denke ich für die Stadtgesellschaft, ist es ein hohes Gut, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Stuttgart mit ihren Familien keine Angst haben, in die Stadt zu gehen. Und zwar weder am Tag noch am Abend und auch nicht in der Nacht. Die schönen Plätze um den Eckensee, der Große Schlossplatz, der Kleine Schlossplatz müssen und sollen Plätze für alle in unserer Stadt sein. Die Vorgänge am Wochenende müssen aufgeklärt werden, und die Täter, es waren ja überwiegend männliche Jugendliche und junge Erwachsene, müssen die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Es wurde ja eben schon gesagt, es wird im großen Stil ermittelt. Ich denke, da werden wir noch viel hören."

Eine rasche und umfassende Aufarbeitung halte man für unverzichtbar. OB Kuhn dankt sie für das schnelle Eingreifen, für den Runden Tisch und den intensiven Austausch mit der Polizei. Die Ausschreitungen werfen die Frage auf, "ob wir den Blick auf diese Gruppe der jungen Männer, die da so auffällig ist, der 16- bis 25-Jährigen, zu wenig gerichtet haben". So müsse man als Stadtgesellschaft gemeinsam mit Fachleuten überlegen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen und warum diese jungen Männer, mit und ohne Migrationshintergrund, aus Stuttgart stammend oder aus der näheren Umgebung, der Metropolregion, eine offensichtliche Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit umtreibt. Es gelte aufzupassen, dass genau diese Gruppe nicht entgleitet, denn sie sei Teil der Stadtgesellschaft. Es müsse ein gangbarer Weg gefunden werden zwischen Prävention und gegebenenfalls Sanktionen. "Wir wollen uns daran beteiligen, angemessene und wirksame Maßnahmen auszuarbeiten. Wir brauchen Projekte für den öffentlichen Raum und unser Gemeinwesen. Das kann durchaus bedeuten, dass wir temporär und lokal in nächster Zeit Sicherheitskonzepte mit Alkoholkonsumverbot und Platzverweisen darstellen in Stuttgart. Das ist zumindest für mich was ganz, ganz Neues, weil ich bisher immer dagegen war, so was durchzuführen, weil ich glaube, dass die Sanktionierung sehr, sehr schwierig wird. Nichtsdestotrotz kann es in diesem Fall vielleicht tatsächlich eine Maßnahme sein."

Vielleicht helfe eine hellere Beleuchtung nachts, und benötigt werde vorübergehend vielleicht auch mehr Polizei, die auf Kontrollgängen nachts präsent ist. Auf jeden Fall aber benötige man eine Durchmischung der Bevölkerung, der verschiedenen Menschengruppen, die sich an diesen Plätzen aufhält, z. B. durch öffentliche kulturelle Angebote. Auch diese Maßnahmen müssten immer wieder hinterfragt werden. So reiche es nicht, die Gruppen einfach zu verdrängen, um dann die gleiche Problematik zu haben, wenn die gleichen Gruppen dann an anderen Orten auftauchen. Es werde dafür keine einfachen Lösungen geben. "Um eine wirkliche Perspektive anbieten zu können, müssen wir diesen Jugendlichen und jungen Männern die Zuversicht in unsere Gesellschaft stärken. Dafür sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. So wollen wir unbedingt an das Projekt City-Streetwork wieder anknüpfen, das neben Sozialarbeitern, die nachts auf der Straße bei den Jugendlichen sind, auch die Drogenberatung miteingeschlossen hat und das die Alkoholberatungsstelle mit im Boot hatte. Diese Fachleute können es schaffen, für eine Deeskalation zu sorgen, Aggressionen zu mindern und vor allen Dingen Beziehungsarbeit zu leisten. So ein Angebot könnte unseres Erachtens ein Schlüssel für Verhaltensänderung sein." Die Stadträtin dankt abschließend den Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr, THW und Sanitätsdiensten und hofft, dass sich dieser Einsatz so niemals wiederholt.

StR Kotz (CDU) sieht in den erschütternden Zuständen am letzten Wochenende in der Innenstadt eine Zäsur in der jüngeren Stadtgeschichte. Auch er dankt all denjenigen, die in dieser Nacht und an den Tagen danach aktiv für die Sicherheit im Einsatz waren, allen voran der Polizei, den Rettungskräften und insbesondere auch dem Technischen Hilfswerk. Gerade der Bereich des Handels, der durch die Corona-Situation ohnehin besonders gebeutelt sei, habe durch diese Vorkommnisse eine Verschärfung der Situation erfahren jenseits der Sachschäden, was die Begeisterung in der Bevölkerung angeht, in die Stadt zu gehen, in den Handel zu gehen, in die Gastronomie zu gehen.

Verständnis zeigt er für die schwierige Situation der Beteiligten, die am Sonntag vor die Presse treten mussten, wo es kein vorbereitetes 'wording' gab und daher Fehler passieren konnten. Froh sei er insofern, dass der Oberbürgermeister die Aussage vom Sonntag heute nochmals klar korrigiert habe. "Die Partyszene in Stuttgart ist friedlich, sie ist fröhlich, sie ist männlich und weiblich, und sie trinkt in Maßen Alkohol. Und wir freuen uns, dass wir diese Szene in Stuttgart haben", unterstreicht der Stadtrat. Im Gegenzug habe die Polizei klar benannt, was die Personengruppe vom Sonntag war: "Die Probleme sind männlich, sie haben Migrationshintergrund und sind in der Regel betrunken".

Wenn man die schönen Seiten der Migration und des Zusammenlebens in einer bunten Stadtgesellschaft lobt und dankbar dafür ist, so müsse man - wie OB Kuhn dies heute getan habe - auch deutlich artikulieren, wenn es negative Seiten dieser Thematik gibt. Im Schlossgarten erlebe man in den letzten Monaten "und vielleicht auch schon ein bisschen länger, dass sich da etwas entwickelt hat, weshalb viele nicht mehr so gerne, vor allem nicht in der Dunkelheit, in diesen Bereich der Stadt gegangen sind". Dies habe etwas zu tun mit der Entwicklung einer Respektlosigkeit gegenüber dem Rechtsstaat an sich und gegenüber seinen Organen, allen voran der Polizei. Nicht nachvollziehen könne er viele Facebook-Einträge der letzten Tage, wo wenige Zeilen des Bedauerns geäußert werden über das, was da passiert ist am Wochenende, und dagegen viele Zeilen der Rechtfertigung oder der Entschuldigung oder des Schuld-auf-andere-Schiebens.

Er stimme völlig überein mit den Aussagen des Oberbürgermeisters zu denjenigen, die nach Deutschland gekommen sind, die sich hier integrieren, die arbeiten, die gerne hier bei uns leben. Die schwierigere Frage sei jedoch: "Was machen wir mit denen, die gar nicht mitgenommen werden wollen? Denen wir Maßnahmen angedeihen lassen wollen, uns alles Mögliche vorstellen können, mit Geld, mit Engagement, mit Ehrenamt, mit Hauptamt, präventiv und restriktiv, mit all diesen Dingen, und die sich dann aber trotzdem nicht mitnehmen lassen wollen?" Diese Frage gelte es miteinander zu diskutieren.

Auch wenn es jetzt viele Reaktionen gebe nach dem Motto "Die Migrationsfrage spielt keine Rolle bei der Thematik oder auch der Wohnort der Jugendlichen, die da Straftaten begangen haben", so sehe man das anders. Man halte das Thema Wohnort für eine entscheidende Frage, weil gerade die Themen Streetwork, Sozialarbeit, Betreuung, Projekte noch zu sehr bisher an den kommunalen Grenzen Halt machen. "Und ich würde mir wünschen, Herr Kollege Winter, wir werden ja in Kürze die erste Sitzung des Ausschusses für Interkommunale Zusammenarbeit haben, dass dieses ein Thema der Zusammenarbeit mit den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten in den umliegenden Kommunen sein wird, wie wir auch in diesem Bereich aktiv sein können. Weil, wir erreichen ja nur diejenigen in Stuttgart hier und nicht die, die im Umland wohnen, aber dann samstagabends oder freitagabends bei uns aufschlagen. Deswegen ist der Wohnort durchaus wichtig. Und natürlich ist auch die Herkunft wichtig und die Historie, ob jemand erst ein halbes Jahr in einem Rechtsstaat lebt. Der hat doch ein ganz anderes Gefühl, ein ganz anderes Erleben von Rechtsstaat, als jemand, der hier geboren ist und hier aufgewachsen ist. Deswegen müssen wir auch diese Fragen stellen und dann die richtigen Antworten finden."

Themen wie Beleuchtung, Videoüberwachung, könne die CDU-Gemeinderatsfraktion durchaus mittragen. Auch werde man einen Antrag einreichen zum Thema Ausbau des Hauses des Jugendrechts, da ganz entscheidend sei, schnell zu reagieren und Strafen sehr schnell folgen zu lassen. Das Thema Alkoholverbot möge vielleicht als schnelle Maßnahme temporär richtig sein, doch halte man nichts davon, die Freiheit der mehrfach erwähnten Stuttgarter Sommernächte zu beschneiden. Auch die Ausdehnung der Sperrstunde halte man in dieser Frage nicht für hilfreich.

Mit Blick auf die vorliegende Resolution dankt er allen, die miteinander intensiv daran gearbeitet haben. Er freue sich über jede/n Mitunterzeichner/in, sei gleichzeitig aber umso enttäuschter, dass die FrAKTION und die PULS-Fraktionsgemeinschaft das Papier nicht geschlossen unterzeichnen konnten. Er hinterfrage insofern, "ob es in solch einer Situation nicht auch die Größe im Gemeinderat geben kann, dass wir alle gemeinsam, die demokratisch in dieses Gremium gewählt worden sind, eine solche Resolution gemeinsam unterschreiben können und dürfen?" Die Stadtgesellschaft und der Gemeinderat stünden vor einer großen Aufgabe. Er appelliert, diese Aufgabe intensiv miteinander anzugehen, um gute Wege zu finden, dass so etwas nie wieder passiert.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) erklärt, die Ausschreitungen in der Nacht von Samstag auf Sonntag hätten auch seine Fraktionsgemeinschaft tief betroffen gemacht. All den Menschen, die in dieser Nacht verletzt wurden, wünsche man gute Genesung. Es sei jetzt die Aufgabe von Kriminalpolizei und Justiz zu ermitteln, festzusetzen und zu bestrafen. Er freue sich über die Aussage von Herrn Berger, wonach die Polizei dies mit kühlem Kopf mache und professionell. Seines Erachtens können "wir alle uns darauf verlassen, dass hier echte Profis am Werk sind und in dem Sinne auch der Gewaltenteilung, die wir in unserem Staat haben." Es brauche keine Einmischung von denen, die solche Taten als politische Bühne bedienen und die sehr schnell sind mit Verurteilen, mit Strafen etc.

In der Gewaltenteilung sei die Politik dafür zuständig zu überlegen, wie solche Zustände in Zukunft vermieden werden können. Dazu müsse man sich den Ursachen stellen. Es stehe auch in der Verantwortung der Politik, wenn es blinde Flecken gibt, wo nicht genau hingeschaut wurde. So seien im Rat durchaus Anträge für die City-Streetworker gestellt worden, die jahrelang keine Unterstützung gefunden haben. Auch sei zu klären, woher kommt die Wut, die Enttäuschung, wo sind die Brüche in den Biografien? Wenn 500 Jugendliche und junge Erwachsene sich in solchen Situationen solidarisieren, so stünden vielleicht auch strukturelle Probleme und Erfahrungen dahinter. "Auch wenn wir natürlich unsere Polizei nicht unter Generalverdacht stellen, müssen wir schon die Frage stellen, wie es sein kann, dass dann im Internet Videos auftauchen, wo ein Polizeibeamter von "… alles Kanaken" fantasiert." Der Altersquerschnitt der jungen Menschen, die dort unterwegs waren, entspreche dem Querschnitt der Gesellschaft in Stuttgart bei Verhaftungen. Somit müsse man überlegen, "was ist mit unseren Jugendlichen falsch gelaufen, was sind unsere Fehler dabei, und was ist die Sanktion?" Dennoch blieben sie Teil dieser Gesellschaft.

Den Grund, warum es der FrAKTION echt schwerfalle, dass alle Mitglieder die Resolution unterschreiben, habe StR Kotz selbst ausgeführt. Er stelle sich schützend vor die Partyszene, freue sich über die Differenzierung der Polizei und des Oberbürgermeisters, äußere dann aber Sätze wie, "das Problem ist männlich, hat Migrationshintergrund und Alkohol", obwohl auch 9 Deutsche ohne Migrationshintergrund in Haft genommen wurden. Dies sei in der Tat eine politische Zäsur, nämlich eines Stuttgarts, "wo wir stolz sind auf die Tradition von Manfred Rommel, wo Liberalität und Toleranz vorne stehen". Das liberale Stuttgart brauche kein Alkoholverbot, denn es löse nicht das gesellschaftliche Problem und nutze genauso wenig wie Videoüberwachung oder Platzverweise oder Aufenthaltsverbote, um so etwas zu vermeiden. All das zerstöre nur die offene Stadtgesellschaft, verlagere und verdränge die Probleme.

"Deswegen, das beantragen wir auch heute, lassen Sie uns gemeinsam den schmerzhaften Prozess der Ursachenaufarbeitung nehmen. Dazu brauchen wir Hilfe. Genauso, wie wir beim Ermitteln, Festsetzen und Bestrafen Profis brauchen, brauchen wir Profis, die gucken, dass Alkohol- und Drogenmissbrauch nicht zu Gewalt führt. Und das ist das Projekt, das die Grünen angesprochen haben, das sind die City-Streetworker. Wir haben die 2015 das erste Mal beantragt, dieses Projekt brauchen wir jetzt. Das wäre wirklich was, Herr Oberbürgermeister, wenn wir in dieser Situation nicht über Verbote, Platzverweise und Videoüberwachung agieren, sondern sagen, wir haben es begriffen, wir haben es erkannt, wir gehen hier rein und kümmern uns um diese jungen Menschen im Endeffekt als Politik mit dem Grundsatz, wie wir es mit unseren eigenen Kindern tun würden. Und ich bin überzeugt, wenn wir das ernsthaft tun und jetzt nicht auf Nebenschauplätzen abturnen, dann schaffen wir es, unser liberales, offenes Stuttgart zu erhalten und zukünftig an die strukturellen und sozialen Ursachen dieser Probleme wirklich dann gerne, kraftvoll und gemeinsam ranzugehen und Stuttgart wieder zu versöhnen und ein Stück friedlicher zu machen. Das muss unser aller Ziel sein."

StR Körner (SPD) versteht die Aussagen seines Vorredners so, als hätte die FrAKTION
diese Resolution nicht mitunterschrieben, weil drinsteht, Migranten seien schuld. Dies sei aber nicht der Fall, sondern die Resolution heiße: Keine Gewalt in Stuttgart. Dem widerspricht StR Rockenbauch. StR Körner fährt fort, er bedaure es außerordentlich, dass nicht alle Gemeinderatsfraktionen die Resolution mit der Überschrift "Keine Gewalt in Stuttgart" unterschrieben haben. Denn wenn es darum geht, welche Konsequenzen ziehen wir aus dem Wochenende, so müsse man dringend versuchen, gemeinsam die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Klar sei, "es war eine furchtbare Nacht, zuallererst für die Polizistinnen und Polizisten, für die Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter, die in diesem Rettungswagen sich schützen mussten und Angst hatten, für viele Geschäftsleute, deren Geschäfte zerstört worden sind, aber auch eine furchtbare Nacht für Stuttgart insgesamt, weil die Stadt in ein Licht gerückt wurde, das uns allen unheimlich wehtut, weil wir alle gemeinsam unheimlich stolz darauf sind, dass ein Teil der Identität dieser Stadt schon auch diese Buntheit und die Multikulturalität ist und in der Empfindung vieler Menschen und auch in der Diskussion jetzt diese Ausschreitungen häufig mit dem Thema Migrationshintergrund in Verbindung gebracht werden". Er stimme seinem Vorredner zu, wonach jetzt genau hingeschaut werden muss. Nach den von Herrn Berger vorgetragenen aktuellen Zahlen sind von den 27 Tatverdächtigen 13 Ausländer, 14 sind davon Deutsche und haben einen deutschen Pass, 5 davon mit Migrationshintergrund. Dies entspreche fast exakt der Bevölkerung in dieser Altersgruppe in der Landeshauptstadt Stuttgart. "Das heißt, wenn jemand sagt, 'um Gottes Willen, diese Migranten', dann sagt er auch, 'um Gottes Willen, dieses Stuttgart'. Und das geht nicht. Das heißt nicht, dass das nur Friede, Freude, Eierkuchen ist, das ist ein anderes Thema. Aber es geht um unsere Stadt, und die sieht genau so aus, leider auch dann manchmal wie an diesem Abend."

Er gebe StR Kotz recht, dass es im Hinblick auf die Täterinnen und Täter ein regionales Thema ist und man genau hinschauen und mit den Landkreisen um Stuttgart herum gemeinsam nach Wegen suchen muss, damit das, was vorgefallen ist, sich nicht wiederholt. Zu dem Thema, was zu tun ist, damit das nicht mehr geschieht, welche Konsequenzen wir ziehen können, habe seine Fraktion sehr intensiv diskutiert. Natürlich gehöre als allererstes dazu, die Gewalttäter zu fassen und zu bestrafen. Ganz wichtig sei, schnell und umfassend zu reagieren, so wie es im Haus des Jugendrechts in vorbildlicher Weise vor über 20 Jahren auf den Weg gebracht worden sei. Wichtig sei die erste und schnelle Reaktion und die Begleitung, wo neben vielen weiteren Instrumenten auch so etwas wie Täter-Opfer-Konfrontation dazugehören könne, und mit dem Gedanken einer Sicherheitspartnerschaft, weil die Polizei alleine es nicht schaffen kann, sondern es brauche die Stadtgesellschaft und auch die Stadtverwaltung zusammen.

Momentan gebe es dies für den Nordosten der Stadt, nach Meinung seiner Fraktion brauche es das stadtweit: "Natürlich brauchen wir wieder das Projekt City-Streetwork. Ich empfehle jedem, mal anzuschauen, woran es bei den Mehrheiten im Dezember 2015 gescheitert ist. Ich will da jetzt nicht kleinkariert werden, aber da gab es eine klare Mehrheit!"

Der schwierigste Punkt sei das Thema Schlossgarten, Eckensee, Schlossplatz. Es sei nicht hinnehmbar, dass man sich da freitags und samstags abends, wenn es später wird, nicht mehr hinzugehen traut. Aus seiner Sicht müssen Stadt und Land dort gemeinsam aktiv sein. Darüber hinaus halte er nichts davon, heute bereits schon Instrumente wie Alkoholverkaufsverbot, Videoüberwachung usw. auszuschließen. Vielmehr sollte man sich Zeit nehmen, die Profis anhören und mit anderen Städten reden, die mit diesen Instrumenten Erfahrungen gesammelt haben. Weil es nicht die eine Ursache gebe, sondern viele Ursachen, halte man es für wichtig, die Innenstadt wieder zu beleben, sodass dort wieder mehr Menschen sich gerne aufhalten und auch abends Veranstaltungen stattfinden. Weil dies ein behutsames und gemeinsames Vorgehen erfordere, halte er von der Sperrstunde wenig, da es das öffentliche Leben noch mehr zurücknimmt und den öffentlichen Raum denjenigen überlässt, denen man ihn nicht überlassen will. Abschließend unterstreicht der Stadtrat, natürlich müsse der Gemeinderat nicht immer alles einstimmig beschließen, doch sollte er sich vornehmen, "dass wir es gemeinsam schaffen, dass sich alle, Männer und Frauen, abends auch gerne am Schlossplatz und am Eckensee aufhalten und dort auch gerne einen Abend verbringen". Die gemeinsame Resolution sei ein erster Schritt dafür. Abschließend dankt er allen, die an diesem schwierigen Einsatz beteiligt waren oder gar verletzt worden sind, und wünscht ihnen alles Gute.

StRin Yüksel (FDP) erinnert, Stuttgart werde seit Jahren bundesweit als Paradebeispiel gelungener Integrationspolitik gefeiert. "Der Kommunalverband für Jugend und Soziales hat uns schwarz auf weiß attestiert, ein außergewöhnlich gutes Angebot für junge Menschen zu haben. Führende Soziologen und Jugendforscher loben die breite mobile Jugendarbeit in Stuttgart. Wie konnte es also zu diesen verabscheuungswürdigen Straftaten gerade in unserer Stadt kommen? Was sind die Ursachen? Ursachenforschung bedeutet dabei übrigens nicht, das liest man ja gerne mal in den sozialen Medien, dass die Taten in irgendeiner Form entschuldigt werden sollen. Wir können allerdings nur dann die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, wenn uns die entsprechenden Erkenntnisse zu den Ursachen auch vorliegen. Unter den Tätern waren viele Jugendliche und Heranwachsende. Waren es die Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie? War die ungehemmte Gewalt wirklich Folge der Langeweile und der coronabedingten Restriktionen? Viele Täter hatten einen Migrationshintergrund. Wir haben hier offensichtlich, unabhängig von jeglicher Demografie, ein Problem mit jungen Männern, die aus patriarchalischen Strukturen kommen, mit anderen Wertvorstellungen, denen jeglicher Respekt und jegliche Achtung vor Autoritäten fehlt, übrigens auch vor Frauen. Selbstverständlich müssen wir auch darüber reden.

Es darf keinerlei Tabus geben, gescheiterte Integration, völlig unabhängig übrigens von der Herkunft, fehlende Bildung, fehlende Schul- und Berufsabschlüsse. Und wenn schon viele Eltern mit der Vermittlung unserer Werte scheitern, wieso schaffen wir es nicht mit unserer Bildungspolitik, ihnen unsere Werte zu vermitteln? Viele der Straftäter waren alkoholisiert. Ist hier wirklich die gesamte Club- und Partyszene die Ursache? Wohl kaum. Viele Täter waren aber auch Zuschauer, machten ihre Verachtung gegenüber der Polizei nicht nur mit körperlichen Angriffen, sondern auch mit entsprechenden Beleidigungen mehr als deutlich. Sind das tatsächlich die Nachwehen der Black-lives matter-Demos aus den USA, die zu uns übergeschwappt sind? Eigene Rassismus-Erfahrungen? Die Ausübung hemmungsloser Gewalt ist aber kein Protest, sodass ich bezweifle, dass es in irgendeiner Form um politischen Protest ging. War es narzisstischer Selbstdarstellungswahn? Waren es also Aufmerksamkeitsjunkies, die für ein wenig Aufmerksamkeit in den sozialen Medien andere Menschen verletzten, privates und öffentliches Eigentum zerstörten, die sich nicht fragten, was die Polizeibeamten empfinden müssen, die angegriffen wurden, nur weil sie ihren Job machten und die öffentliche Ordnung wiederherstellen wollten? Die sich nicht fragten, wie sich der Rettungssanitäter fühlen muss, der nur helfen wollte und dann das Fahrzeug nicht mehr verlassen kann? War es einfach die pure Lust an Gewalt und Eskalation?

Die Ursachen dürften vielschichtig sein, und es sind keine einfachen Antworten, auch wenn wir uns das wünschen. Am wahrscheinlichsten dürfte wohl die Kumulation verschiedenster Faktoren sein. Es gibt nicht die eine Ursache. Jeder, der die Ereignisse in dieser Vielschichtigkeit nun auch auf die in sein Weltbild passende eine Ursache reduziert und ethnisiert, verkennt die Realität und betreibt politische Spaltung. Wir müssen Aufklärung und Aufarbeitung betreiben, ohne dass es irgendwelche Tabus geben darf, in keine Richtung. Wir müssen die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden und Soziologen hören, um kommunalpolitisch die passenden Antworten zu geben. Wir müssen uns auch schon fragen, ob trotz der vielen Lobeshymnen auf unsere Integrationspolitik auch wir in der Kommunalpolitik irgendetwas versäumt haben, egal, ob uns das gefällt oder nicht. Der größte Teil der Randalierer ist ein Teil unserer Stadtgesellschaft. Die werden nicht einfach verschwinden, nur weil der eine oder andere nun fordert, man wolle diese Täter nicht in der Stadt haben. Wir müssen deshalb parallel zu den strafrechtlichen Verfolgungen dieser Täter seitens der Justiz - und da hat die Justiz unter anderem mit dem Jugendstrafrecht ja ein gutes Gesetz, sozialpräventiv auch bei Jugendlichen und Heranwachsenden agieren zu können -, uns aber politisch durchaus die Frage stellen, wie wir es schaffen, diese Straftäter so zu erreichen, dass sich diese Taten nicht wiederholen. Die Erweiterung der Jugendgerichtshilfe ist zumindest ein guter Ansatz. Auch über weitere Maßnahmen müssen wir sprechen. Insoweit halten wir die nun eingerichtete Sicherheitspartnerschaft für zielführend und gut.

Die Forderungen nach Alkoholverboten und Videoüberwachungen lehnen wir ab. Hiervon werden zum einen nicht nur die Täter, sondern die gesamten Stuttgarterinnen und Stuttgarter betroffen. Zum anderen führten beide Maßnahmen unseres Erachtens dazu, dass das Problem einfach verlagert wird. Sinnvoll dürften eher andere Konzepte sein, wie z. B. die von der Polizei geforderte Beleuchtung beim Eckensee oder der Einsatz von mehr Streetwork. Nun meinen viele völlig reflexartig härtere Strafen, Abschiebungen und noch vieles mehr fordern zu müssen. Unsere Gesetze sind aber völlig ausreichend, um jeden einzelnen dieser Straftäter seiner Schuld angemessen zu bestrafen. Vertrauen wir doch auf die Arbeit unserer Ermittlungsbehörden und darauf, dass sie alle Straftäter ermitteln und anklagen. Nicht ein einziger Straftäter darf den Eindruck bekommen, mit diesen Taten davonkommen zu können. Alles andere macht unseren Rechtsstaat unglaubwürdig.

Und wenn wir beim Rechtsstaat sind, für mich war und ist es geradezu unerträglich, dass in den letzten Jahren dieser Rechtsstaat von Politikern immer wieder verbal angegriffen und verächtlich gemacht wurde. Insbesondere dann, wenn die Entscheidung der Gerichte nicht in ihr jeweiliges Weltbild passte. Dies übrigens nicht nur von den extremistischen Rändern. Auch dies führte dazu, dass die Legitimität des Staates, seiner Organe, der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger und Institutionen weniger Achtung und Respekt in der Bevölkerung genießen. Wir erleben tagtäglich die Verrohung der Sprache und des politischen Umgangs miteinander in nahezu allen politischen Gremien. Wir können nun diese Verrohung, insbesondere von den politischen Rändern und mit einer hysterischen Polarisierung bei diesem Thema fortführen. Von links kommt ja oft Polizei-Bashing, von rechts kommt purer Rassismus und Ausgrenzung als Brandbeschleuniger, das Problem sind die politischen Ränder. Sie sind Teil des Problems, löschen kann nur die politische Mitte.

Zum Schluss möchte ich mich bei den Polizeibeamtinnen und -beamten sowie unserem Rettungsdienst bedanken, den Verletzten wünsche ich alles Gute. Bedanken möchte ich mich aber auch bei den Menschen, die trotz der grölenden und aufgestachelten Menge sich den Tätern, aber teilweise auch ihren eigenen Freunden in den Weg gestellt haben. Vielen Dank für Ihre Zivilcourage."

StR Zaiß (FW) verurteilt aufs Schärfste, was am vergangenen Wochenende in der Innenstadt passiert ist. Solche Bilder wie die aus der Nacht von Samstag auf Sonntag wolle man in Stuttgart nie mehr sehen. Blinde Zerstörungswut und Gewalt gegen Einsatzkräfte dürfen unter keinen Umständen toleriert werden. Es gelte jetzt genau aufzuklären, wie es zu den Gewaltexzessen kam und warum sich in kürzester Zeit derart viele Randalierer in der Stadt versammeln und untereinander solidarisieren konnten. Die Täter müssen ermittelt und bestraft werden. Der Dank gehe vor allem an die Polizei, die besonnen auf die unübersichtliche Lage reagiert habe und noch Schlimmeres verhindern konnte. Dankbar für ihren Einsatz sei man auch sämtlichen Rettungskräften und all jenen, die bei den Aufräumarbeiten geholfen haben. Den Verletzten und teilweise auch traumatisierten Einsatzkräften von Polizei und Rettungsdiensten wünsche man eine schnelle und vollständige Genesung. Auch hoffe man, dass von der Zerstörungswut betroffenen Ladeninhabern und Immobilienbesitzern die Schäden, die an Gebäuden, Einrichtungsgegenständen und Waren entstanden sind, in vollem Umfang ersetzt werden.

Natürlich stelle sich die Frage, wie es zu den fürchterlichen Ausschreitungen kommen konnte, warum das gerade in Stuttgart passiert ist, wer die Randalierer waren und woher sie kamen. Bei der Aufklärung dürfe es keine Tabus geben, die Randalierer müssen als Straftäter behandelt werden. Für die Taten dieser Straftäter gebe es keine Rechtfertigung und auch keine Entschuldigung, egal ob aus Frustration, Perspektivlosigkeit, Diskriminierungserfahrung, einer schweren Kindheit, Migration oder einfach nur aus Kopflosigkeit erwachsen.

"Wir erwarten von allen Menschen, die bei uns leben, dass sie sich an unsere Gesetze halten, keine Gewalt anwenden, schon gar nicht gegen Rettungskräfte, sowie das Eigentum anderer und unsere Werte respektieren. Was jetzt bleibt, ist die Frage, welche Auswirkungen diese beispiellose Krawallnacht haben wird. Werden sich die Kunden der Geschäfte, die Gäste der Theater, Kinos, Cafés und Restaurants, die Flaneure, die Touristen und die Konzert- und Szenegänger in Stuttgart noch sicher und wohl fühlen? Wir Freien Wähler wollen unser friedliches, freiheitliches und liberales Stuttgart zurück."

StR Köhler (AfD) erklärt, erschrocken gewesen zu sein beim Anblick der Bilder, wie Polizistinnen und Polizisten "nicht einfach nur die Kontrolle über die Situation verloren, sondern selbst zum Freiwild für die Jagd dieses Mobs wurden. Es ist meiner Ansicht nach bereits eine Andeutung eines ethnischen Konflikts, der sich in der Stadt breitmachen könnte. Wenn auch bislang ein sehr einseitig ausgetragener. Und in diesem Konflikt wurden Hundertschaften der Polizei relativ hilflos mit einer offensichtlich relativ hilflosen Führung, das ist keine Kritik an der Führung, die Situation war überfordernd, die wurden verheizt". Die denkwürdigste Situationsanalyse gehe hervor aus dem Tonbandmitschnitt eines Polizisten vor Ort, der die ungeheuren Vorgänge dieser Nacht in Worten wiedergebe, "die man hier nicht wirklich zitieren kann und darf" und der sich jetzt mit Ermittlungen gegen ihn selbst rumschlagen müsse, "weil er derjenigen Meute, die vor seinen Augen Stuttgart plünderte und die eigenen Kollegen zusammenschlug, weil er dieser kriminellen Meute für einen kurzen Moment nicht den nötigen Respekt gezollt hatte. Der Mann hatte offenbar viel Adrenalin im Blut und das notwendige Wording, das ist ihm halt in dem Moment verrutscht mitten in der Nacht."

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei Baden-Württemberg habe die Geschehnisse dieser Nacht folgendermaßen analysiert. Zitat: "Es sieht danach aus, dass vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund vorn bei den Randalen dabei waren. Und die Verhaftungsstruktur vor Ort ist nicht das Bild, das sich vor Ort abgegeben hat". An StR Körner gewandt betont der Stadtrat, er schenke eher den Polizisten Glauben, "als dem SPD-Kandidaten, dessen Partei die Polizei komplett als rassistisch schon bezeichnet hat in Form Ihrer Parteivorsitzenden". Weiter zitiert er eine Aussage des Chefs der Polizeigewerkschaft in Mannheim, um zu verdeutlichen, dass es ein Grundproblem mit Personen gibt, die sich an keine Verhaltensregeln halten bzw. nur an deren eigene, ganz andere Regeln. Jedoch setze die bürgerliche Gesetzgebung den gesetzestreuen Bürger voraus. Man könne sich diesen bürgerlichen Typus aber nicht einfach mit Sozialtechnik kreieren. Dennoch beschäftige sich ein Gutteil dieses Gemeinderats lieber mit Scheinproblemen und ignoriere die wahren Probleme. Es spiele dabei keine Rolle, dass in dieser Stadt zehntausende Migranten friedlich und gesetzestreu ihr Leben führen, da dies eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Mit Blick auf den nach den Geschehnissen mehrmals geäußerten Satz "Das ist nicht unser Stuttgart" bekräftigt StR Puttenat (PULS): "Doch, das ist eben auch unser Stuttgart. Wir haben es vielleicht nicht sehen wollen, wir konnten es vielleicht davor auch nicht sehen, aber Anzeichen gab es sehr wohl dafür. Und keiner weiß, ob das hier womöglich auch ein Anfang von etwas war, das sich in unterschiedlichen Formen wiederholen kann. Gerade auch durch Corona sind Masken der Gesellschaft gefallen, Risse werden und wurden deutlicher, und ein gewisser Druck hat sich abermals erhöht". Den Blick auf die Ursachen zu werfen, brauche Zeit, Schnellschüsse seien nicht angebracht. Vielmehr sollten Politik, Polizei und Gesellschaft jetzt die Chance nutzen, sich zu bilden.

Gewalt sei nicht zu akzeptieren. Wer sie ausübt, habe die Konsequenzen zu tragen. Gleichwohl werde eine Politik auf Grundlage von Recht und Ordnung nicht die alleinige Antwort auf das Problem sein und greife zu kurz. Man müsse die jungen Leute ernst nehmen, sie einbeziehen, ihnen Fragen stellen und zuhören. Sonst bestehe die Gefahr, dass durch Recht und Ordnung allein noch mehr Trotz und noch mehr Frust erzeugt wird. Vielleicht seien auch z. B. die Unruhen in den USA ein gewisses Vorbild gewesen.

Der Stadtrat dankt der Polizei für den Einsatz, wünscht allen Verletzten beste Genesung und denkt zu wissen, "mit was sie es zu tun gehabt haben und wie schlimm das war". Es gebe aber mittlerweile eine Diskussion in der Gesellschaft: "Ist die Polizei dein Freund und Helfer?" Denn sie werde von manchen als Feind wahrgenommen. "Wir müssen uns auch Fragen stellen, wie passiert Racial Profiling innerhalb der Polizei? Gibt es so was? Ich behaupte das nicht, ich weiß es nicht, aber das sind Fragen, die auch gestellt werden müssen. Das Gleiche ist natürlich mit dem Rassismus innerhalb der Polizei. Denn wer permanent aufgrund seines Aussehens z. B. kontrolliert wird, entwickelt Misstrauen bis hin zum Frust. Und wie wird die Polizei psychologisch z. B. auch in diesem Bereich für genau so was auch ausgebildet?"

An die Wirkung eines Alkoholverbots glaube man nicht. Das Gleiche gelte auch für Orte, wo man dann verbietet, Alkohol zu trinken, denn "dann ziehen sie woanders hin". Wenn etwas daran stimmen sollte, dass sich die Ereignisse auch gegen den Staat richten, dann sei der Staat und nicht zuletzt der Gemeinderat als Politikerinnen und Politiker gefordert. Das Stichwort Fehlerkultur sei dabei wichtig. Höchst bemerkenswert für ihn war z. B. das Eingeständnis der Stuttgarter Polizei, dass sie die Lage für zwei bis drei Stunden nicht im Griff hatte. "Und ich glaube, das ist auch eine wichtige Ehrlichkeit. Denn Überforderungen finden statt, und zwar bei uns allen, und das hat Corona auch ziemlich deutlich gezeigt." Für die Fraktionsgemeinschaft sei ganz klar, dass die Sozialpolitik gestärkt werden muss. Es brauche viel mehr Rückkopplungen von Sozialarbeitern/-innen, von Streetworkern in die Mobile Jugendarbeit, Polizei und Politik. Außerdem wichtig sei, die Streetworker im Nachtleben zu haben.

Zur Resolution, die von einer großen Mehrheit im Gemeinderat getragen werde, und der Frage, warum von PULS nur Christian Walter unterschrieben hat, führt er aus, er finde diese Resolution nicht schlecht, habe sie aber nicht unterschreiben wollen, da er beim Durchlesen den Eindruck bekommen habe, bis letzten Samstag in einem prächtigen "Friede-Freude-Eierkuchen-Stuttgart" gelebt zu haben und man müsse jetzt nur ein paar Rädchen drehen, und schon bald lebe man wieder im "Friede-Freude-Eierkuchen-Stuttgart".

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) dankt Herrn Berger für den Bericht und seine Besonnenheit. Bezüglich dessen Aussage, "mit uns kann man über Rassismus reden" berichtet er, im Rahmen seines Engagements an der Organisation der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Stuttgart versuche man seit Monaten für eine Veranstaltung zum Thema Racial Profiling einen Vertreter der Polizei zu gewinnen, um mit jungen Menschen darüber zu diskutieren. 9 Monate lang habe man über den Pressesprecher bei der Polizei angefragt, jedoch habe man leider keine Antwort bekommen. Er würde es daher schön finden, wenn gerade in dieser Situation Herr Berger oder jemand anderes aus der Polizei den Dialog sucht mit den entsprechenden Initiativen und mit denen, die dieses Thema auch aufbringen. Er fragt Herrn Berger: "Wären Sie bereit zu so einem Gespräch und die Bitte, vielleicht sogar die Initiative zu ergreifen, so ein Gespräch zu führen?"

Herr Berger erwidert, er komme immer, wenn man ihn einlädt und wenn die Menschen hören wollen, was er zu sagen hat. "Eine Chance kriegt jeder bei mir. Da kommt natürlich auch die Gegeneinladung, dann wäre es auch mal ganz gut, wenn manche Leute sich auch jungen Polizeibeamten in Stuttgart stellen, die sagen, wie ihre Erfahrungen sind zum Racial Profiling. Natürlich müssen wir über dieses Thema diskutieren, und wir müssen es auch erklären, warum das denn so ist. Es würde jetzt an der Stelle sicher zu weit führen, das ist eine Diskussion über mehrere Abende. Ich sage Ihnen nur so viel, das Thema Rassismus, die Diskriminierung und auch eine Lageorientierung in der polizeilichen Arbeit, das liegt oft nah beieinander. Und zwar kommt es oftmals auf die Wahrnehmung an. Und ich habe dafür Verständnis, dass Menschen, wenn sie zwei, dreimal am Abend von der Polizei kontrolliert werden, das nicht so toll finden und auch problematisch. Das kann ich total nachvollziehen. Vielleicht ist es tatsächlich eine Frage des Dialogs. Und ich sage es einfach mal so, wir haben eine klare Lageorientierung, und an der orientieren wir uns. Und deswegen, also gerne, wenn Sie mich einladen. Ich komme zu jedem Format, wenn ich nur eine Spur den Eindruck habe, dass die Menschen wirklich auch hören wollen, was ich sage. Weil, nur irgendwo hinzukommen, war ja auch schon, um mich als Gallionsfigur dann darzustellen, an der sich dann alle abarbeiten, dafür ist mir meine Zeit zu schade. Aber wenn Menschen guten Willens sind, schenke ich Vertrauen. Wissen Sie, Vertrauen kann man nicht erwerben, Vertrauen kriegt man geschenkt. Also das erste Mal, wenn Sie mich einladen, komme ich gern, kein Problem, Thomas.Berger2@Polizei.BWL.de, Mail schreiben, und ich habe glaube ich noch keine Einladung abgelehnt. Zumindest wenn ich beim ersten Mal eingeladen bin. Also laden Sie mich ein, ich komme gerne."

Abschließend betont er, die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsspitze und Polizeipräsidium sei immer sehr gut. Den Mitgliedern des Gemeinderats dankt er dafür, "dass Sie sich als Stadträtinnen und Stadträte im Gemeinderat zur Verfügung stellen, ich glaube schon, dass sich der Einsatz für den Staat immer weniger lohnt für diejenigen, die es tun. Und diejenigen, die es trotzdem tun, die verdienen unsere Unterstützung. Und deswegen haben Sie als Kolleginnen und Kollegen hier meine Unterstützung, und ich danke Ihnen an dieser Stelle noch mal ganz herzlich für Ihre. Und jetzt hoffen wir, dass wir nächste Woche uns wiedersehen in verschiedenen Konstellationen und dass übers Wochenende doch alles gutgegangen ist. Das würde ich mir sehr wünschen. Dankeschön."

StR Dr. Mayer (AfD) geht ein auf die bei drei Fraktionen angeklungene Selbstkritik, wonach es Versäumnisse, Unterlassungen gegeben habe. Selbstverständlich gebe es keine monokausale Erklärung dieser Vorgänge, dennoch gebe es politische Verantwortung. Jedoch vermisse er beim Oberbürgermeister jegliches Eingeständnis von Versäumnissen und fordere ihn daher auf, politische Verantwortung zu übernehmen. Beispielhaft sei zu fragen: "Warum schweigt der Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt, wenn in der taz Polizisten auf der Müllhalde entsorgt werden sollen? Warum schweigt er dazu, dass ein skandalöses Gesetz in Berlin verabschiedet wurde, dass die Beweislast für eine Straftat auf die Polizisten übergeht, wenn jemand sie beschuldigt, rassistisch vorgegangen zu sein?"

OB Kuhn weist diese Beispiele zurück, da sie rein gar nichts mit der Stuttgarter Kommunalpolitik zu tun haben und sie folglich auch nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen. Zur entscheidenden Frage, um die es hier geht: "Hat die Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart das Nötige getan?", habe er ausführlich Stellung genommen und die unzutreffenden Beschuldigungen gegenüber BM Dr. Schairer zurückgewiesen.

Abschließend stellt er die Resolution mit dem Titel "Keine Gewalt in Stuttgart" (Antrag Nr. 252/2020) zur Abstimmung und stellt fest:
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