Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
815/2020
GZ:
WFB 9011-00
Sitzungstermin: 24.09.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Konzept zur Verbesserung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte / Nachtrag 2021
- Weiteres Vorgehen

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 23.09.2020, öffentlich, Nr. 390

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 15 Ja- und 4 Gegenstimmen


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 22.09.2020, GRDrs 815/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vom Sachstand der bisherigen Erhebungen hinsichtlich des Beeinflussungsgrades der Aufwandsansätze in den Kontengruppen 420 - Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen, 430 - Transferaufwendungen und 440 - Sonstige ordentliche Aufwendungen wird Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, zur Vorbereitung des erforderlichen Nachtragshaushalts 2021 sowie des Konzepts zur Verbesserung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte eine vertiefte Analyse der Aufgaben in allen Verwaltungsteilen und Eigenbetrieben durchzuführen und dem Gemeinderat eine bewertete Priorisierung der im Haushaltsplan 2021 berücksichtigten Aufgaben(-blöcke), Einzelförderungen und Projekte vorzulegen.



BM Fuhrmann erinnert an die einstimmige Beschlussfassung im Gemeinderat vom 29.07.2020 zum Nachtragshaushalt für das Jahr 2020 (öffentlich, Niederschrift Nr. 240), mit der die Haushaltsansätze des Jahres 2020 wie im Doppelhaushalt beschlossen gehalten werden konnten. Gleichzeitig wurde die Verwaltung beauftragt, ein Konzept zur Sicherstellung der Ertragskraft der Ergebnishaushalte für das Jahr 2021 und die künftigen Haushalte zu erarbeiten und vorzuschlagen. Anfang August 2020 habe man alle Referate und Ämter beauftragt, ihre Budgets im Ergebnishaushalt dergestalt zu bearbeiten, als sie darstellen, welche Aufgaben sie als Pflichtaufgaben definieren, innerhalb der Pflichtaufgaben nach deren Beeinflussbarkeit zu differenzieren und die freiwilligen Aufgabenbereiche in Bereiche, die gesetzlich oder vertraglich oder durch entsprechende Bescheide verpflichtend sind und in verfügbare freiwillige Aufgaben.

In der letzten Woche seien umfassende Gespräche mit allen Referaten und allen Ämtern geführt und die weiteren Schritte beschlossen worden. Der Finanzverwaltung war dabei sehr wichtig, den weiteren Prozess in Abstimmung mit den einzelnen Ämtern vertieft anzugehen. Eine vertiefte Analyse der Zahlen sei notwendig und habe u.a. mit der Definition des Aufgabencharakters zu tun. Man wolle die Aufgaben in Form einer sog. Aufgabenkritik näher beleuchten im Hinblick auf deren stadtgesellschaftliche Bedeutung, auf Effizienz, auf deren Wirkung innerhalb der Stadt. Um diese Arbeit und die Abstimmung mit den Referaten und Ämtern voranzutreiben, bitte man den Rat um den Auftrag, entsprechend vorgehen zu können. Ende 2020 oder Anfang 2021 werde man über die weiteren Verfahrensschritte sprechen. Wie von ihm mehrfach angekündigt, werde ein Nachtragshaushalt 2021 notwendig. Um diesen vorzubereiten bitte er den Rat, der Vorlage zuzustimmen.

StR Winter (90/GRÜNE) verweist auf die ausführliche Diskussion im gestrigen Verwaltungsausschuss. Man stecke mitten in einer Pandemie, von der niemand weiß, wie die weitere Entwicklung sein wird und wie die weiteren wirtschaftlichen Folgen sind - auch einnahmenseitig für die Landeshauptstadt Stuttgart. Wer davor die Augen verschließt, irre für die nächsten Haushalte. Er spricht sich für die von BM Fuhrmann skizzierte Aufgabenstellungen aus, denn die Alternative dazu wäre "unter Umständen ein über alle Ausgaben gelegtes pauschaliertes System, was niemand wirklich wollen kann in diesem Hause". Seine Fraktion stimme der Vorlage und der darin vorgeschlagenen Vorgehensweise zu.

Auf die weltweiten gesellschaftlichen, gesundheitlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie für Privatleute, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, Kommunen und Gebietskörperschaften nimmt auch StR Kotz (CDU) Bezug. Nach seiner festen Überzeugung muss auch die Kommune - wenn die Einnahmen sich entscheidend ins Negative verändern - die Ausgaben überprüfen und ggfs. eine Aufgabenkritik machen: "Was ist in dieser veränderten Situation zwingend notwendig, was ist notwendig und was ist vielleicht bisher schön und gut und richtig gewesen, aber worüber muss man vielleicht dennoch nachdenken bei dieser veränderten finanziellen Situation?" Genauso verstehe man die Vorlage, welcher seine Fraktion zustimme.

Hingegen betont StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), die FrAKTION schaue sich regelmäßig alle zwei Jahre den Haushalt an und übe Aufgabenkritik im Rahmen der Haushaltsplanberatungen. Diese Routine stehe Ende nächsten Jahres wieder an und der Doppelhaushalt 2022/2023 werde wahrscheinlich anders als der aktuelle sein. Man halte es für falsch, im Vorgriff auf diese Haushaltsberatungen Sparvorschläge erarbeiten zu lassen. Auch wenn es zutrifft, dass niemand weiß, wie lange die Corona-Pandemie noch dauert und was sie kostet, "wenn es stimmt, dass wir nicht wissen, was am Ende Bund und Land uns an Hilfen geben werden, dann wissen wir auf der anderen Seite aber eines: Wenn wir jetzt als Kommune nicht investieren in die Zukunft, jetzt in der Krise nicht die Lösungen für die Zukunft vorbereiten, dann kann aus diesem Schock der Corona-Pandemie ein strukturelles Problem erwachsen, weil wir Zukunftsinvestitionen nicht tätigen." Dies jedoch habe man die letzten Jahre schon getan. Es brauche in dieser Situation mehr Kommune und mehr soziale Daseinsvorsorge sowie konjunkturelle Anreize, damit die Wirtschaft schneller wieder Fuß fasst. Er halte es für unklug, auf Verdacht zu sparen, anstatt mit den vorhandenen Rücklagen, die auf der Bank keine Zinsen bringen, zu investieren. Die Vorlage lehne man aus den genannten Gründen ab.

StR Körner (SPD) nimmt - wie in der Vorlage erbeten - Kenntnis von der Beschlussantragsziffer 1 und sieht keinen Grund, dem in der Beschlussantragsziffer 2 dargelegten Auftrag zu widersprechen. Etwas ganz Anderes sei dann die Frage, "was wir mit diesen Informationen anstellen". Es wird aus seiner Sicht in dieser ganz besonderen Zeit keine einfachen Entscheidungen geben. Dies gelte insbesondere für finanzpolitische Entscheidungen. Vieles spreche dafür, auch 2021 noch ein besonderes Jahr zu haben, wo vielleicht mit einmaligen Maßnahmen die Lücke geschlossen werden kann. Die Gretchenfrage werde sein, wie der städtische Haushalt strukturell in die Zukunft gehen kann. Hierfür sei es hilfreich, eine vertiefte Aufgabenkritik und eine Analyse der Aufgaben vorzunehmen. Der Gemeinderat werde sagen müssen, wie er in einem Nachtragshaushalt 2021 die Lücke schließen will. Seine Fraktion stimme der Vorlage zu.

Auch er habe sich gefragt, was dagegenspricht, sich die Aufgaben dieser Stadt anzuschauen, so StR Dr. Oechsner (FDP). Schließlich bestehe ein Haushalt aus gewünschten Ausgaben und aus erwarteten Einnahmen. Wenn sich abzeichnet, dass erwartete Einnahmen nicht kommen, so sei es die Pflicht auch einer Kommune, zu prüfen, "was wird überhaupt ausgegeben, was muss ich wirklich ausgeben, was kann ich evtl. anders machen und wie kann ich mit den neuen Einnahmen das Bestmögliche machen?" Nichts spreche folglich dagegen, dieser Vorlage zuzustimmen. Seine Fraktion traue der Verwaltung zu, einen Vorschlag zu erarbeiten, der für alle Beteiligten und für die Gesamtbevölkerung in Stuttgart das Beste bringt.

StRin von Stein (FW) stimmt der Vorlage ebenfalls zu. Ihre Fraktion halte die von der Verwaltung vorgeschlagene Vorgehensweise für richtig angesichts der eingebrochenen Steuereinnahmen und der höheren Ausgaben infolge der Pandemie. Da man noch länger mit der Corona-Pandemie zu tun haben werde, bedeute dies auch, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer reduzierten Einnahmensituation auf absehbare Zeit ausgegangen werden muss. "Darauf zu verweisen, dass wir im Moment ausreichend Rücklagen haben und Sparen nicht nötig sei, würde innerhalb weniger Haushalte dazu führen, dass wir uns der Handlungs- und Gestaltungsfreiheit berauben." Die Handlungsfähigkeit der Verwaltung und die Gestaltungsfähigkeit des Gemeinderats sei den Freien Wählern auch in der mittelfristigen Finanzplanung wichtig. Weiter gibt die Stadträtin zu bedenken, dass zur Stadt auch die Eigenbetriebe und die Beteiligungsgesellschaften gehören, die ihrerseits unter der Pandemie leiden und mit hoher Wahrscheinlichkeit Finanzspritzen brauchen werden. Die Landeshauptstadt Stuttgart als Eigentümerin oder als Gesellschafterin stehe in der Pflicht, diese Betriebe zu unterstützen.

In der derzeitigen extremen Ausnahmesituation spricht StR Ebel (AfD) sich dafür aus, nicht in die Krise hinein zu sparen. Die Wirtschaftskrise habe noch nicht alle Bereiche erreicht, weshalb man eher noch vor oder in der Krise stehe. Die staatlichen Stellen müssen daher antizyklisch investieren. "Sparen und kürzen ist in anderen Zeiten richtig, nicht jetzt." Der Vorlage werde man folglich nicht zustimmen.

StR Walter (PULS) unterstützt die von der Verwaltung vorgeschlagene Vorgehensweise, "um im Dezember mit mehr Wissen und sicherlich sinnvollen Vorschlägen der Verwaltung endgültig in die Beratung zu gehen".



OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt mehrheitlich wie beantragt (9 Nein-Stimmen,
2 Enthaltungen).


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