Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
472/2021 1. Ergänzung
GZ:
SWU
Sitzungstermin: 17.11.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Prüfung der Klimarelevanz von Beschlussvorlagen

Vorgang: Ausschuss für Klima und Umwelt vom 30.09.2022, öffentlich, Nr. 42
Gemeinderat vom 13.10.2022, öffentlich, Nr. 199
jeweiliges Ergebnis: Vertagung der GRDrs 472/2021

Ausschuss für Klima und Umwelt vom 28.10.2022, öffentlich, Nr. 47
Ergebnis: einmütige Zustimmung m. Maßgabe Ergänzung Beschlussantrag der GRDrs 472/2021


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 10.11.2022, GRDrs 472/2021, 1. Ergänzung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Verwaltung stellt in städtischen Gemeinderatsdrucksachen mit klimarelevanten Beschlussanträgen, die Auswirkung auf das Klima in einem gesonderten Abschnitt dar.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die Zielsetzungen und Aufträge aus dem Antrag 343/2022 bis zum 2. Quartal 2023 zu bearbeiten und zu beantworten, mit dem Ziel diese Vorlage fortzuschreiben.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Einleitend merkt OB Dr. Nopper folgendes an: Im Nachgang zum gemeinsamen Zielbeschluss, Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 zu erreichen, schlage die Verwaltung dem Gemeinderat vor, dass zukünftig bei allen klimarelevanten Beschlussvorlagen auch die Auswirkungen auf das Klima aufgezeigt werden. In einem ersten Schritt soll mit der Klimarelevanz bei den Vorprüfungsbeschlüssen, bei den Baubeschlüssen und bei den Investitionskostenzuschüssen für Hochbaumaßnahmen sowie bei Fahrzeugbeschaffungen die wichtigsten klimarelevanten Bereiche dargestellt werden. Bis spätestens Mitte 2023 werde man aufgrund eines Antrags aus der Mitte des Gemeinderats darlegen, inwieweit in einem zweiten Schritt auch die Klimarelevanz in den Bereichen Mobilität, allgemeine Beschaffung und graue Energie erfasst und aufgezeigt werden kann. Mit dem heutigen Beschluss trete also zur nach wie vor sehr wichtigen Betrachtung der finanziellen Auswirkungen der Entscheidungen des Stuttgarter Gemeinderates zukünftig noch bewusster die Betrachtung der Auswirkungen auf Klima und Umwelt hinzu.

StRin Munk (90/GRÜNE) unterstreicht, um die vor der Sommerpause feierlich beschlossene Klimaneutralität bis 2035 erreichen zu können, brauche es auf allen Ebenen beim Klimaschutz noch mehr Ehrgeiz. Sie begrüßt daher, heute über die Ergänzungsvorlage zu beraten und sie zu beschließen, um so wesentliche Ziele früher und schneller auf den Weg bringen zu können. Die Erstfassung der Vorlage habe zu kurz gegriffen, denn neben Hochbauthemen und Fahrzeugbeschaffung gehe es auch um Tiefbauprojekte und um das Thema des Lebenszyklus insgesamt. Man habe ganz bewusst das Thema Scope 3 hineingebracht und auch das Thema Beschaffungen bei Ausschreibungen sowie Lieferketten. Man wolle, dass auch hier die Möglichkeit der CO2-Einsparung Vergabekriterium wird, denn sonst erreiche man die gesteckten Ziele nicht. Weil dies keine leichte Aufgabe sei und Haushaltsrelevanz habe, bitte man die Verwaltung auch darum, Stellenbedarfe und Sachmittel, die dafür notwendig werden, zu benennen. Es gehe nicht nur darum, den interfraktionellen Antrag Nr. 343/2022 aufzunehmen, zu prüfen und zu sagen, geht oder geht nicht, sondern darum, dass die Verwaltung in der Frist bis zu den Haushaltsberatungen 2023 die Kriterien aufzeigt für die anderen Bereiche, wie dies künftig in den Vorlagen berücksichtigt wird.

StR Kotz (CDU) stimmt zu, unbestritten sei dies eine wichtige Vorlage, die sich anschließe an den Beschluss zur Klimaneutralität und mit der die Stadtverwaltung beauftragt werde, ein wichtiges Werkzeug dazu zu schaffen. Ihm ist wichtig, dass diese neue Form der Mitzeichnung nicht zu Lasten der Laufdauer von Vorlagen oder zur verspäteten Zurverfügungstellung von Vorlagen vor den Gremiensitzungen führen darf. Er appelliere deshalb an die Verwaltung, hier solche Strukturen zu schaffen, die dazu führen, dass die gesetzte Aufgabe möglichst effizient und möglichst in einem vernünftigen Zeitkorsett bewerkstelligt werden kann. Die Vorlagen müssten zum Einstieg nicht gleich sämtliche Grundlagen in dieser Thematik abbilden, deswegen sei es richtig, zunächst die dicken Brocken anzupacken. Den zweiten Teil seines Wortbeitrags adressiert er in Richtung der Stadträtinnen und Stadträte: Weil man auch nach Beschlussfassung dieser Vorlage nicht bei allen Projekten immer einer Meinung sein werde, so finde er doch, dass es zur Anständigkeit des Miteinanders und des politischen Diskurses gehört, sich nicht immer vorzuwerfen, die Klimaneutralität mitbeschlossen zu haben und trotzdem jetzt ein Projekt zu beschließen mit einem gewissen Budgetverbrauch oder einer vielleicht nachhaltig schlechten Auswirkung. Man sollte vielmehr fair miteinander umgehen und die unterschiedlichen Interessenlagen der Fraktionen, was das Thema angeht, anerkennen, und nicht ständig "die Klimakeule schwingen".

OB Dr. Nopper wirft ein, klarer Wunsch und Wille der Verwaltung sei es, durch die Darstellung der Klimaauswirkungen und der Klimarelevanz nicht langsamer und nicht schwerfälliger zu werden.

StR Dr. Jantzer (SPD) betont, seiner Fraktion sei es wichtig, darüber zu sprechen, welche Relevanz diese Hilfe zur Abwägung von Entscheidungen perspektivisch hat. Er erinnert daran, dass der Gemeinderat dieses Ziel 2035 bezüglich der energetischen Klimaneutralität beschlossen hat, nicht aber die Herstellung von Produkten und Gebäuden adressiert habe, was das Ziel 2045 sei. Er bekräftigt, "kein Mensch will nicht mehr bauen, der hier im Rat ist, wir wollen zunächst mal eine bessere Abwägung machen - vielleicht auch in die Zukunft". Seine Bitte an die Verwaltung laute daher, mit den Kriterien schon jetzt einen Schritt weiterzukommen, wenn man bestimmte Vorhaben anstrebt: "Wie können wir etwas realisieren mit weniger Footprint? Mit weniger Transport aus der Dritten Welt? Mit Holz als Baustoff?" Es gehe darum, eine Entscheidungsgrundlage zu finden, indem man Dinge alternativ darstellt. Dies sei eine fachliche Frage und koste Ressource, weshalb seine Fraktion darauf gedrungen habe, dass man bei den Haushaltsberatungen auch darüber diskutiert. Weiter weist der Stadtrat darauf hin, dass dies ein Beitrag für die gesamte Gesellschaft ist.

Seine Fraktionsgemeinschaft freue sich sehr über die Vorlage, vor allem über die Ergänzung, so StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), fordere man doch seit Jahren, eine Entscheidungsgrundlage zu haben, die die energetischen, aber auch stofflichen Wirkungen der Beschlüsse bilanziert nennt und diese Kosten aufführt. Mit dieser Beschlussfassung komme man dem ein Stückchen näher und auch dem Transparenzgedanken insgesamt, wenn die Verwaltung rechtzeitig vor dem Haushalt benennt, was eine solch umfassende Methodik bei allen Entscheidungen auch an Personal erfordert. Darin müsse man investieren, damit es nicht zu einem behördlichen Schwergang kommt. Die FrAKTION wolle bei den nächsten Haushaltsberatungen helfen, die dafür notwendigen Kapazitäten zu schaffen. An StR Kotz gewandt merkt er an, endlich habe er mit dieser Vorlage eine Keule in der Hand, mit der er ihn prügeln könne. Grundsätzlich jedoch sei mit diesen Vorlagen und dem, was im Haushalt erarbeitet wird, das Problem nicht gelöst. Man müsse sich die Frage stellen, wie man runterkommt von dem heute erhöhten und naturschädlichen Lebensstandard. Es brauche also zusätzlich ein strategisches Vorgehen in dieser Stadt, wie jedes Ressort, jeder Bürgermeister, jeder Bereich seinen Beitrag leistet für CO2-Minderung. Es brauche jährlichen Report, Berichterstattung, Nachsteuerung und zusätzliche Maßnahmen, um die Energieeinsparziele zu erreichen. Dazu müsse man an die alten Beschlüsse ran, an die gesamte Struktur. Er kritisiert die Stadtverwaltung, die ein Jahr für die Mitzeichnung gebraucht habe, bis sie die Erstfassung dieser Vorlage eingebracht habe. Eine solche Arbeitsweise könne man sich nicht leisten.

Nach Meinung von StR Dr. Oechsner (FDP) "geht es schlicht und ergreifend um ein weiteres Instrument, das wir brauchen, nachdem wir feierlich den Beschluss mit 2035 gefällt haben". Dieses Instrument habe der Rat schon vor einem Jahr beauftragt und liege jetzt endlich im Anfang vor. Es sei der Einstieg in ein weiteres Kriterium, wie man Vorlagen betrachtet. Es brauche dieses Instrument, wenn der Gemeinderat seine eigenen Beschlüsse ernstnimmt, nämlich 2035 zumindest in die Nähe der Klimaneutralität zu kommen. Es heiße noch lange nicht, dass man andere Stadtratskollegen mit dieser Vorlage prügelt, es heiße aber auch noch lange nicht, dass man etwas nicht tut, nur, weil es vielleicht teuer ist. "Wenn uns nämlich eine Sache, die sehr teuer ist, es uns wert ist, dann muss halt woanders gespart werden." Es gebe jedoch auch Fraktionen, die zwar sagen, es ist es mir wert, aber die trotzdem nicht sparen. Somit werden sich wahrscheinlich alle in diesem Rat, mit dem Kriterium CO2 auseinandersetzen müssen und jeder suche dann die Idee, was ist der richtige Weg? Seine Fraktion habe diese Idee: "2035 haben wir beschlossen, also brauchen wir ein Kriterium, um die Währung CO2 zu beurteilen. Es sei daher richtig und gut, dass die Vorlage ergänzt wurde. In der Beschlussantragsziffer 2 heiße es, dass die Aufträge beantwortet werden bis zum 2. Quartal 2023. Dies bedeute, die Fragen werden bis Ende des 1. Quartals beantwortet, sodass man sich dann über eine Fortschreibung Gedanken machen kann. Man mache also jetzt den Einstieg und schreibe es fort, sodass man in den Möglichkeiten immer besser werde, ohne die Stadtverwaltung durch dieses Kriterium lahmzulegen. Es sei daher eine gute Vorlage, ein guter Einstieg und der richtige Weg für Stuttgart, mit dem Thema Klima umzugehen. Seine Fraktion stimme der Vorlage gerne zu.

StR Ozasek (PULS) zitiert António Guterres' eindringliche Worte "Die Staatengemeinschaft rast mit Vollgas in die Klimahölle". Er hält es vor diesem Hintergrund für inakzeptabel, dass die Vorlage der Verwaltung eine derart lange Abstimmungsphase erlebt hat und wie sie in der Ursprungsfassung abgefasst war. Es gelte schneller zu werden, entschlossener zu werden und entschlossener umzusteuern. Die Klimarelevanz aller Beschlüsse in diesem Hause sei transparent zu machen und ein Monitoring zu implementieren, das die Stadtgesellschaft zum Ziel einer klimaneutralen Stadt 2035 hinführt. Heute nun werde im ersten Schritt die Bilanzierungsmethodik festgelegt, was zwar ein Fortschritt sei, aber so, wie sie vorliegt, nicht ausreiche, denn insbesondere die Bauwirtschaft, auf die 40 % der globalen Emissionen entfällt, sei hiervon ausgenommen. Um unter anderem dies zu korrigieren, haben die Fraktionen mit einem interfraktionellen Antrag nachgesteuert, was zur Beschlussantragsziffer 2 geführt habe. Die Verwaltung sei verpflichtet zur Fortschreibung dieser Bilanzierungsmethodik. Der Stadtrat betont, es gehe PULS nicht um Punkt und Komma, "sondern, dass wir bei einem ehrlichen Bilanzieren auch Mut beweisen zum gewissenhaften Schätzen. Wir wollen, dass Sie in Ihrer Fachlichkeit gesamthaft beurteilen, was eine Vorlage, ein politischer Beschluss nach sich zieht." Die dafür benötigten Stellenbedarfe und Sachmittelbedarfe wolle man transparent von der Verwaltung dargelegt bekommen. Um Stuttgart auf einen Paris-konformen Dekarbonisierungspfad zu bringen, gehöre klimagerechtes und zirkuläres Bauen, eine nachhaltige Bauwirtschaft und Baustoffkreisläufe, die in der Stadt und in der Region implementiert werden müssen. Im Sommer 2023 werde man die Bilanzierungsmethodik dann komplettieren.

Für StR Zaiß (FW) vertritt die Meinung, schon die Überschrift "Prüfung der Klimarelevanz von Beschlussvorlagen" trage in sich, dass man das dann machen muss, und zwar bei jeder Vorlage, um die Klimaneutralität 2035 erreichen zu können. Er gibt zu bedenken, dass bis dahin noch einige Neuerungen und neue Erkenntnisse auf uns zukommen - sei es in der Energiegewinnung, sei es in der Fortbewegung, sei es bei den Motoren. Es werde folglich ein konstanter Lernprozess bleiben, weshalb man der Vorlage getrost zustimmen könne.

Auf die erheblichen Schwierigkeiten für die Verwaltung, das, was in der Vorlage gefordert wird, umzusetzen, geht StR Köhler (AfD) ein. Er äußert Zweifel, ob es möglich ist, komplette Produktionsprozesse realistisch zu berechnen in Bezug auf die CO2-Belastung, weil dies sehr, sehr kompliziert sei. Hinzu komme die Problematik der Nach-

verfolgbarkeit von Produkten. Deswegen werde nach seinem Eindruck eine politische Phantasiezahl herauskommen oder eine grobe Daumenschätzung, die aber die realen Verhältnisse gar nicht abbildet. Seine Fraktion werde der Vorlage nicht zustimmen.



OB Dr. Nopper stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 472/2021 1. Ergänzung
bei 3 Nein-Stimmen mehrheitlich
wie beantragt.

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