Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 580/2018
Stuttgart,
06/13/2018



VVS-Tarifzonenreform



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
27.06.2018
28.06.2018



Beschlußantrag:

1. Der VVS-Tarifzonenreform mit den in der Begründung dargestellten Eckpunkten wird zugestimmt.

2. Die Verwaltung wird ermächtigt die notwendigen Vereinbarungen abzuschließen und die zur Umsetzung der Tarifzonenreform erforderlichen Erklärungen in den Gremien und Versammlungen der städtischen Beteiligungsgesellschaften abzugeben.

3.1 Der städtische Finanzierungsanteil 2019 in Höhe von 10,6 Mio. EUR wird im Teilergebnishaushalt 200 Stadtkämmerei unter 0208100 Abwicklung Eigenbetriebe, Beteiligungen, Konto 43150200 Zuschüsse an Eigengesellschaften / Beteiligungen gedeckt.

Im Vorgriff auf das Haushaltsjahr 2019 wird ein überplanmäßiger Aufwand in Höhe von 1.600.000 EUR zugelassen. Die Deckung erfolgt durch Inanspruchnahme der im Teilergebnishaushalt 900, Amtsbereich 9006120 Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft in KGr. 440 Sonstige ordentliche Aufwendungen veranschlagten Deckungsreserve.


3.2 Die gegenüber der Finanzplanung in den Jahren 2020 und 2021 zusätzlich erforderlichen Mittel in Höhe von voraussichtlich 5,4 Mio. EUR bzw. 7,2 Mio. EUR im Jahr 2022 und 8,1 Mio. EUR ab 2023 werden bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2020/2021 und der Finanzplanung als Vorbelastung berücksichtigt.







Begründung:


Ausgangslage

Am 07.02.2017 wurde im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats der LHS über die Weiterentwicklung des VVS-Tarifs beraten. Fraktionsübergreifend gab es bei der Diskussion um die künftige Tarifstruktur das klare Votum, in Stuttgart eine Zone im ÖPNV einzurichten. Eine entsprechende Zielsetzung wurde auch im „Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung“ von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD (im gemeinsamen Antrag 86/2017 vom 22.03.2017) formuliert. Der Oberbürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrates des VVS wurde beauftragt, mit den Beteiligten einen Vorschlag zu erarbeiten. Im Doppelhaushalt 2018/19 wurde dementsprechend für die Tarifzonenreform ein Betrag von 9 Millionen Euro ab dem Haushaltsjahr 2019 eingestellt.

Neben diesem Impuls der Landeshauptstadt gibt es auch Initiativen der Verbundlandkreise (der Landreise Esslingen, Ludwigsburg und Böblingen sowie dem Rems-Murr-Kreis) und des Verbandes Region Stuttgart mit dem Ziel, die Zahl der Tarifzonen zu reduzieren und das Tarifsystem einfacher und übersichtlicher zu gestalten. Hinzu kommt die Diskussion um drohende Fahrverbote in Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 gegen das Land Baden-Württemberg. Daher wurde neben der Vereinfachung des Tarifzonensystems des VVS als weiteres Ziel formuliert, den Tarif für Ein- und Auspendler in den besonders belasteten Stuttgarter Talkassel spürbar attraktiver zu gestalten, um einen starken Anreiz zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr zu setzen. Mit der Tarifzonenreform sollte daher auch eine hohe verkehrliche Wirkung erzeugt werden.

Eine Arbeitsgruppe, in der alle Gesellschafter des VVS inklusive der Landeshauptstadt und der SSB, vertreten waren, hat mit gutachterlicher Begleitung 14 verschiedene Varianten betrachtet. Dabei wurden fünf Varianten ausgewählt, die vertieft in Bezug auf ihre finanziellen und verkehrlichen Wirkungen untersucht wurden. Diese Varianten wurden im VVS-Aufsichtsrat und in den Gremien der Gesellschafter zur Diskussion gestellt.
Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderates der Landeshauptstadt Stuttgart hat sich am 18. April 2018 mit den verschiedenen Varianten beschäftigt. Dabei haben sich alle Fraktionen für die Variante „Stuttgart eine Zone für alle“ ausgesprochen. Auch in den Gremien der Partner, zum Beispiel in den Ausschüssen der Kreistage in den Verbundlandkreisen und der Regionalversammlung des Verbandes Region Stuttgart, war eine klare Tendenz für diese verbundweite Variante zu erkennen. Endgültige Beschlüsse wurden allerdings noch nicht gefasst, da die Aufteilung der Kosten noch geklärt werden musste.

In mehreren Gesprächs- und Verhandlungsrunden der VVS-Gesellschafter wurden die Inhalte der Tarifzonenreform unter den Partnern weiter konkretisiert.


Inhalte der Tarifzonenreform

Die Variante „Stuttgart - eine Zone für alle“ sieht folgendes vor:

· Die Zonen 10 und 20 in der Landeshauptstadt werden zu einer einheitlichen Zone zusammengefasst. Es gibt damit innerhalb von Stuttgart keine Tarifzonengrenze mehr. Für Fahrten innerhalb der Landeshauptstadt gilt der Preis der bisherigen Preisstufe 1.

· Ein- und Auspendler in den besonders belasteten Stuttgart Talkessel (heutige Zone 10) sparen eine Zone ein. Damit wird der Preis für diese Fahrgäste deutlich gesenkt und ein starker Anreiz zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr gesetzt.

· In den Außenringen werden die so genannten Sektorengrenzen abgeschafft. Gleichzeitig werden der heutige 60er und 70er Ring in den Verbundlandkreisen zusammengefasst. Damit wird die Zahl der Tarifzonen deutlich reduziert und das Tarifsystem radikal vereinfacht. An Stelle der 52 Tarifzonen treten damit im klassischen Verbundgebiet des VVS fünf Ringzonen (siehe Anlage 1).

Das bedeutet, dass Fahrgäste, die bisher zwei Tarifzonen innerhalb von Stuttgart befahren haben, zwischen 14 Prozent (Einzel- und 4erTicket) und 22 Prozent (Monats- und JahresTicket) sparen. Eine Prämisse der Tarifzonenreform war, dass kein Kunde schlechter gestellt wird. Es wird zwar nicht für alle Kunden günstiger, aber es muss aber niemand mehr bezahlen. Auch wer bisher nur eine Zone in Stuttgart gefahren ist, muss nicht mehr bezahlen. Zeitkarten-Kunden erhalten jedoch eine höhere Leistung für das gleiche Geld. Preisbeispiele sind in der Anlage 2 dargestellt.


Tarif 2019

Für das Jahr 2019 wird empfohlen, weder zum 1. Januar noch zum 1. April (Zeitpunkt der Tarifzonenreform) eine Fahrpreiserhöhung durchzuführen. Es wäre schwierig zu vermitteln, zum 1. Januar 2019 eine Tariferhöhung umzusetzen und drei Monate später die Tarife im Zuge einer grundlegenden Reform für viele (aber eben nicht für alle) zu senken. Insbesondere die Fahrgäste, die keinen Vorteil von der geplanten Tarifzonenreform haben, würden den Eindruck erhalten, sie müssten die Tarifzonenreform (für die „anderen“) finanzieren. Hinzu kommt, dass der vertriebliche Aufwand für zwei große Tarifmaßnahmen innerhalb von drei Monaten auch für die Verkehrsunternehmen enorm wäre und nach Möglichkeit vermieden werden sollte.

Die unterlassene Tariferhöhung im VVS – für 2019 ergäbe sich nach dem seit 2011 angewandten transparenten Verfahren eine Kostenentwicklung bei den Verkehrsunternehmen in Höhe von 2,62 % (Anlage 3) – wird jedoch bei der Bildung des Referenzwertes für das Jahr 2019 berücksichtigt, der als Basis für die Berechnung der Ausgleichsleistungen der öffentlichen Hand dient. Die Wirkung des Referenzwertes wird unter Punkt „Abrechnung“ näher beschrieben


Kosten der Tarifzonenreform

Die Reduzierung der Fahrpreise führt zu Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen. Die städtische SSB erhält knapp die Hälfte der Verbundeinnahmen und ist entsprechend an den Mindereinnahmen beteiligt. Die Mindereinnahmen betragen im gesamten VVS nach der Berechnung eines Gutachters auf Basis der Verkaufsdaten und der VVS-Verkehrserhebungsdaten 42,1 Millionen Euro pro Jahr (Preisstand 2018). In dieser Summe ist bereits eine Nachfragesteigerung auf Basis einer angenommenen Preiselastizität von -0,2 (konservative Betrachtung, d.h. es wird ein Fahrgastzuwachs von 2% bei einer Preissenkung von 10%) eingerechnet. Bei einem höheren Mengenwachstum könnten sich die Mindereinahmen verringern. Der Betrag von 42,1 Mio. Euro bildet die Basis für die Regelungen zur Kostenaufteilung zwischen den Finanzierungsträgern.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat sich bereit erklärt, aus Gründen der Luftreinhaltung einen Zuschuss von insgesamt 42 Millionen Euro für sechs Jahre zu leisten. Dieser Zuschuss ist befristet (2019 bis 2024) und wird abgeschmolzen.
Die nach Abzug des Landeszuschusses verbleibenden Kosten werden zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und den Verbundlandkreisen im Verhältnis 45 % (LHS) und 55 % (Landkreise) aufgeteilt. Dieses Verhältnis entspricht der Entlastungswirkung der Tarifzonenreform für den jeweiligen Interessenbereich von LHS und Landkreisen.

Sollte ein höheres Mengenwachstum erzielt und der Ausgleichsbetrag reduziert werden können, wird der Unterschiedsbetrag zwischen der LHS und den Verbundlandkreisen verursachergerecht (also je nach Mengenwachstum) aufgeteilt. Das heißt, wenn in der LHS ein höheres Wachstum zu verzeichnen ist als im Umland, was durchaus zu erwarten ist, profitiert die LHS entsprechend.

Somit betragen die Kosten für die LHS im Jahr 2019 (Rumpfjahr) 10,6 Millionen Euro und im ersten vollen Jahr (2020) 14,4 Millionen Euro. Sie wachsen bis 2024 auf maximal 17,1 Millionen Euro an. Dies bedeutet im Durchschnitt der sechs Jahre durchschnittliche Aufwendungen für die Landeshauptstadt von 14,9 Mio. Euro. Diese Beträge sind wie beim Sozialticket „gedeckelt“, das heißt, es besteht eine Planungssicherheit für den städtischen Haushalt.

Der Zuschuss des Landes, aufgeteilt auf die Jahre 2019 bis 2024, sowie die Kostenverteilung zwischen LHS und Verbundlandkreisen ist in Anlage 3 dargestellt.


Abrechnung

Es wird für die Jahre 2019 und 2020 ein Referenzwert gebildet, der abbilden soll, wie sich die Fahrgeldeinnahmen ohne die Tarifabsenkung entwickelt hätten. Dabei wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2019 keine Erhöhung der VVS-Fahrpreise erfolgt.

Der Referenzwert berechnet sich aus den tatsächlichen Tarifeinnahmen für 2017 zuzüglich der Werte der durchschnittlichen Kostensteigerung des Verbundverkehrs, die üblicherweise die Basis für eine Tarifanpassung bilden (2018 + 2,02 %, 2019 + 2,62 %). Für 2020 erhöht sich der Referenzwert mit der durchschnittlichen Kostensteigerung des Basisjahres entsprechend.

Die Differenz zwischen dem jeweiligen Referenzwert und den tatsächlichen Einnahmen ergibt den Ausgleichsbetrag, der von der öffentlichen Hand – der LHS und den Verbundlandkreisen – geleistet wird, allerdings maximal bis zur Höhe des „Deckelungsbetrages“ in Höhe von 42,1 Mio. Euro.

Der für 2020 zu leistende Ausgleichsbetrag bildet die Basis für die Ausgleichszahlungen der Jahre 2021 bis 2024. Rechtzeitig vor dem Auslaufen der Landesförderung soll die Angemessenheit des Ausgleichsbetrages im Rahmen einer Evaluation überprüft werden. Eine Änderung von Höhe und Aufteilung des Ausgleichsbetrages kann nur im Einvernehmen mit den Finanzierungsträgern erfolgen.

Bei einer guten Entwicklung mit einem entsprechenden Mehrverkehr kann die öffentlichen Hand in Form von geringeren Ausgleichszahlungen profitieren. Falls bei einer weniger guten Entwicklung der Deckelungsbetrag nicht ausreichen und ein Delta zum Referenzwert entstehen sollte, können die Verkehrsunternehmen dies bei Tarifmaßnahmen in den Folgejahren berücksichtigen.


Weiteres Vorgehen

Es ist vorgesehen, eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten der öffentlichen Hand (Land, LHS, Verbundlandkreise und VRS) und dem VVS über die Tarifzonenreform, die Berechnung der Ausgleichszahlungen und den Finanztransfer auf Basis der in dieser Beschlussvorlage aufgeführten Eckpunkte abzuschließen. Die steuer- und beihilferechtlichen Fragen werden derzeit mit einem Wirtschaftsprüfer abschließend geklärt.

Neben den Kreistagen der Verbundlandkreise, der Regionalversammlung des VRS und dem VVS-Aufsichtsrat, wird das Thema auch in den Aufsichtsratssitzungen der SSB und der SVV behandelt.


Finanzielle Auswirkungen

Im Haushalt und der Finanzplanung sind ab 2019 jährlich 9 Mio. EUR für Ausgleichzahlungen auf Grund der Tarifzonenreformveranschlagt.

Der städtische Finanzierungsanteil beläuft sich im Jahr 2019 auf 10,6 Mio. EUR und wird im Teilergebnishaushalt 200 Stadtkämmerei unter 0208100 Abwicklung Eigenbetriebe, Beteiligungen, Konto 43150200 Zuschüsse an Eigengesellschaften / Beteiligungen gedeckt. In Höhe des Mehrbedarfs 2019 von 1.600.000 EUR ist ein überplanmäßiger Aufwand zuzulassen, der aus der Deckungsreserve finanziert werden kann.

Der städtische Finanzierungsanteil beträgt ab 2020 für ein volles Jahr 14,4 Mio. EUR und steigt durch das Abschmelzen der Mitfinanzierung des Landes ab 2022 an. Die gegenüber der Finanzplanung in den Jahren 2020 und 2021 zusätzlich erforderlichen Mittel in Höhe von voraussichtlich 5,4 Mio. EUR bzw. 7,2 Mio. EUR im Jahr 2022 und 8,1 Mio. EUR ab 2023 werden bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2020/2021 und der Finanzplanung als Vorbelastung berücksichtigt.





Fritz Kuhn

Anlagen
1 Tarifzonenplan aktuell und Tarifzonenplan neu
2 Preisbeispiele
3 Verteilung der Kosten auf die Partner





Finanzielle Auswirkungen

<Finanzielle Auswirkungen>







Anlagen

<Anlagen>



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