Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 466/2012
Stuttgart,
09/24/2012



FamilienRat



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich10.10.2012



Beschlußantrag:

Die Verlängerung des KW Vermerkes an 1,0 Stelle in A 12 (510.2000.010) bis 04/2014 wird zur Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Verlängerung des KW Vermerkes ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2014/15 zu treffen.
Das Projekt Familienrat wird bis 04/2014 verlängert.

Ausgangslage
Der Wandel der Familienstrukturen zeigt sich auch in Stuttgart. Neben der traditionellen Mutter-Vater-Kind-Familie wächst die Anzahl der Alleinerziehenden, der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften, der Stieffamilien und anderer neuer Familienformen. Dabei werden die Anforderungen an die Bewältigung des Familienalltags nicht geringer und fordern neben der Erwerbstätigkeit häufig die ganze Kraft und Aufmerksamkeit. Eine Folge ist, dass immer mehr Familien wenig eingebunden sind in verwandtschaftliche und lebensweltliche Bezüge.

Bei der Bewältigung von Belastungen, Problemen und Krisen stehen relativ isoliert lebende Familien allein, bemühen sich noch mehr selbst zurecht zu kommen, isolieren sich damit aber noch weiter und verschärfen ihre Notlage bis hin zur Überforderung und zum drohenden Auseinanderbrechen. Partnerschafts- und Erziehungsprobleme aber auch Kindeswohlgefährdung sind dann die Themen.

Oft kann nur noch mit staatlichen Mitteln geholfen werden. Beratung und kostenintensive erzieherische Hilfen werden erforderlich.

Ausgehend von ähnlichen Erfahrungen haben verschiedene europäische Länder, z. B. Großbritannien und die Niederlande, ein in Neuseeland entwickeltes Konzept, das „Family Group Conferencing“ (FGC), erfolgreich übernommen und auf die jeweiligen Verhältnisse angepasst. Auch in Deutschland gibt es in verschiedenen Städten und Landkreisen (u. a. Berlin, Dresden, Kassel, Köln, Münster) intensive Bemühungen, FGC, Verwandtschaftsräte oder FamilienRäte einzuführen.

Nach einer erfolgreichen Testphase 2007 bis 2009 startete das Projekt Einführung FamilienRat in Stuttgart im April 2010.

Bezug

Es wird Bezug genommen auf die Information zum FamilienRat im Jugendhilfeausschuss am 14.12.2009.


Begründung:


Durch den zeitverzögerten Start und die notwendigen konzeptionellen Anpassungen kann die vorgesehene Projektdauer nicht eingehalten werden.

Der Wegfall der Projektkoordinationsstelle würde das Projekt FamilienRat beenden, obwohl es erfolgreich arbeitet und zu einem festen Bestandteil der Familien- und Jugendhilfe geworden ist. Es ist geplant 2013 ausführlich zu berichten und dem Gemeinderat Vorschläge zu machen, wie FamilienRat zu einem strukturell verankerten Angebot für Familien werden kann.

Bisherige Erfolge des Projektes FamilienRat

Seit Herbst 2010 konnten 53 FamilienRäte in Auftrag gegeben werden, davon sind 9 noch in Vorbereitung und 44 beendet. 28 FamilienRäte wurden vollständig durchgeführt und haben einen Plan erstellt. Ein FamilienRat konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Plan einigen, hatte aber positive Auswirkungen auf den Hilfeverlauf. In neun Fällen wurde die Vorbereitung des FamilienRates abgebrochen und andere Lösungswege gewählt. Bei sechs gestarteten FamilienRäten wurden bereits vor dem formalen Treffen gemeinsame Lösungen gefunden. Unabhängig von der tatsächlichen Durchführung eines FamilienRates zeigt das Angebot positive Effekte für die weitere Zusammenarbeit.

Die Anlässe für die FamilienRäte sind vielfältig z. B: die Sicherung eines Neugeborenen rund um die Uhr, dessen stationäre Unterbringung sonst notwendig geworden wäre. Die Unterstützung des regelmäßigen Schulbesuchs eines Jugendlichen, der sonst ohne Abschluss bleiben würde. Die Klärung des Lebensmittelpunktes für ein Kleinkind einer psychisch erkrankten Mutter, so konnten gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden und die Pflegefamilie arbeitet nun mit Unterstützung der Familie. Die Frage nach der geeigneten Hilfe für eine psychisch kranke 15-Jährige, deren stationäre Unterbringung so noch vermieden werden konnte. Der Übergang in den Beruf aus einer langjährigen stationären Unterbringung für einen 17-Jährigen, der nun Unterstützung in der väterlichen Familie erhalten hat. Der geeignete Lebensort für die Kinder einer alkoholkranken Mutter, die nun in Verwandtenpflege aufgenommen werden konnten.

Manche Familien verfügen über ein großes Netzwerk, das mobilisiert werden kann. Andere leben eher isoliert und mit dem FamilienRat wird der Kontakt zu einigen wenigen Menschen ermöglicht. Im Durchschnitt sind 12,5 Personen am FamilienRat beteiligt, davon zwei Fachleute.

Einschätzung

FamilienRat aktiviert verwandtschaftliche und soziale Netze einer Familie oder ermöglicht Schritte aus der Isolation. Familien sind damit besser in der Lage, erzieherische Hilfen entscheidend mitzugestalten und Selbsthilfekräfte einzubringen. Damit wird die Effektivität und Nachhaltigkeit von Hilfen gesteigert. In Einzelfällen ist es Familiennetzwerken gelungen, selbst bei gravierenden Problemen eigenständige Lösungen zu finden.

Rahmenbedingungen und Voraussetzung für erfolgreiche FamilienRäte:

Neben der üblichen Projektstruktur aus Projektlenkung und Projektleitung sind die Projektkoordination und die Gruppe der 18 Koordinatoren/innen wesentlicher Bestandteil des Projektes. In der FamilienRatskoordination arbeiten speziell hierfür ausgebildete Bürger/innen, die in ihrem Alltag anderen Berufen nachgehen. Die FamilienRatskoordinatoren/innen arbeiten in Honorartätigkeit.

Die Projektkoordination verantwortet: Aquise, Ausbildung und Coaching der FamilienRatskoordinatoren/innen, die Schulung und Coaching der auftraggebenden Fachkräfte in den Beratungszentren Jugend und Familie des Jugendamtes, Kontaktzeiten für interessierte Familien und Fachkräfte, Durchführung von Informationsveranstaltungen für Kooperationspartner/innen und Öffentlichkeitsarbeit, Erstellung von Informations- und Arbeitsmaterialien, Sicherung des Arbeitsablaufs, Verantwortung der Projektmittel, laufende Evaluation der Ergebnisse und Optimierung des Projektes.

Ausblick

Auf dem Hintergrund der erfolgreichen Erfahrungen im ersten Projektabschnitt soll im 2. Halbjahr 2012 und im Jahr 2013 der Einsatz von FamilienRat in neuen Themenbereichen erprobt werden, so zum Beispiel bei der Suche nach privaten Vormündern oder in der Schwangerenberatung. Außerdem soll der niederschwellige, direkte Zugang von Familien zum Angebot FamilienRat, zum Beispiel im Rahmen der Angebote der Kindertagesbetreuung, ermöglicht werden.

Information und Schulungen der jeweils beteiligten Fachkräfte werden bedarfsorientiert organisiert.

Im November 2012 findet das zweite Training in FamilienRatskoordination für max. 20 Bürger/innen statt.

Die Diskussion des Verfahrens FamilienRat wird im Rahmen eines Fachtages mit der Fachöffentlichkeit, Trägern der Hilfen zur Erziehung etc. im Frühjahr 2013 geführt.

Die Projektergebnisse, Auswertung der Evaluation und Vorschläge zur Verstetigung des Angebotes werden dem Gemeinderat im Frühjahr 2013 präsentiert.


Finanzielle Auswirkungen

Kostenneutral durch Reduzierung des Sachkostenbudgets (vgl. Anlage 5 der GRDrs 847/2009).



Beteiligte Stellen

Referat AK und Referat WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

Anlage 1 Informationen zum Familienrat




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Information FamilienRat.docInformation FamilienRat.doc