Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 272/2022
Stuttgart,
06/21/2022



Reform des Betreuungsrechts - Stellenmehrbedarf durch die Umsetzung des neuen Betreuungsorganisationsgesetzes



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
27.06.2022
06.07.2022



Beschlußantrag:

1. Von den neuen, zusätzlichen Aufgaben der Betreuungsbehörde des Sozialamtes der LHS Stuttgart, die sich aus dem neuen Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ergeben, wird Kenntnis genommen.

2. Vom zusätzlichen unabweisbaren Personalbedarf in Höhe von1,0 Stellen in Besoldungsgruppe A 11 und 3,0 Stellen in Entgeltgruppe S 15 wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffungen ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2024 zu treffen.




Begründung:


Ausgangslage
Die Bundesregierung hat eine Modernisierung und Reform des bisher geltenden Betreuungsrechts beschlossen, so dass zum 1.1.2023 das neue Betreuungsgesetz in Kraft tritt, welches im BGB mit Verweisen auf FamFG, BtOG und weiteren geregelt ist. Es handelt sich damit um ein Bundesgesetz mit neuen, zusätzlichen Pflichtaufgaben für die Kommunen. Fragen der Konnexität - als Voraussetzung für den Anspruch auf finanziellen Ausgleich der zusätzlich entstehenden Aufwendungen – bzw. des Ausgleichs werden über den Städte- und Landkreistag im Zusammenarbeit mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS), bei dem auch die überörtliche Betreuungsbehörde angesiedelt ist, derzeit geklärt.

Wesentliches Ziel des Gesetzes ist es, die Selbstbestimmung und Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen im Vorfeld und innerhalb einer rechtlichen Betreuung im Sinne von Art.12 UN-Behindertenrechtskonvention noch weiter zu stärken. Die schon bisher geltenden Prämissen des Betreuungsrechts, die Selbstbestimmung der Betroffenen und der Erforderlichkeitsgrundsatz werden in Bezug auf die Durchführungspraxis konkreter ausdifferenziert. Zudem soll die Qualität der Betreuungen sowohl durch ehrenamtliche als auch durch berufliche Betreuer*innen weiter verbessert werden.


Umsetzung durch Betreuungsbehörden

Mit der Reform wird das geltende bisherige Regelwerk, das Betreuungsbehördengesetz (BtBG), abgeschafft. An seine Stelle tritt das Betreuungsorgansiationsgesetz (BtOG).

Betreuungsbehörden sind für die Umsetzung des Betreuungsrechts verantwortlich und nehmen damit Pflichtaufgaben wahr. Sie koordinieren, planen und steuern das örtliche Betreuungswesen in Zusammenarbeit mit den Betreuungsgerichten, rechtlichen Betreuer*innen, Betreuungsvereinen und den Betroffenen.

Im Vergleich mit dem bisherigen Betreuungsbehördengesetz werden im neuen Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) Aufgaben und Anforderungen an die Betreuungsbehörde gestellt.

Die bisherigen Aufgaben der Betreuungsbehörde werden damit nicht ersetzt, sondern erweitert. Mit den neuen, gesetzlich festgeschriebenen Pflichtaufgaben soll die Umsetzung des Betreuungsrechts in Orientierung am Selbstbestimmungsrecht, Erforderlichkeitsgrundsatz und Qualitätsverbesserung ermöglicht werden. Die Betreuungsbehörde Stuttgart als beteiligte Akteurin muss die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes mit den Betroffenen gestalten und deren Angelegenheiten im erforderlichen Umfang unterstützen.


Veränderung im Bereich Selbstbestimmung

Zentraler Maßstab ist der Vorrang der Wünsche der Betroffenen im Zusammenwirken mit dem Betreuungshandeln in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens, also bei der gerichtlichen Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Betreuerbestellung, bei der Auswahl der konkreten Person, die die gesetzliche Betreuung übernimmt sowie während der laufenden Betreuung.

Eine rechtliche Betreuung in allen Aufgabenkreisen (z.B. Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Post- und Fernmeldeverkehr, Behördenangelegenheiten, Wohnungsauflösung, Unterbringungsangelegenheiten, freiheitsentziehende Maßnahmen) ist in Zukunft nicht mehr zulässig. Die Eingriffsintensität in die Selbstbestimmung muss sich auf konkrete Anforderungen und Maßnahmen beziehen. Das Betreuungsgericht wird den Betreuer*innen zur Legitimation ihres Handelns nur Aufgabenkreise übertragen, in denen es einen konkreten Betreuungsbedarf gibt.

Die gesetzlichen Betreuer*innen müssen zukünftig auch innerhalb der ihnen zugewiesenen Aufgabenkreise, in denen sie die gesetzliche Vertretung wahrnehmen, bei jeder einzelnen Frage stets ein Ermessen prüfen. Nach § 1823 BGB kann die betreute Person vertreten werden, muss es aber nicht. Das Mittel der Stellvertretung soll immer nur dann zum Einsatz kommen, wenn es zum Schutz des Betroffenen erforderlich ist (§1821 Abs.1 BGB).

All dies entspricht der sogenannten Wunschbefolgungspflicht. Den Wünschen und Vorstellungen der gesetzlich Betreuten soll weitestgehend Rechnung getragen werden. Für die Betreuer*innen wird dies zum Leitfaden des Handelns. Grenzen dieser Orientierung sind dann erreicht, wenn eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit oder des Vermögens eintreten können und die Betroffenen dieses aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nach dieser Einsicht nicht handeln können. Der Begriff des „Wohls“ der Betreuten, an dem sich die gesetzliche Betreuung orientieren soll, wurde insgesamt aus dem Betreuungsrecht entfernt und stattdessen „der Wille“ aus der subjektiven Perspektive der Betroffenen als Maßstab für die Beurteilung des eigenen Wohlbefindens und eigenen Lebensstils gesetzt.


Veränderung im Verständnis des Erforderlichkeitsgrundsatzes für eine Betreuung

Der Grundsatz der „Unterstützung vor Vertretung“ durchzieht das neue Betreuungsrecht. Sowohl im Vorfeld der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung als auch bei laufenden Betreuungen ist zukünftig stets zu prüfen, ob es ausreicht, die Betroffenen darin zu unterstützen, selbst eine Entscheidung zu treffen oder ob es erforderlich ist, dass ein*e rechtliche Betreuer*in die Vertretungsmacht ausübt. Gemäß §1814 BGB sollen Volljährige vorrangig durch andere Hilfen unterstützt werden, z.B. mittels Vollmachten oder durch soziale Rechte, die mit Hilfe sozialer Dienste, z.B. Bürgerservice Leben im Alter, GerberA, Sozialpsychiatrische Dienste, Sozialdienst für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen usw., erschlossen werden können.

In diesem Zuge wird ebenfalls das Notvertretungsrecht für Eheleute (§1358 BGB) eingeführt, welches in Notsituationen der Gesundheitssorge gilt und eine länger andauernde gesetzliche Betreuung verhindern kann.

Im neuen Betreuungsorgansiationsgesetz wird mit der sogenannten „erweiterten Unterstützung“ ein zusätzliches Instrument als neue Aufgabe der Betreuungsbehörden im Rahmen der Beratung von Betroffenen bei der Vermittlung von anderen Hilfen eingeführt. Diese umfasst alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Bestellung einer rechtlichen Betreuung zu vermeiden. Die Betreuungsbehörde kann mit Zustimmung des Betroffenen diesen Weg der Betreuungsvermeidung begleiten.

Darüber hinaus kann das Betreuungsgericht des jeweiligen Bestellungsverfahrens die Betreuungsbehörde im Rahmen des Sozialberichts verpflichten, eine „erweiterte Unterstützung“ zu prüfen und mit Zustimmung der betroffenen Person durchzuführen. Die Betreuungsbehörde wird damit selbst Akteurin einer besseren Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes im Vorfeld einer rechtlichen Betreuung.


Verbesserung der Qualität von Betreuungen

Mit dem Ziel der Erhöhung von Qualitätsstandards soll der Kenntnis- und Informationsstand ehrenamtlicher Betreuer*innen verbessert werden. Sowohl in Bezug auf gesetzliche Betreuungen durch ehrenamtliche als auch durch berufliche Betreuer*innen soll die Eignung und Zuverlässigkeit der Betreuer*innen nach dem neuen Gesetz besser überprüft bzw. ausgebildet werden und somit auch der Schutz vor Missbrauch der Betreuten gestärkt werden.

Berufsbetreuer*innen müssen zukünftig festgelegte Qualifikationen nachweisen. Die Eignung und Zuverlässigkeit beruflicher Betreuer*innen werden in einem ausführlichen formalen Zugangs- und Registrierungsverfahren durch die Betreuungsbehörden sichergestellt. Zentraler Qualifikationsnachweis wird der sogenannte Sachkundenachweis sein sowie ein Eignungsgespräch bei der Betreuungsbehörde sein.

Neue Berufsbetreuer*innen und hauptamtliche Vereinsbetreuer*innen haben sich bei zertifizierten Fortbildungsstätten in einer Ausbildung im Umfang von bis zu 360 Einheiten von 45 Minuten zu qualifizieren und als Nachweis für eine Registrierung bei der Betreuungsbehörde einzureichen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird voraussichtlich im Herbst 2022 hierfür erstmalig eine Betreuerregistrierungsverordnung (BTRegVO) erlassen.

Ehrenamtliche Betreuer*innen sollen stärker an Betreuungsvereine oder Betreuungsbehörde angegliedert werden. Insbesondere ehrenamtliche Betreuer*innen, die in keinem Angehörigenverhältnis zu den Betreuten stehen, sollen vom Betreuungsgericht nicht mehr bestellt werden, wenn sie keine Betreuungs- und Unterstützungsvereinbarung mit einem Betreuungsverein oder der Betreuungsbehörde abgeschlossen haben. Diese Vereinbarung soll die Anbindung der ehrenamtlichen Betreuer*innen an einen Betreuungsverein oder an die Betreuungsbehörde sicherstellen. Ehrenamtliche Angehörigenbetreuer*innen können diese Vereinbarung auch abschließen, müssen es aber nicht. Die Betreuungsbehörde, die in jedem Einzelfall dem Gericht eine geeignete Betreuungsperson vorschlägt, stellt dann hierfür den Kontakt zu einem Betreuungsverein her.

Die Betreuungsbehörde hat zukünftig demnach die Rolle der Vermittlerin von Ehrenamtlichen an Vereine inne und gleichzeitig die Rolle der Beraterin und Begleiterin von ehrenamtliche Betreuer*innen, die nicht an einen Verein, sondern an die Betreuungsbehörde Stuttgart angebunden sind. Die Betreuungsbehörde selbst ist seit vielen Jahren in der Ehrenamtsförderung tätig.


Aktuelle Situation der Betreuungsbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart

Die Betreuungsbehörde Stuttgart ist ein Sachgebiet in der Abteilung „Sozialarbeit und Betreuungsbehörde“ des Sozialamts. Im Sachgebiet stehen derzeit 18,7 Stellen für die Umsetzung folgender Ziele zur Verfügung:
Im Sinne eines personenzentrierten Vorgehens werden in der Betreuungsbehörde alle anfallenden Aufgaben (Sozialbericht, Eignungsüberprüfung der in Frage kommenden gesetzlichen Betreuungsperson) von den jeweils den gleichen Mitarbeiter*innen übernommen. Die Mitarbeiter*innen sind mehrheitlich Sozialarbeiter*innen. Zwei Mitarbeitende verfügen über eine andere Qualifikation (gehobener Verwaltungsdienstes, Jurist).

Kennzahlen (Stichtag: 31.12.)

2018201920202021
Gesetzliche Betreuungen in Stuttgart 5350530253255288
Betreuungsgerichtshilfe1582162816491793
Beglaubigungen117213230195
Neubestellungen von Betreuer*innen647726703780

Zusätzlicher Personalbedarf für die Betreuungsbehörde Stuttgart

Das neue Betreuungsgesetz trifft bundesweit auf unterschiedliche Voraussetzungen bei den jeweiligen Betreuungsbehörden und jede Betreuungsbehörde muss die im BtOG normierten neuen und erweiterten Aufgaben mit der bisherigen Umsetzungspraxis ins Verhältnis setzen. In manchen Betreuungsbehörden war die nun gesetzlich festgeschriebene Qualität schon vorher richtungsweisend für angestrebte Qualitätsstandards, z.B. das Verfassen von Sozialberichten in jedem Einzelfall; in anderen Betreuungsbehörden war dies bislang teilweise aufgrund der fehlenden Kapazitäten nicht der Fall, so dass diese zum Teil ihr Personal zur Umsetzung der Reform perspektivisch nahezu verdoppeln müssen. Die Veränderungen durch das neue Gesetz sind so gravierend, dass viele Städte und auch die Landeshauptstadt Stuttgart planen, die Anpassung der Personalausstattung in mehreren Schritten vorzunehmen.

Die Betreuungsbehörde Stuttgart hat sich in den letzten Monaten viermal online mit den Betreuungsbehörden der 16 großen Großstädte unter dem Dach des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. über die Personalbedarfsbedarfe im Zuge des neuen Betreuungsbehördenorganisationsgesetzes ausgetauscht. Ein vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. entwickeltes Personalbedarfsbemessungsinstrument für die Umsetzung des BtOG wurde von der überörtlichen Betreuungsbehörde beim KVJS für Baden-Württemberg angepasst und vom Stadt- und Landkreistag Baden-Württemberg zur Umsetzung der Reform empfohlen.

Entsprechend dieser Orientierungshilfe wurden in der Betreuungsbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart mehrere Workshops mit Mitarbeiter*innen, Sachgebietsleitung und Abteilungsleitung durchgeführt, in denen der Bedarf unter Berücksichtigung der durch die Betreuungsbehörde bereits wahrgenommenen Aufgaben konkretisiert wurde.

Für die ab 2023 zu erfüllenden neuen und erweiterten gesetzlichen Pflichtaufgaben, die im BtOG normiert sind, sind in der Betreuungsbehörde Stuttgart keine ausreichenden personellen Kapazitäten vorhanden. Es besteht für die ersten, jetzt schon zu prognostizierenden Umsetzungsschritte, ein unabweisbarer Stellenmehrbedarf von 6,7 Stellen.
Falls eine Modellregion in Baden-Württemberg zur Erprobung der „erweiterten Unterstützung“ ausgelobt wird, wird die Umsetzung dieses Aufgabenpakets (Umsetzung nach § 11 BtOG) nicht schon zum 01.01.2023 fällig, sondern erst später (siehe Tabelle Nr. 7). Dann ergibt sich im ersten Schritt ein unabweisbarer Stellenmehrbedarf von nunmehr 4,0 Stellen.

Die Landesverordnung, die über die Aufgabenzuweisung der Modellprojekte auf einzelne Behörden entscheidet, liegt noch nicht vor. Bislang ist noch keine Entscheidung darüber getroffen, welches Ministerium die Landesverordnung (Ministerium für Soziales und Integration oder Ministerium für Justiz) erlässt. Aufgrund dieser Unklarheiten, wird der Aspekt der „erweiterten Unterstützung“ für Stuttgart zurückgestellt.

Aus diesem Grund wird im Vorgriffverfahren zum Stellenplan 2024 zunächst nur der Mehrbedarf von insgesamt 4,0 Stellen geltend gemacht.

Aufgrund der gravierenden Veränderungen durch das neue Gesetz sind Prognosen trotz der vorhandenen Orientierungshilfe unsicher. Wahrscheinlich wird sich in der Umsetzung zeigen, dass weitere Stellen benötigt werden.

Beispielsweise werden Sozialberichte schon jetzt in jedem Fall, in dem die Betreuungsbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart vom Gericht angefragt wurde, in Orientierung an §279 FamFG erstellt (siehe Tabelle Nr. 5). Die neue Normierung in § 11 BtOG führt dazu, dass auch dem Gericht die Spielräume genommen werden und diese verpflichtet sind, die Betreuungsbehörde in jedem Einzelfall zu beauftragen, was bisher nicht der Fall war. Deshalb wird mit mehr Beauftragungen bei Stellungnahme zur Erforderlichkeit einer Betreuung gerechnet, aber darüber hinaus muss sogar jeder Betreuervorschlag begründet werden, was bislang nicht erfolgte. Hinzu kommen neue Berichtsanlässe bei Beschwerden oder neuen Betreuerwünschen des Betroffenen oder des Betreuers sowie darüber hinaus nach Aufforderung des Gerichtes in geeigneten Fällen bei der erweiterten Unterstützung. Die Anforderungen können extrem steigen. Das Ausmaß kann aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingeschätzt werden und wird auch davon abhängen, wie die Gerichte sich in ihrer Praxis umstellen werden.

Eine neue vom KVJS im Auftrag von Städtetag und Landkreistag gerade auch wegen der Klärung der Konnexität entwickelte neue Statistik kann die Ermittlung eines weiteren Stellenbedarfs unterstützen. Die Statistik wird ab dem 1.1.2023 bei der Betreuungsbehörde der LHS zum Einsatz kommen.

Die folgende Tabelle, die aus der zur Verfügung gestellten Orientierungshilfe (s. o.) entwickelt wurde, gibt eine Übersicht über die neuen gesetzlichen Anforderungen und die daraus resultierenden zusätzlichen und veränderten Aufgaben der Betreuungsbehörde.


Nr.Im Betreuungsrecht normierte AufgabeNeue,
erweiterte,
einmalige
Aufgabe
Bedeutung Betreuungsbehörde Stuttgart
Selbstbestimmung
Primäres Ziel ist die Stärkung der Selbstbestimmung des Betroffenen: Eigenes selbstbestimmtes Handeln des Betroffenen zu fördern, zu begleiten, zu unterstützen und das Mittel der Stellvertretung nur da zum Einsatz bringen, wo es erforderlich ist
1. Verpflichtung des Direkterhebungsgebotes bei den Betroffenen (§11 BtOG i.V.m §279 FamFG)erweitertDie Betroffenen sind stets zu beteiligen. In jedem Neuverfahren wird mit dem verpflichteten Sozialbericht der Betreuungsbehörde die persönliche Situation der Betroffenen und deren Sichtweise eingeführt.
2. Vermittlung von Kennenlerngesprächen von künftiger mutmaßlich betreuter Person und möglicher Betreuungsperson (§ 12 BtOG i.V.m §1816 BGBneuZusatzaufgabe für die Betreuungsbehörde
3. Bei gegen den Willen der Betreuten eingerichteten Betreuungen wird die Frist der Überprüfung von sieben auf zwei Jahre gesenkt, was einen zeitlichen Mehraufwand für die Betreuungsbehörden bedeutet (§ 295 FamFG)neuZusatzaufgabe:
Stellungnahme der Betreuungsbehörde, zur weiteren Erforderlichkeit, der Betreuungsbehörde ist vollumfänglich beim Betroffenen zu erheben.
Erforderlichkeitsgrundsatz
Im Vorfeld einer möglichen rechtlichen Betreuung andere Hilfen, auch sozialrechtliche Unterstützungsmöglichkeiten, zu ermitteln, um eine rechtliche Betreuung zu vermeiden
4. Die Informations- und Beratungspflicht umfasst, neben den Patient*innenverfügungen und Vorsorgevollmachten, nun auch die befristete Ehegattenvertretung (längstens 6 Monate) in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (§5 BtOG i.V.m §1358 BGB)neuZusatzaufgabe:
Die Ehegattenvertretung nach §1358 BGB wird in Verbindung mit betreuungsrechtlichen Fragen und Vorsorgevollmacht zu vermehrten Beratungsanfragen führen
5. Aufwertung der Sozialberichte bzgl. der Einschätzung zur Erforderlichkeit anderer Hilfen und der subjektiven Sichtweise der Betroffenen (in Fortführung des Gesetzes zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbehörden von 2014)
(§11 BtOG i.V.m §279 FamFG)


Zusätzlich wird die inhaltliche Bewertung der neu normierten Aufgabenkreise die Betreuungsbehörde zu sorgfältigem Vorgehen am Betroffenen konzentrieren
erweitertWird in Stuttgart bereits ermöglicht aufgrund der Stellenaufstockung zum Stellenplan 2020/2021. Es wurden 4,8 der 6,3 beantragten Stellen geschaffen. Möglicher Stellenmehrbedarf wird erst im weiteren Verlauf sichtbar werden.

Dem Betreuungsgericht werden zusätzlich zu den jeweiligen Aufgabenkreisen und Aufgabenbereichen begründete Bewertungen zur Eingriffsintensität der Selbstbestimmung beim Betroffenen vermittelt werden müssen.
6. Beratungs-und Unterstützungsangebot, Vermittlung anderer Hilfen (§ 8 BtOG)neuZusatzaufgabe:
Die Behörde kann auf Wunsch des Betroffenen eine Vermittlung anderer Hilfen und die erweiterte Unterstützung anbieten, zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung
7. Einführung des Instruments der „erweiterten Unterstützung“ an verschiedenen Stellen im Verfahren (vor und während Betreuungsverfahren)
(§ 8, 11, BtOG)
neuZusatzaufgabe:
Bzgl. der erweiterten Unterstützung nach §11 BtOG wird in Baden-Württemberg derzeit eine Modellregion gesucht, welche die Umsetzung erproben soll. Die Aufgabe nach §11 BtOG muss von Stuttgart nur ausgeführt werden, wenn keine Modellregion ausgelobt wird.
Qualität der Betreuungen
Die Rolle der Betreuungsbehörde wird neu ausgerichtet:
Sie wird Stammbehörde für die mit Geschäftssitz in Stuttgart verfassten Berufsbetreuer*innen und Registrierungsinstanz zu Sachkunde und Eignung der Berufsbetreuer*innen
Daneben organisiert sie die Angebote der Betreuungs- und Unterstützungsvereinbarung der ehrenamtlichen Betreuer*innen; Angehörigenbetreuer*innen und ehrenamtlichen Fremdbetreuer*innen.
Berufsbetreuer*innen, hauptamtliche Vereinsbetreuer*innen
8. Umsetzung eines Registrierungsverfahrens für berufliche Betreuer*innen inkl. Bescheiderteilung, Widerspruchssachbearbeitung und Bescheidrücknahme sowie
Löschung der Registrierung
neuZusatzaufgabe
9. Kontrolle der Mitteilungs- und Nachweispflichten beruflicher Betreuer*innenneuZusatzaufgabe
10. Einforderung von Sachkundenachweisen;
Verpflichtendes Eignungsgespräch der Behörde mit Bewerber*innen
neuZusatzaufgabe
11. Widerruf der Registrierung wegen fehlender Zuverlässigkeit und Eignung der* Berufsbetreuer*inneuZusatzaufgabe
Ehrenamtliche Betreuer*innen; Angehörigenbetreuer*innen und Fremdbetreuer*innen
12. Vermittlung von Familienangehörigen an Betreuungsvereine oder an die Betreuungsbehörde mit dem Angebot zum Abschluss einer Begleitungs- und Unterstützungsvereinbarung (§10 BtOG)erweitertErweiterte Zusatzaufgabe

Die bisherige Zusammenarbeit der Betreuungsbehörde mit den Stuttgarter Betreuungsvereinen wird inhaltlich entsprechend der Anforderungen neu ausgerichtet und erweitert.
13. Abschluss einer Vereinbarung von ehrenamtlichen Fremdbetreuer*innen mit einem Betreuungsverein oder der Betreuungsbehörde (§ 22 BtOG)erweitertErweiterte Zusatzaufgabe

Siehe oben
Weitere gesetzesbedingte Vorgaben
14. Beratung und Unterstützung der Betreuer*innen beim Erstellen von Vermögensverzeichnissen (§ 1835 BGB)neuZusatzaufgabe: Betreuungsgerichte können diese Aufgabe der Betreuungsbehörde anordnen
15. Die Zuständigkeiten für Beglaubigungen werden ausgeweitet, so dass nunmehr Bürger*innen Vorsorgevollmachten bei der Betreuungsbehörde Stuttgart beglaubigen lassen können, die nicht in Stuttgart wohnen (§ 7 BtOG)erweitertZusatzaufgabe:
16. Sachkundige Stelle für die Beratung von Geheimnisträgern bei schwierigen Betreuungssituationen (§31 BtOG)neuZusatzaufgabe


Ausblick

In der Betreuungsbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart wird viel Zeit und Engagement in die Begleitung, Beratung und Werbung von ehrenamtlichen und beruflichen Betreuer*innen investiert. Ehrenamtlichen wird eine wertschätzende Begleitung angeboten und den selbständigen Berufsbetreuer*innen die Möglichkeit zur Beratung und Reflexion. Auch die Zusammenarbeit der Betreuungsbehörde und der Stuttgarter Betreuungsvereine erfordert im Lichte der Reform eine inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung.

In der Praxis wird sich zeigen, ob die mit der Reform verbundenen Qualifizierungsanforderungen für die gesetzlichen Berufsbetreuer*innen - wie befürchtet - dazu führen, dass die Betreuungsbehörden noch weniger Personen finden, die rechtliche Betreuungen übernehmen. Aufgrund der Garantenstellung der Betreuungsbehörde müssten die Betreuungen dann von den Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörde selbst übernommen werden.

Die Qualifizierung der hauptamtlichen Vereinsbetreuer*innen verursacht bei den Betreuungsvereinen Kosten, die nicht aus den Vergütungen für die Betreuungen finanziert werden können. Es ist daher vorgesehen, den Betreuungsvereinen eine Zuwendung zur Finanzierung der Weiterbildungskosten für förderfähige hauptamtliche Vereinsbetreuer*innen zu gewähren. Die dafür erforderlichen Mittel stehen in ausreichendem Umfang im Förderbudget des Sozialamts für bis zu 12,91 hauptamtlichen Vereinsbetreuer*innen zur Verfügung.

Zudem ist bereits absehbar, dass zum Doppelhaushalt 2024/2025 voraussichtlich ein weiterer Stellenmehrbedarf für die Betreuungsbehörde angemeldet werden muss, wenn erste Erfahrungen mit den Auswirkungen und der Umsetzung der Reform vorliegen. Es ist anzunehmen, dass spätestens dann auch die „erweiterte Unterstützung“ nach §11 BtOG in allen Betreuungsbehörden umgesetzt werden muss und nicht mehr nur in einer Modellregion in Baden-Württemberg.

>
>


Finanzielle Auswirkungen

Es entstehen zusätzliche Personalaufwendungen in Höhe von insgesamt rund
317.000 EUR jährlich.




Beteiligte Stellen

Die Referate AKR und WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin


Anlagen

---




zum Seitenanfang