Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 217/2014
Stuttgart,
03/25/2014



Ganztagesgrundschulen:
Vereinbarungen mit den Träger der Jugendhilfe
Änderung der Präambel




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
09.04.2014
10.04.2014



Beschlußantrag:

1. In den Mustervereinbarungen mit den Trägern der Jugendhilfe über den Betrieb einer Ganztagesgrundschule wird in §1 Abs. 5, 1. Satz „Da die Arbeit in Schulen stattfindet, ist für den Träger und sein Personal weltanschauliche Neutralität unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit in der Ganztagesgrundschule.“ gestrichen.

2. Der Absatz behält folgende Fassung: „Der Träger wirkt im Rahmen dieses Vertrags am Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule im Sinne des Schulgesetzes mit.“


Begründung:


Ausgangslage:

Am 18. Juli 2013 hat der Gemeinderat auf der Grundlage der GRDrs 485/2013 die Verwaltung beauftragt, Verträge mit Trägern über den Betrieb von Ganztagsgrundschulen nach dem Muster der Vorlage beigelegten Anlage 1 zu schließen.

Nach § 38, Abs. 2 Schulgesetz haben die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen Neutralität in ihren politischen, religiösen, weltanschaulichen und ähnlichen äußeren Bekundungen zu wahren. Die Verwaltung sah daher vor, dass diese Regelung auch auf das Personal der Träger auszudehnen ist. Hintergrund war, dass Eltern im Unterschied zu Einrichtungen der Jugendhilfe, wo sie sich bewusst für oder gegen eine bestimmte konfessionelle Ausrichtung entscheiden können, bei der Auswahl der Grundschule grundsätzlich keine Wahlmöglichkeit haben. Des Weiteren wurden in den Diskussionen kirchliche Grundsätze der Personalauswahl und Vertragsgestaltung kritisiert.

In den gemeinderätlichen Gremien geführten Diskussionen um die Standards der Ganztagesgrundschulen (GRDrs. 542/2012, 6/2013) legten die Fraktionen deshalb großen Wert darauf, dass dieses Neutralitätsgebot auch auf die Träger als Arbeitgeber ausgedehnt wird (siehe hierzu Antrag 370/2012 SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft, Antrag 353/2012 TOP 2 SPD-Gemeinderatsfraktion, Antrag 403/2012 TOP 9 SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft und Verwaltungsausschuss vom 19.12.2012, Niederschrifts-Nr. 451 S. 15). Die Verwaltung erhielt den Auftrag, in den Trägervereinbarungen entsprechende Regelungen zu treffen. Im Muster der mit GRDrs 485/2013 verabschiedeten Trägervereinbarung wurde daher in § 1 Präambel, Abs. 5 folgender Wortlaut aufgenommen:

Da die Arbeit in Schulen stattfindet, ist weltanschauliche Neutralität für den Träger und sein Personal unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit in der Ganztagesgrundschule. Der Träger wirkt im Rahmen dieses Vertrags am Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule im Sinne des Schulgesetzes mit.“


Problemstellung:

Der Caritasverband Stuttgart e.V. und die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V., die auf der Grundlage von Gemeinderatsbeschlüssen bisher jeweils an vier Ganztagsgrundschulen die Trägerschaft übernommen haben, haben schriftlich um eine Streichung der Passage zur „weltanschaulichen Neutralität“ gebeten, weil sie als kirchliche Träger eine Vereinbarung mit diesem Wortlaut nicht unterschreiben können. Sie berufen sich auf ihren Status als Tendenzbetriebe (§118 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz), die ihre personellen Angelegenheiten (Einstellung, Kündigung etc.) entsprechend der Tendenz (vereinfacht Weltanschauung) abweichend von anderen Betrieben gestalten können. In diesem Sinne hat zuletzt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 03.02.2011 (18136/02) entschieden.

Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang die beiden Aspekte

- Neutralität bezüglich des pädagogischen Handelns bzw.
- Neutralität bei der Personalgewinnung und der Gestaltung von Arbeitsverträgen

Pädagogisches Handeln:
Beide kirchlichen Träger sind bereits langjährige Kooperationspartner an den Ganztagesgrundschulen und haben in der Vergangenheit zu keinerlei Beanstandung Anlass gegeben, weder von Seiten der Eltern noch von Seiten der Verwaltung. Gemeinsam mit den nicht-kirchlichen Trägern (AWO, Stuttgarter Jugendhausgesellschaft, Jugendamt) ist in den vergangenen Jahren eine Vielfalt in der Trägerlandschaft entstanden, die einen hohen Mehrwert für das Ganztagesangebot in unserer Stadt bildet.

Die Neutralität im pädagogischen Handeln ist unumstritten einzuhalten.

Personalauswahl und kirchliches Arbeitsvertragsrecht
Die Prüfung durch das Rechtsamt hat folgendes ergeben:

Das kirchliche Arbeitsrecht ist durch das Grundgesetz garantiert, vgl. Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“.

„Weltanschauliche Neutralität“ im Sinne eines Verzichts auf den sog. „Dritten Weg“ im Bereich des Arbeitsrechts kann von den Trägern deshalb nicht verlangt werden. Zudem ist der Begriff der weltanschaulichen Neutralität so unbestimmt, dass daraus keine konkreten Vertragspflichten abgeleitet werden können.


Weiteres Vorgehen

Die Verwaltung wurde rechtlich dahingehend beraten, dass die Pflichten der Vertragspartner nach dem Schulgesetz in Satz 2 des § 1, Abs. 5 der Präambel in der Muster-Vereinbarung mit hinreichender Deutlichkeit erwähnt werden, so dass gegen den Wegfall des ersten Satzes keine Bedenken bestehen.

Die Verwaltung wird daher in den mit den Trägern zu schließenden Vereinbarungen den ersten Satz

Da die Arbeit in Schulen stattfindet, ist weltanschauliche Neutralität für den Träger und sein Personal unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit in der Ganztagesgrundschule.“

ersatzlos streichen.

Finanzielle Auswirkungen

keine


Beteiligte Stellen

Referat RSO




Dr. Susanne Eisenmann

Anlagen






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