Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
321/2014
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 21.05.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Wölfle
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Pavkovic (S-IP)
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Willkommenszentrum und Welthaus

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 16.05.2014, GRDrs 321/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Einrichtung und dem laufenden Betrieb des Willkommenszentrums (vgl. Kostenübersicht in Anlage 1) wird mit folgenden Vorgaben zugestimmt:

1.1 Das städtische Willkommenszentrum wird der Abteilung Integration im Referat Koordination und Planung des Oberbürgermeisters (S/OB) zugeordnet. Die Abteilung Integration wird deshalb ermächtigt, vom 1. September 2014 bis 31. Dezember 2016 kostenneutral aus Drittmitteln und ohne Blockierung von Planstellen Mitarbeiter des Willkommenszentrums im Umfang von 1,5 Stellen zu beschäftigen, die Leitungsstelle in der Entgeltgruppe 13 TVöD, die 0,5 Mitarbeiter-Stelle in der Entgeltgruppe 11 TVöD. Über die Organisation und die personelle Ausstattung des Willkommenszentrums ab 2017 wird auf der Grundlage eines Evaluationsberichts zum Doppelhaushalt 2016/2017 entschieden.

1.2 Der Anmietung der Räume für das Willkommenszentrum (207 m²), das Welthaus (260 m²) und den Weltladen (106 m²) durch die Landeshauptstadt, vertreten durch das Amt für Liegenschaften und Wohnen, vom ifa (Institut für Auslandsbeziehungen), zum 1. September 2014 mit einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren in Verbindung mit einem einseitigen Kündigungsrecht der Stadt wird zugestimmt. 1.3 Die Stadt beteiligt sich an den baulichen Herstellungskosten von 649.300 EUR für alle Bereiche mit einmalig 509.300 EUR, die Vermieterin mit 140.000 EUR.

Die Kostenanteile der Stadt setzen sich wie folgt zusammen:


Stadtanteil für mieter- bzw. nutzerspezifische Kosten: 298.650 EUR,
Teilweise Vorfinanzierung des Kostenanteils der Vermieterin ifa sowie des Kostenanteils der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (in Vertretung der Fachkräfteallianz Region Stuttgart) durch die LHS (Refinanzierung: siehe finanzielle Auswirkungen): 210.650 EUR.
1.4 Für die bewegliche Einrichtung des städtischen Willkommenszentrums wie Büromöbel, Schränke, PC-Arbeitsplatz etc. fallen einmalige Beschaffungskosten in Höhe von rund 30.000 EUR an. 2. Die Kosten für die unter Nr. 1 beschriebenen Maßnahmen sind im Haushaltsplan gedeckt, siehe Abschnitt finanzielle Auswirkungen.


3. Von den Konzeptionen für das Willkommenszentrum und für das Welthaus wird Kenntnis genommen.


4. Von den laufenden Kosten für den Betrieb des städtischen Willkommenszentrums von jährlich 50.000 EUR entsprechend Anlage 1 wird Kenntnis genommen.


5. Der Verein Welthaus Stuttgart e.V. erhält für 2014 und 2015 einen Zuschuss von jährlich 100.000 EUR. Dem Zuschuss liegen die Allgemeinen Bewilligungsbedingungen zugrunde.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Von BM Wölfle wird der verspätete Versand der Vorlage entschuldigt. Von ihm wird die Vorlage kurz erläutert. Über die zügige Erarbeitung der Vorlage ist er erfreut und er zeigt sich davon überzeugt, dass mit der Realisierung des Willkommenszentrums (WKZ) und des Welthauses die Landeshauptstadt Stuttgart ein Schaufenster erhält, mit dem zuziehende Menschen willkommen geheißen werden können. Zudem werde zum Ausdruck gebracht, dass die Landeshauptstadt, die definitiv von globalem Handel profitiert, sich auch in der Verantwortung für den Rest der Welt sieht. Dies mache deutlich, weshalb es Sinn macht, beide Einrichtungen am selben Ort anzusiedeln.

Mit dem WKZ und dem Welthaus, so StR Lazaridis (90/GRÜNE), erhalte die Stadt am richtigen Ort ein starkes Zeichen für ihre internationale Ausrichtung. Entscheidend dabei sei das Bekenntnis, dass Migration für die Stadtgesellschaft existenzielle Bedeutung hat. Ohne Migration lasse sich der ökonomische Wohlstand nicht halten und die Stadt wäre kulturell und gesellschaftlich ärmer. Nach den USA sei Deutschland derzeit vor klassischen Einwanderungsländern wie Kanada, Australien und Großbritannien laut einer OECD-Studie weltweit das beliebteste Einwanderungsland. 2012 seien 400.000 Menschen nach Deutschland gekommen (doppelt so viele wie 2009).

Der Bildungsansatz des Welthauses sei darauf ausgerichtet, die globalen Zusammenhänge von Ökologie, Ökonomie und Kultur aufzuzeigen. Es werde darauf abgezielt, dieses Haus zu einem ganzheitlich orientierten internationalen Zentrum für Stuttgart zu machen.

Wie StR Lazaridis äußert sich StR Sauer (CDU) für seine Fraktion zustimmend zur Vorlage. Er äußert sich lobend zum Unterbringungsort, zu den Synergieeffekten mit der Wirtschaftsregion und den Vernetzungsmöglichkeiten der beiden Einrichtungen. Das in der Konzeption des Welthauses enthaltene "globale Klassenzimmer" bezeichnet er auch unter pädagogischen Gesichtspunkten als Glücksgriff. Für ihr finanzielles Engagement bei den Personalkosten bedankt er sich bei der Robert-Bosch-Stiftung und beim Integrationsministerium. Mit der erarbeiteten Konzeption werde der bereits von den Alt-Oberbürgermeistern Rommel und Dr. Schuster beschrittene Weg, nämlich Stuttgart zu einer Stadt der Integration und der Internationalität zu entwickeln, fortgesetzt.

StR Kanzleiter (SPD) führt an, die Vorlage stelle die konsequente Umsetzung der in den Etatberatungen erfolgten Beschlussfassung dar. Der Unterbringungsort werde in punkto Zuordnung als richtig angesehen. Das Geplante füge sich in die städtische Integrationspolitik ein. Auf diese Politik könne man in Stuttgart stolz sein, sie wirke sich positiv auf den Alltag der Bürgerschaft aus. Im Vergleich zu anderen Städten sei Stuttgart hier gut aufgestellt. Darauf sollte in Zukunft weiter geachtet werden.

Für das internationale Ansehen Stuttgarts, so StR Zeeb (FW), sei das WKZ und das Welthaus erforderlich. Seines Erachtens muss darauf geachtet werden, das Angebot an Lernorten überschaubar zu halten, um Lehrer und Schüler nicht zu überfordern. Dazu entgegnet der Vorsitzende Bezug nehmend auf seine Schulzeit, solche Angebote lockerten den Schulalltag auf und dienten der Wissensvermittlung.

Ebenfalls zustimmend äußert sich StR Klingler (FDP). Der Beschluss des Gemeinderates zeuge von Weitsicht. Wichtig sei, dass eine Räumlichkeit im Stadtzentrum gefunden werden konnte. Bei den Öffnungszeiten geht er noch von Nachjustierungsbedarfen aus. Das Geplante werde bei der Freiwilligenagentur Zusätzliches erforderlich machen.

Für seine Fraktionsgemeinschaft unterstützt StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) die Vorlage. Er führt aus, für einen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit reichen "die fair gehandelte Mango und der fair gehandelte Kaffee", auch wenn dies ein Anfang ist, nicht aus. Notwendig seien Beiträge zur globalen Gerechtigkeit, indem vor Ort Entwicklungen angestoßen werden. Dieses gehöre in einem Welthaus bearbeitet. Hierzu unterstreicht BM Wölfle, da gerade auch der Gemeinderat in diesem Bereich "nicht stehenbleiben möchte", haben der Rat und die Verwaltung die Initiative ergriffen. Zu den Ansätzen, wie fair gehandelter Kaffee, betont er, wer nicht anfängt, bleibt stehen. In Ländern wie Deutschland müssten Märkte geschaffen werden, damit sich die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern verbessert. Die These, dass, um zu einer gerechteren Welt zu kommen, in den Industrieländern Märkte geschaffen werden müssen, unterstütze er leidenschaftlich. Um diesen Gedanken in der Breite zu vermitteln, sei es klug, an prominenter Stelle dem WKZ einen Weltladen zur Seite zu stellen.

In der Folge trägt Herr Pavkovic vor, insbesondere auf StR Kanzleiter eingehend, welcher den Begriff "Neubürger" kritisiert, das WKZ solle eine Anlaufstelle für Neubürger/-innen sein; im letzten Jahr seien ca. 40.000 Menschen nach Stuttgart zugezogen, davon nahezu 20.000 aus dem Ausland. Ein Großteil der aus dem Ausland kommenden Personen stamme aus der EU und ziehe im Rahmen der Freizügigkeit zu. Überwiegend handle es sich um qualifizierte Menschen. Als bedeutsam werde es angesehen, dass für diesen Personenkreis Brücken zum Bürgerservice, zu Bürgerbüros, zu anderen Fachdiensten und zum Berufsleben sowie in die Bürgergesellschaft gebaut werden. Diese Zielgruppe werde solange als Neubürger angesehen, bis die Personen - nicht zuletzt durch das Beherrschen der deutschen Sprache - sich selbst zurechtfinden (ca. 1 bis 2 Jahre). Zudem wolle man bei Studierenden, die schon ein oder zwei Jahre Masterstudiengänge in Englisch in Stuttgart belegen, darauf achten, dass diese in Stuttgart bleiben.

Für die rasche Ausarbeitung der Vorlage bedanken sich StR Lazaridis, StR Sauer und StR Rockenbauch. In diesem Zusammenhang informiert BM Wölfle auf StR Kanzleiter eingehend, um sich die Räume zu sichern, habe zeitlich nicht die Möglichkeit bestanden, umfängliche Detailplanungen vorzunehmen.

Für StR Lazaridis ist die Kostenfrage fair verhandelt worden. Überrascht ist laut StR Sauer die CDU-Gemeinderatsfraktion von der Höhe der Kosten. Dem Eindruck dieses Stadtrats, dass die Art der Finanzierung auf große finanzielle Spielräume bei den Ämtern schließen lässt, widerspricht der Vorsitzende. Er teilt mit, alle Beteiligten hätten die Einsicht gehabt, dass hier, auch gegebenenfalls zulasten anderer Dinge, zusammengearbeitet werden muss.

Zur Frage von StR Sauer, zu welchem Zeitpunkt der Refinanzierungsanteil der Wirtschaftsregion von 38.000 € an den einmaligen Investitionskosten erfolgt, informiert BM Wölfle, die Wirtschaftsregion werde ihren Anteil über einen entsprechenden Mietanteil refinanzieren.

Da das Wirtschaftsministerium nur für dieses Jahr einen Zuschuss zur Verfügung stellt, fragt StR Sauer weiter nach, wie die Wirtschaftsregion ihre 3,5 Stellen nach 2014 finanziert. Hierzu erklärt Herr Pavkovic, das Projekt der Wirtschaftsregion sei wie zehn andere regionale Welcome Center für Fachkräfte im Land auf drei Jahre angelegt. Dies sei mit dem Wirtschaftsministerium besprochen. Die Förderung aus dem Europäischen Sozialfonds sei dagegen immer auf ein Jahr angelegt. Die Perspektive für die 3,5 Stellen sei jedoch, so plane die Region, auf drei Jahre angelegt. Deshalb verpflichte sich die Region, einen Mietanteil und einen Anteil der Sachkosten für 2015 zu übernehmen. Das Land erwarte, dass die Fachkräfteallianz der Region Stuttgart, also auch die Wirtschaft, nach drei Jahren die Anschlussfinanzierung übernimmt. Die Wirtschaft profitiere schließlich von den Fachkräften.

Mit den Themen Bildungsfragen (zügiger Ausbau der Ganztagesschulen zur Steigerung der Bildungsgerechtigkeit), Umgang mit der steigenden Anzahl von Flüchtlingen, Anerkennung von Abschlüssen, Umgang mit älteren Migranten bekräftigt StR Lazaridis seine Überzeugung, dass trotz des nun Entstehenden an der Willkommenskultur in Stuttgart weiter gearbeitet werden muss. Gegenüber StR Sauer geht auch BM Wölfle davon aus, dass das heute zur Beschlussfassung Anstehende für die Verwaltung keinen Schlusspunkt im Bereich der Integration darstellt. Sinngemäß äußert sich StR Kanzleiter. Nur wenn dieses Thema ständig bearbeitet wird, ließen sich die angestrebten Ziele erreichen. Entsprechend positioniert sich StR Rockenbauch.

Obwohl die Region eher ökonomische Interessen verfolgt, ist die Kooperation für StR Lazaridis sinnvoll.

Zu einer Wortmeldung von StR Zeeb räumt BM Wölfle ein, er selbst sei anfänglich skeptisch gewesen, ob die WKZ-Konzeption (zentralisiert) funktioniert. Im Austausch auch mit den Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern sei es gelungen, klare Abgrenzungen zu den dezentralen Angeboten der Bezirksämter in den Stadtbezirken zu finden. Herr Pavkovic legt Wert darauf, dass keine parallelen Dienste geschaffen werden. Nach wie vor seien Fachdienste, wie beispielsweise die Ausländerbehörde für das Aufenthaltsrecht, für ihre Belange zuständig. In den Bürgerbüros, die sehr gute Arbeit leisten, erhielten die Neubürger auch Informationen über Vereine im jeweiligen Stadtbezirk. Dort könnten aber Spezialfragen wie zur Anerkennung von Abschlüssen oder wo ein Deutschkurs stattfindet nicht geklärt werden. Mit dem WKZ werde eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, in der zu solchen Fragen solide Informationen gegeben werden und die auf Fachdienste wie die Agentur für Arbeit verweist.

Bekanntlich gebe es intensive Kontakte mit Migrantenvereinen, Konsulaten und Migrationsdiensten. So werde beispielsweise mit der Beratungsstelle Faire Mobilität des DGB zusammengearbeitet. Dort würden sehr viele gering qualifizierte Menschen beraten. Die im WKZ Beschäftigten müssten die Kooperationsdienste kennen und mit diesen gut vernetzt sein.

Zu Wortmeldungen der StRe Klingler und Rockenbauch berichtet Herr Pavkovic, im WKZ werde es Beschäftigte geben, die neben Deutsch und Englisch auch weitere Sprachen beherrschen. Bei Bedarf könne der städtische Dolmetscherdienst hinzugezogen werden. Entsprechend gingen Fachämter wie das Amt für öffentliche Ordnung, das Jugendamt, das Gesundheitsamt, das Sozialamt und das Schulverwaltungsamt vor. Vorgesehen sei, einen Pool an freiwilligen, mehrsprachigen Brückenbauern in die Stadtgesellschaft aufzubauen, um z. B. bei der Wohnungssuche behilflich sein zu können. Hier gebe es seitens der Migrantenvereine bereits sehr gute Signale. Im Veranstaltungsraum des Welthauses wolle man Stammtische für Studierende und Arbeitgeber zu Themen aus den Bereichen Studium und Beruf etablieren. In Stuttgart bestehe bereits ein Kalimera-Stammtisch für griechische Neubürger. Zudem habe das Café Noa vom Arbeitskreis Asyl Interesse bekundet, dort einen Treffpunkt einzurichten.

BM Wölfle schließt mit seinem Dank an die Projektbeteiligten diesen Tagesordnungspunkt ab und stellt fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt einstimmig wie beantragt.
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