Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 620/2021
Stuttgart,
07/21/2021



Abschlussbericht zur Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen
Einsatz von Luftreinigungsgeräten




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Einbringung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
28.07.2021
28.07.2021



Beschlußantrag:

1. Von der "Zusammenfassung der Ergebnisse des Pilotprojekts 'Experimentelle Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen in Stuttgarter Schulen" des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung einschließlich der darin enthaltenen Empfehlung wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird ermächtigt, unter Berücksichtigung eines vom Land Baden-Württemberg in Aussicht gestellten Förderprogramms, die in der Begründung dargestellten voraussichtlich bis zu rund 250 ungenügend belüftbaren Schulräume zeitnah mit geeigneten Luftreinigungsgeräten auszustatten.

3. Für die Beschaffung werden voraussichtlich Mittel von bis zu 1,0 Mio. EUR benötigt. Die Deckung erfolgt vorläufig durch Inanspruchnahme der im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzwirtschaft veranschlagten Deckungsreserve. Den entsprechenden überplanmäßigen Mitteln im Teilhaushalt 400 – Schulverwaltungsamt, entsprechend der Darstellung unter dem Punkt Finanzielle Auswirkungen wird zugestimmt.
Die endgültige Finanzierung wird erforderlichenfalls durch eine weitere Vorlage nach Entscheidung über die Beschaffung unter Berücksichtigung der Fördermittel des Landes sichergestellt.

4. Der Zentrale Einkauf führt das Vergabeverfahren unter Anwendung der aktuellen Sonderregelungen zur Dringlichkeitsvergabe bei Beschaffungen während der Corona-Pandemie durch.
Es wird zugestimmt, dass die Vergabeentscheidung durch das Referat AKR (Mitzeichnung Referat JB) getroffen werden können.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Ausgangslage

Mit der GRDrs 1082/2020 hat der Gemeinderat die Verwaltung beauftragt, gemeinsam mit dem Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (ITGE) der Universität Stuttgart eine Untersuchung u.a. zum Einsatz von Luftreinigungsgeräten an Stuttgarter Schulen durchzuführen. Ziel war es, möglichst kurzfristig Erkenntnisse zur Wirksamkeit auf einer wissenschaftlichen Basis zu erlangen. Hierzu wurden messtechnisch aufwändige Methoden angewandt, um zu fundierten Ergebnissen zu gelangen.

Darüber hinaus sollten die technischen Spezifikationen für im Unterricht eingesetzte Luftreinigungsgeräte definiert werden. Hierbei waren auch Aspekte der Arbeitssicherheit und Betreiberhaftung zu berücksichtigen.

Im Zeitraum von Januar bis April 2021 wurde jeweils ein Klassenraum in zehn Stuttgarter Schulen (Schwabschule, Gewerbliche Schule für Farbe und Gestaltung Altbau, Steigschule Bau 1, Steinbeisschule Hauptbau, Uhlandschule Neubau, Wilhelmsgymnasium, Wilhelmsschule, Zeppelin-Gymnasium – hier: zwei Klassenräume / Referenzraum -, Solitude-Gymnasium und Filderschule) raumlufttechnisch untersucht.

Neben der Abschätzung eines Infektionsrisikos während des Unterrichts und die Identifikation geeigneter Maßnahmen zur Verringerung dieser Gefahr (wie natürliche Fensterlüftung) wurden auch Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) und mobile Luftreinigungsgeräte (ohne Außenluftanteil) analysiert. Eine Begriffsdefinition zur Lüftungstechnik ist in Anlage 1 beigelegt.

Die konkrete Bewertung des Infektionsrisikos erfolgte durch quantitative Messungen der Stoffausbreitung. Nähere Ausführungen zum methodischen Ansatz sind in der Zusammenfassung der Ergebnisse des Pilotprojekts (Anlage 2) enthalten.

Projektverlauf

Das gesamte Projekt erfolgte unter hohem Zeitdruck. Verzögerungen ergaben sich durch Lieferengpässe bei den Testgeräten. Hinzu kamen die coronabedingten Schulschließungen, die eine Anpassung der Projektorganisation notwendig machten. So wurden teilweise Dummies für die Luftmessungen verwandt, da Schüler nicht präsent waren.

Zur Klärung der Gegebenheiten vor Ort wurden in allen Stuttgarter Schulen / in 12.500 Schulräumen Erhebungen über den Zustand der Fenster bzw. Einschränkungen der Belüftungsmöglichkeiten durchgeführt. Zusätzlich wurden alle Schulleitungen im Rahmen einer telefonischen Erhebung nach schlecht belüftbaren Räumen in ihren Gebäuden befragt. Diese Daten wurden miteinander abgeglichen und soweit plausibilisiert.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Vorlage werden diese Klassenzimmer noch von Studenten der Universität Stuttgart begangen und die räumlichen Gegebenheiten im Detail aufgenommen. Anschließend werden diese erhobenen Raumdaten anhand der Handlungsempfehlung der Testung geprüft, um zu ermitteln, ob in diesen Fällen Luftreinigungsgeräte beschafft werden müssen. Nach einer realistischen Schätzung dürfte es sich um rund 250 Geräte handeln.

Der Gesamtpersonalrat, das Gesundheitsamt und die Unfallkasse Baden-Württemberg wurden frühzeitig in das Projekt eingebunden und über den methodischen Ansatz informiert.

Wesentliche Erkenntnisse

Jede der im Bericht aufgeführten Maßnahmen kann einen Beitrag zur Senkung des Infektionsrisikos leisten:

- Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes trägt wesentlich zur Verringerung der Infektionswahrscheinlichkeit bei.

- Der Luftaustausch über Fensteröffnungen in Form des sog. Stoßlüftens ist eine sehr geeignete, einfach umzusetzende und kostengünstige Maßnahme, um Aerosolkonzentrationen im Klassenraum zu verringern. Während des Unterrichts bewirkt ein verkürztes Lüftungsintervall (z.B. 10/2,5/10) eine deutlichere Reduzierung des Infektionsrisikos als längere Lüftungsintervalle.

- Dabei nimmt die Raumtemperatur bei den zum Zeitpunkt der Messungen im Winter / Frühjahr vorliegenden Außentemperaturen durch die Stoßlüftung nur leicht ab.

- Das Lüften in den Pausen ist, insbesondere bei Klassenzimmern ohne stationäre raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage), zwischen den Doppelstunden zwingend erforderlich, um die Aerosolkonzentration für den darauffolgenden Unterricht weitestgehend gegen Null zu senken.

- Kurzfristig kann die Verbesserung der natürlichen Be- und Entlüftung durch eine Vergrößerung der nutzbaren Gesamtöffnungsfläche der Fenster erfolgen.

- In Klassenzimmern, bei denen die natürlichen Lüftungsmöglichkeiten unzureichend gegeben sind und nicht kurzfristig verbessert werden können, bieten sich Luftreinigungsgeräte als unterstützende Maßnahme an. Eine flächendeckende Beschaffung von Luftreinigungsgeräten ist aufgrund der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht erforderlich, in Einzelfällen hingegen - abhängig von den Rahmenbedingungen vor Ort und von der Nutzungsintensität (Schülerzahl und Unterrichtsart) - begründbar.

- Die gemessenen Luftreinigungsgeräte haben bei hohen Luftströmen, die für eine schnelle Abscheidung notwendig sind, zu hohe Schallemissionen und Luftgeschwindigkeiten (Zugerscheinung). Bei der Untersuchung wurde festgestellt, dass bei reduzierten Volumenströmen noch akzeptable Abscheidungsgrade erreicht werden.

- Langfristiges Ideal und nachhaltige Lösung sind raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) mit Wärmerückgewinnung. Diese stellen bei richtiger Dimensionierung die Innenraumluftqualität (CO2, Feuchte, Feinstaub, Pollen etc.) sicher und reduzieren die Lüftungswärmeverluste deutlich.

Weiteres Vorgehen

Nach Beschluss dieser Vorlage soll unmittelbar ein Ausschreibungsverfahren beginnen. Aufgrund der Dringlichkeit, die Luftreinigungsgeräte noch vor dem Herbst und damit vor der erwarteten vierten Welle in den Klassenzimmern zu installieren, wird ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb angestrebt. Bevorzugt soll eine Anmietung der Geräte erfolgen, sofern dies nicht möglich ist sollen die Geräte gekauft werden. Ziel ist es, eine voraussichtliche Lieferung der Geräte zum Schuljahresbeginn zu ermöglichen.

Für die Erstausstattung der schlecht belüftbaren Klassenräume werden nach aktuellem Stand voraussichtlich rund 250 Luftreinigungsgeräte veranschlagt. Bei einem Stückpreis von ca. 4.000 EUR (je nach Hersteller) ist mit Gesamtkosten von 1.000.000 EUR zu rechnen. Der genaue Betrag kann erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens beziffert werden.

Nach Abstimmung mit der Universität, sollte die Betreuung und Wartung dieser Geräte nicht durch Lehrpersonal oder Schulhausmeister erfolgen, da die Filter Gefahrstoffe enthalten und diese Tätigkeiten nur durch fachkundiges Personal erledigt werden können. Ansonsten wären entsprechende Schulungen sowie eine persönliche Schutzausrüstung etc. notwendig.

Da noch keine Erfahrungswerte im Umgang mit derartigen Luftreinigungsgeräten vorliegen, insbesondere hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Wartungsanfälligkeit, beabsichtigt die Verwaltung – soweit es der Markt anbietet – die Geräte für 2 Jahre anzumieten, einschließlich eines wie oben geschilderten „Alles-inklusive-Pakets“.

Energetische Gesichtspunkte

Aus energiewirtschaftlicher Sicht führt die Installation von Luftreinigungsgeräten einen zusätzlichen Stromverbrauch und höhere Kosten nach sich. Die LHS bezieht zwar Ökostrom, dennoch sollte im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung der Umfang (Zahl der Geräte) und die Laufzeit (Betriebsstunden) auf das Minimum begrenzt werden.

Wenn Luftreinigungsgeräte beschafft werden, ist bei der Beschaffung der Geräte auf einen niedrigen spezifischen Stromverbrauch zu achten und auch nur die Räume mit den Geräten auszustatten, die keine ausreichende Fensterlüftung aufweisen.


Finanzielle Auswirkungen

Für die Beschaffung von 250 mobilen Luftreinigungsgeräten wird ein Budget in Höhe von 1.000.000 EUR zur Verfügung gestellt.

Die Aufwendungen für die Anmietung von 250 Geräten werden im Teilergebnishaushalt 400 – Schulverwaltungsamt (Amtsbereiche 4002110, 4002120 und 4002130; Kontengruppe 42310 - Mieten und Pachten) gedeckt. Die auf die Haushaltsjahre 2022 und 2023 entfallenden Anteile werden im Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2022/2023 berücksichtigt.

Sollte die Anmietung der Luftreinigungsgeräte nicht möglich sein, wird alternativ der Kauf erforderlich. Die Auszahlungen im Jahr 2021 werden im Finanzhaushalt des Teilhaushalts 400 - Schulverwaltungsamt (7.409999 – Sonstige Investitionen, Kontengruppe 78302 – Erwerb von beweglichem Anlagevermögen) gedeckt. Hierzu wird dem Gemeinderat erforderlichenfalls eine weitere Vorlage zur Beschlussfassung vorgelegt.



Beteiligte Stellen

Referat WFB, AKR und SWU.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

Anlage 1: Begriffsdefinition Fensterlüftung, Lüftungsanlagen und Luftreinigungsgeräte
Anlage 2: Zusammenfassung der Ergebnisse des Pilotprojekts "Experimentelle
Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen in Stuttgarter Schulen"


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