Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR 3182, 0300
GRDrs 881/2023
Stuttgart,
11/27/2023



Linden-Museum – Restitution von Kulturgütern: Aufgabenübertragung auf den Oberbürgermeister im Einzelfall und Auftrag zur Änderung der Hauptsatzung hinsichtlich einer dauerhaften Übertragung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
29.11.2023
30.11.2023



Beschlußantrag:

1. Dem Oberbürgermeister wird gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 GemO jeweils einzelfallbezogen die Entscheidung über die Restitution bezüglich der folgenden Objekte des Linden Museums übertragen:
2. Der Gemeinderat befürwortet eine dauernde Übertragung der Entscheidung über die Restitution von Kulturgütern des Linden Museums auf den Oberbürgermeister gem. § 44 Abs. 2 Satz 2 GemO. Die Verwaltung wird beauftragt eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung der Landeshauptstadt vorzubereiten und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen.


Begründung:


Zu 1.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist neben dem Land Baden-Württemberg zur Hälfte Eigentümerin der Sammlungen des Linden-Museums. Das Linden-Museum zählt zu den wichtigsten Völkerkundemuseen Europas. Wertvolle ethnographische Dokumente und Objekte vermitteln einen Einblick in vielfältige Kulturen aus allen Teilen der Welt. Seine Ausstellungen zeigen die Vielfalt der Kulturen der Welt in Vergangenheit und Gegenwart und vermitteln neues Wissen über die Welt an ein breites Publikum.

Im Hinblick auf den Umgang mit Kunst- und Kulturgegenständen, die während und infolge der kolonialen Herrschaftsbestrebungen Deutschlands und anderer europäischer Nationen in die heutige Bundesrepublik gelangt und hier in Museen aufbewahrt und ausgestellt werden, besteht grundsätzlich Einigkeit zwischen dem Land Baden-Württemberg sowie der Landeshauptstadt Stuttgart. Sowohl das Land als auch die Stadt stehen zu ihrer historischen Verantwortung, koloniales Unrecht wiedergutzumachen und sind offen gegenüber Möglichkeiten der Rückführung derartiger Kulturgüter an ihren Herkunftsort bzw. in ihre Herkunftsgesellschaften.

Beispielsweise hat das Linden-Museum im Dezember 2022 die Benin-Bronzen und
andere Kunstschätze an Nigeria übereignet. Ende Mai 2023 fand die Repatriierung menschlicher Überreste nach Neuseeland statt. Das Linden-Museum hat bereits weitere Restitutionsforderungen erhalten, die derzeit geprüft werden. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Gemeinderat sich künftig mit mehr Restitutionen und Repatriierungen befassen müsste.


Derzeit gibt es folgende drei offizielle Restitutionsanfragen:

1. Community Abo (Kamerun), vertreten durch den Gemeindevorsteher von
Abo-Miang:

Betroffen sind 23 Objekte aus der Gegend von Abo-Miang (vgl. Anlage 1). Ein Besuch der Sammlung ist angekündigt und für Februar 2024 geplant.

2. Community Nso (Kamerun), vertreten durch den königlichen Vertreter, den Fon von Bui:
Betroffen sind 56 königliche Objekte (vgl. Anlage 2). Dabei wurde zunächst ein Restitutionsersuchen über 28 Objekte gestellt. Eine Erweiterung des Ersuchens ist möglich.

3. Königshaus Maharero (Namibia), vertreten durch Chief Tjinaani Maharero:
Betroffen sind 5 Objekte aus dem Maharero Royal House (vgl. Anlage 3).

Welche Objekte schlussendlich zurückgegeben werden sollen, steht noch nicht endgültig fest, soweit nicht aus Anlage 2 bereits eine Tendenz ersichtlich ist.

Für die von diesen Restitutionsanfragen betroffenen Objekte, die in den Anlagen 1-3 aufgeführt sind, soll die Aufgabe der Entscheidung über die Restitution - zur Vermeidung einer Befassung des Gemeinderats in allen Einzelfällen - auf den Oberbürgermeister übertragen werden. Es handelt sich bei der Übertragung der Entscheidung auf den Oberbürgermeister um einen Fall des § 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 GemO und dabei jeweils um einzelfallbezogene Aufgabenübertragungen.


Zu 2.

Das Verfahren der Restitution ist komplex. Es durchläuft neben mannigfaltigen Vorarbeiten und Kontakten mit den die entsprechenden Restitutionsanfragen stellenden Personen, Organisationen etc. mehrere Stufen u. a. in Form von Entscheidungen des Verwaltungsrats des Linden Museums (mit gemeinderätlicher Beteiligung) und dann der Bestätigung durch den Gemeinderat aufgrund des Miteigentums der Landeshauptstadt Stuttgart. Um dieses aufwendige Verfahren zu entschlacken und den Gemeinderat zu entlasten, schlägt die Verwaltung vor, eine dauerhafte Übertragung der Entscheidung über die Restitution und Repatriierung von Kulturgütern des Linden Museums auf den Oberbürgermeister in den Grenzen des § 39 Abs. 1 Nr. 10 GemO vorzunehmen.
Eine solche dauerhafte Übertragung im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 2 GemO kann nur durch eine Änderung der Hauptsatzung und nicht durch einfachen Beschluss erzielt werden. Die Einzelheiten sollen von der Verwaltung erarbeitet und in Form einer Änderung der Hauptsatzung dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt werden.


Konkret bedeutet die Aufgabenübertragung auf den Oberbürgermeister, sei es im Einzelfall oder dauerhaft, dass - aufgrund der ständigen Vertretung des Oberbürgermeisters im entsprechenden Geschäftskreis durch die Beigeordneten gem. § 49 Abs. 2 Satz 1 GemO - die Entscheidung über die Restitution dann dem für Kultur zuständigen Bürgermeister obliegt.

Finanzielle Auswirkungen

Ein finanzieller Wert wird nicht ermittelt, weil bei der Rückgabe der Objekte der ideelle Wert im Vordergrund steht.



Beteiligte Stellen

Das Referat WFB hat die Vorlage mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

-

Erledigte Anträge/Anfragen

-



Dr. Fabian Mayer Erster Bürgermeister

Anlagen

Anlage 1 - Objekte der Community Abo (Kamerun)
Anlage 2 - Objekte der Community Nso (Kamerun)
Anlage 3 - Objekte des Königshauses Maharero (Namibia)


<Anlagen>



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Mitzeichnung 10 GRDrs. 881_2023.pdf