Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 543/2015
Stuttgart,
06/25/2015


Schwerpunktthema "ÖPNV-Finanzierung"



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich01.07.2015

Bericht:



Im Zusammenhang mit den Beratungen des Beteiligungsberichts sowie des ÖPNV-Vertrags zwischen Landeshauptstadt Stuttgart und den Verbundlandkreisen (vgl. GRDrS 627/2014) Ende 2014 wurde seitens der Verwaltung angeboten, dem Gemeinderat im Rahmen eines Schwerpunktthemas einen Überblick über die Finanzierung der SSB und des ÖPNV in der Region Stuttgart darzustellen. Die folgenden Ausführungen geben in komprimierter Form einen Gesamtüberblick über dieses äußerst komplexe Thema.


1) Grundlagen

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) umfasst
Wesentliche rechtliche Grundlagen zur Organisation und Finanzierung sind


2) Akteure und Zuständigkeiten im ÖPNV in der Region Stuttgart

Das PBefG und das ÖPNVG führen den Begriff des Aufgabenträgers ein. Der Aufgabenträger hat demnach die „ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen“ als freiwillige Aufgabe der Daseinsvorsorge sicherzustellen. In der Region Stuttgart

Der jeweilige Aufgabenträger bestellt und finanziert jeweils für seinen Zuständigkeitsbereich das erforderliche Verkehrsangebot bei einem oder mehreren Verkehrsunternehmen. Die Bestellung erfolgt meist in Form eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags. Bei der Vergabe solcher Dienstleistungsaufträge und bei der Finanzierung der Verkehre sind die vergabe- und beihilfenrechtlichen Vorgaben der EU-VO, des PBefG und des RegG zu beachten. Die Verkehrsunternehmen erbringen dann die eigentliche Verkehrsleistung mit ihren eigenen Produktionsmitteln. Im Gebiet der LHS sind dies im Wesentlichen die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) für den ÖSPV und die DB Regio AG für den S-Bahn-Verkehr.

Um für den Fahrgast eine Integration der verschiedenen Verkehrsmittel und Verkehrsunternehmen zu erreichen, wurde bereits 1978 der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) gegründet. Waren zunächst nur die Verkehre der SSB und der DB Bestandteil des VVS (sogenannte „Verbundstufe I“), sind seit 1993 auch die Verkehre in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis (Verbundlandkreise) vollständig integriert (sogenannte „Verbundstufe II“). Die Aufgabe der Tarifintegration der Verbundstufe II mit der Administration der entsprechenden Zahlungsströme obliegt dabei dem VRS.

Seit dem Jahr 1995 sind die Gesellschafter des VVS zu 50% die öffentliche Hand (LHS mit 7,5% sowie Landkreise, VRS und Land) und zu 50% die Verkehrsunternehmen (SSB mit 26% sowie DB Regio und regionale Busunternehmen). Aufgabe des VVS ist die Sicherstellung eines durchgängigen Angebots über die verschiedenen Verkehrsmittel und Verkehrsunternehmen im Verbundgebiet. Wichtigstes Element ist dabei der gemeinsame Verbundtarif, der in allen Verkehrsmitteln einheitlich Anwendung findet und das Umsteigen mit einem einzigen Fahrschein ermöglicht. Darüber hinaus gewährleistet der VVS eine integrierte Fahrplanauskunft über alle Verkehre im Verbundgebiet und koordiniert die Abstimmung der Fahrpläne im Sinne kurzer Umsteige- und Reisezeiten. Dabei hat der VVS insbesondere eine koordinierende Funktion – anders als die Aufgabenträger macht er keine Leistungsvorgaben und anders als die Verkehrsunternehmen erbringt er keine Verkehrsleistungen.


3) Finanzierung des ÖPNV in der Region Stuttgart

Die Finanzierung des ÖPNV-Angebots erfolgt in erster Linie über Fahrgeldeinnahmen, also die Erlöse aus dem Verkauf von Fahrscheinen durch die Verkehrsunternehmen. Angesichts des gemeinsamen Verbundtarifs ist die Betrachtung der gesamten Fahrgeldeinnahmen aller rund 40 Verkehrsunternehmen im VVS und die sachgerechte Verteilung auf jedes einzelne Unternehmen erforderlich. Diese Verteilung erfolgt im VVS in zwei Ebenen: Auf der ersten Ebene besteht seit 1995 der sogenannte Einnahmenzuscheidungsvertrag (EZV) zwischen SSB, DB und VRS, der die Verteilung zwischen der Verbundstufe I und der Verbundstufe II (siehe oben) regelt. Auf der zweiten Ebene greift innerhalb der Verbundstufe I der auf das Jahr 1978 zurückgehende Einnahmenaufteilungsvertrag (EAV) zwischen SSB und DB, der die Verteilung der Fahrgeldeinnahmen zwischen SSB und DB regelt. Parallel gibt es innerhalb der Verbundstufe II auf der zweiten Ebene ebenfalls weitergehende Regelungen, nach denen der VRS die Fahrgeldeinnahmen auf die einzelnen Verkehrsunternehmen in den Landkreisen verteilt. Hier ist vor allem die mit Wirkung ab 01.01.2015 erlassene sogenannte Allgemeine Vorschrift des VRS von Bedeutung, die die Weitergabe der Fahrgeldeinnahmen und anderer Finanzierungsbestandteile an die regionalen Busunternehmen regelt.

Die Fahrgeldeinnahmen der SSB lagen im Jahr 2014 bei 212,9 Mio. EUR. Gegenüber 2010 konnte damit eine Steigerung um über 20% realisiert werden. Neben den jährlichen Tarifanpassungen, die zum Ausgleich der Kostensteigerungen erforderlich sind, konnten auch in erheblichem Maße zusätzliche Kunden gewonnen bzw. zusätzliche Fahrgeldeinnahmen generiert werden. Von den gesamten Fahrgeldeinnahmen im VVS erhält die SSB nach den Regelungen von EZV und EAV einen Anteil von derzeit rund 46,5%. Diese Quote kann heute vor allem über einen Ausbau des Verkehrsangebotes beeinflusst werden. Ziel einer aktuell angestoßenen Weiterentwicklung der EZV-Regelungen ist, neben zusätzlichem Verkehrsangebot auch die zusätzlich generierte Fahrgastnachfrage, eine hohe Qualität der Leistungserbringung und den erfolgreichen Vertrieb von Fahrscheinen mit zusätzlichen Anteilen an den Fahrgeldeinnahmen zu belohnen, um entsprechende Anreize für die Verkehrsunternehmen zu schaffen. Prämisse einer solchen Weiterentwicklung ist, dass die Anreizelemente auf den heutigen Status quo-Einnahmen der Verkehrsunternehmen als Basis aufsetzen, da die bisherigen Einnahmenanteile stets Grundlage in der Vergangenheit getroffener Investitionsentscheidungen waren, die nicht nachträglich in Frage gestellt werden können. Eine Anpassung der EZV-Regelungen ist darüber hinaus im Hinblick auf die Vergabeverfahren des Landes für Regionalzugverkehre erforderlich, wobei die den Regionalzugverkehren zustehenden Einnahmenanteile vertraglich fixiert sind und Änderungen in der organisatorischen Zuordnung nicht zu einem höheren Einnahmenanspruch der Regionalzugverkehre führen.

Gleichwohl können aus den Fahrgeldeinnahmen VVS-weit und auch bei der SSB nur circa 60 bis 65 Prozent der Kosten für Betrieb und Instandhaltung gedeckt werden. Dementsprechend haben weitere Finanzierungselemente eine erhebliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung und die Weiterentwicklung des ÖPNV-Angebots.

Dazu zählen zunächst die sogenannten Fahrgeldsurrogate, also „Ersatzleistungen“ für reduzierte oder entgangene Erlöse aus dem Fahrscheinverkauf. Dabei handelt es sich zum Einen um die Ausgleichsleistungen für die rabattierte Beförderung von Fahrgästen im Ausbildungsverkehr gemäß § 45a PBefG, die die Verkehrsunternehmen für ermäßigte Tarife für Schüler und Auszubildende erhalten. Die Auszahlung des Landes Baden-Württemberg an die SSB beträgt für diese Position 18,2 Mio. EUR p.a., die seit 2005 pauschaliert sind und seither nicht mehr dynamisiert wurden. Eine vom Land angestrebte Neuregelung musste 2014 aus politischen Erwägungen verworfen werden und wird wohl in der nächsten Legislaturperiode erneut angegangen. Zum Anderen zählen zu den Surrogaten die Ausgleichsleistungen für die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten gemäß §§ 148ff. SGB IX, die von Land und Bund finanziert und über das Regierungspräsidium ausgezahlt werden. Der Anspruch der SSB liegt derzeit bei rund 9,5 Mio. EUR p.a., die über die Entwicklung der Fahrgeldeinnahmen grundsätzlich dynamisiert sind, absolut allerdings stagnieren, da bei den zum Nachweis erforderlichen Erhebungen eine rückläufige Zahl von Schwerbehinderten in den Verkehrsmitteln festzustellen ist.

Ein weiterer Bestandteil der ÖPNV-Finanzierung in der Region Stuttgart ist der Ausgleich von Lasten zwischen der LHS und den Verbundlandkreisen sowie die Mitfinanzierung von Betriebskosten, die der SSB durch den Betrieb von Stadtbahn- und Buslinien über die Gemarkung der LHS hinaus in angrenzende Kommunen entstehen. Hierzu wurden ursprünglich 1977 der sogenannte Verbundlastenausgleich und 1995 der sogenannte Verkehrslastenausgleich eingeführt, auf deren Grundlage die Verbundlandkreise Zahlungen an die LHS leisten, um die besonderen Lasten der LHS bzw. der SSB aus der Gründung des VVS (Verbundlastenausgleich) und dem Betrieb von Linien über die Gemarkung der LHS hinaus (Verkehrslastenausgleich) auszugleichen. Der Verkehrslastenausgleich kam zudem im Rahmen eines politischen Kompromisses zur Stadt-Umland-Problematik über den ÖPNV hinaus zustande. Nach langwierigen Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten über die Sachgerechtigkeit und die Höhe dieser Mittel in den 2000er Jahren gelang es im Jahr 2014, den Verbund- und den Verkehrslastenausgleich zwischen LHS und Verbundlandkreisen auf eine neue Basis zu stellen und dabei an die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Im Ergebnis wurden die früheren Vereinbarungen durch den neuen ÖPNV-Vertrag abgelöst, der zum 01.01.2015 in Kraft trat. Auf dieser Grundlage zahlen die Landkreise für den Verbundlastenausgleich im Jahr 2015 22,6 Mio. EUR, die mit 2% jährlich dynamisiert werden, und für den Verkehrslastenausgleich im Jahr 2015 7,8 Mio. EUR, die mit 1,6% dynamisiert werden; hinzu kommen im Jahr 2015 weitere 3,2 Mio. EUR, die aufgrund der Abgabe bislang durch die SSB bedienter Busverkehre in den Landkreisen bis zum Jahr 2018 sukzessive auf 0 reduziert werden. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich ebenfalls am Ausgleich von Lasten aus der Gründung des VVS, der über eine aktuell von 2011 bis 2018 laufende Vereinbarung zur Verbundförderung gewährt wird und sich für LHS bzw. SSB auf 9,8 Mio. EUR p.a. ohne Dynamisierung beläuft. Beim Ausgleich der verbundbedingten Lasten durch Land und Verbundlandkreise an die LHS ist zu berücksichtigen, dass bei der Gründung des VVS die vorherigen Einnahmen der DB durch entsprechende VVS-Fahrgeldeinnahmen abgesichert wurden, während LHS/SSB zur Absicherung öffentliche Mittel erhielten, die – anders als die Fahrgeldeinnahmen – nur teilweise dynamisiert wurden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist eine Fortführung der Verbundförderung durch das Land über 2018 hinaus mindestens auf dem heutigen Niveau erforderlich.

Darüber hinaus bestehen Vereinbarungen mit den Gemeinden Ostfildern und Remseck zum Ausgleich der Betriebskosten bei den Stadtbahnlinien U7/U8 und U14 sowie mit den Gemeinden Fellbach, Filderstadt, Gerlingen und Leinfelden-Echterdingen über die Mitfinanzierung von Busverkehren. Für Buslinien in Filderstadt und Gerlingen erhält die SSB in geringem Umfang außerdem Finanzierungsbeiträge des VRS.

Über die Deckung der Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung hinaus sind für die Weiterentwicklung des ÖPNV-Angebots Investitionszuschüsse erforderlich. Ein wesentliches Finanzierungsinstrument ist seit den 1970er Jahren das GVFG, das ein Bundesprogramm für Maßnahmen mit zuwendungsfähigen Kosten über 50 Mio. EUR und Länderprogramme für Maßnahmen unterhalb des genannten Werts vorsieht, für die der Bund den Ländern entsprechende Mittel bereitstellt. Die derzeitigen, im Rahmen der Föderalismusreform beschlossenen Regelungen laufen Ende 2019 aus und nach derzeitiger Beschlusslage steht ab 2020 kein Geld des Bundes mehr für GVFG-Maßnahmen zur Verfügung. Wurde der bisherige Ausbau des Stuttgarter Stadtbahnnetzes gemäß Bundes-GVFG regelmäßig zu 60% vom Bund, zu 20% vom Land und zu 20% von SSB bzw. LHS finanziert, gibt es über 2019 hinaus derzeit keine verbindliche Perspektive für die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen. Hinzu kommt, dass im ergänzenden Landes-GVFG zuletzt der Fördersatz von 75 auf 50% gesenkt und zugleich eine Vielzahl zusätzlicher Fördertatbestände aufgenommen wurde, so dass auch hier die für den ÖPNV verfügbaren Mittel knapp sind. Investitionen in neue Stadtbahnwagen werden seit 2005 nicht mehr gefördert, so dass die 2012 begonnene Beschaffung von 40 Stadtbahnwagen (Investitionsvolumen insgesamt rd. 80 Mio. EUR) von der SSB voll eigenfinanziert werden muss. Für die Beschaffung von Bussen (Investitionsvolumen ca. 1,5 Mio. EUR je Einheit) gibt es aktuell eine Förderung von 40.000 EUR je Buseinheit bei einer Begrenzung auf 4,5 Buseinheiten je Unternehmen, so dass die Fördermittel im Jahr 2015 bei der SSB weniger als 3% der gesamten Beschaffungskosten abdecken.

Nach Anrechnung aller genannten Finanzierungsbeiträge verbleibt bei der SSB zur Deckung des jährlichen Aufwands ein Defizit, das gemäß Ergebnisabführungsvertrag von der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (SVV) durch einen Defizitausgleich getragen wird. In den vergangenen Jahren – mit Ausnahme des durch Sondereffekte geprägten Jahres 2014 – war regelmäßig ein Ausgleich zwischen 18 und 20 Mio. EUR p.a. erforderlich. Im Jahr 1992, bevor mit einer Restrukturierung der SSB mit klarem Fokus auf Kostensenkung und Effizienzsteigerung begonnen und weitere Potenziale zur Ertragssteigerung (beispielsweise Fahrgeldeinnahmen) ausgeschöpft wurden, lag der Defizitausgleich noch bei umgerechnet 50 Mio. EUR. Der Kostendeckungsgrad vor Defizitausgleich konnte in diesem Zeitraum damit rein rechnerisch von gut 70% auf zuletzt fast 95% gesteigert werden. Sowohl hinsichtlich der absoluten Höhe des Defizitausgleichs als auch hinsichtlich des Kostendeckungsgrads nimmt die SSB damit eine führende Stellung unter den vergleichbaren kommunalen Verkehrsunternehmen in Deutschland ein.

Über die Finanzierung des in der Aufgabenträgerschaft der LHS liegenden Verkehrs der SSB hinaus ist die LHS auch an der Finanzierung weiterer Verkehre im VVS beteiligt. Größte Position ist die Beteiligung der LHS an der Verkehrsumlage des VRS. Insgesamt beläuft sich die Verkehrsumlage der LHS an den VRS im Jahr 2015 auf 14,8 Mio. EUR. Im Jahr 2015 beteiligt sich die LHS über diesen Weg mit rund 7,5 Mio. EUR an der Finanzierung von Busverkehren in der Verbundstufe II. Neben Aufwendungen beim VRS für die Administration der Verkehre handelt es sich dabei vor allem um den Ausgleich der sogenannten Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste, die aus der Anwendung des Verbundtarifs auch bei den regionalen Busverkehren entstehen und von der öffentlichen Hand auszugleichen sind. Weitere 4,6 Mio. EUR fließen in die Finanzierung von Aufgaben, die der VRS aus seiner Rolle als Aufgabenträger für die S-Bahn bestreiten muss. Darin sind auch 1 Mio. EUR für Verkehrsleistungen der S-Bahn, die kommunal mitfinanziert werden müssen sowie rund 3 Mio. EUR Vermögensumlage für die S-Bahn enthalten. Darüber hinaus zahlt die LHS an den VRS weitere 2,6 Mio. EUR für Zins- und Tilgungsanteile.

Als Gesellschafter des VVS zahlt die LHS darüber hinaus im Jahr 2015 rund 550.000 EUR dynamisiert mit 1,8% auf Basis einer Zuschussvereinbarung an den VVS. Um die Aufgaben des VVS zu finanzieren, leisten alle Gesellschafter – sowohl der öffentlichen Hand als auch der Verkehrsunternehmen – einen Finanzierungsbeitrag für die Verbundgesellschaft.

Zusammenfassend zeigt das folgende Schaubild die Finanzierungsstruktur des ÖPNV:























4) Langfristige Finanzplanung der SSB

Von Anfang der 1980er bis in die 2000er Jahre erfolgte in Stuttgart die Umstellung vom früheren Straßenbahn- auf das heutige Stadtbahnsystem. In diesem Zuge wurden alle heutigen Stadtbahnstrecken grundhaft erneuert bzw. neu gebaut und auch die Stadtbahnwagen neu beschafft. 30 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Stadtbahnlinie erreichen die Betriebsmittel nun ihre technische und wirtschaftliche Lebensdauer. In den kommenden 15 Jahren sind daher erhebliche Ersatzinvestitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge erforderlich.

Angesichts dieser bevorstehenden Aufgaben hat die SSB eine langfristige Finanzprognose bis zum Jahr 2030 erstellt. Zentrales Ziel ist es, den Finanzierungsbedarf der SSB und eine mögliche Tilgungsfähigkeit der entstehenden Verbindlichkeiten von 2015 bis 2030 darzustellen. Zu diesem Zweck bildet die Langfristplanung auf Basis laufender, heute bekannter bzw. erwarteter Maßnahmen und Entwicklungen die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Kapitalflussrechnung auf Jahresebene ab. Aufgrund des weiten Planungshorizonts musste hierzu mit Annahmen und Schätzungen gearbeitet werden, die sich bei weiterer Konkretisierung verändern können. Die Langfristprognose ersetzt insofern nicht die jährliche Wirtschaftsplanung, sondern versucht einen allgemeinen Überblick über den erwarteten langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungskorridor der SSB zu geben. Ausgangsbasis der Langfristprognose ist das im aktuellen Wirtschaftsplan festgelegte Leistungsangebot sowie alle bereits begonnenen oder beschlossenen Maßnahmen bzw. Projekte. Grundsätzlich unterstellt die Langfristübersicht keine weitere Ausweitung des Leistungsangebots und des Verkehrsnetzes, sondern enthält nur diejenigen Maßnahmen, die für Aufbau, Erhaltung und Durchführung des aktuellen und bereits beschlossenen Leistungsangebotes und Verkehrsnetzes bis 2030 voraussichtlich notwendig sind.

Die Betrachtung wurde für unterschiedliche Zuschussszenarien vorgenommen. Die nachfolgenden Ausführungen geben nur die Ergebnisse eines möglichen „worst-case-Szenarios“ wieder, in dem unterstellt wurde, dass aufgrund des Wegfalls der bisherigen Regelungen keine GVFG-Zuschüsse mehr nach 2019 für künftige Baumaßnahmen an der Infrastruktur gewährt werden. Eine spezifische Finanzierungskonzeption wurde in diesem Szenario noch nicht hinterlegt, um den gesamten Finanzmittelbedarf als Grundlage für künftige Finanzierungsplanungen abbilden zu können. Der Zinsaufwand für bestehende Darlehensverträge wurde mit den zwischen der SSB und den jeweiligen Kreditgebern vereinbarten Konditionen hinterlegt. Für im Planungszeitraum noch nicht finanzierte Anteile von Investitionen und laufendem Betrieb wurde ein durchschnittlicher Kreditzinssatz in Höhe von 5,0% p.a. bis 2030 hinterlegt. Bei der Erfolgsplanung ist unterstellt, dass der Ergebnisabführungsvertrag zwischen SVV und SSB unverändert voll wirksam bleibt und daher sämtliche entstehende Verluste durch den Gesellschafter ausgeglichen werden.

Die Investitionen werden maßgeblich von Ausbau- und Folgepflichtmaßnahmen und Reinvestitionen im Bereich von Infrastruktur und Gebäuden sowie nicht bezuschussten Investitionen in Stadtbahnfahrzeuge und nahezu nicht bezuschussten Investitionen in Linienbusse bestimmt. Insbesondere die aufgrund der laufenden Ausbaumaßnahmen am Liniennetz notwendige Beschaffung von 20 zusätzlichen Stadtbahnen 2016 sowie die Ersatzbeschaffungen für Fahrzeuge der ersten Generation 2020/25 und für bereits einmal generalüberholte Stadtbahnen 2028/30 führen zu einem hohen Finanzmittelbedarf. Hinzu kommen steigende laufende Aufwendungen für die Instandhaltung von Infrastruktur, betriebsnotwendigen Gebäuden und Fahrzeugen. Weitere Aufwendungen bilden ein strukturell bedingt steigender Personalaufwand, ebenso wie deutlich steigende Abschreibungen infolge der Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge. Die erforderliche Aufnahme von Fremdmitteln führt zudem künftig zu einem überproportional wachsenden Zinsaufwand der SSB. Da die steigenden Gesamterträge die höheren Aufwandssteigerungen strukturell bedingt nicht abfedern können, würde das Jahresdefizit der SSB in dieser Prognose von 14 Mio. EUR in 2015 auf bis zu 78 Mio. EUR in 2030 steigen.

Das bilanzielle Anlagevermögen wird wegen der hohen Investitionen bis 2030 von 85% auf 89% der Bilanzsumme ansteigen. Die aktuelle Eigenkapitalquote in Höhe von 28% wird bis 2030 voraussichtlich halbiert, während die Verbindlichkeiten von 43% auf 73% der Passiva ansteigen werden. Dies ist eine Folge der zunehmend erforderlichen Fremdfinanzierung, die sich aus der steigenden Kapitalbindung ergibt. Diese führt auch dazu, dass der Finanzmittelbedarf der SSB von 28 Mio. EUR in 2015 auf 631 Mio. EUR in 2030 deutlich ansteigt. Im Durchschnitt der kommenden 15 Jahre würde die SSB 39 Mio. EUR p.a. an zusätzlicher Liquidität benötigen. Der Cashflow bzw. die Liquidität aus laufender Geschäftstätigkeit ist häufig negativ, d.h. die SSB kann mögliche Darlehen nicht aus dem operativen Ergebnis tilgen. Zudem übertreffen die Nettoinvestitionen die Abschreibungen, so dass sich die Finanzunterdeckung über die Jahre kontinuierlich weiter aufbaut.

Neben dem Liquiditätsbedarf der SSB von bis zu 631 Mio. EUR bis zum Jahr 2030 ergibt sich darüber hinaus ein zusätzlicher Finanzmittelbedarf für die Muttergesellschaft SVV. Da die SVV als Gesellschafterin das Jahresdefizit der SSB nach dem Ergebnisabführungsvertrag ausgleichen muss, würden über den Zeitraum 2015 bis 2030 weitere Mittel in Höhe von 765 Mio. EUR benötigt (Durchschnitt 48 Mio. EUR p.a.). Zudem müsste die LHS mögliche entstehende Defizite der SVV ihrerseits ausgleichen. Daher könnte sich der gesamte Finanzmittelbedarf der LHS für die SSB inklusive des SVV-Defizitausgleichs im Zeitraum von 2015 bis 2030 auf insgesamt 1.396 Mio. EUR belaufen.

Finanzmittelbedarf SSB 2015 bis 2030:

Direkter Liquiditätsbedarf SSB 631 Mio. € (≈ 39 Mio. € p.a.)
Finanzmittelbedarf für Verlustausgleich SSB (über SVV) 765 Mio. € (≈ 48 Mio. € p.a.)
Gesamtbedarf SSB1.396 Mio. € (≈ 87 Mio. € p.a.)

Um auch in Zukunft die Finanzierung der SSB sicherzustellen, muss in erster Linie auf Ebene der SSB an tragfähigen Lösungen gearbeitet werden. Daneben müssen auf Ebene der LHS finanzielle Rahmenvorgaben gegenüber der SSB kommuniziert werden und auf politischer Ebene darauf hingewirkt werden, dass auf Landes- und Bundesebene wieder entsprechende Zuschüsse (wie nach dem bisherigen GVFG) gewährt werden.


5) Beabsichtigte Direktvergabe der LHS an die SSB

Ab 1. Januar 2019 sind für die Vergabe der Verkehrsleistungen auf dem Gebiet der LHS die Bestimmungen der EU-VO maßgeblich. Die bisher praktizierten Regelungen zur Vergabe und die Mechanismen zur Finanzierung sind auf den Prüfstand zu stellen. Gleichwohl sieht die EU-VO die Möglichkeit vor, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag und ausschließliche Rechte zur Erbringung von Verkehrsleistungen im Rahmen einer Direktvergabe zu vergeben.

Nach den Regelungen der EU-VO und unter Berücksichtigung des PBefG sind bei einer Direktvergabe insbesondere folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

Um eine rechtssichere Direktvergabe zu erreichen, sind neben den rechtlichen Gegebenheiten auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei der SSB umfassend zu prüfen, um eine weitere wirtschaftliche Optimierung des Unternehmens zu erreichen.

Wegen der gesetzlichen Fristen ist ein langer zeitlicher Vorlauf einzuplanen. Im Oktober 2016 ist die Vorabbekanntmachung der Direktvergabeabsicht im EU-Amtsblatt vorgesehen.

Mit der GRDrs 19/2015 wurde bereits über die geplante Direktvergabe der Verkehre an die SSB und die Projektstruktur berichtet. Das Projekt wird gemeinsam von LHS und SSB bearbeitet. Ein neu eingerichteter Unterausschuss des Verwaltungsausschuss begleitet die einzelnen Schritte der geplanten Direktvergabe.

Stand heute wird die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen bis Ende Juli 2015 abgeschlossen sein. Daran anschließend sind Maßnahmen zur Umsetzung der notwendigen Änderungen und Anpassungen abzustimmen und vorzubereiten. Parallel müssen die Themen zur Ausgleichsregelung und Anreizsystematik bearbeitet werden. Über den weiteren Fortgang wird im Unterausschuss Direktvergabe in regelmäßigen Abständen berichtet.







Michael Föll
Erster Bürgermeister





























Beteiligte Stellen













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