Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 25.10.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Schmidt fr
Betreff: "Die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Stuttgart deutlich reduzieren. Gleichzeitig die durch Flüchtlinge überlastete soziale Infrastruktur in unserer Stadt für alle verbessern."
- Antrag Nr. 254/2023 (CDU) vom 31.08.2023

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StR Kotz (CDU) erklärt, seine Fraktion habe für sich am 14.07.2023 festgestellt, dass die Grenze der Integrationsfähigkeit in Stuttgart erreicht sei. Dafür habe man viel Kritik geerntet, mittlerweile gebe es jedoch zahlreiche Äußerungen politischer Stimmen, wie Joachim Gauck, Robert Habeck und Olaf Scholz, die in dieselbe Richtung wiesen. Somit sei das, wofür die CDU-Gemeinderatsfraktion noch viel Ärger aus dem Gemeinderat erhalten habe, nun zumindest in den Worten der Bundes- und Landespolitik angekommen. Der Antrag ziele auf zwei Bereiche ab. Einerseits solle Druck auf Bundes- und Europapolitik ausgeübt werden, denn diese entstehe nicht im luftleeren Raum, sondern entstamme der "Graswurzel der Kommunen." Es sei erkennbar, dass sich Dinge in der Wahrnehmung verändert hätten; bei konkreter Politik sei dies jedoch noch überschaubar, weswegen er weiterhin der Meinung sei, der Stuttgarter Gemeinderat müsse mit einer klaren Stimme für mehr Druck sorgen. Dies könne der Oberbürgermeister über Gremien wie den Deutschen Städtetag übermitteln. Andererseits schlage seine Fraktion konkrete kommunale Maßnahmen vor, wie die Situation in Stuttgart für Geflüchtete verbessert und die soziale Infrastruktur gestärkt werden könne. Dem Aufruf an die anderen Fraktionen, eigene Ideen einzubringen, sei beispielsweise die Links-Fraktion mit ihrem Antrag Nr. 274/2023 und der Forderung der Beschlagnahme gefolgt, woraus er folgere, dass auch diese Fraktion die Grenzen der Aufnahmefähigkeit als erreicht sehe. Er bitte um Abstimmung, damit die entsprechenden Signale gesendet werden könnten.

Zu Beginn seiner Ausführungen teilt OB Dr. Nopper zunächst mit, es sei gelungen, die Belegung von Sporthallen vorerst abzuwenden. Das Alte Reitstadion solle mit Containern mit über 500 Plätzen belegt werden; außerdem werde ein Hotel an der Rosensteinstraße (Nord) mit weiteren 250 Plätzen angemietet. Zum Antrag führt er aus, er habe sich bereits durch maßgebliche Mitwirkung am 12-Punkte-Plan der Kommunalen Landesverbände Baden-Württemberg dafür verwendet, eine realitätsbezogene Flüchtlingspolitik zu verfolgen. Dieser Plan stamme bereits vom 07.03.2023. Die maßgeblichen Kommunalpolitiker hätten diesen Plan vor dem Hintergrund vorgeschlagen, dass im Jahr 2022 über 1 Mio. Flüchtlinge aus der Ukraine und über 244.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen seien. Allein Baden-Württemberg habe im vergangenen Jahr mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen als ganz Frankreich. Er nennt beispielhaft einige Forderungen des 12-Punkte-Plans, wie die europaweit gleichmäßige Verteilung von Geflüchteten, die Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen innerhalb der Europäischen Union im Sinne einer Gleichwertigkeit der gewährten Leistungen, die Einrichtung von nationalen Ankunftszentren zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Registrierung und die Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive direkt aus diesen Ankunftszentren. Jeder, der in den vergangenen Jahrzehnten mit Migrationspolitik zu tun habe, wisse, dass nicht die Rückführung das Entscheidende sei, sondern im Zugang die Entscheidung falle. Des Weiteren fordere der 12-Punkte-Plan die Ausweitung der bilateralen Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern insbesondere in Verbindung mit Entwicklungshilfemitteln, verbindliche Integrationsmaßnahmen für Erwerbsfähige, aber noch nicht Erwerbstätige, die vollständige Kostenerstattung für kommunale Aufwendungen sowohl für die Unterbringung und Aufnahme als auch für Kitas, Schulen und allgemeine Integrationsleistungen. Darüber hinaus brauche es eine gemeinsame Kraftanstrengung für einen beschleunigten Ausbau von Wohnungen, Kita-Plätzen und Schulräumen sowie eine flächendeckende Gewährleistung erfolgversprechender Integrationsmaßnahmen. Nicht zuletzt müsse im Vollzug des Ausländerrechtes ein Standardabbau und Entbürokratisierung erfolgen, um der Personalnot Herr zu werden.

Ergänzend zu den Ausführungen von OB Dr. Nopper merkt BMin Dr. Sußmann an, die Vorbereitung der Turnhallen werde trotzdem fortgeführt, um im Notfall schnell handeln zu können. Derzeit ausdrücklich nicht beeinträchtigt werde die normale Nutzung; die Vorbereitungsmaßnahmen liefen im Hintergrund ab. Der Wunsch, aus der Seebrücke auszutreten, müsse mit Mehrheit beschlossen werden, die sie derzeit nicht erkennen könne. Gleichzeitig bedeute dies keine zusätzliche Belastung für die Stadt, denn die Stadt habe stets erklärt, man nehme im Rahmen des regulären Aufnahmesystems auf. Es handle sich um ein humanitäres Bekenntnis der Stadt Stuttgart. Im Anschluss richtet die Bürgermeisterin den Blick auf die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, wofür nicht die Stadt, sondern das Regierungspräsidium zuständig sei. Der Bund erkenne, dass diese Abläufe schneller werden müssten, um die Menschen nicht zu lange in Untätigkeit zu belassen. Das Engagement, das 2015 noch über viele Freundeskreise gut funktioniert habe, lasse leider nach und habe nach der Corona-Pandemie nicht mehr in gleichem Maße aktiviert werden können. Für die Engagementförderung sei ein Budget hilfreich. Damit könne aktiviert und vernetzt werden, um Leute zu finden, die sich engagierten. Schwierig seien jedoch die zahlreichen Notunterkünfte. Ziel sei der Aufbau einer langfristigen Engagementförderung an einem Standort, wo die Geflüchteten auch bleiben würden. Im kommenden Jahr seien einige der mittel- und langfristigen Unterkünfte verfügbar, die teilweise von der SWSG in Modulbauweise gebaut würden. Für 2024 kündigt sie einen Vorschlag zur Konzeption einer langfristigen Engagementförderung an, denn diese werde eine Daueraufgabe bleiben. Der Druck auf die Stadt sei nach wie vor sehr hoch, weil viele Stadt- und Landkreise im Umfeld ähnliche Probleme aufwiesen. Sie verweist auf ein Schreiben an das Justizministerium, da die Stadt Stuttgart laut Zahlen immer noch mit einem Minus verbucht werde, was aber nicht nachvollziehbar sei. Dies setze die Stadt der Forderung aus, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Mit Hochdruck werde an der Klarstellung der Aufnahmezahlen gearbeitet, die bereinigt werden müssten. Sie hoffe, dass sich dadurch der Druck verringere. In den Prognosen werde derzeit für Stuttgart mit rund 400 Aufnahmen und 300 Abgängen pro Monat gerechnet. Das System sei nach wie vor auf Kante genäht; alle Versprechungen, die gemacht würden, könnten bei einer steigenden Zufluss- und fallenden Abflussquote wieder Druck ins System bringen. Es müssten Kapazitäten mit Puffer aufgebaut werden, um nicht regelmäßig in Notsituationen mit Hallenbelegungen zu gelangen.

Zu Antragsziffer 7 nimmt BM Fuhrmann Stellung, der vorausschickt, die kinderärztliche Versorgung in Stuttgart habe bereits vor dem Ukraine-Krieg beschäftigt. Die ambulante Behandlung sei ein stark reguliertes Verfahren; die vertragsärztliche Behandlung richte sich nach dem SGB V. Leistungen könnten nur dann abgerechnet werden, wenn es sich um einen zugelassenen Arzt, ein zugelassenes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder Ermächtigungen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bzw. Ermächtigungen unterliegenden Einrichtungen handle. Diese Voraussetzungen seien nur dann gegeben, wenn die KV zu dem Ergebnis komme, dass in Stuttgart eine Unterversorgung vorliege. Zu dieser Einschätzung sei die KV jedoch nicht gekommen. Nichtsdestotrotz gebe es am Klinikum Stuttgart 40 "für teuer Geld erworbene" KV-Sitze in diesem Bereich; die KV tue sich schwer, die Sitze zu vergeben, die etwas mehr Erträge brächten. Aktuell hätten 120 Ärzte am Klinikum in diesem Bereich eine Ermächtigung, nicht jedoch eine Zulassung, die nur über die MVZ möglich sei. Im Klinikum Stuttgart würden jährlich 600.000 Menschen behandelt, davon 100.000 Notfälle und davon wiederum 40.000 Kinder. Er betont, das Klinikum sei die größte Kinderklinik Deutschlands mit den höchsten Behandlungszahlen. Am "Olgäle" gebe es auch die KV-Notfallpraxis, die wiederum sehr eng mit der Notfallaufnahme vernetzt sei. Das Klinikum habe sogar einen Antrag auf Institutsermächtigung im Bereich der Pädiatrie gestellt, der bislang nicht genehmigt worden sei. Man werde sich auch dafür einsetzen, die KV-Notfallpraxis auszuweiten. Der Bürgermeister resümiert, das Klinikum tue mehr als es eigentlich tun müsse. Im Verwaltungsrat sei stets betont worden, dass die kindermedizinische Versorgung in Stuttgart extrem wichtig sei. Es scheitere zum Teil auch an den Gesprächen mit der KV; es liege in deren Verantwortung, die ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen. Das Klinikum Stuttgart tue alles, was möglich sei, auch über das gesetzlich Notwendige hinaus.

Ergänzend verweist BMin Dr. Sußmann auf den gemeinsam mit der Ärzteschaft und der KV eingerichteten Runden Tisch zur kinder- und jugendärztlichen Versorgung in Stuttgart. Für den Haushalt würden Vorschläge gemacht, wie neben der Aktivität des Klinikums die ärztliche Behandlung in der Stadt gestärkt werden könne. Die KV habe signalisiert, die Problemlage der Stadt Stuttgart zu erkennen, aber die überholte Bedarfsplanung müsse angegangen werden. Mit einer neuen Bedarfsplanung werde sich der Bedarf herauskristallisieren, den die Stadt habe.

Zu den Antragsziffern 5 und 9 nimmt BMin Fezer Stellung. Bezüglich Ziffer 5 führt sie aus, alle Kinder, die sich einen gewissen Zeitraum im Land aufhielten, hätten Schulpflicht. Das Kultusministerium habe klar gesagt, Schulpflicht sei in Präsenz zu erfüllen. Spätestens seit der Corona-Pandemie sei bekannt, was Präsenzunterricht bedeute. Bis heute sei zu sehen, was die Corona-Zeit und das Ausweichen auf digitalen Unterricht mit Kindern mache. Kinder dürften emotional und sozial nicht völlig vernachlässigt werden und müssten die Möglichkeit erhalten, sich miteinander in einer Schule, die auch einen Lebensraum darstelle, aufzuhalten. Sie wolle nicht unterscheiden zwischen Kindern, die noch auf die Anerkennung warteten oder diese möglicherweise nie erhielten. Sie äußert großes Verständnis dafür, die Überforderung der Schulen zu sehen, aber eine Entlastung des Bildungssystems könne nicht auf dem Rücken von zum Teil traumatisierten und heimatlosen Kindern herbeigeführt werden. In der Corona-Zeit habe man die Erfahrung gemacht, dass rein digitale Angebote zu wenig und dem Kindeswohl abträglich seien. Man füge Kindern Schaden zu, wenn man sie einem Bildungsangebot in Präsenz entziehe. Sie sage dies nicht nur als Schulbürgermeisterin, sondern auch als Jugendhilfe-Bürgermeisterin. Der bessere Weg sei, insgesamt weniger Geflüchtete in der Stadt zu haben, diese Frage müsse jedoch auf Bundes- und Landesebene beantwortet werden. Die Kommunen müssten es umsetzen und Lösungen finden, seien aber in Teilen wirklich überfordert. Dennoch handle es sich um eine rechtliche Verpflichtung; im Rahmen des Verfassungsgefüges habe die Stadt die Aufgabe, sich dergestalt um Geflüchtete zu kümmern, dass Grundmaßstäbe von Menschenrechten eingehalten würden, wozu auch das Kindeswohl gehöre. Zu Antragsziffer 9 führt sie aus, die Spielstuben würden bereits ausgeweitet, weil diese schnell eingerichtet werden könnten. Auf der anderen Seite gibt sie zu bedenken, man dürfe sich aufgrund der personellen Engpässe nicht selbst ein Bein stellen und Personen abziehen, die potentiell als Erzieherinnen und Erzieher für den Kita-Bereich in Betracht kämen. Spielstuben seien ein gewisser Ausweg, solange es nicht genug Kita-Plätze gebe. Sie verweist auf die Anstrengungen, die Betreuungszeiten in den Kitas besser zu verteilen, wovon auch gleichermaßen die Kinder von Geflüchteten umfasst seien, denn auch diese Kinder verdienten einen ordentlichen Kita-Platz.

StRin Rühle (90/GRÜNE) erklärt, ihre Fraktion stehe weiterhin zur gesetzlichen, humanitären Verantwortung, zum einen Geflüchtete gut und richtig unterzubringen und zum anderen diese Menschen zu integrieren. Dazu würden entsprechende Anträge zum Haushaltsplan gestellt. Der vorliegende Antrag habe dies nahezu umschifft und ziele nur in Richtung Bund, Land und die Aussage, Geflüchtete seien schuld am Mangel an Kita-Plätzen, Fachkräftemangel etc. Sie verweist auf die Beantragung von Geldern für Integrationsmaßnahmen, Sprachförderung, Engagementförderung, Fachkräftegewinnung und Stellen, die schon länger benötigt würden. Man müsse noch stärker werden, was Ausbildung und Auslandsanwerbung angehe. Liegenschaftsamt, Sozialamt und Jugendamt müssten als betroffene Ämter gestärkt werden. Auch die Integration in Arbeit - Beispiel Ausbildungscampus - sei eine originär kommunale Aufgabe, die direkt angegangen werden könne. Darüber hinaus müsse sich um generelle Digitalisierung in den Ämtern, Schulsanierungen und Fachkräftegewinnung für die Verwaltung gekümmert werden. Zur Lösung dieser Aufgaben helfe der Antrag leider nicht weiter. Ihre Fraktion stehe weiterhin zur Potsdamer Erklärung und dazu, Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken zu lassen; dies dürfe auch weiterhin für die Mehrheit des Gemeinderates gelten.

Auf den Zustand der sozialen Infrastruktur geht StRin Meergans (SPD) ein und hält fest, diese sei zuvor schon vernachlässigt gewesen. Es müsse ein strukturiertes Format gefunden werden, wo diese in der Stadt gestärkt werden könne. Zur Frage des digitalen Unterrichts für geflüchtete Kinder schließt sie sich den Äußerungen von BMin Fezer an. Kinder hätten ein Recht auf Bildung, was nicht von der Herkunft oder ihrem Status abhängig sei; diese Aufgabe müsse Stuttgart erfüllen, wenn die Stadt eine kinderfreundliche Kommune sein wolle. Im Übrigen seien die Einsparungen der personellen Ressourcen durch digitalen Unterricht ohnehin nur gering. Zur generellen Situation führt die Stadträtin aus, der Oberbürgermeister habe in seinem Eingangsstatement keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Gemeinderat nicht brauche, um sich zu äußern. Insofern müsse kein zusätzlicher Auftrag erteilt werden; ein Beschluss des Gemeinderates habe keine weiterführende Wirkung. Die Antragsteller müssten sich entscheiden, ob sie Menschen im Asylverfahren kasernieren oder Bleibeperspektiven eröffnen wollten; der Antrag widerspreche sich selbst. Zur Wahrheit gehöre auch, dass derzeit die Schutzquote in Deutschland so hoch sei wie noch nie, wenn die formellen Verfahrenserledigungen ausgeklammert würden und von Abgelehnten auch nur 9 % vollziehbar ausreisepflichtig seien. Man müsse sich der Situation stellen; Flucht sei Realität und werde sie auch bleiben. Sie fordert OB Dr. Nopper auf, dieser möge einerseits zu mehr Engagement zur Bewältigung dieser enormen Integrationsaufgabe aufrufen und andererseits auch in anderer Art und Weise mithelfen, die Situation gut zu organisieren. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, Menschen, die über Räumlichkeiten verfügten, zur Lösung der Aufgabe aufzurufen, um einen Plan B zu haben, der nicht Sporthallenbelegung bedeute. Abschließend merkt sie an, sie hoffe auf einen guten Umgang mit dem vorliegenden Antrag.

Einen ausdrücklichen Dank richtet StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) an die beiden Bürgermeisterinnen für ihr besonnenes und überlegtes Vorgehen. Wenn beantragt werde, geflüchtete Kinder separat zu beschulen, nenne sich dies rassistische Segregationspolitik und sei das Gegenteil einer Integrationspolitik, die auf Bildung und Teilhabe setze. Die Antragsteller meinten damit natürlich nicht die ukrainischen Geflüchteten, da sich bei ihnen die Anerkennungsfrage aufgrund der Massenzustrom-Richtlinie gar nicht stelle. Der Druck, der derzeit auf den Kommunen laste, sei auch entstanden, weil viele Menschen aus der Ukraine flüchten müssten. Man könne sich nicht mit der Ukraine solidarisch erklären und dann sagen: "Wir wollen euch nicht". Es müsse darüber diskutiert werden, wer mit dem Antrag gemeint sei. OB Dr. Nopper habe gesagt, das Wichtigste sei nicht das Abschieben, sondern zu verhindern, dass Menschen kämen. Auf die Frage, wie es aussehe zu verhindern, dass Menschen kämen, erklärt der Stadtrat, dies bedeute Gewalt anzuwenden. So erhalte Tunesien 900 Mio. Euro, um Menschen an der Grenze aufzuhalten und in die Wüste zurückzuführen, oder die Flüchtlinge ertränken im Meer. Mit solchen Anträgen werde von sozialen Missständen abgelenkt, die schon weit vor der Flüchtlingskrise bestanden hätten. Menschen, die wenig verdienten, würden gegen Geflüchtete ausgespielt, was er für verwerflich halte. Abschließend verweist er auf den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zum Rückführungsverbesserungsgesetz. Er habe erwartet, dass die GR-Fraktionen von 90/GRÜNE und SPD dazu Stellung nähmen, denn diese Parteien verträten auf Bundes- und Landesebene die Politik der Stuttgarter CDU. Solange kein Widerspruch erfolge, trage man Verantwortung für die Entwicklung.

Viele Punkte des Antrages seien allein aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar, hält StRin Hübsch (PULS) fest. Sie verweist auf die UN-Kinderrechtskonvention, die ein Recht auf Bildung, Schule und Berufsausbildung für alle Kinder festschreibe. Außerdem habe sich der Oberbürgermeister bereits auf Landes- und Bundesebene zu verschiedenen Themen eingesetzt. Darüber hinaus enthalte der Antrag Forderungen, die auch von der Verwaltung als nicht sinnvoll erachtet würden. Gleichzeitig lehne die CDU-Gemeinderatsfraktion Maßnahmen wie Modulbauten ab, die tatsächlich weiterhelfen könnten. Wenn der Antrag darauf abziele, die Situation öffentlich zu machen, könne sie da gerne "miteinstimmen". Selbstverständlich bewerteten alle Beteiligten die Situation als herausfordernd, insofern sei der Antrag ein reiner "Show-Antrag" mit zehn schwierigen Punkten, dem sie nicht zustimmen könne.

Eine sachliche Debatte benötige stets das Zuhören ohne Unterstellungen, was der andere wohl gemeint haben mag, so StR Dr. Oechsner (FDP). Insofern schieße StR Pantisano mit seiner Einschätzung über das Ziel hinaus, was die Diskussion nicht versachliche. Er verweist auf das deutsche Asylrecht und Flüchtlinge mit und ohne Bleibeperspektive; es dürfe darüber diskutiert werden, wie mit der Situation umzugehen sei. Der Antrag werde leider zwei Monate zu spät behandelt. Aus seiner Sicht seien die Antragsziffern 1 - 3 bereits erledigt; zu Ziffer 5 merkt er an, Integration beginne mit Sprache und Beschulung, aber Beschulung könne nur funktionieren, wenn man mit anderen Menschen gleicher Altersgruppe zusammen sei. Das Glas sei halb leer, was den Nachwuchs in Deutschland angehe und halb voll bei den Chancen, die sich durch zugewanderte Kinder ergäben. Digitale Beschulung sei der falsche Weg, denn soziale Kontakte seien äußerst wichtig. Die Förderung von Ehrenamt (Ziffer 6) sei zwar eine schöne Idee, aber es sei fraglich, inwieweit noch zusätzlich Menschen gefunden werden könnten, die sich engagieren wollten. Ähnliches gelte für die Stuttgarter Ärzteschaft (Ziffer 7), die ohnehin schon viel arbeite. Besser geeignet sei Ziffer 8, allerdings müssten Land und Bund die Abschlüsse schneller anerkennen. Ziffer 9 richte sich ans Land, in dem die CDU selbst mitregiere, und bei Ziffer 10 seien die städtischen Ämter bekannt. Bezüglich Ziffer 4 bekennt sich der Stadtrat voll und ganz zur Frage, weniger Leute auf das Mittelmeer zu lassen. Wenn aber jemand nun fälschlicherweise diesen Weg genommen habe und zu ertrinken drohe, erfolge selbstverständlich weiterhin eine Aufnahme - auch über eine Quote hinaus. Dies gebiete die normale, mitteleuropäisch-christliche Einstellung.

StRin von Stein (FW) nimmt deutlich wahr, dass die Themen nur durch ausreichend Personal bewältigt werden könnten. Damit ständen und fielen die Themen Kita, Schule und Integration. Angesichts des demografischen Wandels stelle dies eine große Herausforderung dar. Das Ehrenamt sei "leicht verschnupft", da es in der Ukraine-Krise nicht richtig "mitgenommen" worden sei. Viele Ehrenamtliche könnten und wollten nicht mehr. Zur Frage der sozialen Infrastruktur weist sie darauf hin, das Thema Kitas sei bereits "uralt". Die Stadt arbeite seit langer Zeit an der Verbesserung, aber es gebe nun mehr Kinder und neue Rechtsansprüche, die die soziale Infrastruktur herausforderten. In 2010 sei festgestellt worden, dass es weniger Kinder gebe und somit weniger Lehrer und Schulen benötigt würden. Dies habe sich gravierend geändert, weshalb die aktuelle Situation durch die großen Krisen in Syrien und der Ukraine sehr herausfordernd sei. Es müssten Wege gefunden werden, damit die Kinder schnell Deutsch lernten, um die schulischen Anforderungen gut zu bewältigen. Die größte Herausforderung bleibe die Suche nach Personal.

Niemand könne ehrlicherweise ausschließen, dass sich der Zuwachs der illegalen Migration fortsetze und verstärke, so StR Ebel (AfD). Bei einer reinen Verdoppelung der Zahlen seien alle heute vorgebrachten Vorschläge obsolet, und es gehe nur noch um eine einzige Handlung, nämlich die Grenzen legalerweise zu kontrollieren.

Eine der Hauptaufgaben von Politik sei es, gesellschaftliche Entwicklungen zu begleiten und zu gestalten, erklärt StRin Yüksel (Einzelstadträtin). Insofern dürfe es keine Tabuthemen bei Problemen geben. Allerdings habe sie ein großes Problem mit Anträgen, die den Eindruck erweckten, auf kommunaler Ebene könne an der weltweiten Lage und somit an der Zahl der Geflüchteten etwas geändert werden. Dasselbe gelte für Anträge, die den Anschein erweckten, alle Probleme der Stadt seien auf Geflüchtete zurückzuführen. Das Thema der Ausländerbehörde bestehe bereits seit Jahrzehnten und vor den großen Flüchtlingswellen. Kritisch sieht die Stadträtin auch ein Abstimmungsverhalten, das sich kommunalen gesetzlichen Pflichtaufgaben wie der Flüchtlingsunterbringung entziehe. Nahezu alle Antragsziffern beträfen Themen, die nicht in die kommunale Zuständigkeit fielen. Sie dankt BMin Fezer für ihre klaren Worte, denn Kinderrechte gälten für alle Kinder. Mit solchen Anträgen definiere die CDU ihre Marschrichtung und betreibe damit regelmäßig Wahlkampf auf Kosten der Menschen mit Migrationshintergrund, was sie für sehr bedauerlich halte.

Den Ausführungen von BMin Fezer kann StR Kotz zwar folgen, erklärt aber, auch jetzt gehe es auf den Rücken der Kinder in den Klassen. Wenn es ohne Einschränkungen funktioniere, würde er den skizzierten Weg gehen wollen, aber ein Blick in Grundschul- oder Berufsschulklassen genüge, um zu erkennen, dass das Bildungssystem nicht mehr funktioniere. Diese Probleme müssten junge Menschen ein Leben lang in ihrer beruflichen Tätigkeit mittragen, weil die Belastungsgrenze überschritten sei. Bezüglich der mangelhaften sozialen Infrastruktur verweist er auf die seit 2009 bestehende öko-soziale Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat, die nichts "gerichtet" habe. Selbstverständlich stellten viele Menschen mit Migrationshintergrund in Stuttgart kein Problem dar, aber gerade viele Menschen mit Migrationshintergrund hätten ihm rückgemeldet, dass es so nicht weitergehe. Von Stuttgart aus müssten Signale an die Bundesparteien gesendet werden, um zu Änderungen zu gelangen. Zum weiteren Verfahren schlägt er vor, er nehme die heutigen Kommentierungen mit, und es folge ein neuer Antrag mit weiteren Inhalten. Der heutige Antrag sei erledigt.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt EBM Dr. Mayer den Tagesordnungspunkt ab.

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