Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 572/2013
Stuttgart,
06/14/2013


Kulturentwicklungsplan; Stuttgarter Musikschule
- Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
02.07.2013
03.07.2013

Bericht:


Wie in der Kulturentwicklungsplanung der Kulturverwaltung (GRDrs 746/2012 und deren Ergänzung) beschrieben, hat die Stuttgarter Musikschule ein Konzept zur „Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung“ erarbeitet.


Bildungskooperationen - Ganztagesschule
Der gesellschaftliche Wandel verändert auch Bildungswege und –biographien von Kindern und Jugendlichen. Die Schule der Zukunft wird eine zentralere Rolle im Leben - im räumlichen wie auch zeitlichen Sinne - eines Kindes einnehmen. Um die Chancengerechtigkeit in der (musikalischen) Bildung auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen verstärkt Musikalisierungsprogramme in Form von Bildungskooperationen zwischen allgemein bildenden Schulen, vor allem der Grundschulen, und der Stuttgarter Musikschule initiiert werden. Dies ist insbesondere notwendig, da nach wie vor in den Grundschulen fast alle Kinder erreicht werden können und somit die Grundlagen für eine frühestmögliche, qualifizierte musikalische Bildung bei möglichst vielen Kindern gelegt werden können.

Die pädagogisch sicherlich notwendige Einführung von Ganztagesschulen bedingt damit auch den Wandel der Bildungsangebote von Institutionen der außerschulischen kommunalen Bildungslandschaft. Dieser Wandel ist insbesondere notwendig, da sich durch den Bildungswandel auch die Zugänge zur musikalischen Bildung verändern. War es bisher in erster Linie das elterliche Umfeld, das den Zugang zur musikalischen Bildung von Kindern initiiert hat, so ist künftig die Gesellschaft verstärkt gefordert, Verantwortung für diesen Zugang und damit für die Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung zu übernehmen.

Vor allem durch das (teil)gebundene Ganztagsgrundschulangebot ist davon auszugehen, dass die Zeitkorridore, in denen sich Kinder und Jugendliche zum ersten Mal dem aktiven Musizieren widmen können, immer enger werden. Insbesondere diese Tatsache erfordert eine stärkere Vernetzung der außerschulischen Bildungsanbieter innerhalb der kommunalen Bildungslandschaft mit allgemein bildenden Grundschulen.

Um auch in Zukunft allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zur musikalischen Bildung, insbesondere zum aktiven instrumentalen und vokalen Musizieren, zu ermöglichen, hat die Stuttgarter Musikschule seit dem Jahr 2000 begonnen, verstärkt für Kinder im Grundschulalter Bildungskooperationen anzubieten. Dabei ist davon auszugehen, dass vor allem die (musikalische) Bildungschancengerechtigkeit gestiegen ist, da der Bildungszugang nicht mehr allein vom unmittelbaren familiären und sozialen Umfeld des Kindes abhängig ist. Vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten erfahren damit eine Integration in der Bildung durch die Bildung.

Verschiedene Musikalisierungsprogramme und –modelle, wie z.B. „Spielen und Lernen – in der verlässlichen Grundschule“, „Streicherklassenunterricht nach der Rolland-Methode“, „Bläserklasse“, „Klassenmusizieren mit verschiedenen Instrumenten“, aber auch Projekte aus anderen Bundesländern wie z.B. „JeKiss - Jedem Kind seine Stimme“ oder Projekte in Anlehnung an das Monheimer Modell „MoMo“ (Musikalische Grundausbildung in Kombination mit einem Instrumentenkarussell) wurden bereits erfolgreich erprobt und können für eine ganze Klasse angeboten werden. Dabei kann die Stuttgarter Musikschule durch ihre Angebotspalette flexibel auf die Bedürfnisse der Schulen reagieren, um eine Verzahnung der außerschulischen musikalischen Bildung und der schulischen Bildung zu ermöglichen, zu unterstützen und zu gewährleisten.

Die Verortung der jeweiligen Angebote kann in der allgemein bildenden Schule wie auch in einer der Stadtteilmusikschulen der Stuttgarter Musikschule in den Stadtbezirken erfolgen. Um künftig jedoch auch eine räumliche Verzahnung zwischen der allgemeinen schulischen Bildung und der musikalischen Bildung zu erreichen, ist eine räumliche Verortung der Stuttgarter Musikschule in neu zu konzipierende Schulcampusse (Bad Cannstatt, Vaihingen, Feuerbach, etc.) sinnvoll. Damit kann durch die Stuttgarter Musikschule auch eine musikalisch-inhaltliche Verzahnung (z.B. schulübergreifende Ensembles und Orchester, Bands, Chöre, etc.) der verschiedenen Schularten auf einem Schulcampus gewährleistet werden und für Schülerinnen und Schüler ebenso der „Weg“ zur individuellen musikalischen Bildung verkürzt werden.

Die Finanzierung der Unterrichtseinheiten in den gebundenen Ganztagsschulen soll zunächst über die freien Träger der Jugendhilfe erfolgen, die im Rahmen der Ganztagsschule die Betreuung konzipieren. Dabei soll sich der Finanzierungsanteil der freien Träger auf die Höhe der bisherigen Elternanteile von ca. 40% der Personalkosten belaufen. Weitere 10% werden nach wie vor durch den Landeszuschuss gedeckt, so dass der Anteil der Landeshauptstadt auf einem gleichbleibenden Stand gehalten werden kann. In den offenen Ganztagesschulen kann der rund 40-prozentige Gebührenanteil an den Personalkosten wie bisher durch die Eltern finanziert werden.

Die Bildungskooperationsangebote in Form der Musikalisierungsprogramme sollen für die Dauer von zwei aufeinander folgenden Schuljahren erfolgen, so dass immer wieder neue Grundschulkinder aus neuen Jahrgängen an den Bildungskooperationsangeboten teilnehmen können. Anschließend an die Musikalisierungsangebote, nach eigenem Entschluss der Schüler zum Erlernen eines Instrumentes oder der Ausbildung der Stimme, können sich Grundschulkinder für den Individualunterricht an der Stuttgarter Musikschule oder bei einem anderen Anbieter Stuttgarts entschließen.

Es ist geplant, die bereits im Jahre 2000 vom Gemeinderat genehmigte Stelle für die „Verlässliche Grundschule“ sowie die im Jahre 2011 genehmigte Stelle für den Unterricht in „Stark durch Musik“ und so weit möglich weitere Stellenanteile aus den eigenen „Bordmitteln“ für die Bildungskooperationsangebote zur Verfügung zu stellen. Bisher werden in 41 Schulen (29 Grundschulen mit ca. 940 Kindern, 6 Werkrealschulen mit ca. 280 Kd., 1 Förderschule mit ca. 15 Kd., 2 Realschulen mit ca. 130 Kd., und 3 Gymnasien mit ca. 42 Kd.) für rund 1.400 Kinder und Jugendliche Bildungskooperationsangebote gegen Unterrichtsgebühr durch die Stuttgarter Musikschule angeboten.

Die Stuttgarter Musikschule möchte mit dem Angebot in der Ganztagsschule ihre Aktivitäten im Bildungskooperationsbereich entsprechend der Kulturentwicklungsplanung neu ordnen und zusammenfassen. Hiermit soll insbesondere der Erweiterung der Bildungskooperationsangebote im Kontext der Ganztagsschulbetreuung in den Stuttgarter Grundschulen Rechnung getragen werden. Damit könnte einer übergeordneten Zielsetzung, alle Grundschulkinder Stuttgarts aktiv musikalisch zu bilden, in einem ersten Schritt Rechnung getragen werden.


Wartelistenabbau für den Unterricht an der Musikschule
Die Nachfrage nach dem instrumentalen und vokalen Untericht an der Stuttgarter Musikschule ist nach wie vor ungebrochen. Ende 2012 standen 1.650 Kinder und Jugendliche auf der Warteliste. Dies ist vor allem auf die gestiegene gesellschaftliche Anerkennung der musikalischen Bildung zurückzuführen. Insbesondere führen die teilweise langen Wartezeiten – sie sind insbesondere abhängig vom Wunschlehrer, vom Wunschinstrument und vom Wunschunterrichtsort – zu Chancenungleichheiten unter den Stuttgarter Kindern und Jugendlichen. Unter anderem ist die Warteliste auch auf den Abbau der drei Lehrerstellen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung 2009 zurückzuführen. Deshalb wurde zur Haushaltsplanung 2014/15 eine Erweiterung des Lehrpersonals um insgesamt 3 Stellen beim Gemeinderat beantragt. Die Wartezeit beträgt abhängig vom Wunschlehrer, Instrument und vom Unterrichtsort nach wie vor bis zu drei Jahre. 670 Kinder warten derzeit länger als ein Jahr und 228 länger als zwei Jahre auf den Unterricht (Stand: 31.12.2012). Um ca. 195 Kindern und Jugendlichen den Unterricht im instrumentalen und vokalen Hauptfach zu ermöglichen, benötigt die Stuttgarter Musikschule insgesamt 3 Musikschullehrerstellen. Damit kann die Musikschule nahezu allen Kindern, die länger als zwei Jahre auf den Unterricht warten, einen Unterrichtsplatz anbieten.

Weitere Maßnahmen zum Abbau der Warteliste sind bereits in die Wege geleitet worden. Unter anderem wurde die Verlängerung der Unterrichtszeit auf einen 45 minütigen Einzelunterricht mit einem Prüfungsnachweis gekoppelt. Damit werden in erster Linie Kinder in einem Einzelunterricht gefördert, die Fleiß und einen gewissen Leistungsstandard nachweisen können, um damit auch Stundenkapazitäten für die Aufnahme von weiteren Kindern zu schaffen. Des Weiteren werden, vor allem im Fach Gitarre, neue Gruppenunterrichtskonzepte angewendet, um mehr Kindern eine Unterrichtsmöglichkeit zu bieten. Aktuell entwickelt die Stuttgarter Musikschule ein pädagogisches Konzept für den Unterricht in Gruppen im Fach Klavier, um vor allem auch Kinder aus bildungsfernen Schichten – insbesondere in der Bildungskooperation mit allgemein bildenden Schulen – auch mit dem Fach Klavier zu erreichen.

Mit Beginn des Schuljahres 2013/14 wird in der Stuttgarter Musikschule das Beratungs- und freiwillige Prüfungskonzept flächendeckend für alle Instrumental- und Vokalfächer eingeführt. Durch das Beratungs- und freiwillige Prüfungsverfahren soll Kindern und Jugendlichen sowie deren Erziehungsberechtigten eine gezielte pädagogische Beratung und systematische Rückmeldung gegeben werden. Dadurch kann die Musikschule die Kommunikation zu ihren Eltern und Schülern systematisieren und die weitere pädagogische Entwicklung der Schule zielorientiert vornehmen. Das Verfahren wurde vor allem im Hinblick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen in der Bildung von Kindern und Jugendlichen (Ganztagsschule, Gemeinschaftsschule) entwickelt und eingeführt. Das Beratungs- und freiwillige Prüfungskonzept wurde im Schuljahr 2011/12 in einem Pilotverfahren zunächst im Fachbereich Klavier durchgeführt und im Schuljahr 2012/13 evaluiert.


Interkultur
Um die Integration von Kindern mit interkulturellem Hintergrund stärker zu gewährleisten, hat die Stuttgarter Musikschule als erste Maßnahme den Unterricht im Fach „Baglama“ - der türkischen Langhalslaute - eingeführt. Bereits nach einem Schulsemester wird der Baglamaunterricht, vor allem von der türkischstämmigen Bevölkerungsgruppe, stark nachgefragt. Es besteht bereits eine Warteliste. Derzeit befinden sich 8 Kinder in 5,33 Unterrichtseinheiten (ein Unterrichtsnachmittag) im Unterrichtsfach „Baglama“.

Die Stuttgarter Musikschule plant in den kommenden Jahren die Integration der interkulturellen Musik voran zu treiben, um so die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in die musikalisch-kulturelle Bildung der Stuttgarter Musikschule zu erleichtern. Im Fach „Baglama“ wird derzeit ein Unterrichtskonzept zur Anwendung in einer Bildungskooperation zwischen einer allgemein bildenden Schule und der Stuttgarter Musikschule entwickelt, um auch in der Interkultur die Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung zu gewährleisten.


Neue Medien
Im Schuljahr 2012/13 wurde durch die Anschaffung von neuen modernen Unterrichtsmaterialien für das Fach Komposition/Musiktheorie/Musikgeschichte die Voraussetzung dafür geschaffen, Kindern und Jugendlichen den Umgang mit neuen Medien auch in der Musik nahe zu bringen. Die musiktheoretischen Fächer sind im neu entstandenen Luis-Steiner-Zentrum im TREFFPUNKT untergebracht. Neben der Vermittlung von musiktheoretischen Kompetenzen, ist das Ziel auch das Aufzeigen von sinnvollen Umgangsmöglichkeiten mit Computern, Tablet-PCs, dem Internet und anderen neuen Medien. Auch hier werden zurzeit neue Unterrichtsmethoden und –konzepte, wie z.B. die Onlinerecherche zu musikalischen Themen oder Zusammenstellung von kleinen Präsentationen mit Hilfe neuer Medien im Sinne eines Peerlearnings entwickelt. Damit soll nicht nur die Wissensvermittlung im Vordergrund stehen, sondern insbesondere auch der aktive Umgang mit dem Erlernten initiiert, die kindliche Neugier entwickelt sowie die Freude am Experimentieren und Reflektieren geweckt werden. Ziel ist es u.a., auch Kinder und Jugendliche über den Weg neuer Medien zu erreichen, die bisher nicht den Zugang zum musiktheoretischen Unterricht gefunden haben.


Entwicklung Stadtteilmusikschulnetz
Um auch in den Stadtteilen Stuttgarts den Zugang zur musikalischen Bildung in der Stuttgarter Musikschule zu gewährleisten, plant die Musikschule ihr Stadtteilmusikschulnetz sukzessive auszubauen. Ziel ist es, vor allem „die Wege“ zur musikalischen Bildung für Kinder und Jugendliche zu verkürzen, um so mögliche zusätzliche infrastrukturelle Hürden zu vermeiden. Neben dem bereits dargestellten Vorhaben der Unterbringung von Musikschulaussenstellen in Schulcampusse, plant die Musikschule im Stadtteil Stuttgart-Ost, im Rahmen des Umbaus des SSB-Depots neue Räumlichkeiten zu erhalten. Ein Jugendhaus und eine Kindertagesstätte sind ebenso auf dem Areal geplant. Vorgesehen sind insgesamt 5 Unterrichtsräume, ein Bandraum sowie ein kleiner Saal für Veranstaltungen. In diesem Saal wird auch die Probebühne für das Musiktheater der Musikschule untergebracht werden. Mit den hier vorhandenen Möglichkeiten wird es möglich sein, eine fundierte Ausbildung für den Bereich Musiktheater aufzubauen (Tanz, Körperbildung, Sprechen, Schauspiel), und das Unterrichtsfach Musiktheater weiterzuentwickeln sowie stärker im Stadtteil zu etablieren.

Im Stadtteil Stuttgart-Botnang ist eine neue Ortsmitte im Bau, in der die Musikschule mit insgesamt 8 Unterrichtsräumen, einem Büro und einem Mehrzweckraum für Vorspiele, untergebracht werden soll. Neben der Unterbringung der Musikschule sind ebenso Räumlichkeiten für eine Kindertagesstätte geplant. Die Unterrichtsaufnahme soll im Jahre 2014/15 erfolgen.


Förderung und Findung von Hochbegabten
Mit der Beteiligung an der Errichtung des Musikgymnasiums am Eberhard-Ludwig-Gymnasium, hat die Musikschule eine notwendige Voraussetzung für die Förderung von musikalisch hochbegabten Kindern und Jugendlichen mit geschaffen. In enger Abstimmung mit der Musikhochschule und dem Gymnasium sollen hier insbesondere musikalisch leistungsstarke Kinder gefördert werden. Ziel ist es, eine zeitliche und räumliche Entlastung für diese Kinder zu erreichen, damit sie sich stärker ihren musikalischen Aktivitäten widmen können. Gleichzeitig werden in der Stuttgarter Musikschule intensiv die Voraussetzungen für die Findung von musikalisch Hochbegabten diskutiert, um auch Kindern ohne hochmusikalischem sozialen Umfeld die Möglichkeit zum Erhalt und vor allem Zugang zu einer intensiven musikalischen Förderung zu ermöglichen. Dabei ist insbesondere eine Ausweitung einer musikalischen Förderkonzeption für Kinder im Grundschulalter in Zukunft dringend notwendig.


Qualitätssicherung
Nach der erfolgreich durchgeführten und umgesetzten Strukturreform der Stuttgarter Musikschule als erste weitreichende Konsequenz des Qualitätsmanagements „QsM“ (Qualitätssicherung Musikschule), wird der Qualitätssicherungsprozess weiter verfolgt. Ziel ist es eine ganzheitliche Sicht auf den Bildungsorganismus Musikschule zu ermöglichen, um vor allem der Vernetzung der einzelnen Unterrichtsstrukturen und –fächern im Sinne einer ganzheitlichen musikalischen Bildung Kinder und Jugendlicher zu gewährleisten. Dabei soll die inhaltliche Verzahnung zwischen den Angeboten der Elementaren Musikpädagogik (Angebote für Kinder im Alter von 3 Monaten bis ca. 6 Jahren sowie Angebote der Bildungskooperationen mit allgemein bildenden Schulen sind hier zusammengefasst), des instrumentalen und vokalen Unterrichts und im Besonderen der Ergänzungs- und Ensemblefächer weiterentwickelt werden. Eine Zertifizierung der Musikschule nach dem EFQM-Modell ist angestrebt.

Beteiligte Stellen

Keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

Keine
Keine




Dr. Susanne Eisenmann




Keine



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