Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 1113/2015
Stuttgart,
11/04/2015



Haushalt 2016/2017

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 13.11.2015



Einkommensgrenzen der Bonuscard endlich anpassen

Beantwortung / Stellungnahme

Entwicklung und wesentliche Stationen in der Historie der Bonuscard

2001

Zum 31.12.2000 wurde das bisherige Familienpass- und Sozialpasssystem in Stuttgart eingestellt. Im Gegenzug wurden zum 01.01.2001 die FamilienCard und die Bonuscard eingeführt. Einen Anspruch auf die Bonuscard haben Personen, bei denen das Einkommen die Grenze von 110 % des Sozialhilfesatzes nicht überschreitet.

2002

Ab dem 01.01.2002 wurde der Kreis der Bonuscard-Empfänger auf die Bezieher von laufenden Hilfen zum Lebensunterhalt und einmaligen Beihilfen, sowie die Bezieher von Einkommen unterhalb der folgenden festgelegten Einkommensgrenzen erweitert.

Einkommensgrenzen:

Lebensunterhalt: 360 EUR für Alleinstehende
310 EUR für den zweiten Erwachsenen
260 EUR für weitere Haushaltsangehörige

Zuschläge: 160 EUR für Erwerbstätige
60 EUR für Behinderte
60 EUR für Alleinerziehende

Miete: 310 EUR pauschal für Alleinstehende
80 EUR für jede weitere Person


Beispiele:

PersonenPauschal-betragMieteErwerbs-
tätigkeit
Alleiner-
ziehende
Behinde-
rung
Einkom
mens-
grenze
1 Allein-stehende/-r
360 EUR
310 EUR
160 EUR
830 EUR
Allein-
erziehende/-r
mit 1 Kind
620 EUR
390 EUR
160 EUR
60 EUR
1.230 EUR
2 Erwachsene
1 Kind
930 EUR
470 EUR
160 EUR
1.560 EUR
1 Allein-stehende/-r
mit Behinderung
360 EUR
310 EUR
60 EUR
730 EUR

2008

Asylbewerber und Flüchtlinge mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten ab 01.01.2009 auf der Grundlage des Leistungsbezugs die Bonuscard.

2009

Zum 01.01.2009 wurden folgende neue Einkommensgrenzen festgelegt:

Haushalte mit ErwerbstätigenHaushalte ohne Erwerbstätige
Anzahl der
Kinder
Singles/
Allein-
erziehende
EUR
Paare
EUR
Anzahl der
Kinder
Singles/
Allein-
erziehende
EUR
Paare
EUR
0
1.050,00
1.480,00
0
780,00
1.180,00
1
1.620,00
1.830,00
1
1.350,00
1.530,00
2
1.960,00
2.150,00
2
1.690,00
1.850,00
3
2.300,00
2.470,00
3
2.030,00
2.170,00
4
2.640,00
2.790,00
4
2.370,00
2.490,00

Für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % wird die Einkommensgrenze um 60 EUR erhöht.

Ab dem 5. Kind wird die Bonuscard ohne Einkommensprüfung gewährt.

Es wurde festgelegt, dass grundsätzlich alle 2 Jahre die Einkommensgrenzen überprüft werden sollen.


2010

Die Bonuscard + Kultur wurde zum 01.01.2010 wirksam.

Als Träger der Initiative wurde im Dezember 2009 der gemeinnützige Verein KULTUR FÜR ALLE STUTTGART e. V. gegründet. Dieser Verein übernimmt die Projektsteuerung und kümmert sich um die Bekanntmachung des Kulturangebots an den Empfängerkreis. Zudem wird das Konzept stetig weiterentwickelt.

2012

Zum 01.01.2012 wurden die Leistungen zur Bildung und Teilhabe (BuT) nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) und Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) auch in Stuttgart eingeführt.

In Verbindung mit der Einführung der BuT-Leistungen werden die Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag zusätzlich in den Personenkreis aufgenommen, welcher die Bonuscard ohne weitere Einkommensprüfung erhält.

2015

Zum 01.01.2015 wurde das Sozialticket in Stuttgart eingeführt. Jeder Bonuscard-Inhaber erhält einen 50 %igen Zuschuss für die Innenstadtzonen 10 und 20. Der Zuschuss gilt für folgende Monats-Tickets:

· JedermannTicket

· 9-Uhr-UmweltTicket

· SeniorenTicket

· 14-Uhr-JuniorTicket

Neben der Zunahme der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG hat jedoch insbesondere die Einführung des Sozialtickets erhebliche Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Bonuscard. Dies zeigt sich an der Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf. Die Anzahl der Bonuscard-Inhaber ist von 67.809 (Stand 01.01.2015) auf 74.551 (Stand 31.10.2015) angestiegen.

Zusammenfassung der Entwicklung

Der Berechtigtenkreis der Bonuscard wurde 2009 durch die Aufnahme der Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG und im Jahr 2012 durch die Aufnahme der Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag erweitert. Dies führte – auch ohne die Anhebung der Einkommensgrenze für Schwellenhaushalte – zu einer gestiegenen Inanspruchnahme der Bonuscard (2012: 65.627 und 2014: 68.574).

Die bisherige Entwicklung im Jahr 2015 geht nur zu einem Teil auf die Entwicklungen im Flüchtlingsbereich zurück. Sie zeigt auch, dass die qualitative Verbesserung der Bonuscard durch das Sozialticket zu einer erhöhten Inanspruchnahme führt, dass also ein Teil der Bonuscard-Berechtigten diese Freiwilligkeitsleistung bisher nicht in Anspruch genommen haben.


Fortschreibung der Bonuscard

Vor dem Hintergrund der anstehenden, umfassenden Wohngeldreform, die zum 01.01.2016 in Kraft treten wird, liegt es nahe, die Bonuscard-Berechtigung zukünftig direkt an den Bezug von Sozialleistungen zu binden, wobei die Wohngeldberechtigung die Obergrenze darstellen soll. Um die Folgen dieser Umstellung abschätzen zu können, sind die Einkommensgrenzen der Schwellenhaushalte den Einkommensgrenzen nach dem neuen Wohngeldrecht gegenüber zu stellen.

Nachdem bis heute die neuen Einkommensgrenzen im Wohngeldrecht ab 2016 noch nicht vorliegen, wurde im Sozialamt mit der zuständigen Fachabteilung eine vorsichtige Hochrechnung vorgenommen. Es ist davon auszugehen, dass diese hochgerechneten Einkommensgrenzen bei der Umsetzung nicht unterschritten, sondern eher überschritten werden.

Um Vergleichbarkeit herzustellen, wurden entsprechende Anpassungen, sowohl bei den Einkommensgrenzen der Schwellenhaushalte als auch bei den Einkommensgrenzen nach dem Wohngeldrecht, vorgenommen.

Das Ergebnis dieser Gegenüberstellung stellt sich in der nachfolgenden Tabelle dar:

Vergleich der
Einkommensgrenzen
Bonuscard und Wohngeld
2016
Bonuscard-Einkommens-
grenze
Schwellen-
haushalte
Hochrechnung
Einkommens-
grenze Wohngeld
2016
Unterschieds-
betrag
Haushalte mit Erwerbstätigen
Singlehaushalt
1.417,50 EUR
1.527,10 EUR
109,60 EUR
Alleinerziehend mit 1 Kind
2.187,00 EUR
2.371,00 EUR
58,56 EUR
Alleinerziehend mit 2 Kindern
2.640,00 EUR
3.008,00 EUR
201,94 EUR
Alleinerziehend mit 3 Kindern
3.105,00 EUR
3.663,00 EUR
630,64 EUR
Alleinerziehend mit 4 Kindern
3.564,00 EUR
4.337,00 EUR
808,36 EUR
Paarhaushalt
1.998,00 EUR
2.061,56 EUR
63,56 EUR
Paarhaushalt mit 1 Kind
2.470,00 EUR
2.654,00 EUR
187,94 EUR
Paarhaushalt mit 2 Kindern
2.902,50 EUR
3.270,50 EUR
643,14 EUR
Paarhaushalt mit 3 Kindern
3.334,50 EUR
3.892,50 EUR
823,14 EUR
Paarhaushalt mit 4 Kindern
3.766,50 EUR
4.539,50 EUR
1.037,89 EUR
Haushalte ohne Erwerbstätige
plus 6 %
Singlehaushalt
826,80 EUR
1.010,64 EUR
183,84 EUR
Alleinerziehend mit 1 Kind
1.431,00 EUR
1.615,00 EUR
137,76 EUR
Alleinerziehend mit 2 Kindern
1.791,40 EUR
2.159,40 EUR
250,03 EUR
Alleinerziehend mit 3 Kindern
2.151,80 EUR
2.709,80 EUR
572,22 EUR
Alleinerziehend mit 4 Kindern
2.512,20 EUR
3.285,20 EUR
722,02 EUR
Paarhaushalt
1.250,80 EUR
1.384,76 EUR
133,96 EUR
Paarhaushalt mit 1 Kind
1.621,80 EUR
1.805,80 EUR
235,63 EUR
Paarhaushalt mit 2 Kindern
1.961,00 EUR
2.329,00 EUR
573,02 EUR
Paarhaushalt mit 3 Kindern
2.300,20 EUR
2.858,20 EUR
719,02 EUR
Paarhaushalt mit 4 Kindern
2.639,40 EUR
3.412,40 EUR
897,24 EUR
Vergleich der
Einkommensgrenzen
Bonuscard und Wohngeld
2016
Bonuscard-Einkommens-
grenze
Schwellen-
Haushalte
Hochrechnung
Einkommens-
grenze Wohngeld
2016
Unterschieds-
betrag
Rentnerhaushalte
Singlehaushalt
826,80 EUR
1.131,43 EUR
304,63 EUR
Alleinerziehend mit 1 Kind
1.431,00 EUR
1.615,00 EUR
300,12 EUR
Alleinerziehend mit 2 Kindern
1.791,40 EUR
2.159,40 EUR
444,47 EUR
Alleinerziehend mit 3 Kindern
2.151,80 EUR
2.709,80 EUR
821,39 EUR
Alleinerziehend mit 4 Kindern
2.512,20 EUR
3.285,20 EUR
1.003,99 EUR
Paarhaushalt
1.250,80 EUR
1.547,12 EUR
296,32 EUR
Paarhaushalt mit 1 Kind
1.621,80 EUR
1.805,80 EUR
430,07 EUR
Paarhaushalt mit 2 Kindern
1.961,00 EUR
2.329,00 EUR
822,19 EUR
Paarhaushalt mit 3 Kindern
2.300,20 EUR
2.858,20 EUR
1.000,99 EUR
Paarhaushalt mit 4 Kindern
2.639,40 EUR
3.412,40 EUR
1.212,81 EUR

Bei allen Haushaltstypen übersteigt die Wohngeldeinkommensgrenze die Bonuscard-Einkommensgrenze für Schwellenhaushalte.

Grundsätzlich kann somit davon ausgegangen werden, dass die aktuell berechtigten Schwellenhaushalte nach Inkrafttreten der Wohngeldreform weiterhin bonuscardbe-rechtigt sind, allerdings über den Bezug von Wohngeldleistungen. Die Gesamtzahl der Bonuscard-Berechtigten verändert sich durch diese Verlagerung nicht. Eine tatsächliche Erhöhung wird es nur in dem Teil der Leistungsberechtigten geben, der heute bereits die Bonuscard auf der Grundlage Wohngeld erhält. Eine vorsichtige Schätzung auf Grundlage der Haushaltsplanung im Produkt Wohngeld ergibt eine Maximalsteigerung um 2.400 Bonuscard-Berechtigte durch die künftigen Wohngeldeinkommensgrenzen.

Da in dem stark vereinfachten Antragsverfahren für Schwellenhaushalte bisher ausschließlich die Einkommenssituation als Entscheidungskriterium zugrunde gelegt wurde und dieser Einkommenssituation nicht die Ausgaben- und Belastungssituation eines Haushalts gegenübergestellt wird, ist es möglich, dass Schwellenhaushalte, die bisher eine Bonuscard erhalten haben, zukünftig, weil sie tatsächlich keine entsprechenden Belastungen haben (z. B. keine Mietbelastung), keine Bonuscard mehr erhalten können. Zu der Anzahl dieser Haushalte kann keine Aussage getroffen werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Wohngeldbezug (nach Inkrafttreten der Wohngeldreform) im Vergleich zum bisherigen Verfahren für Schwellenhaushalte jedoch deutlich mehr Einzelfallgerechtigkeit für die Vergabe der Bonuscard bringen würde, da die tatsächliche wirtschaftliche Situation („Bedürftigkeit“) eines Haushalts bei der Entscheidung eine Rolle spielt. Damit würde für eine vermehrte und beständig zunehmende Zahl von Berechtigten langfristig ein gerechtes, nachvollziehbares und einfaches Zugangsverfahren für diese Stuttgarter Freiwilligkeitsleistung festgelegt werden.

D. h., um das Ziel von mehr Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen und damit zukünftig die individuelle Finanzsituation eines Haushalts bei der Vergabe von Bonuscards berücksichtigt werden kann, sollte das Verfahren für diese Freiwilligkeitsleistung vereinfacht und an den tatsächlichen Bezug folgender Sozialleistungen gekoppelt werden:


· Leistungen nach dem SGB II
· Sozialhilfe nach dem 3. oder 4. Kapitel SGB XII
· Asylbewerberleistungsgesetz
· Kinderzuschlag
· Wohngeld
· Jugendhilfe SGB VIII

Verfahren

Um das Umstellungsverfahren für die bereits bonuscardberechtigten Schwellenhaushalte bürgerfreundlich zu gestalten und den Verwaltungsaufwand ab 01.01.2016 für die Wohngeldstellen nicht zusätzlich zu erhöhen, muss für 2016 noch nach den bisherigen Grundsätzen die Ausgabe der Bonuscard erfolgen. Zu diesem Zweck wurden bereits alle Schwellenhaushalte angeschrieben und zur Antragstellung aufgefordert.

Mitte 2016 wäre dann vorzusehen, mit einem Informationsschreiben alle Schwellenhaushalte über das neue Zugangsverfahren zu unterrichten und darüber zu informieren, dass die Bonuscard 2017 an den Bezug von Wohngeld bzw. eine der vorgenannten Sozialleistungen gekoppelt ist.

Finanzielle Auswirkungen:

Im Teilhaushalt des Sozialamts entstehen durch die Umstellung keine zusätzlichen Aufwendungen.

Für den Bereich des Sozialtickets sind die Erstattungsleistungen an die SSB AG ge-deckelt. 2015 entstehen bereits Aufwendungen bis zum Deckelungsbetrag (4,9 Mio. EUR).

Die bisher für Schwellenhaushalte als zusätzliche Freiwilligkeitsleistung gewährte Schulbeihilfe entfällt im Sozialhaushalt, da alle Leistungsberechtigten nach dem Wohngeldgesetz einen originären BuT-Anspruch haben, der im Rahmen der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II vom Bund erstattet wird.



Vorliegende Anträge/Anfragen

---

574, Ziffer 1 (SPD), 710 (SÖS-LINKE-PluS),




Isabel Fezer
Bürgermeisterin




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