Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 616/2022
Stuttgart,
12/05/2022



Weiterentwicklung der Inobhutnahme (ION)



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
12.12.2022
14.12.2022
15.12.2022



Beschlußantrag:

1. Von der aktuellen Situation in der Inobhutnahme und der Notwendigkeit einer Anpassung der Personalausstattung in den drei Gruppen der Stuttgarter ION in der Kernerstraße 36 wird Kenntnis genommen.

2. Vom zusätzlichen vordringlichen Personalbedarf in Höhe von 11,07 VZK in S 15 TVöD für pädagogisches Personal am Standort Kernerstraße 36 wird Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird ermächtigt, ab sofort bis zum 31.12.2023 außerhalb des Stellenplans Personal im Umfang von 11,07 VZK zu beschäftigen. 3. Von der neuen Leitungsstruktur im Bereich der Inobhutnahme wird Kenntnis genommen, der bis 31.12.2023 befristeten Schaffung von insgesamt 1,5 VZK in S 16 TVöD zur Teilfreistellung der neuen Gruppenleitungen wird zugestimmt. Die bisherige Sachgebietsebene wird aufgelöst, die vorhandene Stelle wird mit den neuen Bedarfen verrechnet. 4. Über die dauerhafte Schaffung der Ermächtigungen aus den Beschlussziffern 2 und 3 wird im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2024/2025 entschieden. 5. Zum 01.01.2023 wird auf Grund der Beschlussziffern 2 und 3 eine Anpassung des Entgeltsatzes der Stuttgarter Inobhutnahme auf 614,03 EUR pro Belegungstag notwendig. Durch die Erhöhung entsteht im Teilergebnishaushalt 510-Jugendamt, Amtsbereich 5103633, KGr. 43310 – Soziale Leistungen – ein Mehraufwand in Höhe von 902.000 EUR. Der Mittelbedarf wird im Rahmen des voraussichtlich notwendigen Nachtragshaushaltsplanes 2023 berücksichtigt.




Begründung:



Zu Beschlussantrag 1.

Zuletzt wurde dem Gemeinderat mit der GRDrs 197/2022 über die Situation in der Stuttgarter ION und der UMA-ION berichtet.

Anlass für diese Beschlussvorlage ist die Belastungs- und Überlastungssituation der Stuttgarter ION, die auch ohne die zusätzliche, die eigentliche Platzkapazität übersteigende Auslastung in der Kernerstraße durch Unbegleitete Minderjährige Ausländer/-innen (UMA) besteht. Diese Belastungssituation haben die Mitarbeiter*innen in mehreren Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen aufgezeigt.

In der Stuttgarter ION bestehen besondere Herausforderungen durch die aufgenommenen Kinder und Jugendlichen. Dabei handelt es sich meist um hochbelastete junge Menschen und oftmals um Kinder und Jugendliche, die bereits viele Stationen der Jugendhilfe hinter sich haben und für die es sich sehr schwierig gestaltet, passende Plätze in der Jugendhilfe oder eventuell auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu finden. Dies führt häufig zu langen Verweildauern, die das System der ION zusätzlich belasten.

Die aktuelle Personalausstattung in der Stuttgarter ION ist nicht passend für die Anforderungen, die die Inobhutnahme dieser jungen Menschen mit sich bringt. Zudem ist sie nicht ausreichend für die notwendig abzudeckenden Dienste des Dreischichtsystems in der Kernerstraße.

Die Arbeitssituation in der ION ist seit 2020 geprägt durch die Corona-Pandemie sowie die seit Sommer 2021 wieder steigenden Zahlen von Stuttgarter Kindern und Jugendlichen, die in Obhut genommen werden müssen. Kein anderes Arbeitsfeld in der Jugendhilfe war durch Corona so sehr gefordert wie die Inobhutnahmeeinrichtungen. Trotzdem ist es gelungen, das System aufrecht und arbeitsfähig zu erhalten, teilweise durch den Einsatz von Kita- und Schülerhauspersonal, als deren Einrichtungen pandemiebedingt geschlossen waren. Dies ist bis heute nur durch den unglaublichen Einsatz der Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen und durch eine Vielzahl an Überstunden möglich.

In den zwei zurückliegenden Jahren ist uns sehr deutlich geworden, dass die vor einigen Jahren etablierte Leitungsstruktur mit Sachgebietsleitungen unterhalb der Bereichsleitungsebene nicht in der Lage ist, die geforderten Aufgaben und Themenstellungen sachgerecht und effektiv zu erledigen; sie sind mit den gestiegenen Platzzahlen, der hohen Dynamik und den vielfältigen Herausforderungen im Alltag der ION überfordert bzw. zu weit weg vom Geschehen.

Die Anzahl der Mitarbeitenden in den Gruppen ist teilweise zu groß, die Gruppen brauchen deshalb eine direkte, präsente Leitung. Aus diesem Grund ist es notwendig, für jede Gruppe in den ION-Einrichtungen eine teilfreigestellte Gruppenleitung zu installieren, die Dienstplanung, Beratungsfunktion für die Gruppen, Fallmanagement und Kooperationen mit den fallzuständigen Beratungszentren übernimmt. Hierfür ist die Leitungsstruktur neu zu etablieren. Darüber hinaus muss die Personalausstattung für die drei Gruppen in der Stuttgarter ION in der Kernerstraße 36 (siehe GRDrs 227/2019) überarbeitet und angepasst werden.


Notwendige Ausbau- und Planungsschritte

Um die dargestellte Situation kurz- und mittelfristig zu entspannen sowie das ION-System arbeitsfähig zu halten, sind folgende Schritte notwendig und in Planung:

1. Anpassung der Personalausstattung der drei Gruppen der Stuttgarter ION 2. Die Verbesserung der Leitungsstruktur in den Einrichtungen und Gruppen der Inobhutnahme durch Abschaffung der Sachgebietsleitungen und Installation von je einer zu 50% freigestellten Gruppenleitung in jeder ION-Gruppe. 3. Mittelfristig soll die Herausnahme der zwei Inobhutnahmegruppen für Kinder aus der Kernerstraße und deren Verlagerung an einen eigenen Standort erfolgen (Stichwort: „Kindervilla“). Hierfür hat das Jugendamt ebenfalls einen Planungsauftrag an das Amt für Liegenschaften erteilt (siehe auch Antrag 212/2022 der Gemeinderatsfraktionen Bündnis 90/Die GRÜNEN, CDU, SPD, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, FDP, Freie Wähler, PULS Fraktionsgemeinschaft).


Zu Beschlussanträge 2. und 4.

Die Personalausstattung für die drei Gruppen in der ION Kernerstraße (siehe GRDrs 227/2019) muss überarbeitet und angepasst werden. Der differenzierte Personalschlüssel für die drei Gruppen lässt einen Dienstbetrieb im Dreischichtsystem nicht zu und reicht nicht aus, um den Aufgaben ohne Überlastung des Personals und dem Aufbau von Überstunden gerecht zu werden.

In der Gruppe der 6 bis 12 Jahre alten Kinder wurde bislang, anders als in den beiden anderen Gruppen, nur ein sog. „früher Tagdienst“ angesetzt. Dem lag die Annahme zu Grunde, dass diese Altersgruppe vormittags in Kita und Schule ist. Da sich jedoch vermehrt Kinder in der Gruppe befinden, die keinen Kita Platz (mehr) haben oder seitens des Schulsystems als nicht beschulbar angesehen werden, besteht die Notwendigkeit eines zweiten „frühen Tagdienstes“ mit insgesamt acht zusätzlichen Betreuungsstunden pro Tag.

Folgende Anpassungen sind im Vergleich zur letzten Berechnung (basierend auf den Dienstplänen der einzelnen Gruppen – siehe Anlage 1) aus dem Jahr 2019 vorzunehmen:

Der Berechnung des Stellenbedarfs für die drei Gruppen in der Kernerstraße wurde die Jahresarbeitszeit mit 1.574 Jahresarbeitsstunden für Beschäftigte gemäß dem Rundschreiben Nr. 021/2022 Kosten eines Arbeitsplatzes Stand Juli 2022 zugrunde gelegt.

Die zugrunde gelegten Jahresarbeitsstunden wurden 2019 nicht im erforderlichen Umfang um folgende Bestandteile bereinigt:

1. 6 Tage Zusatzurlaub für Schichtdienst im Bereich der Inobhutnahme; 2. eine zusätzliche Stelle zur Absicherung des Dreischichtbetriebs. Diese wurde zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben des Arbeitgebers mit GRDrs 227/2019 zur Absicherung des Dreischichtbetriebs geschaffen und darf bei der Bedarfsbemessung keinen Einfluss finden.

Ausgehend von durchschnittlich 365,25 Öffnungstagen im Jahr und einer um die vorangegangenen Punkte bereinigten Nettoarbeitszeit von 1.221,76 Stunden im Jahr, ergibt sich ein Gesamtstellenbedarf im Umfang von 46,74 Stellen, siehe nachfolgende Tabelle:


Kernerstraße 36

VZKGruppe (insgesamt 29 Plätze) - Ø 1,20 VZK pPBetreuungsstunden
15,85Gruppe 1 (12-17 Jahre, 15 Plätze) – 1,06 VZK pP53 h / Tag
16,74Gruppe 2 (0-6 Jahre, 8 Plätze) – 2,09 VZK pP56 h / Tag
13,15Gruppe 3 (6–12 Jahre, 6 Plätze) – 2,19 VZK pP44 h / Tag
45,74SUMME Gruppen153 h / Tag
1,00VZK zur Absicherung Dreischichtbetrieb
46,74G E S A M T

Derzeit stehen für die drei Gruppen der Stuttgarter Inobhutnahme insgesamt 35,83 VZK zur Verfügung. Folglich ergibt sich ein Stellenmehrbedarf für die drei Gruppen der Stuttgarter Inobhutnahme im Umfang von 10,91 VZK.

Zusätzlich zum Stellenmehrbedarf von 10,91 Stellen sind Personalbedarfe zu berücksichtigen, die sich aus dem Tarifabschluss im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) 2022 ergeben. Beschäftigte, die in Teil B Abschnitt XXIV der Anlage 1 zum TVöD – Entgeltordnung (VKA) eingruppiert sind, erhalten ab dem Kalenderjahr 2022 für zwei Regenerationstage (Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts gemäß § 21). Zusätzlich dazu erhalten Beschäftigte, die in der Entgeltgruppe S 15 TVöD eingruppiert sind, eine monatliche SuE-Zulage i. H. v. 180 Euro. Die SuE-Zulage ist auf Wunsch der/des Beschäftigten in bis zu zwei zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln. Diese Regelungen aus dem Tarifabschluss vermindern die von den Beschäftigten effektiv zu erbringende Arbeitszeit und erfordern deshalb zusätzliche Stellenressourcen. Die Berechnung beruht aufgrund der nicht im Einzelnen prognostizierbaren Inanspruchnahme der zusätzlichen Regenerationstage teilweise auf Annahmen. Es wird deshalb von durchschnittlich 3 Regenerationstagen ausgegangen. Ausgehend von 201,81 Nettoarbeitstagen für Beschäftigte im Jahr (gemäß Rundschreiben 021/2022 Kosten eines Arbeitsplatzes) und einem Faktor von 0,1604 für durchschnittlich 3 in Anspruch genommene freie Tage ergibt sich ein zusätzlicher Stellenmehrbedarf im Umfang von 0,1604 Stellen und ein Gesamtmehrstellenbedarf für die drei Gruppen in der Stuttgarter Inobhutnahme in der Kernerstraße 36 im Umfang von 11,07 VZK, s. nachfolgende Tabelle:



Stellenmehrbedarf bei Inanspruchnahme von Regenerationstagen gem. Tarifeinigung ausgehend von 201,81 Nettoarbeitstagen
Tage
Faktor bei 3 freien Tagen
Mehrbedarf StellenGesamtbedarf
Stellen
3
freie Tage
0,0149
0,1622
11,07


Zu Beschlussanträge 3. und 4.

Im Oktober 2020 wurde das System der Gruppenleitungen in der Inobhutnahme eingeführt. Dies geschah mit der Intention, Leitungsaufgaben von der Sachgebietsleitungsebene an die Gruppenleitungen zu delegieren. Notwendig wurde diese Veränderung aufgrund der hohen Leitungsspanne sowie der vielfältigen Aufgaben und Verantwortlichkeiten.

Als problematisch hat sich hierbei erwiesen, dass die Teamleitungen eine hohe Präsenz in den Tagdiensten gewährleisten müssen, um die Ihnen übertragenen Tätigkeiten erfüllen zu können.

Ein weiterer Lerneffekt aus der seit nunmehr zweijährigen Praxis ist ein erhöhter Abstimmungs- und Koordinationsbedarf in der internen Hierarchie Teamleitung-Sachgebietsleitung-Bereichsleitung.

Durch die zum 1. September 2022 vorgenommene Veränderung der Bereichsleitungsstruktur – die Sachgebiete 51-00-63 und 51-00-67 wurden anderen Bereichen zugeordnet – wurde die Leitungsspanne der Bereichsleitung reduziert. Daraus ergibt sich, dass Aufgaben die bislang an die Sachgebietsleitung delegiert waren, zukünftig wieder stärker von der Bereichsleitung übernommen werden können.

Aufgrund der beschriebenen Entwicklungen wird folgender Umstrukturierungsvorschlag eingebracht:

· Die Sachgebietsleitungsebene wird aufgelöst.
· Stattdessen werden fünf gleichberechtigte Gruppenleitungen installiert, die für ihre Mitarbeitenden die weitgehend gleichen Leitungsaufgaben übernehmen wie die bisherigen Sachgebietsleitungen.
· Dadurch werden die positiven Effekte einer schlanken Leitungsstruktur institutionalisiert.
· Zur Wahrnehmung der Leitungsaufgaben werden die Gruppenleitungen in der Stuttgarter ION zu 3 x 0,5 VZK freigestellt (entspricht einem Zuwachs von 0,5 VZK Freistellung).
· Die Gruppenleitungen werden in S 16 TVöD eingruppiert.


Folgende Aufgaben der Sachgebietsleitungen werden auf die Gruppenleitungen übertragen:

· Dienst- und Fachaufsicht für alle Mitarbeitenden der jeweiligen Gruppe

· Organisation von Dienstbesprechungen, Fachberatungen, Supervisionen

· Koordinierung der Praktikant*innen, Hospitant*innen und Ehrenamtlichen

· Schnittstelle und Ansprechpartner*in für Kooperationspartner*innen und zur Bereichsleitung

· Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes in den jeweiligen Gruppen

· Fallmanagement im Hilfeprozess; überwachen der Fallverläufe

· Anleitung/ Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen



Folgende Aufgaben der Sachgebietsleitungen werden von der Bereichsleitung übernommen:

· Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes des Notaufnahmebereichs
· Ansprechpartner*in Bürger*innen, Verwaltung und weitere Kooperationspartner*innen
· Beschwerdemanagement für Kooperationspartner*innen, Bewohner*innen, Eltern in Abstimmung mit den Gruppenleitungen
· Ansprechpartner*in für alle Mitarbeiter*innen und die Gruppenleitungen


Zu Beschlussantrag 5.

Auf der Grundlage des SGB VIII werden die Kosten für den Betrieb der Inobhutnahme durch Entgelte finanziert. Das Entgelt wurde letztmalig im Jahr 2019 getrennt nach Stuttgarter ION und UMA-ION neu festgesetzt. Aufgrund der notwendigen Anpassung der Personalausstattung in Beschlussantrag 2 und 3 ist eine Entgelterhöhung in der Stuttgarter ION zur Deckung der Personalmehrkosten erforderlich. Der hierfür kalkulierte Entgeltsatz der Stuttgarter ION ist ab 01.01.2023 auf 614,03 EUR pro Belegungstag festzusetzen.

Der erhöhte Entgeltsatz führt zu Mehraufwendungen im Bereich der Wirtschaftlichen Jugendhilfe entsprechend der Darstellungen im Abschnitt Finanzielle Auswirkungen.


Finanzielle Auswirkungen


Die aus den Beschlussanträgen 2. – 3. resultierenden Personalkosten stellen sich wie folgt dar.


Beschlussantrag 2. - Personalmehrbedarf S-ION
11,07
VZK
S 15
788.000,00 €
Beschlussantrag 3. - Teilfreistellungen der Gruppenleitungen S-ION
1,5
VZK
S 16
114.000,00 €
Mehrkosten Personal insgesamt pro Jahr 902.000,00 €

(Quelle: Kosten eines Arbeitsplatzes, Stand Juli 2022)


Darstellung im Ergebnishaushalt des Jugendamts (+ Entlastung / - Belastung)

2023
2024
2025 ff
Inobhutnahme (Personalmehraufwand/Entgelterhöhung)
- Mehrerträge Entgelterhöhung
902.000
902.000
902.000
- Mehraufwand Personalkosten
-902.000
-902.000
-902.000
Saldo ION
0
0
0
Wirtschaftliche Jugendhilfe
- Mehraufwand durch höhere Entgelte
-902.000
-902.000
-902.000
Saldo Wirtschaftliche Jugendhilfe
902.000
902.000
902.000
Gesamtsaldo
902.000
902.000
902.000



Beteiligte Stellen

Die Referate AKR und WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen




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