Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
272
1
VerhandlungDrucksache:
627/2014
GZ:
Sitzungstermin: 01.10.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Meier-Berberich (SSB)
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Anpassung der ÖPNV-Finanzierung zwischen LHS und Verbundlandkreisen

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.09.2014, GRDrs 627/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Gemeinderat stimmt dem Abschluss des Vertrages über die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und den Verbundlandkreisen (ÖPNV-Vertrag) und dem Sideletter zum Vertrag in der beiliegenden Fassung zu.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Zum Sachvortrag von Herrn Meier-Berberich, dem Kaufmännischen Vorstand der SSB, wird die beigefügte Präsentation gezeigt.


Er trägt insbesondere vor, es handle sich um einen Punkt, der letztendlich ein Vertragsverhältnis zwischen den Landkreisen und der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) abbildet. Die SSB sei durch seine Person heute deshalb vertreten, da die SSB bisher Vertragspartner war. Allerdings gehe es auch in Zukunft um Gelder, die der Finanzierung des durch die SSB erbrachten ÖPNVs dienen. Der finanztechnische Vorgang, wie die Mittel von der Stadt zur SSB transferiert werden, werde intern zwischen der Beteiligungsverwaltung und der SSB geklärt.

Auslöser für die Anpassung ist u.a. die Finanzierung der Busverkehre in den Landkreisen in der sogenannten Verbundstufe II (nicht die Verkehre in der LHS). An deren Finanzierung beteilige sich die LHS über die Verkehrsumlage. Ab dem 01.01.2015 werde die Allgemeine Vorschrift (AV) in Kraft treten. Diese werde Auswirkungen auf die Finanzströme im Rahmen der Verkehrsumlage haben. De facto werde dann weniger Geld für die Busverkehre in der Verbundstufe II über die Verkehrsumlage finanziert. Damit sinke der Anteil der LHS.

Bei Eintritt in die Verhandlungen zur Herstellung einer zukunftsfähigen Basis habe vor drei Jahren u.a. die Prämisse bestanden, dass keine Mittelumverteilung zwischen den Landkreisen und der Stadt Stuttgart durch die Anpassung der ÖPNV-Finanzierung erfolgen soll. Da durch die Anwendungsvereinbarung jedoch eine Entlastung für Stuttgart entstehen wird, habe man zum Ausgleich eine Entlastung der Landkreise benötigt. Dafür sei angedacht worden, den Verkehrslastenausgleich (VLA) heranzuziehen.

Darüber hinaus hätten sich bei der SSB bestimmte europarechtliche Probleme ergeben. So erbringe die SSB, und dies sei im VLA-Vertrag auch so abgebildet, bestimmte Linienleistungen außerhalb der LHS. Diese Leistungen unterteilten sich in die folgenden drei verschiedenen Pakete:

- Stadtbahn außerhalb des Gebiets der LHS (sogenannte aus- und einbrechende Verkehre). Diese unterteilten sich wiederum in zwei Kategorien (Altverträge, neue Linien wie beispielsweise die U7 nach Ostfildern). Zu den neuen Linien gebe es neue Verträge, die nicht im VLA inkludiert seien.

- sogenannte Ein- und ausbrechende Verkehre aus dem Gebiet der LHS und

- echte Außenbuslinien ohne Bezug zur LHS. In der Vergangenheit habe die SSB auch solche Konzessionen erhalten. Zu über 90 % setze die SSB für die Außenbuslinien Fremdunternehmen ein. Nach Europarecht seien diese Außenbuslinien, wenn die SSB eine Direktvergabe von der Stadt Stuttgart künftig erhalten sollte - worüber in den nächsten Jahren noch verhandelt werden müsse -, nicht zulässig. Im Rahmen der Betreuung könnten solche Fahrten durch die SSB aber nur noch bis 2018 durchgeführt werden. Diese Linien müssten also mittelfristig abgegeben werden. Aus ökonomischer Sicht handle es sich dabei nicht um besonders erfolgreiche Linien; für die dort entstehenden Verluste erhalte die SSB Gelder über den VLA. Möglich wäre es gewesen, dass die SSB diese Linien kündigt / nicht erneut beantragt. Dies hätte jedoch eine Belastung der Landkreise und eine indirekte Entlastung für die LHS bedeutet. Angesichts der erwähnten Prämisse habe auch dieser Posten verrechnet werden müssen.

Letztlich sei die Formel entstanden "heutige Zahlungen abzüglich der Entlastung der LHS, abzüglich des Defizits der Außenbuslinien". So ergebe sich die Summe, die künftig die LHS erhält. Glücklicherweise ergebe sich dabei in etwa die Summe, die die SSB für die ausbrechenden Verkehre aufwendet. Insofern bestehe ein echter Leistungsbezug. Wenn also in Zukunft erklärt werden sollte, für die und die Leistungen werde nichts mehr bezahlt, müsste/könnte die SSB eine entsprechende Leistungskürzung vornehmen. Da auch die Landkreise dem Verhandlungsergebnis zustimmen wollen, gebe es in Zukunft eine von allen Beteiligten akzeptierte Lösung.

Trotz der Prämisse "keine Umverteilung" sei akzeptiert worden, dass sich die erbrachte Leistung jährlich verteuert. Deshalb werde eine Dynamik eingeführt. Richtig sei, dass die Kostensteigerungen über der vereinbarten Dynamik von 1,6 % liegen, aber mit berücksichtigt worden sei, dass die LHS um Teile, die ebenfalls einer Dynamik unterliegen, entlastet wird. Diese Entlastung sei in der Dynamik gegengerechnet worden. Dies sei der Grund für die unterproportionale 1,6%ige Dynamik. Die Gegenrechnung basiere auf diversen Kalkulationen bezogen auf viele Jahre. Diese Dynamik ergebe für die LHS gegenüber dem Status quo eine leichte Verbesserung.

Darüber hinaus gebe es noch den Verbundlastenausgleich. Dieser werde von den Landkreisen an die LHS bezahlt. Hier gebe es bereits seit Jahren eine 2%ige Dynamik. Mit dem neuen Vertrag werde dieser Teil ebenfalls auf eine zukunftsfähige europarechtskonforme Basis gestellt.

Für die Berichterstattung bedanken sich StR Sauer (CDU), StR Stopper (90/GRÜNE), StR Körner (SPD), StRin von Stein (FW), StR Klingler (FDP), StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) und StR Prof. Maier (AfD). Zudem wird von diesen Ratsmitgliedern Zustimmung zum Beschlussantrag signalisiert. Einvernehmen besteht darüber, dass es sich um eine hoch komplexe Materie handelt. StR Stopper spricht davon, dass nun eine Anpassung auf hohem Niveau möglich wird. Seiner Einschätzung nach besteht bei den Bürgern insgesamt der Wunsch einer Vereinfachung des ÖPNV-Verbundes.

EBM Föll führt aus, als der VLA vertraglich und gesetzlich 1995 eingeführt worden sei, sei dies ein Stadt-Umland-Ausgleich gewesen, in dem die Sonderlasten der LHS einschließlich SSB durch die Vertragspartner Landkreise und Land Baden-Württemberg ausgeglichen wurden. Die finanzielle Dimension dieses Vertrages sei erheblich. Den VLA durch die Landkreise in Höhe von 13,8 Mio. € habe es vorher nicht gegeben. Bis dahin habe die Stadt bzw. die SSB diese Lasten getragen.

Hinzu komme, dass die LHS zu diesem VLA vom Land noch rund 7,5 Mio. € erhält. Die Thematik sei in der Vergangenheit erheblich umstritten gewesen.
Nicht zuletzt die Landkreise hätten in den 90er-Jahren eine Klage dagegen angestrengt. Dieser Klage sei dann aber nicht stattgegeben worden.

Insoweit sei es eine gute Leistung, dass nun im Rahmen dieses öffentlich-rechtlichen Vertrages dieser Ausgleichsmechanismus auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt wird, angepasst an die EU-Verordnung und die AV.

Im Kern werde mit diesem Vertrag der VLA dauerhaft festgeschrieben. Dem komme für die zukünftige Finanzierung eines leistungsfähigen ÖPNV hohe finanzielle Bedeutung zu. Positiv sei hervorzuheben, dass mit diesem Vertrag die Landeshauptstadt Stuttgart und die Landkreise ihre Handlungsfähigkeit beweisen, durchaus auch komplexe Sachverhalte gemeinsam zu regeln.

Die zukünftig wohl mögliche Direktvergabe an die SSB begrüßen StR Sauer, StR Stopper und StR Rockenbauch.

Im Gegensatz zu StR Sauer, welcher positiv wertet, dass durch die nun anstehende Anpassung das in der Vergangenheit von OB Dr. Schuster initiierte Eckpunktepapier umgesetzt wird, merkt StR Stopper kritisch an, damals sei durch dieses Papier das Verhältnis zur Region beschädigt worden.

StR Stopper plädiert dafür, seitens der Stadt zu versuchen, alle bestehenden ÖPNV-Finanzierungsströme aufzuzeigen, um so eine bessere Transparenz zu erreichen. Gleiches sollte bei den Subventionen für den motorisierten Individualverkehr geschehen. Dies wäre für zukünftige verkehrspolitische Debatten hilfreich. Unterstützt wird diese Position von StR Rockenbauch.

Von EBM Föll wird zugesagt, in den nächsten Monaten die nachgefragten Finanzierungsströme zusammenzustellen und diese dann im 1. Quartal 2015 vorzustellen. Auf entsprechende Informationen sei heute verzichtet worden, um die zur Beratung stehende schwierige Materie nicht noch weiter zu komplizieren. Heute sei lediglich der Ausschnitt bezüglich des ÖPNV-Vertrages mit den Landkreisen dargestellt worden.

Zur Frage von StR Klingler, weshalb die SSB nicht mehr Vertragspartner ist bzw. weshalb es sich nun um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen den Landkreisen und der Landeshauptstadt Stuttgart handelt, verweist EBM Föll auf das EU-Recht. Die SSB dürfe demnach nicht mehr als Vertragspartner auftreten. Daher habe man sich für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages entschieden. Dies sei insoweit unschädlich, als auch der VLA des Landes schon immer an die LHS erfolgt ist und dieser von der Stadtverwaltung an die SSB eins zu eins weitergeleitet wird. Der Verwaltungsaufwand in diesem Kontext sei überschaubar. Es werde lediglich eine Durchleitung der Mittel vorgenommen. Sollte der Gemeinderat dem zur Beratung stehenden Vertrag zustimmen, würde man in gleicher Weise mit den Zahlungen der Landkreise umgehen. Die SSB werde bis 2018 so gestellt, dass sie die 13,8 Mio. €, die sie heute erhält, auch in den kommenden Jahren erhält. Dies sei möglich, ohne hierfür eine zusätzliche Haushaltsbelastung vorzunehmen, da die Landeshauptstadt ab 01.01.2015 bei der Verkehrsumlage an den Verband Region Stuttgart entlastet wird.

Wie sich die Entwicklung ab 2019 darstellt, und damit greift er Fragen von StR Sauer und StR Körner auf, müsse im Rahmen der Direktvergabe geklärt werden. Die Direktvergabe sei ein Prozess, der zwischen SSB und LHS stattfindet. Hier werde der Gemeinderat nicht einfach die Vergabe der Verkehrsleistungen an die SSB beschließen können, sondern für diese Vergabe habe der Gemeinderat auch Rahmenbedingungen zu definieren.

Über die Rahmenbedingungen müsse zwischen Stadt und SSB verhandelt werden. Mit dem Vertrag werde ein Bereich geregelt, der zur Sicherstellung der Direktvergabefähigkeit notwendig ist. Direktvergabe bedeute Inhouse-Vergabe. Aufgrund der EU-Vorschrift ergebe sich im Nahverkehr diese veränderte Begrifflichkeit. Wenn diese Direktvergabefähigkeit nicht sichergestellt würde, müssten diese Verkehrsleistungen zwangsweise ausgeschrieben werden. Daher sei es bedeutsam, die Themen, die bisher einer Direktvergabe ab 2019 im Wege stehen, sukzessive zu regeln. Die Anzahl der Themen sei überschaubar, und von daher werde es gelingen, die Direktvergabefähigkeit sicherzustellen. Die Klärung werde in den nächsten zwei bis drei Jahren mit der SSB erfolgen. Der Gemeinderat werde dabei eingebunden.

Daran anknüpfend berichtet Herr Meier-Berberich, der die Ausführungen von EBM Föll zur Bedeutung des ab 2019 zwischen der SSB und der LHS abzuschließenden Vertrages unterstreicht, die SSB befinde sich in Verhandlungen, um die thematisierte Finanzierungslücke ausgleichen zu können. Bei der angesprochenen Direktvergabe werde es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag handeln. Es entspreche dem Willen der EU, hierfür Transparenz zu schaffen. Häufig werde kritisiert, dass die ÖPNV-Finanzierung sehr komplex ausgestaltet ist. Wenn man sich aber mit dieser Materie auseinandersetzt, relativiere sich dies. Im Laufe der Jahre sei zur Finanzierung der Verkehre ein Solidarsystem innerhalb des Verbundraumes erschaffen worden. Wenn der Wille besteht, gemeinsam Verkehre anzubieten, wobei Verkehre nicht an den Grenzen einer Stadt enden, müsse Klarheit darüber bestehen, dass Verkehr dort stattfindet, wo die Bürger eines gewissen Raumes sich bewegen. Vor diesem Hintergrund seien Verkehrsverbünde entstanden. Für diese hätten gemeinsame Finanzierungen erarbeitet werden müssen. Insbesondere gelte dies für die von der Region finanzierte S-Bahn. Eine einfache Finanzierungsstruktur würde dazu führen, dass jeder nur die Finanzierung für seinen Part übernimmt. Die Folge wäre eine Aufkündigung des Solidarsystems und eine Gefährdung der Verbünde.

Unterstrichen wird von Herrn Meier-Berberich, beim heutigen Thema spiele die Region bei der Finanzierung keine Rolle. Die Region sei jedoch im Sinne von informiert voll involviert. Die stattgefundenen Verhandlungen seien durch den Streit zwischen den Landkreisen und der Region über die Zuständigkeit für die Busverkehre der Verbundstufe II erschwert worden. Zwar spielten diese Busverkehre hier mit hinein, aber eigentlich hätten diese mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun. Insofern sei die SSB sehr dankbar für die erhaltene Unterstützung. Auch von OB Dr. Schuster seien die Grundlagen geschaffen worden, um die Verhandlungen überhaupt führen zu können. OB Kuhn habe dieses dankenswerterweise weiter unterstützt.

Der zur Beratung anstehende Vertrag spiele im ÖPNV-Pakt im Übrigen keine Rolle. Im Rahmen dieses Paktes seien andere anstehende Themen behandelt worden.

Gemeinsam mit der Region und der Bahn führe die SSB zum Thema Einnahmeverteilung Gespräche. Die Landkreise werden hier gemäß ÖPNV Pakt durch die Region eingebunden.


Hier gehe es um einen Topf von über 400 Mio. €, von dem die SSB nahezu 50 % erhält. Eine Klärung sei nicht in den nächsten Wochen zu erwarten. Die SSB sei sich ihrer Verantwortung bewusst, hier sehr sensibel und vorsichtig vorzugehen. Mittel, die hier verlorengingen, würden das Defizit der SSB, welches die Landeshauptstadt Stuttgart abdeckt, erhöhen.

Zum Ende seiner Ausführungen bedankt sich Herr Meier-Berberich für die Unterstützung im Verlauf der Verhandlungen. Namentlich nennt er Frau Füller-Mend und Herrn Vaas (beide Stadtkämmerei) sowie Herrn Steimer (T/V-I).


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt EBM Föll diesen Tagesordnungspunkt ab, indem er feststellt:
zum Seitenanfang