Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
392
29
VerhandlungDrucksache:
674/2020
GZ:
JB/SI
Sitzungstermin: 23.09.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:die Vorsitzende, BMin Dr. Sußmann, Frau Schütz (JB-BiP)
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Lernräume für Kinder und Jugendliche in Gemeinschaftsunterkünften

Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration und des Referats Jugend und Bildung vom 10.09.2020, GRDrs 674/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Das Konzept zur Verbesserung der Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete wird zur Kenntnis genommen.

2. Die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft wird mit der Initiierung und Begleitung von zwei Lernräumen in zwei Gemeinschaftsunterkünften als Modellprojekt (September 2020 bis September 2022) beauftragt, dies erfolgt in enger Abstimmung mit dem Sozialamt (Abteilungen 50-402, 50-5 und 50-6).

3. Der Aufwand für die Ausstattung und die Personalkosten zur Koordination der Räume in Höhe von insgesamt 163.970 EUR wird für die Zeit des Modellprojekts in den Haushaltsjahren 2020 bis 2022 entsprechend der Darstellung im Abschnitt "Finanzielle Auswirkungen" im THH 810 - Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107080 - Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, Kontengruppe 440 - sonstige ordentliche Aufwendungen gedeckt.

4. Der Annahme der Zuwendung durch die Stiftung Jugendhilfe mit dem Förderbescheid vom 03.08.2020 in Höhe von 20.000 Euro wird zugestimmt, um anteilig die Gesamtkosten des Vorhabens abzudecken.

5. Die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft wird beauftragt, das Modellvorhaben schrittweise auf weitere Gemeinschaftsunterkünfte, in Abstimmung mit dem Sozialamt (50-402, 50-5 und 50-6), zu übertragen.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Im Verlauf der Corona-Pandemie, so BMin Fezer, sei deutlich geworden, dass das Thema Bildungsgerechtigkeit nach wie vor ständig bearbeitet werden müsse. Es gebe Kinder und Jugendliche, die gerade im Verlauf von Krisenzeiten große Mühe hätten, dem Schulunterricht, insbesondere Fernunterricht, zu folgen. Gezeigt habe sich zudem in der Krise, dass gerade Kinder, die zu Hause nicht die Möglichkeit haben, in Ruhe zu arbeiten, besondere Räume benötigten. Dies betreffe besonders Kinder in Flüchtlingsunterkünften. Diese verfügten aufgrund der dort beengten Räumlichkeiten über keine Rückzugsräume, in denen sie nachmittags lernen könnten. Für diese Kinder wolle die Verwaltung in Flüchtlingsunterkünften Lernräume etablieren. In einem ersten Schritt seien dafür zwei Standorte identifiziert worden. Die Räumlichkeiten sollen mit dem erforderlichen Mobiliar ausgestattet und zudem solle eine technische Ausstattung sowie eine pädagogisch soziale Betreuung bereitgestellt werden. Diese Lernräume sollen wirklich ausschließlich zum Lernen genutzt werden.

Die Prüfung, ob hierfür ebenfalls Standorte/Räume im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften in Frage kommen, habe zum Ergebnis geführt, dass solche Räume nicht angenommen werden, gerade, wenn es um jüngere Kinder gehe. Dies bedeute, es würden geschützte Räume in den Unterkünften oder in deren unmittelbarer Nähe benötigt, damit ein solches Angebot angenommen werde.

Zu den beiden bereits identifizierten Einrichtungen sollen weitere zwei hinzukommen. Hierzu seien bereits Fördermittel durch die Rudolf und Hermann Schmid-Stiftung zugesagt.

Positiv zu der Vorlage äußern sich StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE), StRin Ripsam (CDU), StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), StRin Meergans (SPD), StRin Yüksel (FDP) und StRin von Stein (FW). Von StRin Nuber-Schöllhammer wird dabei an den Antrag Nr. 127/2020 "Situation der Familien während der Covid 19-Pandemie" vom 24.04.2020 sowie an den Antrag Nr. 385/2020 "WLAN in Unterkünften für Geflüchtete" vom 22.09.2020 erinnert. StRin Ripsam geht von Kindern mit Schulzugang aus. Das zur Beratung stehende Angebot passt für StR Rockenbauch zu der Vielfältigkeit Stuttgarts. Von ihm wird auf Anträge seiner Fraktion verwiesen, die zum Ziel haben, Familien mit Kindern außerhalb von großen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Auf Unterstützungsbedarfe angesichts schwieriger Lernsituationen von Kindern, beispielsweise in Frauenhäusern, weist StRin Yüksel hin.

StRin Nuber-Schöllhammer, StR Rockenbauch, StRin Meergans, StRin Yüksel und StRin von Stein wünschen sich deutlich mehr als zwei Lernräume bzw. ein flächendeckendes Angebot. Hinterfragt wird, ob die zweijährige Versuchsdauer notwendig ist. Im Rahmen des Qualitätsentwicklungsfonds bittet StRin Ripsam zu schauen, ob für weitere Lernräume Finanzmittel aktiviert werden können.

Seitens der Vorsitzenden, die sich für die positive Resonanz bedankt, wird im Verlauf der Aussprache eingeräumt, sie habe zum Beschlussantrag und zum verfolgten Ansatz ein positives Votum vermutet. Daher habe es die Verwaltung bereits vor der Sommerpause als nicht sinnvoll angesehen, die heutige Beratung abzuwarten und erst anschließend in die Umsetzung einzutreten. Vielmehr sei angesichts des Schulbeginns Anfang September und des damit einhergehenden Unterstützungsbedarfs bereits vor der Sommerpause mithilfe der finanziellen Möglichkeiten von JB-BiP begonnen worden, die zur Beschlussfassung stehenden Lernräume auszustatten.

Zudem sei bereits begonnen worden, nach weiteren Standorten Ausschau zu halten. Wie bereits erwähnt, hätten dazu Finanzmittel der Rudolf und Hermann Schmid-Stiftung für weitere zwei Standorte akquiriert werden können. Außerdem, dies habe sie in ihrem Sachvortrag nicht erwähnt, wolle man einen Lernbus auf den Weg bringen. Dieser solle Flüchtlings-/Gemeinschaftsunterkünfte anfahren, um dort ebenfalls einen Lernraum zur Verfügung zu stellen. Dessen Finanzierung werde noch erstellt. Insofern sei der Begriff Modellprojekt etwas missverständlich. Gegebenenfalls werde die Verwaltung mit dem Thema Lernbus nochmals auf den Rat zukommen.

Wortmeldungen von StRin Nuber-Schöllhammer, StRin Ripsam, StR Rockenbauch und StRin Meergans aufgreifend erklärt BMin Fezer weiter, in den Gemeinschaftsunterkünften bestehe ein Raumproblem. Daher sei es für die Referate SI und JB nicht einfach gewesen, dort Lernräume zur Verfügung zu stellen, und es werde auch nicht einfach werden, für weitere Standorte Lösungen zu finden.

Anschließend berichtet BMin Dr. Sußmann zu einer Frage von StRin Nuber-Schöllhammer, momentan gebe es vier Standorte für Lernräume. Es werde nicht in allen Unterkünften möglich sein, solche Räume zu etablieren. Das Sozialamt führe derzeit eine entsprechende Suche durch. Dabei würden Faktoren wie "Besuchen die Kinder eine Ganztagsschule oder nicht?" abgeprüft. Wahrscheinlich eigneten sich nur größere Unterkünfte. Die anderen müssten über den Lernbus abgedeckt werden. Bei einem verbleibenden Rest müsse die Inanspruchnahme angrenzender Möglichkeiten, wie Schulen, untersucht werden.

Zum Thema Ehrenamt fährt sie fort, gestartet werden solle mit einer hauptamtlichen Koordinatorin/einem hauptamtlichen Koordinator. Angesichts der Aufgabenbedeutung werde es abgelehnt, dass die Unterkünfte jeweils eine Person für einen Lernraum abstellt, die die damit verbundenen Aufgaben "nur mitmacht". Die Verwaltung sehe das angedachte System als fließend/atmend an. Die Suche nach Geldgebern dauere an, und es sei auch an eine medienwirksame Vermarktung des Projekts gedacht. Durch die so erreichte Aufmerksamkeit, und damit beantwortet sie Fragen der StRinnen Meergans und Fischer, werde gehofft, Ehrenamtliche gewinnen zu können. Schlussendlich wäre es begrüßenswert, wenn sich das System auflösen könnte. Die Familien sollen bekanntlich befähigt werden, sich selbst diesem Thema anzunehmen. In fünf Jahren, so die Idealvorstellung, sollte ein inklusives System bestehen (alle Kinder eines Stadtteils besuchen einen gemeinsamen Lernraum). Da es Eltern von Flüchtlingskindern derzeit noch mit Sorge betrachteten, wenn insbesondere jüngere Kinder die Unterkunft verlassen sollen, würden solche Angebote noch nicht in Anspruch genommen. Das Konzept solle ständig angepasst werden, und von daher wolle man auch nicht, und hier greift sie eine Äußerung von StR Rockenbauch auf, in einen flächendeckenden Roll-out gehen.

Von StRin Ripsam wird der angesprochene Lernbus als gute und einfache Möglichkeit angesehen, flexibel auf Bedarfe einzugehen. In diesem Zusammenhang geht Frau Schütz auf den kurz vor den Sommerferien durch das Land erfolgten Förderaufruf "Starke Kinder chancenreich" ein. Die Stadt habe hierzu einen Förderantrag für die Idee des Lernbusses gestellt. Damals seien der Verwaltung nach der Berichterstattung über die Lernraumidee bereits Rückmeldungen des Rates bekannt gewesen. Schon damals habe die Verwaltung deutlich gesagt, zwei Lernräume seien gut, aber notwendig seien auch ein Ausbau sowie mobile Lösungen. In dieser Phase sei der Aufruf des Landes erfolgt, zu dem dann die Lernbus-Konzeption erstellt worden sei. Gespannt werde auf das Jury-Ergebnis Anfang Oktober gewartet. Gleichermaßen hätten sich Möglichkeiten ergeben, Stiftungen und Unternehmen zwecks finanzieller Unterstützung anzusprechen. Sobald für den Lernbus Gelder vorhanden seien, könne in die Umsetzung gegangen werden.

Weitere Fragen von StRin Ripsam beantwortend berichtet Frau Schütz, die Koordinatoren/der Koordinator solle entsprechend der Bedarfe der Kinder/der Jugendlichen einer Unterkunft unter Einbeziehung ehrenamtlicher Kräfte und möglicherweise von Honorarkräften (z. B. für Mathe-Intensivtraining) eine Art Wochen-/Stundenplan erstellen. Es werde sich also um ein rollierendes System handeln, in dessen Rahmen die Lernräume über die Woche mit unterschiedlichen Angeboten bespielt würden. Möglicherweise unterschieden sich die Pläne von Unterkunft zu Unterkunft. Deshalb solle vor Ort eine hauptamtliche Kraft eingesetzt werden. Diese solle mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entsprechend der jeweiligen Bedarfe und Möglichkeiten vor Ort agieren. Der Fokus solle auf einer individuellen Begleitung der Kinder/Jugendlichen liegen. Von daher solle es kürzere Lernzeitfenster über die Woche verteilt geben.

Von StRin Ripsam wird Wert darauf gelegt, dass die WLAN-Nutzung in den Unterkünften dazu genutzt wird, Deutschkenntnisse zu verbessern.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, stellt BMin Fezer fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt einstimmig wie beantragt.

zum Seitenanfang