Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser
Gz: AK 0501-03
GRDrs 640/2012
Stuttgart,
11/16/2012



Übertarifliche Vergütung an pädagogische Springkräfte in den Tageseinrichtungen für Kinder beim Jugendamt



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
28.11.2012
06.12.2012



Beschlußantrag:

Die pädagogischen Springkräfte in den Tageseinrichtungen für Kinder in städtischer Trägerschaft werden ab 01.09.2012 übertariflich nach Entgeltgruppe S 8 eingruppiert.


Begründung:


1. Übertarifliche Eingruppierung Springkräfte Die pädagogischen Springkräfte für Tageseinrichtungen für Kinder sind Erzieher/-innen in Entgeltgruppe S 6 TVSuE und erhalten derzeit auf Grundlage der GRDrs 222/1990 eine unbefristete übertarifliche Zulage in Höhe von 75% zwischen den Stufen 1 der Grundvergütungen aus den Vergütungsgruppen VI b BAT und V c BAT. Grundlage hierfür waren die damalige Personalsituation in den Kindertagesstätten und die spezifischen Aufgaben von Springkraftstellen, die vom Tarifvertrag über die Eingruppierung der Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst vom 19.06.1970 nicht erfasst waren.

Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 27. Juli 2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gibt es seit dem 01. November 2009 für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst bei den Kommunen neue tarifliche Regelungen. Jedoch sind auch in diesem neuen Tarifvertrag die pädagogischen Springkräfte für Tageseinrichtungen für Kinder nicht besonders berücksichtigt worden, sodass sich keine höhere Eingruppierung für diese Beschäftigten ergibt.

Gemäß dem aktuellen Tarifvertrag gilt, dass für eine Heraushebung aus der Grundtätigkeit einer Erzieherin/ eines Erziehers (S 6) und einer daraus resultierenden höheren Stellenbewertung (S 8) als erforderliches Tarifmerkmal eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit im Umfang von mind. 50% der Gesamttätigkeit vorliegen muss. Beispiele für eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit sind unter Protokollerklärung Nr. 6 aufgezeigt (vgl. Anlage). Eine Bewertung der den pädagogischen Springkräften übertragenen Tätigkeiten in Entgeltgruppe S 8 ist deshalb nicht tarifgerecht.

Die Komplexität der Aufgabenstellung in den Stuttgarter Kindertageseinrichtungen wird nach Auffassung der Verwaltung mit den geltenden Tarifmerkmalen nicht im notwendigen Maße berücksichtigt. Deshalb wird die Zahlung einer Zulage für pädagogische Springkräfte für nicht mehr angemessen gehalten und stattdessen eine übertarifliche Eingruppierung der pädagogischen Springkräfte nach Entgeltgruppe S 8 vorgeschlagen. Dies auch vor dem Hintergrund der schwierigen Personalgewinnungssituation.

Bei einer übertariflichen Eingruppierung werden die pädagogischen Springkräfte nach den tariflichen Bestimmungen des § 17 Abs. 4 TVöD von Entgeltgruppe S 6 nach Entgeltgruppe S 8 höhergruppiert. Sie erhalten dann ein individuelles höheres Entgelt in EG S 8, je nach bisheriger Stufenzuordnung in EG S 6. Dieser Unterschiedsbetrag nach Höhergruppierung kann bei Vollzeitbeschäftigung zwischen 63,54 € und 275,34 € monatlich liegen. Bisher wurde bei der Zulagengewährung aufgrund GRDrs 222/1990 ein Festbetrag bei Vollzeitbeschäftigung von 80,32 € pro Monat zusätzlich zum Gehalt in EG S 6 gezahlt.

Die Verwaltung hat alternativ auf Vorschlag des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) die Zahlung einer Arbeitsmarktzulage geprüft. Diese Zulage könnte entsprechend der GRDrs 49/2012 gewährt werden (eine befristete Zulage bis zur Dauer von 5 Jahren – längstens jedoch bis zu einer tariflichen Regelung – in Höhe von bis zu 20% der Stufe 2 der EG S 6.) Die Höhe könnte auf den durchschnittlichen monatlichen Unterschiedsbetrag zwischen EG S 6 und EG S 8 von 370 € pro Monat angepasst werden.

Die Arbeitsmarktzulage ist jedoch ein auf den Einzelfall bezogenes Instrument zur Personalrekrutierung und wurde nicht für den Fall konzipiert, Schwächen in den Eingruppierungskriterien zu korrigieren. Die Verwaltung hat sich dazu entschieden, dieses Instrument nicht vorzuschlagen, da sonst aufwändige Einzelfallprüfungen erforderlich wären.

Dem Jugendamt standen vor Umsetzung der Kindertagesstättenverordnung (KiTaVO) 16,1 Stellen im Springkraftpool zur Verfügung. Bislang wurde die Anzahl der Springkräfte an der Gruppenanzahl in den Tageseinrichtungen für Kinder bemessen. Für 34 Gruppen wurde eine 1,0 Stelle für Springkräfte zur Verfügung gestellt. Für Früh- und Spätdienste wurden keine Springkraftstellen zur Verfügung gestellt.

Im Kontext mit der Umsetzung der KiTaVO wurde im Jugendamt entschieden, dass die 8% an Stellenanteilen für Ausfallzeiten, die in den Mindestpersonalschlüsseln enthalten sind, ganz oder zum Teil herausgezogen werden -auch aus den Gruppen für Früh- und Spätdienst. Diese herausgezogenen Stellenanteile werden einem Springkraftpool zugeordnet und mit Springkräften besetzt. Bezogen auf Krippen- und Hortgruppen, die nicht von der KiTaVO betroffen sind, hat sich nichts verändert. Entsprechend dem bisherigen Schlüssel für Springkräfte werden je Gruppe hier weiterhin Stellenanteile im Umfang von 0,0294 zur Verfügung gestellt, dem Springkraftpool zugeordnet und mit Springkräften besetzt.

Nach aktuellem Stand (16.08.2012) berechnet sich für den Springkraftpool nun insgesamt ein Stellenumfang von 85,1 Stellen. 16,1 Stellen davon waren bereits vorhanden. Die darüber hinaus benötigten Stellen wurden im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits in S 8 geschaffen.

Für Springkräfte in den sozialpädagogischen Heimen und der Verlässlichen Grundschule beim Jugendamt bleibt es bei der bisherigen Regelung der GRDrs Nr. 222/1990.


2. Übertarifliche Eingruppierung aller Erzieher/-innen in S 6

Die Stadt Stuttgart ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und bekennt sich dazu, dass sie grundsätzlich ein tarifgebundener Arbeitgeber ist. Ein Ausstieg aus der Tarifgebundenheit ist von der Verwaltung nicht gewünscht. Eine übertarifliche Regelung soll immer nur dann erfolgen, wenn für eine spezielle Sondersituation kein geeignetes tarifliches Instrument vorhanden ist. Mit dieser Vorlage soll kein genereller Ausstieg aus dem Tarifsystem erfolgen, sondern nur eine partielle Korrektur, in einem Bereich, in welchem aus Sicht der Verwaltung der Tarifvertrag nicht ausreichend regelt.

Darüber hinaus hätte diese Entscheidung gravierende finanzielle Auswirkungen. Eine Höhergruppierung aller Erzieher/-innen beim Jugendamt und Schulverwaltungsamt von EG S 6 nach EG S 8 würde einen finanziellen Mehraufwand für insgesamt 897,15 betroffene Stellen beim Jugendamt und 212,78 Stellen beim Schulverwaltungsamt in Höhe von insgesamt 4.106.769 € bedeuten. Der Unterschiedsbetrag der durchschnittlichen jährlichen Vergütung von EG S 6 zu EG S 8 beträgt im Jahr 2013 pro Vollzeitkraft
3.700 € jährlich/ 308 € monatlich. (Antrag Nr. 320/2012 Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, Frage NR. 4; Antrag Nr. 321/2012 SPD-Gemeinderatsfraktion; Antrag Nr. 342/2012, FDP-Gemeinderatsfraktion)

Zudem hätte dieses Vorgehen auch Auswirkungen auf die Freien Träger, was wegen der Anpassung der dortigen Vergütungsregelungen zu einer Kostenexplosion bei der Kinderbetreuung führen könnte.

3. Großstadtzulage

Die Zahlung einer Großstadtzulage von 100 € im Monat pro Erzieher/-in für 897,15 Stellen beim Jugendamt und 212,78 Stellen beim Schulverwaltungsamt würde einen finanziellen Mehraufwand von 1.331.925 € bedeuten.

Die Zahlung einer außertariflichen Großstadtzulage an nur eine Beschäftigtengruppe innerhalb der Stadtverwaltung Stuttgart wäre eine unterschiedliche Behandlung der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht vermittelbar wäre. Von der Situation der höheren Lebenshaltungskosten sind alle Mitarbeiter/-innen der Stadtverwaltung Stuttgart betroffen, die im Ballungsraum Stuttgart wohnen. (Antrag SPD-Gemeinderatsfraktion Nr. 321/2012)


Finanzielle Auswirkungen

Übertarifliche Eingruppierung Springkräfte Im Teilstellenplan des Jugendamts stehen bereits die erforderlichen Stellen in Entgeltgruppe S 8 zur Verfügung, so dass eine Eingruppierung der zusätzlichen Springkräfte in S 8 haushaltsneutral ohne Entstehung von Mehrkosten erfolgen könnte.
Die Höhergruppierung der Beschäftigten auf den bereits vorhandenen 16,1 Stellen würde zu jährlichen Personalmehrkosten in Höhe von gerundet 38.100 € führen.

Dieser Betrag wurde wie folgt berechnet:
Der jährlicher Unterschiedsbetrag zwischen Entgeltgruppe S 6 und S 8 beträgt nach den städtischen Durchschnittssätzen vom August 2012 3.600 € (der Durchschnittswert für das Jahr 2013 beträgt 3700 €).

Dies ergibt für 16,1 Stellen jährliche Personalmehrkosten in Höhe von: 57.960 €.
Da jedoch für die 16,1 Springkraftstellen bereits jährlich übertarifliche
Zulagen zuzüglich Arbeitgeberkosten geleistet wurden,
verringern sich die Personalmehrkosten um diesen Betrag. -19.863 €
Dies ergibt gerundet Personalmehrkosten von: 38.100 €

Sollte für bereits vorhandene Springkräfte der Höhergruppierungsgewinn geringer sein als die Springkraftzulage, erhalten die betroffenen Mitarbeiter/-innen einen individuellen Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zur (höheren) Springkraftzulage. Die Ausgleichszahlung wird durch jede Erhöhung des Tabellenentgelts/Vergleichsentgelts (lineare Entgelterhöhung/Stufensteigerung/weitere Höhergruppierung usw.) abgeschmolzen. Momentan wären von dieser Regelung nur 2 Mitarbeiterinnen betroffen, deren Höhergruppierungsgewinn nur bei 63,54 € liegen würde.

Die Aufwendungen werden aus dem im Rahmen der GRDrs 49/2012 für das Jugendamt vorgesehenen Teilbudget gedeckt.


Beteiligte Stellen

Referat WFB

Referat SJG zeichnet den Beschlussantrag mit, hat aber folgende Einwendungen:

Die Ausführungen zu Punkt 2 können nicht mitgetragen werden.

Die Begründung zur Ablehnung der Eingruppierung aller Erzieherinnen nach S 8 ist nicht nachvollziehbar. Die Argumentation im Hinblick auf einen Ausstieg aus der Tarifgebundenheit ist nicht schlüssig.

Wie aus Anlage 1 ersichtlich ist, hängt die Eingruppierung von den vorliegenden, anfallenden Tätigkeiten und Arbeitsinhalten ab. Die Großstadtsituation der Familien und der hohe Anteil von Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund lassen es durchaus zu, besonders schwierige fachliche Anforderungen und Tätigkeiten den Stuttgarter Erzieherinnen zuzugestehen. Die Eingruppierung der Erzieher/-innen in S 8 wäre aus unserer Sicht daher kein Ausstieg aus dem Tarifsystem. Hinzu kommt, dass durch die Einführung des Bildungs- und Orientierungsplans in den Einrichtungen die klassische Trennung zwischen Gruppenleitung und Zweitkraft nicht mehr gegeben ist.

Auch die Höhe des Mehraufwands kann bezweifelt werden, da es sich um eine Hochrechnung handelt.

Aufgrund der Eingruppierungsstruktur mit Stufenzuordnung wird die Gehaltsdifferenz zwischen S 6 und S 8 je Monat nicht immer und in jedem Einzelfall 308 € betragen.
Der real zu finanzierende Mehraufwand ist nur durch die Simulation der Gehaltsberechnung der von der Höhergruppierung Betroffenen zu ermitteln.

Es kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Höhergruppierung zum 1. September 2013 zusätzliche Personalkosten durch offene Stellen ausgeglichen werden, so dass es zu keiner Änderung des Personalbudgets im Jahr 2013 kommt.

Auf diese Anmerkungen von Referat SJG wird im Sachvortrag durch Referat AK eingegangen.


Der örtliche Personalrat des Jugendamtes wurde im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 LPVG beteiligt.

Der örtliche Personalrat hat vorgeschlagen, über die Maßnahme noch nicht zu entscheiden, sondern statt dessen ein Gesamtpaket zu definieren. In diesem Gesamtpaket soll eine generelle übertarifliche Eingruppierung sämtlicher Beschäftigter im Sozial- und Erziehungsdienst enthalten sein. Dieses Anliegen, ein komplett neues übertarifliches Eingruppierungssystem zu erarbeiten, kann von der Verwaltung aus den in der Begründung dieser Vorlage bereits genannten Gründen nicht mitgetragen werden.

Für solche Regelungen sind die Tarifvertragsparteien zuständig. Angesichts des besonderen Bedarfs an Springkräften kann das weitere Argument des Personalrates, dass es evtl. durch vermehrte interne Bewerbungen auf die EG S 8-Stellen zu Lücken bei den "regulären Kräften" kommen wird, aus Sicht der Verwaltung nicht bestätigt werden. Die Verwaltung erhofft sich durch diese Maßnahme eine bessere Bewerberlage von externen Bewerbungen.


Vorliegende Anträge/Anfragen

Bündnis 90/ DIE GRÜNEN Gemeinderatsfraktion, Antrag Nr. 320/2012 vom 05.10.2012, Frage Nr. 4
SPD Gemeinderatsfraktion, Antrag Nr. 321/2012 vom 08.10.2012
FDP Gemeinderatsfraktion, Antrag Nr. 342/2012 vom 18.10.2012


Erledigte Anträge/Anfragen

Die vorgenannten Anträge, bzw. Teile der Anträge, werden durch diese GRDrs als erledigt betrachtet.



Werner Wölfle
Bürgermeister


Anlagen

1. Auszug der Tarifmerkmale für die Eingruppierung von Erzieher/-innen

Anlage zur GRDrs 640/2012:

Auszug der Tarifmerkmale für die Eingruppierung von Erzieher/-innen nach den besonderen Regelungen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst (Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 27. Juli 2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TVöD)
TVöD
Tarifmerkmal
S 6
Erzieher/-innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben.
S 7
1. Beschäftigte als Leiter/-innen von Kindertagesstätten
2. Beschäftigte, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreter/-in von Leiter/-innen von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 40 Plätzen bestellt sind.
S 8
Erzieher/-innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihren Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.
(zu besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten siehe Protokollerklärung Nr. 6)

Protokollerklärung Nr. 6:
Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die
Mit diesen Beispielstatbeständen haben die Tarifvertragsparteien Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs der „besonders schwierige fachliche Tätigkeiten“ vorgegeben. Diese Protokollerklärungen sind als verbindliche zusätzliche Erläuterungen zu den Eingruppierungsregelungen anzusehen.


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