Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 188/2014
Stuttgart,
03/05/2014



Vergabe des Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzungspreises der Landeshauptstadt Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Ausschuss für Kultur und Medien
Vorberatung
Beschlussfassung
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
26.03.2014
27.03.2014
15.07.2014



Beschlußantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart verleiht den von ihr gestifteten Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzungspreis 2014 an


2. Der Preis ist mit insgesamt 20.000 Euro dotiert. Die Preisträger erhalten je 10.000 Euro.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Nach den Bestimmungen des Cotta-Literatur- und Übersetzungspreises (GRDrs 394/2003) wird dieser alle drei Jahre verliehen. Die letzte Preisverleihung erfolgte 2011.

Die Fachjury schlägt aufgrund ihrer Beratungen die oben Benannten als Preisträger/in für 2014 vor.

Finanzielle Auswirkungen

Der Aufwand wird im Teilergebnishaushalt 2014 THH 410 - Kulturamt, Kontengruppe 420 - Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen -, gedeckt.


Beteiligte Stellen

keine

Vorliegende Anträge/Anfragen

keine

Erledigte Anträge/Anfragen

keine



Dr. Susanne Eisenmann

Anlagen

Anlage 1: Ausführliche Begründung


Ausführliche Begründung



Unter dem Vorsitz der Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport, Frau Dr. Eisenmann, hat die Fachjury in ihrer Sitzung am 11.02.2014 die im Beschlussantrag genannten Persönlichkeiten als Preisträger vorgeschlagen.

Der Jury gehörten die Mitglieder des Gemeinderates Jürgen Sauer, Ariane Bergerhoff, Dr. Michael Kienzle und die Mitglieder der Fachjury Dr. Ulrike Draesner (Literatur), Nicole Golombek (Literaturkritik), Dr. Claudia Schmölders (Essayistik) und Michael Walter (Übersetzung) sowie Frau Bürgermeisterin Dr. Susanne Eisenmann an. Herr Sauer konnte an der Sitzung nicht teilnehmen.

Nach den Bestimmungen über die Verleihung des Cotta-Literatur- und Übersetzungspreises erhalten die beiden Preisträger zu gleichen Teilen die Auszeichnung.


1. Begründung der Jury

Johann Friedrich von Cotta-Literaturpreis: Ulrike Edschmid, Schriftstellerin

„Das Verschwinden des Philip S.“ ist Ulrike Edschmids erste Biographie über eine männliche Figur aus dem RAF Milieu. Eine hoch konzentrierte Trauerarbeit nach vierzig Jahren, die Beschwörung eines sehr geliebten Studenten an der neuen Berliner Filmakademie. Philip S., ein Elegant aus wohlhabender Züricher Familie, beginnt als Ästhet, radikalisiert sich mit der Bewegung 2. Juni, taucht unter, verlangt und erhält lange Zeit weiter Hilfe, wird aber 1975 in Köln von der Polizei erschossen.

Mit Präzision und Sinn für Dramatik, wie auch fürs lebendige Detail, ist diese Geschichte recherchiert; jeder Satz, jede Einstellung verrät überragend stilistische, bei aller Spannung nahezu altmeisterliche Umsicht der Komposition. Ist es ein heroisches Porträt, findet Verklärung statt? Was dieses sichtlich autobiographische Stück von anderen 68er Erinnerungen unterscheidet, ist der Roman darin - Roman verstanden als Liebesvorrang in den Wirren der Politik. Das Ich und das Du der beiden eint zuletzt weniger eine Räuber- als vielmehr eine Kindesliebe. Philip S. liebt das Kind der Icherzählerin aus erster Ehe, bezaubernd im Rückblick. Doch hält ihn diese Liebe nicht unter Bürgern, während die Liebe der Mutter zum Kind sie in der Oberwelt festhält. Vielleicht ein Klischee, doch als Bewährungsprobe der Existenz niemals zu überschätzen.


Johann Friedrich von Cotta-Übersetzungspreis: Joachim Kalka, Übersetzer

Der 1948 in Stuttgart geborene Joachim Kalka ist ein Hommes de Lettre, den Bildung und Geschmack gleichermaßen auszeichnen wie Einfühlsamkeit und ein untrügliches Gehör für den Duktus poetischer Sprache.

Sein übersetzerisches Werk besticht ebenso durch Vielfalt, Gehalt wie Umfang. Bei den folgenden Namen handelt es sich nur um eine kleine Auslese, einen bunten Querschnitt aus seinem Ouevre: Martin Amis, Max Beerbohm, Anthony Burgess, Guillermo Cabrera Infante, Angela Carter, Gilbert K. Chesterton, Bret Easton Ellis, Jean Giraudoux, Nathaniel Hawthorne, Joseph Heller, Christopher Isherwood, Arthur Machen, George Meredith, Jessica Mitford, Gilbert Sorrentino, James Stephens.

In den mehr als dreißig Jahren seines Wirkens hat er sich um die Vermittlung englischer, amerikanischer und französischer Literatur verdient gemacht und in den unterschiedlichsten literarischen Gattungen bewährt.

Sein literarisches Können und seine hohe übersetzerische Kunst sind treffsicher und stilistisch beweglich. Seine wandlungsfähige Stimme hat uns unter anderem auch den komplexen anglo-amerikanischen Gegenwartsroman erschlossen. Joachim Kalka findet noch für die modernste Idiomatik ein überzeugendes Äquivalent im Deutschen und versteht es dazu, das Besondere eines Stils zu wahren. Er verhilft auf diese Art und Weise der anglo-amerikanischen Literatur zu authentischer Wirkung auch in Deutschland.


2. Angaben zu den ausgewählten Preisträgern

Ulrike Edschmid

Ulrike Edschmid, geboren 1940 in Berlin, wuchs auf in der Rhön, in einer hessischen Burgruine, wohin ihre Mutter geflohen war. Studium der Literatur- und Erziehungswissenschaft in Frankfurt am Main, später Wechsel zur Film- und Fernsehakademie in Berlin. Kurze Zeit im Schuldienst.

Zu schreiben begann sie 1990 mit einer Selbstermunterung „Diesseits des Schreibtischs. Lebensgeschichten von Frauen schreibender Männer“, um alsbald jenseits des Schreibtisches weiter zu denken. „Verletzte Grenzen“ überliefert das politische Schicksal von Lotte Fürnberg und Monica Huchel aus der DDR in langen Interviews. Auch „Frau mit Waffe“, von 1996, galt weiblichen Aktivistinnen - Astrid Proll und Katherina de Fries.

Ende der 1990er Jahre setzte sie ihrem Schwiegervater Kasimir Edschmid und seiner Geliebten Erna Pinner, einem Traumpaar der zwanziger Jahre, ein Denkmal in Briefen. Eine Art Paarbiographie auch die surreale Erzählung „Nach dem Gewitter“ (2003) über anonyme Hochzeitsfotos. Der Roman „Die Liebhaber meiner Mutter“ von 2006 wurde schließlich ein vielfach gelobter autobiographischer Text, der die romantische Burg, die lebensfrohe Mutter, die Menschen in der Rhön, mit genauer Sympathie zeichnete.


Joachim Kalka

Joachim Kalka, geboren 1948 in Stuttgart, lebt als Kritiker und Übersetzer seit 2013 in Leipzig. Die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung verlieh ihm für sein Übersetzungswerk 1996 den Johann-Heinrich-Voß-Preis und wählte ihn im folgenden Jahr zum Mitglied.

Im Berenberg Verlag erschienen, von ihm herausgegeben und übersetzt, zuletzt Leon Blums Erinnerungen an die Dreyfus- Affaire, "Beschwörung der Schatten", und unter dem Titel "Die Wildnis des häuslichen Lebens" eine Auswahl der Essays von Gilbert K. Chesterton.

Kalka übersetzte u. a. Werke von Edwin Abbott Abbott, Martin Amis, Perry Anderson, Max Beerbohm, Fernand Braudel, Guillermo Cabrera Infante, Angela Carter, Gilbert K. Chesterton, Jim Crace, Michael de Larrabeiti, Peter Demetz, Bret Easton Ellis, Charles Grandison Finney, Jean Giraudoux, Ernst H. Gombrich, Charles Grandison Finney, Henry Green, Nathaniel Hawthorne, Joseph Heller, Christopher Hitchens, Russell Hoban, Christopher Hope, Michael Innes, Christopher Isherwood, John Maynard Keynes, Christopher John Koch, Wayne Koestenbaum, Abbott J. Liebling, Arthur Machen, George Meredith, Frank Plumpton Ramsey, Gilbert Sorrentino, James Stephens, Barbara Strachey, Kay Thompson, Jeff Torrington, William Foote Whyte.

Joachim Kalka, in dem sich ausgedehnte Welt- und Literaturkenntnis, hohes Einfühlungsvermögen und hohe sprachliche Erfindungskunst verbinden, gehörte selber jahrelang der Jury zur Verleihung des Cotta-Übersetzungspreises an. Er ist der Literaturszene in Stuttgart nach wie vor verbunden und ist häufig als Moderator und als Essayist zu erleben.


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