Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 15.02.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: "Stärkung des Gemeinderats: Hauptsatzung ändern! Stadträte entscheiden künftig über den An- und Verkauf von Gebäuden und Grundstücken"
- Antrag Nr. 440/2016 (SÖS-LINKE-PluS) vom 22.12.2016

Der im Betreff genannte Antrag sowie die dazu erfolgte Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 13.02.2017, sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt. Dasselbe gilt für die Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 13.02.2017 zu dem Antrag Nr. 414/2016 der Bündnis 90/
DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion "Kaufangebote mit besonderer Bedeutung dem Gemeinderat vorlegen" vom 16.12.2016. Beide Stellungnahmen liegen im Sitzungssaal aus.



StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) trägt in seiner Begründung des Antrags Nr. 440/2016 vor, Ziel des Antrages sei, dass der Gemeinderat, wenn erforderlich, politische Entscheidungen treffen könne. Dies beziehe sich auch auf die Grundstückspolitik. Seine Fraktionsgemeinschaft fordere seit Langem eine strategisch und langfristig angelegte Bodenvorratspolitik. Damit müsse sich der Gemeinderat, zusätzlich zu den im Antrag formulierten Punkten, grundsätzlich beschäftigen. Er weist auf die Bedeutung der Bauleitplanung hin, wenn es darum geht, der Stadt gute Verhandlungspositionen zu schaffen.

Die Ankündigung der Verwaltung zum Antrag Nr. 414/2016, zukünftig den Gemeinderat über alle Angebote, die die Stadt vonseiten des Landes oder des Bundes erhält, zu informieren, begrüßt er. Ähnlich sollte bei Vorkaufsrechten, die in Verbindung mit Sanierungsgebieten und Erhaltungssatzungen stehen, vorgegangen werden. Zudem wünscht er sich ein Angebot der Verwaltung, wie, abweichend von der bisherigen Wertgrenze (Verwaltungszuständigkeit bis zu einer Wertgrenze von 520.000 €), der Gemeinderat z. B. bei Einzelverkäufen im Streubesitz einbezogen werden kann. Sollte ein solches Angebot unterbleiben, werde an dem Antrag, die Hauptsatzung zu ändern, festgehalten.

Zunächst geht EBM Föll auf die Stellungnahme zum Antrag Nr. 414/2016 ein. Der Oberbürgermeister lege dar, dass die Verwaltung im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen künftig grundsätzlich über alle Kaufangebote des Bundes, also der BIMA, und des Landes Baden-Württemberg, unabhängig von Wertgrenzen und der Zuständigkeitsordnung, berichte.

Dort, wo es Kaufangebote in jüngerer Zeit gegeben habe, seien diese sehr weitgehend von der Stadt wahrgenommen worden. So habe man 2016 vom Bund in der Hofener Straße in Bad Cannstatt Flächen erworben, der Hafen habe vom Bund am Mittelkai Flächen erworben, derzeit sei die SWSG dabei, vom Bund das Objekt Birkenwaldstr. 36 zu erwerben (ehemaliges Wasser- und Schifffahrtsamt), um dort 21 Sozialwohnungen zu realisieren. Weiter sei die SWSG dabei, vom Land das Objekt Hackstraße 86 zu erwerben, um dort 16 Sozialwohnungen zu bauen, und zudem liefen mit dem Bund Verhandlungen zum Erwerb von Flächen für das im Flächennutzungsplan vorgesehene Neubaugebiet in der Böckinger Straße.

Ebenfalls werde die Verwaltung im Fachausschuss über konkrete Kaufangebote von privaten Eigentümern für Immobilien mit besonderer Bedeutung berichten. Insoweit werde mit der schriftlichen Zusage des Oberbürgermeisters einem Teil der im Antrag Nr. 440/2016 enthaltenen Anliegen Rechnung getragen.

Des Weiteren werde im Kern durch den Antrag gefordert, die Wertgrenzen abzuschaffen. Bei der Stadt gebe es pro Jahr zwischen 200 und 300 An- und Verkäufe. Mit 200 bis 300 Fällen in den Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen zu gehen, sei sicher möglich, allerdings müsste dann die Verwaltung ausgebaut und eine intensivere Sitzungstaktung eingeführt werden.

Die Wertgrenze von 520.000 € für die Zuständigkeit der Verwaltung sei seit der Euro-Umstellung unverändert. Diese Wertgrenze habe es im Übrigen bereits schon vor der Euro-Umstellung gegeben. Diese sei also seit 20 Jahren nicht mehr fortgeschrieben worden. Gesehen werden müsse, wie sich die Grundstücks- und Immobilienwerte seit der Euro-Umstellung entwickelt haben. Schon wenn auf einem Grundstück ein Gebäude stehe, das die Wertigkeit einer Scheune übersteigt, bzw. wenn es um ein ca. 1.000 m² großes Grundstück gehe, werde die Wertgrenze von 520.000 € überschritten. Dann werde der Fachausschuss, bzw. wenn 1,6 Mio. € überschritten werden, der Gemeinderat, einbezogen. Die Verwaltungszuständigkeit bei Immobiliengeschäften sei also sehr bescheiden. Er halte die Abschaffung der Wertgrenzen von daher weder für sachgerecht noch für notwendig.

Pro Jahr gebe es mehrere hundert Veräußerungsvorgänge in Gebieten, in denen die Stadt ein Vorkaufsrecht habe. Zwar gebe es einige Besonderheiten, aber in der Hauptsache handle es sich um Sanierungsgebiete. Allgemein bestehe die Auffassung, dass dann die Stadt sozusagen frei entscheiden könne, ob sie eine Immobilie haben möchte oder nicht. Dies sei jedoch nicht zutreffend. Vielmehr müsse geprüft werden, ob mit einem solchen Veräußerungsgeschäft die Zielsetzungen, die in der Sanierungssatzung niedergelegt seien, konkret gefährdet würden. Dies sei in den allerseltensten Fällen der Fall. Sollte dies aber bejaht werden, sei immer noch vorrangig, dass der Erwerber eine sogenannte Abwendungserklärung, (Verpflichtung des Erwerbers, dass er sich an die Zielsetzungen des Sanierungsgebiets hält) abgibt. Die Stadt werde somit sehr selten mit der Frage konfrontiert, ob sie ein rechtmäßig bestehendes Vorkaufsrecht ausüben möchte oder nicht.

Bei sensiblen Vorhaben schalte die Verwaltung schon bisher den Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen ein (z. B. Leonhardsviertel, Bahnhof Obertürkheim). So wie beim Leonhardsviertel könne die Verwaltung aber nicht bei jedem Sanierungsgebiet vorgehen. Also schon heute informiere die Verwaltung sehr viel weitergehender, als wenn festgelegt würde, über rechtmäßig mögliche Vorkaufsrechte zu berichten. Von daher sehe er den Antrag nicht als weiterführend an.

Für die Beibehaltung der bisherigen Wertgrenzen für die Verwaltungszuständigkeit, um die Arbeitsfähigkeit des Gemeinderats und der Verwaltung zu erhalten, sprechen sich StR Kotz (CDU), StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) und StR Pfeifer (SPD) aus. Von diesen Ratsmitgliedern werden die Zusagen des Oberbürgermeisters in seiner Stellungnahme zum Antrag Nr. 414/2016 positiv bewertet. StRin von Stein (FW) vertritt die Überzeugung, wenn das Verwaltungshandeln grundsätzlich misstrauisch verfolgt werde, schade sich der Gemeinderat selbst. Überwiegend arbeite die Verwaltung doch verlässlich und gut. Im Sinne einer pragmatischen Vorgehensweise sollten Überlegungen über eine Anpassung der Wertgrenzen an die mittlerweile veränderten Gegebenheiten erfolgen. Mit dem Antrag Nr. 414/2016 ergibt sich für StR Prof. Dr. Maier (AfD) die Gefahr des Verwischens der Grenzen zwischen Verwaltung und Gemeinderat. Er lehnt diesen Antrag ab. Entsprechend äußert sich StR Dr. Oechsner (FDP). Dieser kann sich eine Erhöhung der Wertgrenze von 520.000 € auf 2 Mio. € vorstellen. Dass der Antrag Nr. 414/2016 auch auf einzelne Wohnungen und Baulücken abzielt, die die Wertgrenzen unterschreiten, hebt StR Rockenbauch hervor. Letztendlich gehe es bei einer strategischen Bodenvorratspolitik nicht um die Größe und den Wert einzelner Objekte, sondern um eine strategische Bedeutung der Summe von Objekten. Er kündigt an, den Antrag aufrechtzuerhalten.

Gelobt wird die im Leonhardsviertel zwischen Gemeinderat und Verwaltung vereinbarte Vorgehensweise durch StRin Deparnay-Grunenberg, StR Pfeifer und StRin von Stein. Die Praxis im Leonhardsviertel hat sich für StR Rockenbauch daraus ergeben, dass dort viele Fälle unterhalb der Wertgrenzen angesiedelt waren. Dem widerspricht der Vorsitzende. Von ihm wird ausgeführt, im Leonhardsviertel informiere die Verwaltung den Gemeinderat über jeden Grundstücksfall, auch wenn ein rechtmäßig ausübbares Vorkaufsrecht nicht vorliege. So vorzugehen, könne die Verwaltung aber nicht in jedem Sanierungsgebiet leisten.

Von StRin Deparnay-Grunenberg wird angeregt, im Zusammenhang mit dem Antrag Nr. 414/2016 im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen über Kriterien, wie z. B. Denkmalschutz und identitätsstiftende Bedeutung für die Annahme von Angeboten zu sprechen. StR Pfeifer erwartet im Namen seiner Fraktion, bei der Verwaltung mehr Sensibilität dafür, dass unabhängig von Wertgrenzen ein Gebäude aus politischen Gründen bedeutsam sein kann. In der Vergangenheit habe es Beispiele gegeben, bei denen die Verwaltung zu einer anderen Einschätzung als der Gemeinderat gekommen sei. Er geht davon aus, dass im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen eine Verständigung gelingt, wie diese wenigen Fälle für die Verwaltung enger, aber noch praktikabel, definiert werden können. Wenn eine solche inhaltliche Definition gelinge, so StR Rockenbauch, erübrige sich eine Diskussion über die Wertgrenzen. Seiner Fraktionsgemeinschaft gehe es darum, dass bei solchen Fällen der Ermessensspielraum letzten Endes beim Gemeinderat und nicht bei der Verwaltung liege. EBM Föll erachtet es im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen für möglich, über solche Kriterien zu sprechen. Er bittet aber, davon auszugehen, dass nicht zuletzt durch den Fall des Offizierskasinos - er sei nicht glücklich, wie dieser Vorgang für den Gemeinderat von der Wahrnehmung her gelaufen sei -, bei solchen Vorgängen die Verwaltung zukünftig sensibler agieren wird. Der Antrag Nr. 414/2016 werde auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses gesetzt, um im Detail über das künftige Vorgehen zu sprechen. Er rät an, nicht davon auszugehen, dass eine abschließende allumfassende Regelung gefunden werden kann. Ein Stück weit gehe es hier um eine Auslegungsfrage. So könne der Aspekt Denkmalschutz nicht immer zum Ergebnis haben, dass es sich um ein besonderes, um ein stadtbildprägendes Objekt handle. Heute sollte aber zum Antrag Nr. 414/2016 in der Vorberatung und morgen im Gemeinderat durch Beschlussfassung ein abschließendes Ergebnis erzielt werden.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben stellt EBM Föll fest:

Der Verwaltungsausschuss lehnt den Antrag Nr. 440/2016 in der Vorberatung bei 2 Ja-Stimmen und 15 Gegenstimmen mehrheitlich ab.

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