Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
97
8
VerhandlungDrucksache:
440/2010
GZ:
OB 3611-07
Sitzungstermin: 13.04.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Murawski
Berichterstattung:der Vorsitzende, EBM Föll
Protokollführung: Herr Häbe st
Betreff: HSK 2009 (GRDrs 849/2009)
Schließung der Rathausbücherei

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Mitteilungsvorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 01.04.2011, GRDrs 440/2010.


Zudem sind folgende Anträge diesem Protokoll beigefügt:

- Antrag Nr. 306/2010 der CDU-Gemeinderatsfraktion "Rathausbibliothek erhalten!"
vom 18.10.2010

- Antrag Nr. 112/2011 der SPD-Gemeinderatsfraktion "Rathausbücherei erhalten/
historisches Erbe sichern/Qualität der Stadtverwaltung gewährleisten"
vom 14.03.2011

BM Murawski, welcher auf die Mitteilungsvorlage 440/2010 verweist, gratuliert StRin Prof. Dr. Loos (CDU) zu ihrem heutigen Geburtstag.

Grundsätzlich merkt in der Folge StRin Prof. Dr. Loos zum Haushaltssicherungskonzept (HSK) an, dieses Konzept habe den Sinn, die Kosten des laufenden Verwaltungshandelns, des Ergebnishaushalts, für die Zukunft nachhaltig zu verringern. Einigkeit bestehe wohl von daher, dass für das HSK nur solche Ausgaben vorgeschlagen werden können, die die Stadt freiwillig erbringt, die also außerhalb der grundsätzlichen Versorgung der Bevölkerung durch die städtische Aufgabenerledigung erfolgen. Selbstverständlich könnten die laufenden Verwaltungskosten nicht ohne diese zu hinterfragen hingenommen werden. Diese müssten in Bezug auf Effizienz, Effektivität und Stringenz untersucht werden. Die notwendigen Ausgaben für die Erfüllung der grundsätzlichen Aufgaben der Stadt könnten aber nicht Gegenstand der Konsolidierung sein, ohne die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns zu gefährden.

Zur Schließung der Rathausbibliothek fährt sie fort, dieser Beschluss sei in den Haushaltsplanberatungen vor dem Hintergrund immer neuer Hiobsbotschaften über sich weiter verringernde Steuereinnahmen zustande gekommen. Der Gemeinderat habe die Wahl zwischen Skylla und Karyptis, zwischen der Schließung einer Stadtteilbibliothek und der Schließung der Rathausbibliothek gehabt. Bei diesem Beschluss zur Schließung der Rathausbibliothek seien sich der Gemeinderat und wahrscheinlich auch das Kulturamt nicht im Klaren darüber gewesen, was für ein "Schatzkästlein" diese Bibliothek innerhalb der Verwaltung bedeutet. Im Anschluss an diesen Beschluss sei das Hauptamt beauftragt worden, die Folgen und die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen zu prüfen. Nun ergebe sich, dass diese Bibliothek nicht mit einer Stadtteilbibliothek verglichen werden kann. Sie versorge nicht die Mitglieder des Rathauses mit schöner Literatur oder Ähnlichem, sondern sie sei eine anerkannte öffentliche Fachbibliothek für Rechts- und Kommunalwissenschaften, die in der Region ihresgleichen sucht. Es ergebe sich, dass die Rathausbibliothek durch die ständige Verfügbarkeit von aktuellen Kommentaren, Rechtssprechung und Fachaufsätzen und entsprechenden Recherchen die Grundfundamente für die Rechtmäßigkeit und aktuelle Information der Verwaltung legt. Dies zeige sich auch daran, dass in einer Ämterbefragung von 75 Ämtern 60 geantwortet hätten, dass sie auf die Leistungen dieser Einrichtung nicht verzichten können. Darunter auch die Branddirektion. Es zeige sich weiter, dass die Ämter befürchteten, Recherchen künftig nicht selbst durchführen zu können, da ihnen dafür die entsprechenden Datenbanken nicht mehr zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus ergebe sich, dass eine Dezentralisierung der Rechtsdatenbanken und der Zeitschriftenversorgung teurer würde als der HSK-Beitrag der Schließung beträgt. Abgesehen davon, und hier zitiert sie aus der Vorlagenseite 2, könnte der momentan geleistete Service dieser Bibliothek nach deren Schließung von anderen Stellen nicht oder nur unzureichend ersetzt werden. Diese Aussage werde auf den vielen Seiten der Vorlage zwar immer wieder abgeschwächt, aber im Kern bleibe sie bestehen. Weder die Alternative 1 noch die Alternative 2 erbringe die derzeit von der Rathausbibliothek erbrachten Dienste. Die Schließung führe zu einer Verschlechterung/Einschränkung der bisherigen Dienste.

Damit liege ein klassischer Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Gemeinderatsbeschluss zur Schließung dieser Bibliothek vor. Das Kulturreferat habe dem Rat in der Vergangenheit versichert, und hier zitiert sie aus dem Protokoll des Reform- und Strukturausschusses vom 14. Oktober 2010, dass das Personal und der Inhalt in die neue Bibliothek überführt wird. Der Gemeinderat sei selbstverständlich davon ausgegangen, soweit ihm die Dienste der Bibliothek überhaupt bekannt gewesen sind, dass diese erhalten blieben.

Die Rathausbibliothek, so ihre Schlussfolgerung, eigne sich nicht zu Einsparbeiträgen im Rahmen des HSK. Weder der Inhalt noch die Leistungen würden bei den Alternativen 1 und 2 erhalten. Daher plädiere die CDU-Gemeinderatsfraktion für die Alternative 3 (Beibehaltung des Status quo). Das HSK müsse also dauerhaft um 231.000 € gekürzt werden. In Anbetracht der viel zu pessimistischen Annahmen zur Entwicklung des Steueraufkommens werde dies für vertretbar angesehen. Gleichzeitig vertrete ihre Fraktion die Position, dass die wesentliche Aufgabe der Rathausbibliothek und damit auch ihre Existenzberechtigung in ihren Dienstleistungen hinsichtlich der Informationsbeschaffung und der Recherche liegt. Daher werde eine organisatorische Anbindung an das Haupt- und Personalamt als zielführend eingeschätzt.

Diesen Ausführungen stimmt StR Kanzleiter (SPD) namens seiner Fraktion mit großem Nachdruck zu. Dabei verweist er auf den Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion Nr. 112/2011. Die Rathausbibliothek habe ihre eigentlichen Wurzeln bereits im 16. Jahrhundert. Es handle sich um eine der ältesten Verwaltungsbüchereien in Deutschland. Seines Erachtens könne eine Unterbringung der historischen Bestände im Stadtarchiv dazu führen, dass diejenigen, die darauf zurückgreifen müssen, den Weg vom Rathaus nach Cannstatt zurücklegen müssen. Zudem könnten die Unterlagen nicht an den eigenen Arbeitsplatz entliehen werden. Da es sich bei der Landesbibliothek um eine reine Präsenzbibliothek handle, treffe dies auch auf die Landesbibliothek zu. Von den 13 Landeshauptstädten in der Bundesrepublik (Stadtstaaten sind ausgenommen) hätten vier Landeshauptstädte eine solche Bibliothek nicht zentral angesiedelt. Das
Sicherstellen eines ordentlichen Verwaltungshandelns müsse dort dann durch höhere Ausgaben gewährleistet werden. Mit Ausnahme von München hätten die anderen Landeshauptstädte ihre zentralen Bibliotheken den Innenverwaltungen zugeordnet. Diese Organisation befürworte seine Fraktion auch für Stuttgart. Zum Ende seiner Ausführungen wiederholt er das Antragsanliegen des Antrags Nr. 112/2011. Heute sollte der Beschluss gefasst werden, die Schließungsabsicht dieser Einrichtung zurückzunehmen. Zudem beantragt er, dass die Rathausbibliothek künftig in den Geschäftsbereich des Haupt- und Personalamtes überführt wird. Dabei gehöre sichergestellt, dass die fachliche Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei weiterhin gewährleistet bleibt.

Den Ausführungen der beiden Vorredner schließt sich StR Klingler (FDP), dem der Vorsitzende zur Wahl als Fraktionsvorsitzender gratuliert, an. Während sich StRin Küstler sinngemäß äußert, signalisiert StR Zeeb (FW), dass er sich der Stimme enthalten wird. EBM Föll merkt an, so einfach wie es sich nahezu alle Fraktionen bei ihren Argumenten machten, dürfe es sich der Gemeinderat nicht machen. Allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass eine Schließung der Bibliothek einen Einschnitt bedeutet. Es handle sich aber um keine kommunale Pflichtaufgabe, weshalb diese Aufgabe so oder anders organisiert werden kann. Diese Bibliothek verwahre im Übrigen auch keine Handschriftensammlungen. Bei aller Bedeutung dieser Einrichtung sollte die Argumentation in Relation zum Thema stehen. Dem Gemeinderat sei ja durchaus ein Kompromissvorschlag wie die Verwaltung der zentralen juristischen Datenbanken und der zentralen Zeitschriften- und Fachabonnements beibehalten werden kann, vorgelegt worden. Die Verwaltung selbst habe den Vorschlag aus der Haushaltskonsolidierung modifiziert, da bei tieferer Betrachtung festgestellt worden sei, dass ansonsten gewisse Effizienzen verloren gehen. Die Zusage von BMin Dr. Eisenmann, dass der Bücherbestand einschließlich Personal in die Stadtbücherei überführt wird, sei natürlich zutreffend. Das Personal sei mit den Stellenschaffungen für die neue Bibliothek auch verrechnet worden. Natürlich hätten sich die Steuereinnahmen besser als erwartet entwickelt, aber bei den kommenden Haushaltsplanberatungen würden dem Gemeinderat sehr viele Mittelanmeldungen zu Bereichen, die dem Gemeinderat außerordentlich wichtig sind, vorgelegt, sodass Posterioritäten gebildet werden müssten. Man mache es sich zu einfach, wenn Entscheidungen, die Veränderungen bedeuten, nicht mitgetragen werden. Der Weg, in der Umsetzung HSK-Maßnahmen nicht mitzutragen, könne nicht auf Dauer fortgesetzt werden. Er geht davon aus, dass sich dasselbe Thema bei nächster Gelegenheit erneut stellen wird.

An StR Klingler gewandt, nennt BM Murawski folgende Daten zum Leistungsspektrum der Rathausbibliothek: 9.000 Entleihungen/Jahr, ca. 500 vermittelte Literaturbeschaffungen aus der Landesbibliothek, eine unbekannte Anzahl von Fachrecherchen, eine unbekannte, aber sehr große Anzahl von Fachartikelbeschaffungen (Kopien, Fernausleihungen etc.).

Gegenüber StRin Prof. Dr. Loos stellt der Erste Bürgermeister gegen Ende der Aussprache fest, die Streichung der Finanzmittel durch eine Schließung der Bibliothek sei im Stadthaushalt verarbeitet. Wenn also von der Schließung Abstand genommen werde, entstehe ein zusätzlicher Finanzbedarf. Daher mache eine Aufhebung des Schließungsbeschlusses einen Deckungsvorschlag erforderlich. In diesem Zusammenhang nennt die Stadträtin die Deckungsreserve, wobei sie überzeugt ist, dass EBM Föll auch unter den vielfältigen Haushaltsresten eine Deckungsmöglichkeit finden kann.

Die von StRin Prof. Dr. Loos und StR Kanzleiter geäußerten Intentionen zusammenfassend erklärt der Vorsitzende, gewollt werde im Punkt Rathausbibliothek das Haushaltssicherungskonzept aufzuheben und die dadurch entstehende Finanzierungslücke durch die Deckungsreserve abzudecken.

Er stellt abschließend fest:

Der Verwaltungsausschuss beschließt bei 16 Ja-Stimmen und 1 Gegenstimme, die im Haushaltssicherungskonzept enthaltene Schließung der Rathausbücherei zurückzunehmen und die dadurch ausfallenden Finanzmittel über die Deckungsreserve auszugleichen.

zum Seitenanfang