Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
468a
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VerhandlungDrucksache:
811/2022
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 14.12.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:
Protokollführung: Herr Häbe th
Betreff: Vergleichsvereinbarung zur Beendigung der Rechtsstreitigkeiten Wasser und Löschwasser

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 30.11.2022, nicht öffentlich, Nr. 455
Ergebnis: Einbringung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 25.11.2022, GRDrs 811/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Einigung zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Netze BW GmbH zur Stuttgarter Wasserversorgung und Löschwasserbereitstellung wird zugestimmt.

2. Dem Abschluss der Vergleichsvereinbarung zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten in Sachen Stuttgarter Wasserversorgung (Landgericht Stuttgart, Aktenzeichen 15 O 219/13) und Löschwasservorhaltung und -bereitstellung zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Netze BW GmbH (Landgericht Stuttgart, Aktenzeichen 11 O 243/15) wird zugestimmt.

3. Dem Abschluss des Wasserkonzessionsvertrags zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Netze BW GmbH sowie der Netze BW Wasser GmbH wird zugestimmt.


4. Der Vereinbarung über die Vorhaltung und Bereitstellung von Löschwasser über das leitungsgebundene Wasserversorgungsnetz im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart wird zugestimmt.

Die Anträge Nr. 386/2022, Nr. 393/2022 und 403/2022 sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Darauf, dass die Verwaltung bereits gestellte Fragen soweit möglich schriftlich beantwortet hat, weist BM Fuhrmann einführend hin. Zudem geht er kurz auf die vorliegenden Anträge ein. Seinem anschließenden Vorschlag, die Fraktionen/Fraktions-gemeinschaften stellen, angesichts der bereits erfolgten Befassungen mit der Vorlage, heute dar, wie weiter vorgegangen werden soll, wird nicht widersprochen.

Die sich anschließenden Stellungnahmen der Fraktionen sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

StRin Rühle (90/GRÜNE):
“Von uns gab es einiges an Nachfragen, allerdings zu diversen Punkten auch Neuverhandlungsbedarf. Sehr positiv finden wir, dass durch diesen Vergleichsvorschlag wieder Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist. Der Rechtsstreit läuft ja jetzt schon ergebnislos seit neun Jahren. Einen Beschluss wollen wir heute angesichts des Nachverhandlungs-/Neuverhandlungsbedarfs nicht fassen.

Das Bürgerbegehren „100-Wasser“ und der Beschluss des Gemeinderats sehen vor, das Wassernetz in Stuttgart wieder in städtische Hand zu bekommen. Demgegenüber stellt der Inhalt der Vergleichsvereinbarung, dass erst nach 20 Jahren bzw. dann, wenn der Anteil der öffentlichen Hand auf unter 50 % gesunken ist, ein Rückkauf möglich sein soll, einen gravierenden Unterschied dar. Die eine Möglichkeit ist uns definitiv zu lang, die andere zu vage, weil „unter 50 %“ würde ja bedeuten, dass dann schon größtenteils privatisiert wäre. Dies gilt es natürlich zu verhindern, auch wenn wir derzeit da keine Bestrebungen bei der EnBW sehen. Aber genau deswegen ist es ja relativ unverständlich, warum die Change-of-Control-Klausel erst bei unter 50 % gelten soll.

Es gibt weitere Punkte, die nicht geregelt sind, für die aber eine Regelung extrem wichtig ist. Vorgesehen sind einige Schutzrechte und Mitspracherechte, allerdings haben wir bisher für den angedachten Aufsichtsrat keine Geschäftsordnung. Wir können bisher noch nicht abschätzen, welchen Einfluss der Gemeinderat dann wirklich auf grundlegende unternehmerische Entscheidungen, auf das operative Geschäft, hätte (z.B. auf die Festlegung des Wasserpreises). Hier benötigen wir eine Darstellung, inwieweit sich denn die mit der Landeskartellbehörde und der Netze BW verhandelte Wasserpreis-Obergrenzenformel auswirken würde, und wie die sich unterscheidet von der in der kommunalen Wasserversorgung üblichen Kalkulationsmethode. Was bedeutet das für den Wasserpreis, vor allem unter der Annahme, dass bei einem kommunalen Betrieb das Kostendeckungsprinzip gilt?

Dann fehlt uns eine wichtige Klausel dazu, egal ob es jetzt 5 Jahre, 10 Jahre oder 20 Jahre sind, was wir machen, wenn sich die wesentlichen rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen ändern? Zum Beispiel das EU-Recht? Hier benötigen wir dringendst, wenn wir uns auf eine Vereinbarung einlassen, eine Möglichkeit, den Rückkauf durch die Stadt sicherzustellen, und zwar vorab. Gerade Konzessionsrichtlinien/Ausschreibungsregelungen sind natürlich extrem relevant. Da kann sich schon in 5 Jahren sehr viel ändern, in 20 Jahren mit ziemlicher Sicherheit noch mehr.

Ebenfalls positiv ist, dass sich beide Parteien auf ein Wertermittlungsverfahren geeinigt haben. Es soll sich um den subjektiven Ertragswert handeln, der allerdings erst in 20 Jahren von einem gemeinsam bestellten Gutachter ermittelt werden soll. Es gibt verschiedenste Wertermittlungsverfahren, und es sind die unterschiedlichsten Beträge im Gespräch. Das wollen wir erst mal nebeneinanderlegen. Beim Löschwasser wird ja bereits ein gemeinsamer Gutachter beauftragt. Dies ist grundlegend, auch was die Finanzierung der Stadt angeht. Schließlich müssen wir schauen, dass wir die Finanzierung sicherstellen, egal zu welchem Zeitpunkt.

Zudem fehlen uns Regelungen, was Wasserbezugsrechte und Pflichten in den Wasserzweckverbänden angehen. Die Mitgliedschaften müssten hier natürlich an die Stadt übertragen werden, sobald sie wieder die Netze komplett selber betreibt. Hiervon ist in der Vereinbarung nichts zu lesen.

Dasselbe gilt für uns für die betriebsnotwendigen Grundstücke. Die halten wir durchaus für sehr relevant. Wenn wir die Netze in die städtische Hand zurückbekommen, brauchen wir die betriebsnotwendigen Grundstücke. Daher sind für uns dringend Neuverhandlungen notwendig. Gleichzeitig ist die Eingliederung in die städtische Organisationsstruktur zu klären und auszuarbeiten. Dem Gemeinderat müssen mögliche Organisationsformen, deren Vorzüge und Risiken dargestellt werden.

Dringend besprochen werden muss des Weiteren, dass für die Mitarbeitenden der Netze BW, die wirklich hervorragende Arbeit leisten, eine Übernahmeregelung unter Beachtung bestehender Arbeitsverhältnisse und Tarifverträge, erforderlich wird. Ansonsten ist ein geregelter Übergang nur schlecht möglich. Auch dieses ist für einen Übergang des Wassernetzes in städtische Hand eine Grundlage.“

StR Kotz (CDU):
“Ich möchte mit einem Dank an die Verwaltung beginnen, dass sie das Paket angegangen ist, und dass versucht wird diesen Rechtsstreit aufzulösen.

Ich will mich an zweiter Stelle dem Dank meiner Vorrednerin anschließen, was die Netze BW im Wasserbereich leistet. Ja, die machen einen Superjob. Wir haben höchste Qualität im Wasser, wir haben höchste Versorgungssicherheit, sie investieren extrem viel in Rohrnetz, Hochbehälter etc.

Der Gemeinderat hat vor vielen Jahren einen Beschluss gefasst, das Wassernetz in die städtische Verantwortung zurückzuholen. Dieser Beschluss war gut begründet, und zu diesem stehen wir weiterhin. Und jetzt geht es ja letztendlich um eine politische, um eine rechtliche Einschätzung, auf welchem Weg erreichen wir das am schnellsten und am komplettesten? Das ist glaub ich die einzige Frage. Da kann man Verständnis haben für diejenigen, die sagen, der juristische Weg hat für uns die größeren Erfolgsaussichten und vielleicht auch im Ergebnis die klarere Linie. Diese Einschätzung kann man haben, wenn man hier Verantwortung trägt. Wir als CDU-Fraktion sehen ein Verhandlungsergebnis als erreichbar an, wenn auch natürlich mit einem langen Zeitstrahl. Aber wir sind ja auch schon eine Weile unterwegs. Und diesen langen Zeitstrahl können wir aber deswegen durchaus mittragen, weil wir zum einen davon ausgehen, dass ein gerichtliches Verfahren auch nicht viel kürzer geht und am Ende das Risiko hat, was in einem Urteil steht. Man könnte ja am Ende des Tages im Zweifel auch als Stadt mit ganz kurzer Hose dastehen und gar nichts haben, dann wäre von dem Willen von "100-Wasser" und des Gemeinderats überhaupt nichts erfüllt. Das Zweite ist eben die Tatsache, dass die halt bisher einfach einen guten Job machen. Das ist ja anders als ein Stück weit bei Fernwärme oder den ganzen Themen, die wir jetzt bei der Energiewende diskutieren. Da kann man sagen, ja, da wollen wir einen speziellen kommunalen Einfluss und wir wollen vielleicht schneller sein, als es die EnBW in ihrem normalen Prozedere - Stichwort Fernwärme oder so etwas - ist. Das alles kann man nachvollziehen. Beim Wasser würden wir ja gar nichts ändern. Wir würden weder irgendwelche Straßenzüge von der Wasserversorgung abhängen noch würden wir in irgendwelche Straßenzüge weitere zusätzliche Wasserleitungen verlegen. Wir würden keine neuen Hochbehälter bauen, die die EnBW nicht sowieso baut. Also, es würde einfach nur der Status quo fortgeführt mit der einen Ausnahme, wenn man das machen würde, was ja auch viele gefordert hatten, nämlich einfach jeglichen Preis zahlen, der aufgerufen wird. Dann würden wir eines ändern, nämlich den Wasserpreis für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Und das wollen wir auch nicht. Weil da sicherlich viele Bürgerinnen und Bürger kein Verständnis dafür hätten und vielleicht sagen, ist doch alles prima gewesen die letzten 20 Jahre, jetzt müsst ihr das kaufen und gleich wird bei mir der Wasserpreis und damit die Nebenkosten teurer, da habe ich nix davon und will auch diese Veränderung nicht.

Insofern halten wir den Grundansatz einer Vereinbarung mit der EnBW im Miteinander und nicht in einem Gegeneinander, nicht im Rechtsstreit, sondern mit einer Lösung, die für beide akzeptabel ist, für gut. Die CDU mein, dass manche Fraktionen noch Fragen haben. Das hängt auch damit zusammen, dass in einigen Fraktionen viele noch gar nicht da waren, als wir mit "100-Wasser" beschlossen haben, nach den ganzen Diskussionen UA Konzessionsvergabe. Wenn ich zu Hannes Rockenbauch schaue, was haben wir uns tagelang mit Details beschäftigt und gearbeitet. Insofern ist es für alle, die jetzt sozusagen frisch in das Wasserthema eingestiegen sind, vor drei oder vier Wochen das erste Mal, sicherlich eine Herausforderung. Und es ist ja auch eine Entscheidung von sehr großer Tragweite. Insofern können wir es verstehen, dass es da noch Fragen gibt, können auch nachvollziehen, dass einzelne Fraktionen noch mal besondere Akzente auf besondere Teile der Vereinbarung legen. Vielleicht sagt die Verwaltung nachher noch was dazu, wie sie die Chancen sieht für solche weiteren Gespräche. Und insofern können wir dem Wunsch mehrerer Fraktionen folgen, zu sagen, da müssen wir halt einfach jetzt noch mal eine Runde reinmachen, es soll ja dann auch 20 Jahre halten und darüber hinaus. Dann kommen wir hoffentlich zu einem guten Ergebnis."

StRin Meergans (SPD):
"Ich möchte mit dem Dank an die Verwaltung beginnen. Die Verhandlungen waren sicherlich nicht einfach. Nach Auffassung der SPD wäre eine Verhandlungslösung, um diesen Rechtsstreit beizulegen, und um das Ziel zu erreichen, die Wasserversorgung als zentralen Teil der Daseinsvorsorge zurück in die kommunale Hand zu bringen und somit sowohl dem Bürgerbegehren als auch den damaligen Beschlüssen des Gemeinderats Rechnung zu tragen, die beste Lösung. Wir halten allerdings diese Art der Vereinbarung für nicht geeignet, das Ziel zu erreichen. Es stellt sich die Frage, was entsteht eigentlich mit Ausschreibungspflichten ggf. in der Zukunft, was ändert sich europarechtlich? Aus unserer Sicht ist das ein Pokern auf die Rechtslage in 20 Jahren. Wir wissen nicht sicher, dass wir in 20 Jahren immer noch die Möglichkeit haben, vorzugsweise selbst kommunal die Wasserversorgung zu betreiben.

Aus unserer Sicht müsste Teil einer Einigung zumindest sein, und deswegen haben wir auch noch mal unseren Antrag eingebracht, dass wir rechtsverbindlich vereinbaren, dass wir tatsächlich auch kaufen. Das ist im Grunde unser größter Kritikpunkt an dem Vorgelegten. Wir wissen nicht, wie in 20 Jahren die Haushaltssituation der Stadt aussieht, und wir haben uns nicht darum gekümmert, dass verbindlich dann auch gekauft wird, um das Ziel zu erreichen, die Wasserversorgung in kommunale Hand zu bringen.

StRin Rühle hat viele Punkte angesprochen, die uns ebenfalls noch umtreiben. Darunter die Frage der betriebsnotwendigen Grundstücke. Da habe ich schon geschluckt, weil wir dann ja sozusagen dauerhaft wiederum von der Netze BW durch das vereinbaren von Entgelten ein Stück weit abhängig sind. Dies wäre kein befriedigender Zustand. Wir sollten schauen, wie wir zu den betriebsnotwendigen Grundstücken/Anlagen kommen.

Wir haben es begrüßt, deshalb auch unser Antrag, dass endlich mal eine Form der Wertermittlung zumindest mal auf dem Tisch liegt, natürlich unter anderen Bedingungen dieser Einigung. Aber es ist erstmalig gelungen, sich zu verständigen, wie man solch einen Wert ermitteln kann. Dies sehen wir als echten Fortschritt an, weshalb wir dies aufgegriffen haben. Hinsichtlich der Frage einer Übernahmeregelung bin ich der Grünen Fraktion für ihren letzten Antragspunkt dankbar. Den vielen Beschäftigten im Zuschauerraum möchte ich sagen, wir sind Ihnen dankbar für die Arbeit, die Sie tagtäglich leisten, um die Stuttgarter*innen mit qualitativ hochwertigem Wasser zu versorgen. Wenn wir die Wasserversorgung kommunal betreiben, benötigen wir Sie, Ihre Expertise, ihre Kenntnisse und ihre Fähigkeiten. Wir verstehen, dass aktuell dieser schwebende Zustand eine schwierige Situation ist, auch für die Frage der Perspektive, aber wir stehen da an Ihrer Seite, dass sich Ihre Arbeitsbedingungen in keinem Fall verschlechtern dürfen und dass wir da selbstverständlich gute Regelungen finden müssen.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei):
"Das Wasser ist ein zentrales, wenn nicht das wichtigste Lebensmittel, das wir Menschen haben. Das ist einfach so elementar und wichtig, dass wir seit Jahren - und ich mache das persönlich seit 2004 - sagen, dieses Lebensmittel gehört nicht nur in öffentliche Hand, sondern unter kommunale Kontrolle. Mit so einem wichtigen Lebensmittel sollte nicht Profit gemacht werden, sondern dieses muss vorrangig in Top-Qualität und zu bezahlbaren Preisen für die Bürgerinnen und Bürger als Daseinsvorsorge zur Verfügung gestellt werden. Dies ist das Ziel.

Seit 2004 bin ich im Gemeinderat. Zwei Jahre zuvor machten alle damals im Gemeinderat vertretenen Fraktionen den historischen Fehler, elementare Daseinsvorsorge zu verkaufen (Strom, Gas, Wasser). Diesen Fehler wollten wir 2010 heilen, nachdem glücklicherweise Bürgerinnen und Bürger das aufgegriffen hatten und mit dem Bürgerbegehren "100-Wasser" Druck auf uns gemacht haben. Erst durch das Bürgerbegehren hat der Rat beschlossen, den historischen Fehler zu korrigieren und wieder die volle Kontrolle über das Wasser zu bekommen. Da es seit 2010 viel Hin und Her gegeben hat, habe ich Verständnis für das Leiden, das vielleicht die Verwaltung in den Verhandlungen hat. Aber Lob verdient es natürlich nicht, wenn der Gemeinderat 2010 mehrheitlich einen Beschluss fasst, und dann dauert es 12 Jahre, und wir haben immer noch kein akzeptables Ergebnis.

Ich glaube, die stattgefundenen Verhandlungen wurden mit zu wenig Nachdruck geführt. Es ist nicht zufriedenstellend, wenn wir mehrheitlich einen Beschluss fassen, und dann dauert es 12 Jahre. Und jetzt soll es noch mal 20 Jahre dauern, bis ein Bürgerbegehren umgesetzt wird. Also 33 Jahre nach dem Bürgerbegehren soll das Bürgerbegehren umgesetzt werden. Das ist dem Gemeinderatsbeschluss, aber auch nicht dem Bürgerbegehren nicht angemessen. Stattgefunden hat eine rechtliche und verhandlungstechnische, aber auch teilweise eine absurde Hängepartie mit absurden Mondpreisen. Einmal wollte die EnBW AG 750 Mio. € fürs Netz, dann waren es irgendwann 630 Mio. €, dann waren es 480 Mio. €. Das Gericht hat Vergleichsvorschläge gemacht, und wir waren auch bereit darauf einzugehen, aber die EnBW war nicht dazu bereit, diese Einigung zu erzielen.

Daran sieht man, wie wenig Verständnis in den Konzernetagen für Bürgerbegehren und den mehrheitlichen Willen des Gemeinderats herrscht. Das kritisiere ich scharf. Durch die dauerhafte Nichteinmischung der öffentlichen Hand in die Geschäftspolitik der EnBW sieht man aktuell wieder, dass öffentliche Hand nicht gleich öffentliche Hand ist. Das ist ja nicht nur beim Wasser so, sondern wir haben es bei Gas und Strom ebenfalls erlebt, dass sich die Landesregierung immer rausgehalten hat. Die Landesregierung handelt nicht kommunalfreundlich und die EnBW schon gar nicht.

Alt-OB. Dr. Schuster hat offensichtlich deutlich besser verhandelt als Herr Dr. Nopper heute. Also man muss sich nur mal die GRDrs 185/2009 "Grundsatzvereinbarung mit der EnBW Regional AG zur Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung" anschauen, was da für substanzielle Punkte enthalten waren. Erstens, es wurde eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, zu 50 % gehört die der Stadt, mit allen Infrastrukturen, Anlagen und Grundstücken. Der Preis wurde damals auf 160 Mio. € Sachzeitwert festgelegt. Nicht 750 Mio. €, wie ein paar Jahre später von der EnBW, sondern 160 Mio. € Sachzeitwert. Das Einschalten eines Gutachters wurde vereinbart, es wurden zwei Geschäftsführer vereinbart. Der kaufmännische von der Stadt, damit man vollen Einblick und volle Kontrolle hat in dem Unternehmen. Weiter wurde vereinbart, dass, wenn sich rechtliche Vereinbarungen ändern, Change-of-Control, was wir heute auch haben bei der EnBW, dann gibt es ein Vorkaufsrecht der Stadt. Aber nicht nur dann, sondern wenn sich Recht ändert, z. B. EU-Recht, Ausschreibungsrecht, dass es dann wieder eine Möglichkeit der Übernahme der restlichen Geschäftsanteile durch die Stadt gibt. Also genau das, was jetzt die Grünen zu Recht fragen. Hat man denn in 20 Jahren überhaupt die Möglichkeit, vergaberechtlich ins Eigentum zu kommen und die Konzession inhousemäßig zu übernehmen? All das wurde damals vereinbart. All das sind wesentliche Vorteile gegenüber der Vorlage von heute. Dieses Verhandlungsergebnis von damals, das ich in der Vergangenheit ablehnte, ist so gigantisch gut und zeigt aber auch, dass man gigantisch gute Verhandlungsergebnisse erzielen kann. Vor diesem Hintergrund muss versucht werden, und das ist das Ansinnen des Antrags Nr. 393/2022, diesen Verhandlungsweg noch mal zu bestreiten.

Wenn es nicht gelingt über einen Kauf zum subjektiven Ertragswert nach zu verhandeln, scheue ich mich nicht, den Gerichtsweg zu gehen. Es wird keine 20 Jahre vor Gericht dauern. Richter haben nicht die Möglichkeit, Verfahren unendlich zu verzögern. In 9, 10 Jahren maximal, kann eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegen. Bei einer wettbewerblich orientierten Rechtsprechung gibt es kein Ewigkeitsrecht für private Unternehmen. Die EnBW ist nun mal ein Privatunternehmen, egal in wessen Eigentum sie sich befindet. Da gibt es Kartellbehörden, und da gibt es eine Rechtsprechung, die im Notfall angepasst werden muss, da es absurd und bizarr ist, dass dieser Standpunkt eines Ewigkeitsrechts haltbar ist. Ich finde, dass es kein Glücksspiel ist, wenn wir uns vor Gericht mit der EnBW weiter streiten würden. Klar sage ich aber auch, dass wir noch zusätzliche Daumenschrauben haben, die wir anlegen können bei der EnBW. Wir müssen nicht einfach schlucken und hinnehmen. So können wir uns mit der EnBW gerne hinsetzen und über einen Bebauungsplan am Stöckach reden. Da haben wir Hebel, die wichtig sind und die wir einsetzen sollten, wenn es keine Einigung gibt. Aber ich möchte betonen, dass wir einigungsbereit sind.

Wir müssen die Antworten, die kurzfristig kamen, gründlich durchgehen. Ich habe z. B. jetzt noch ergänzend die Anfrage: Was ist denn jetzt beim Ertragswert - wenn wir beim Löschwasser mitgehen, steigt denn der Ertragswert beim Löschwasser, und muss dann der Wasserpreis sinken? Momentan zahlen die Bürgerinnen und Bürger das Löschwasser durch die Gebühr. Sinkt dann der Wasserpreis, wenn wir das mit dem Löschwasser machen?

Klar ist, wenn es keine Bereitschaft gibt, hier nachzubessern und nachzuverhandeln, ich habe das mit 2009 ja nicht umsonst erwähnt, dann wird es für uns keine Mehrheit für so was geben, und dann werden wir uns vor Gericht sehen. Und das wird dann auch Konsequenzen haben, zumindest für unsere Seite, was weitere Maßnahmen angeht, wie z. B. städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Neckar oder auch beim Stöckach. Man sieht sich im Leben nicht nur einmal vor Gericht, sondern immer wieder."

(Eine weitere Wortmeldung von StR Rockenbauch befindet sich auf den Seiten 12 und 13 dieses Protokolls)

StR Dr. Oechsner (FDP):
"Vielen Dank für die Verhandlungen. Meiner Meinung nach ist das ein sehr gutes Verhandlungsergebnis, an dem es das eine oder andere vielleicht nachzuschärfen gilt. Da wäre die Rechtsfrage, also was passiert denn, wenn sich das EU-Recht ändert, welche Möglichkeit hat man dann?

Natürlich ist es ärgerlich, dass man vor Gericht eine nicht zu kalkulierende Zeitschiene hat und vor allem einen nicht zu kalkulierenden Ausgang. Für mich ist Druck über Baurecht aufzubauen rechtlich zumindest fragwürdig. Das Damoklesschwert des Löschwassers, darf man nicht wegdiskutieren. Wir haben da auch einen Rechtsstreit, der mit der Wasserversorgung jetzt an sich erst mal nichts zu tun hat, der aber in dieser Verhandlung zumindest für die zurückliegenden Jahre geklärt wird. Und wir sprechen hier von 30, 40, 50 Mio. € Streitwert, die wir vielleicht zahlen oder eben rausverhandeln können und dann eben nicht zahlen.

In der Gesamthistorie der Wasserversorgung der Stadt sind 20 Jahre kein wirklich immenser Punkt, wo man sagen kann, das ist jetzt der Grund, warum wir es ablehnen. Eins habe ich verstanden beim Beitrag von Herrn Rockenbauch: Hätte er 2009 der Verloge zugestimmt, wären wir 2024 im Besitz des Wassernetzes und hätten das in kommunaler Hand. Damals wurden die Verhandlungsergebnisse aber angesichts des Bürgerbegehrens abgelehnt. So habe ich es verstanden. Der Bürger wäre heute vielleicht froh, wenn das Wassernetz 2024 auf die Stadt übertragen würde. Jetzt lehnen wir es wieder ab, um es dann 2042 oder 2043 auch nicht zu haben. Da ist mir die Lernkurve noch ein bisschen zu flach.

Die Position der Grünen ist in vielen Punkten gar nicht mal so falsch. Über das vorliegende Ergebnis kann man durchaus noch mal sprechen. Aber worauf man am Schluss tatsächlich hinaus will und vor allem worauf der Antrag SPD und FrAKTION hinaus will, eine Verkürzung der Zeit oder eine völlige Veränderung oder einen Direktkauf, das ist mir noch nicht 100%ig klar. Ich finde es eigentlich nicht verantwortbar, ein Verhandlungsergebnis dieser Art jetzt vom Tisch zu wischen zugunsten eines nicht kalkulierbaren Ausgangs, zugunsten eines übrigens dann auch nicht mehr zu kalkulierenden Wasserpreises, vor dem Hintergrund des Fernwärmeurteils, vor dem Hintergrund vieler anderer Faktoren, auch der Zeitschiene Rechtsstreit. Wir sollten uns ganz schnell darüber einigen, welche Punkte denn wirklich entscheidende Knackpunkte sind, um mit der EnBW einen Vertrag zu bekommen, dass wir spätestens 2042 eben dann wirklich das Wassernetz kaufen können und nicht 2042 immer noch im Rechtsstreit sind. Niemand weiß, was dann für ein Deal da ist, was dann für ein Verhandlungsergebnis da wäre. Keiner kann das heute sagen. Es wäre schon sehr wichtig, nicht am heutigen Tag, aber spätestens 2023 im Frühjahr, ein Ergebnis zu erreichen, mit dem alle Beteiligten leben können.

Tatsächlich ist es so, der Kompromiss hat für jeden eine positive und eine schmerzende Komponente. Man kann nicht davon ausgehen, dass der Kompromiss am Schluss bei einem selber überhaupt keine Schmerzen auslöst und beim anderen alles. Die EnBW hat - zurzeit zumindest - ein unendliches Versorgungsrecht mit Wasser in dieser Stadt. So ist der Status quo. Das kann irgendwann möglicherweise rechtlich gebrochen werden, Sie haben da völlig Recht, dass Sie sagen, es kann ja eigentlich kein Unendlichkeitsrecht geben, aber nun gut, so steht es halt nun mal drin. Es ist keine Endklausel. Und wenn es kein Ende gibt, dann gibt es kein Ende. Es gibt ein Konzessionsvergabeverfahren, aber es ist ja nirgends rechtlich 100%ig geregelt. Das ist nun mal ein nicht geregelter Markt. Ich bin nicht für einen ungeregelten Markt, also zumindest nicht, was die Wassernetze angeht.

Man muss zu einem schnellen, vernünftigen und vor allem auch einem verbindlichen Ergebnis kommen, um die Wasserversorgung, zumindest mal die Wassernetze, in die städtische Obhut zu bekommen. Über den Preis und wer es dann betreibt, darüber unterhalten sich unsere Nachfolger in 15 oder 20 Jahren. Das muss das Ziel sein, da uns die gerichtliche Auseinandersetzung mit Sicherheit zumindest die nächsten Jahre weiterhin in Unsicherheit lassen wird, mit ungewissem Ausgang."

StR Ozasek (PULS):
"Die Totalprivatisierung der Energie- und Wasserversorgung bleibt ein schwerer historischer Fehler, der uns in den letzten Jahren intensiv beschäftigt hat, der uns heute beschäftigt und der uns auch in Zukunft noch sehr stark beschäftigen wird. Besonders das Trinkwasser ist natürlich ein emotionales Thema. Es ist ein Lebensmittel wie kein zweites. Es ist ein grundlegendes Menschenrecht. Und die Trinkwasserversorgung ist de facto eine Monopolinfrastruktur. Gerade deshalb sollten per Gesetz renditeorientiert operierende Aktiengesellschaften keinen Zugriff auf dieses Lebensmittel haben, auf diese Monopolinfrastruktur. Das bewegt die Stadtbevölkerung. Deswegen gab es das Bürgerbegehren "100-Wasser". Ich habe das damals als Student unterstützt, am Universitätscampus Unterschriften gesammelt, und ich stehe auch hinter diesem Bürgerbegehren, und ich möchte die Re-Kommunalisierung.

Die EnBW steht unter massivem Druck, schwarze Zahlen schreiben zu müssen. Die an den Landesregierungen beteiligten Parteien haben niemals diesen Konzern auf Kommunalfreundlichkeit getrimmt und ihren Anteil dazu beigetragen, dass diese Konflikte, die wir als Stadt Stuttgart mit der EnBW austragen, und die sind vielfältiger Art, in irgendeiner Weise bewältigt werden konnten. An diese Parteien möchte ich appellieren, dass sie durchaus Eingriffsmöglichkeiten haben, nämlich über die Landesregierung an einer gemeinsam getragenen Lösung mitzuwirken.

Wir haben keinerlei Fortschritte bei der Re-Kommunalisierung seit 2013. Ich persönlich muss mir schon ungläubig die Augen reiben, wenn ich diese Bestimmungen, die nun hier auf dem Tisch liegen, so lese. Entgegen des klar gefassten Beschlusses vom 17.06.2010 hat uns die Stadtspitze einen Deal aufgetischt, der meines Erachtens in den Fluren der EnBW vermutlich zu großem Gelächter beiträgt. Wir sind weit entfernt vom Verhandlungsstand von 2009, Kollege Rockenbauch hat das noch mal referiert, vielen Dank dafür, und wir haben zentrale Kritikpunkte unsererseits von PULS an der Vergleichsvereinbarung. Diese möchte ich kurz ausführen.

Ein neuer Konzessionsvertrag über 20 Jahre macht letztendlich das Trinkwassernetz für die EnBW zur Gelddruckmaschine, da dann an der Obergrenze der kartellrechtlich zulässigen Bestimmungen die Trinkwasserpreise über 20 Jahre angehoben würden. Dazu würden wir ein Commitment abgeben. Das hätte natürlich zur Folge, dass die objektive Ertragskraft des Trinkwassernetzes erheblich steigen kann und damit letztendlich auch der Wert des Trinkwassernetzes, der objektive Wert. Die Verwaltung sieht sich auf meine Nachfrage in nicht öffentlicher Sitzung nicht in der Lage, eine seriöse Ermittlung eines solchen Worst-Case-Szenarios vorzunehmen. Was das nämlich bedeuten würde, wenn die EnBW das 20 Jahre voll ausreizen würde, im Hinblick auf den objektiven Ertragswert, sprich, wenn das so kommt, wir wüssten nicht, zu welchem Preis in 20 Jahren womöglich ein Übergang stattfinden könnte. Das ist kompletter Blindflug, auf den uns hier die Stadtverwaltung setzen würde. Wir haben nicht die Informationen, um in der Konsequenz abzusehen, was das bedeuten würde. Dabei wäre meines Erachtens die Fortschreibung der Entwicklungen seit der Kartellentscheidung durchaus möglich gewesen, um entsprechende Szenarien zu entwickeln, damit wir wissen, wohin könnte denn die Reise gehen.

Zweiter zentraler Kritikpunkt: Wir wissen in 20 Jahren nicht, welche europarechtlichen Randbedingungen im Konzessionsrecht gelten. Und ob eine Direktvergabe, wie beispielsweise über die EU-Verordnung 1370 beim Nahverkehr, ob so etwas bestünde
oder nicht und ob dann auf Basis der Endschaftsbestimmungen ein solcher Übergang möglich wäre.


Der dritte Kritikpunkt unsererseits ist, selbst wenn diese Direktvergabe möglich wäre, dann eben zu diesem subjektiven Ertragswert, der ja nun schon referiert wurde. Und das ist nun mal ein schwer zu bestimmender Rechtsbegriff, über den wir auch schon sehr lange mit der EnBW streiten. Darin ist eben die zentrale Größe der objektive Ertragswert dieses Netzes, der eben sehr stark bestimmt wird durch die Preisentwicklung, wo wir der EnBW freie Hand geben würden. Wir hatten einmal den Wert auf 140 Mio. €, die EnBW auf bis zu 640 Mio. € beziffert. Man lag also lange Zeit weit auseinander, und eine Vermittlung war nicht möglich.

Wie wir bereits vermutet haben bei der Lektüre, das haben Sie uns nun gestern Abend in Ihren Antworten auch bestätigt, der Punkt 11 unserer Frage, dass nämlich alle Grundstücke, die betriebsnotwendigen wie auch die nicht betriebsnotwendigen Grundstücke, nicht über die Endschaftsklausel geregelt werden, nicht über die Endschaft übergehen würden an die Stadt oder ein anderes Unternehmen im Wege einer Vergabe. Die Stadt müsste also im Fall des Netzübergangs auf Dauer als Untermieter der EnBW teure Pachten zahlen oder die betriebsnotwendigen Grundstücke für teures Geld der Steuerzahler*innen unserer Stadt von der Netze BW erwerben. Also noch mal: eine versteckte Gelddruckmaschine für die EnBW, die sich in dieser Vergleichsvereinbarung so abbildet.

Wir von PULS gewinnen durchaus den Eindruck, dass es mitnichten um die Interessen der Bürger*innen dieser Stadt geht, sondern dass bei diesem Deal in irgendeiner Weise andere Interessen hineinspielen. Deswegen lehnen wir diese Vorlage ab. Das gebietet schon der Respekt gegenüber den Stuttgarter*innen, die sich für das Bürgerbegehren "100-Wasser" eingesetzt haben.

Zum Antrag von SPD und Links-FrAKTION, wir haben diesen nicht mitgezeichnet. Wir sehen darin einen Blankoscheck. Im Prinzip würden wir den Tresorschlüssel der Kämmerei auf dem Samtkissen in die EnBW-City tragen, wenn wir diesen Beschluss so fassen. Das ist aus unserer Sicht so nicht akzeptabel, damit schwächen wir unsere Verhandlungsposition als Stadt. Das ist aus unserer Sicht jetzt auch die falsche politische Reaktion. Würde man das so machen, dann würde die EnBW auch die entgangenen Gewinne aus den 20 Jahren Konzessionslaufzeit logischerweise einfordern, zusätzlich zu ihrer bisherigen Verhandlungsposition im Einigungsverfahren. Falls die EnBW überhaupt bereit wäre, sofort zu verkaufen. Ich halte das für eine Fehlannahme. Denn das Trinkwassernetz ist hochlukrativ. Mit all diesen Anlagen und Grundstücken will die EnBW natürlich weiterhin gutes Geld verdienen, das ist nachvollziehbar, betriebswirtschaftlich und auch in der Logik der Eigentümerstruktur und der historischen Lasten, die mit reinspielen. Deswegen ist das einfach eine Fehlannahme, und deswegen können wir diesen Blankoscheck so nicht ausstellen.

Wir von PULS wollen das Trinkwassernetz. Wir wollen diesen historischen Fehler der Privatisierung heilen. Wir wollen auch das Know-how der Beschäftigten, die sich sehr gut um dieses Trinkwasser kümmern. Wir brauchen auch das Waser, weil es eine kritische Ressource im Hinblick auf die fortschreitende Klimakrise darstellt, und die wird hierzulande eine Wasserkrise sein. Aber es muss eine echte Verständigung sein, die alle Interessen wahrt. Da haben wir auch keine Scheu vor einem weiteren Gerichtsweg, denn ganz ehrlich, ein Gericht wird niemals ein Ewigkeitsrecht der EnBW zusprechen. Das liegt auch nicht in der Logik des europäischen Rahmenrechts. Also von daher, der Rechtsstreit ist durchaus ein Weg. Aber wir haben auch die Möglichkeiten der Eskalation. Wir könnten auch das OLG-Urteil zum Fernwärmenetz nutzen und nun tatsächlich die Nichtzulassungsbeschwerde zurückziehen und der EnBW klar mitteilen, wir wollen, dass ihr dieses Netz von unserem Grund und Boden entfernt. Ich glaube durchaus, dass die EnBW sich dann relativ schnell bewegen würde, denn dann wäre die komplette Renditerechnung ihrer Kraftwerke, der Kraft-Wärme-Kopplung entlang der Neckarachse, entlang der Wärmeachse so nicht mehr machbar. Und allein das würden schon die Eigentümer, die oberschwäbischen Landräte und das Land Baden-Württemberg, der EnBW überhaupt nicht zusprechen, dass sie eine solche Entscheidung letztendlich vollziehen in der Konsequenz. Ich glaube, die EnBW würde dann an den Verhandlungstisch zurückkehren, und wir könnten uns auf einen anständigen Preis verständigen in Bezug auf alle Streitfragen, die im Moment offen sind."

StRin von Stein (FW):
"Wir Freien Wähler können diesen Rechtsstreit nicht wirklich nachvollziehen, weil hier öffentliche Hand gegen öffentliche Hand prozessiert. Die großen Gewinner sind Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfer, insbesondere wenn es dann um Wertermittlungen geht. Bezahlen muss das die Stadt Stuttgart.

Auch die EdF war zu einem großen Prozentsatz immer ein staatliches Unternehmen. Also zu sagen, das sei ein privates Unternehmen, stimmt natürlich nicht, was die Anteilseigner angeht.

Für uns ist das Verhandlungsergebnis ein guter Kompromiss. Damit wird das Thema der Endschaftsklausel geklärt. Das halten wir durchaus für einen Erfolg, denn im Moment ist dies offen, und wir wissen nicht, wie sich das weiterentwickelt.

Wir sehen auch, dass das Thema Change-of-Control hilfreich ist. Wir sehen vor allen Dingen einen großen Vorteil, dass mit der Möglichkeit der Sperrminorität und den damit verbundenen Rechten die Stadt wesentliche Vorteile bekommt und vor allem dass sie natürlich endlich weiß, wie funktioniert das ganze Thema Rechnungslegung bei der EnBW beim Wasserpreis.

Zum Wasserpreis. Wenn man sich das anschaut, dann stellt man fest, es gibt eine Kartellbehörde, die sehr intensiv diesen Wasserpreis kontrolliert. Hier exorbitante Gewinne zu erzielen, halte ich für höchst fragwürdig und kann mir das nicht vorstellen. Also ich vertraue da durchaus auch die Kartellbehörden. Dass dieses Wassernetz in Stuttgart sehr komplex ist, wurde ausgeführt. Ich erinnere mich an Gespräche mit Vertretern dieses Wasserforums, die stets sagten, die Wasserqualität und das, was die EnBW hier liefert, sei ausgesprochen gut, darüber könne man nicht klagen. Vermutlich hat die Stadt mit ihrer Sperrminorität die Möglichkeit, bestimmte Dinge durchzusetzen oder Gehör zu finden. Ich vertraue da einfach auch den Verwaltungsleuten, dass sie dieses Recht zugunsten der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger nutzen.

Alt-StRin Küstler war er wichtig, dass die Stadt Stuttgart das Wassernetz bekommt, weil man dann quersubventionieren kann. Das halte ich für sehr fragwürdig, insbesondere wenn es um dieses hochgelobte und eigentlich doch auch preisgünstig zur Verfügung zu stellende Lebensmittel geht.

Zu StR Ozasek, es ist eine schöne Idee zu sagen, dann soll die EnBW alles zurück- und rausbauen. Man möge sich vorstellen, was das in der Stadt bedeutet, wie dann die Wärmesicherheit garantiert wird. Dann wäre die gesamte Stadt eine Baustelle.

Mich verwundert Folgendes: In der Vergangenheit hat man Rückstellungen gebildet, dass man, wenn es dann in einem gerichtlichen Verfahren zu einer Entscheidung kommt, zumindest einen Teil aus dieser Rückstellung finanzieren kann. Nun wurden aber im Haushalt 2021, der mehrheitlich beschlossen wurde, genau diese Rückstellungen aufgelöst. Da muss ich schon sagen, wenn ich 110 Mio. € auflöse, weil man sagt, ja irgendwo kriegt man das Geld für den Wasserkauf vielleicht dann doch her, dann finde ich das schon auch ein Signal, dass man sagt, na ja, ganz so wichtig ist uns dieses Thema Wasserrückkauf nicht. Denn andere Rückstellungen, siehe Kulturbereich, bleiben ja und werden nicht einfach zugunsten anderer Themen aufgelöst. Wenn also dies den Parteien Grüne, SPD, LINKE Tierschutzpartei, Piraten, Die Partei und Wählervereinigungen Junge Liste und Stadtisten wirklich ernst gewesen wäre, dann hätten sie diese Rückstellungen nicht auflösen dürfen, sondern sagen müssen, wir beharren auf dieser Rückstellung, da wir das Wasser zurückkaufen wollen.

Zu der Überlegung, das soll dann die SVV finanzieren. Wenn ich auf die weiteren Herausforderungen schaue, dann muss ich sagen, die SVV ist eben kein Goldesel, der Golddukaten fallen lässt.

Wir Freie Wähler würden diesem Verhandlungsergebnis gerne zustimmen."

StR Ebel (AfD):
"Wir könnten dieser Vergleichsvereinbarung ebenfalls zustimmen. Es wurden hier zwei Alternativen dazu entwickelt. Die eine ist, diese Vergleichsvereinbarung einfach vom Tisch zu fegen und vor Gericht zu gehen oder zu bleiben. Es wurde schon mehrfach dargestellt, wie abhängig man dann eben ist, sowohl zeitlich als auch inhaltlich, von einem Richterspruch. Die zweite Alternative ist, es wurde auch gesagt, dass man zu diesem oder jenem Punkt so unzufrieden sei, dass man neu verhandeln müsse. Aber auch dort sollte man sich gegenwärtig sein, dass der Verhandlungsgegner diese Absicht eben antizipieren wird und ebenfalls neue Forderungen auf den Tisch legen wird. Das ist vollkommen logisch, und das wird dann auch so sein, wenn man dieses Paket wieder aufschnürt."

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei):
"Ich habe mich noch mal gemeldet, da noch Fragen aufgetaucht sind. Frau von Stein, ich habe gesagt, wenn man das Netz zum Ertragswert kauft, was ja eine Option wäre, und das haben wir beantragt, dass dann die Berechnung des Wertes des Netzes nach Erträgen erfolgt. Das ist eine Berechnungsmethode. Da kann eine Rendite unterstellt werden, 2009 waren das 4 % auf das eingesetzte Kapital. Uns würden aber auch 1 oder 2 % reichen. Als Kommune können wir das ja selber festlegen. Wir könnten ja sogar selber dann sagen, die Gebühr muss nicht mal kostendeckend sein. Wir sind zwar angehalten, aber es ist unsere Entscheidung. Dann subventionieren wir die Wassergebühr quer, wenn wir es selber machen. Ob das richtig ist oder nicht, ich sage nur die Optionen. Ich habe nicht gesagt, was wir tun wollen. Ich sagte, wenn wir das kaufen nach dem Ertragswert, dann haben wir die Möglichkeit, dass unser Kapital verzinst wird. Und das halte ich nicht für schlimm, weil, im anderen Fall subventionieren sie ja jetzt gerade Erträge, die an anderer Stelle an die Anteilseigner der EnBW gehen. Da sage ich, das Wasser, die kommunale Infrastruktur, die möchte ich eben gerne unter kommunalem Einfluss haben und dass die Erträge, die erwirtschaftet werden, kommunal bleiben. Das ist meine Priorität. Was wir hier machen, können wir gerne gemeinsam verhandeln, so wie wir damals auch bei der Auflösung der Rücklage für den Wasserkauf - gemeinsam mit der SPD im Übrigen - die Rücklage nicht einfach nur aufgelöst haben, sondern klar gesagt haben, wir stehen zum Rückkauf der Wasserversorgung, schlagen aber einen anderen Weg vor. Das war kein Signal, und das war uns wichtig, auch formuliert in der Vorlage, das war kein Signal, das Wasser nicht rückzukaufen. Das zur Aufklärung.

Ich möchte sofort kaufen und das Netz sofort in kommunaler Hand haben. § 613 BGB. Natürlich gibt es einen Betriebsübergang, wo alle Mitarbeiter*innen Besitzstandswahrung haben. Die machen einen tollen Job heute bei der Wasserversorgung, den sollen sie weitermachen mit der gleichen Bezahlung, die sie jetzt haben. Das ist unsere Variante.

Zumindest muss nachverhandelt werden. Dazu habe ich ein paar Punkte genannt, die man aus 2009 lernen kann. Politisch kann ich doch sagen, liebe EnBW, es ist von Vorteil, wenn wir uns heute einigen, dass wir das sofort kaufen. Ihr bekommt einen ordentlichen Kaufpreis, den machen nicht wir, nicht ihr, sondern ein gemeinsames Unternehmen mit Transparenz in den Büchern.“

Nach den Stellungnahmen der Fraktionen wird von BM Fuhrmann vorgetragen, positiv sei, dass es ausnahmslos begrüßt werde, über einen Vergleichsvorschlag zu reden. Weiter bewerte er positiv, dass ein großer Teil des Rates sich vorstellen kann, dem vorliegenden Inhalt einer Vergleichsvereinbarung zuzustimmen.

Grundsätzlich fährt er fort, die Verwaltung sei vom vorgelegten Vergleichsvorschlag insgesamt absolut überzeugt. Mit der Netze BW sei ca. eineinhalb Jahre verhandelt worden. Für beide Seiten habe es sich um schwierige Verhandlungen gehandelt, und beide Seiten, dies sei nun mal das Wesen von Vergleichen, hätten nachgeben müssen. Eine Mehrheit des Rates spreche sich für Nachverhandlungen aus, allerdings gebe er zu bedenken, dass, wenn bei so einem Vergleichskonstrukt, bestehend aus zwei Rechtsstreitigkeiten, an einer Stellschraube gedreht werde, verändere sich eine andere Stellschraube. Das Nachverhandeln werde kein leichtes Unterfangen.

Der Rechtsstreit dauere in erster Instanz nahezu nun neun Jahre. Im letzten Jahr, als er selbst an einer Verhandlung teilgenommen habe, habe man sich noch nicht einmal im streitigen Verfahren befunden; das streitige Verfahren stelle den Zeitpunkt dar, ab dem das Gericht auch weitere Maßnahmen treffen könne. Um im Rechtsstreit weiterzukommen, sei dann im letzten Jahr dieses streitige Verfahren eingeleitet worden. Für die zweite und dritte Instanz müsse insbesondere aufgrund der Erfahrungen in der ersten Instanz von einer Dauer von mindestens zehn Jahren ausgegangen werden.

Hauptziel der Stadt sei gewesen, eine bislang nicht existierende Endschaftsklausel festzumachen. Die größte Errungenschaft des ausgehandelten Gesamtkonstruktes sei, dass nach 20 Jahren gesagt werden könne, "Jetzt besteht die Möglichkeit, dass das Wassernetz ins Eigentum der Stadt oder einer städtischen Gesellschaft fällt." Zwar sei nicht bekannt, wie sich in 20 Jahren die Rahmenbedingungen darstellten, aber die Möglichkeit des Eigentumsübergangs würde bestehen. Andere Lösungsvarianten würden diese Möglichkeit nicht eröffnen. Wie der Rechtsstreit vor Gericht ende, sei heute nicht bekannt. Der Richter habe im Übrigen in der letzten Verhandlung explizit auf das Urteil im Fernwärme-Rechtsstreit hingewiesen. Der Rat müsse überlegen, ob ihm die Sicherheit nach 20 Jahren durch die nun mögliche Endschaftsklausel wichtig sei, oder ob er sich auf eine gewisse Unsicherheit einlassen wolle.

Zu den vorliegenden Anträgen, das Wassernetz sofort zu erwerben, müsse er auf anstehende exorbitante finanzielle Herausforderungen der Stadt hinweisen. Der Gemeinderat werde aller Voraussicht nach in der morgigen Sitzung des Gemeinderates die Strategie der Stadtwerke mit einem hohen Investitionsvolumen im Bereich Klimaschutz beschließen. Kapitalzuführungen müssten im Bereich Wohnen vorgenommen werden. Zudem habe man es mit Baupreissteigerungen und allgemeinen Preissteigerungen in einem unglaublichen Umfang zu tun. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen würden dem Rat nochmals dargestellt. Des Weiteren erinnert er an Großprojekte, wie z. B. das Projekt Office-Hub, die Sanierung der Staatstheater sowie an Herausforderungen bei den städtischen Beteiligungen. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob nun in ein Wassernetz investiert werden solle, welches sich aktuell in sehr guten Händen befinde. Der Rat müsse sich damit auseinandersetzen, wo er mit dem städtischen Kapital Prioritäten setzen möchte.

Verständnis äußert BM Fuhrmann zu den vielen gestellten Fragen. Diese gingen zum Teil ins Detail und diese müsse die Verwaltung zunächst genau betrachten. Jedenfalls habe er großes Verständnis für den Wunsch einer Mehrheit des Gemeinderates nachzuverhandeln. Dem wolle die Verwaltung, obwohl es sich um ein schwieriges Unterfangen handle, natürlich nachgehen.

Im Ergebnis werde nun die Entscheidung über die GRDrs 811/2022 verschoben. Mit der Netze BW würden Gespräche über die durch die Fraktionen angesprochenen Punkte aufgenommen. Über das Ergebnis dieser Gespräche werde der Rat informiert. Er gehe davon aus, dass die Anträge auf Erwerb des Wassernetzes zum subjektiven Ertragswert ebenfalls verschoben werden; die Verwaltung müsse natürlich erstmals mit dem Netz-Eigentümer sprechen, ob diese Variante überhaupt in Betracht komme. Auch hierzu erhalte der Rat Rückmeldungen.


Nachdem sich gegen diese Vorgehensweise keine Einwendungen ergeben, stellt BM Fuhrmann das Verschieben der Entscheidung über die GRDrs 811/2022 bis in eine der Gemeinderatssitzungen im Jahr 2023 fest. Der Tagesordnungspunkt werde von der morgigen Tagesordnung der Gemeinderatssitzung abgesetzt.

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