Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
353/2011
GZ:
OB 7831-10.00
Sitzungstermin: 08.06.2011
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Schairer
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Dr. Porsch (Rechtsanwälte Dolde, Mayen & Partner)
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21, Entscheidung über Zulässigkeit

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Ober-bürgermeisters vom 20.05.2011, GRDrs 353/2011.


Gegen den Vorschlag von EBM Föll, dem Ausschuss zunächst eine kurze rechtliche Würdigung der Aspekte zu geben und zum Antrag der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Stellung zu nehmen, erheben sich keine Einwendungen.

Der Wortbeitrag von BM Dr. Schairer ist im leicht überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben:

"Guten Morgen, meine Damen und Herren, wir wollen einige Bemerkungen zur rechtlichen Würdigung machen. Die GRDrs 353/2011 ist ja sehr ausführlich. Es geht bei dieser Vorlage nicht darum, ob die Stadt sich für oder gegen das Projekt Stuttgart 21 positioniert. Das hat sie ja schon mehrfach mit eindeutig großer Gemeinderatsmehrheit getan. Und es geht auch nicht darum, ob die Stadt jetzt eine Entscheidung über das Projekt in die Hände der Bürger legen will oder nicht. Es geht mit anderen Worten eigentlich nicht um eine politische Frage, sondern einzig und allein darum - und das haben wir beim letzten Bürgerbegehren ja auch genauso formuliert -, die Zulässigkeit des beantragten Bürgerbegehrens anhand der Vorschriften der Gemeindeordnung zu prüfen und danach zu bejahen oder zu verneinen.

Wir sind also bei reinen Rechtsfragen, die keinerlei politische Spielräume lassen und voll und ganz auch gerichtlich überprüft werden können, wie dies ja auch schon beim letzten Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 der Fall war.

Der von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN am 03.06.2011 eingebrachte Antrag zum Bürgerbegehren kann unseres Erachtens im Zuge der Beratung der Verwaltungsvorlage nicht behandelt werden. Er enthält unseres Erachtens keine selbständigen Fragestellungen, sondern nur Ausschnitte aus der Thematik der Verwaltungsvorlage, die werden nochmals gesondert herausgehoben. Dazu möchte ich vorab Folgendes festhalten:

Die Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN will die anstehende Diskussion, so ist der Eindruck, offenbar auf die Frage einengen, ob die Projektverträge zu S 21 verfassungsgemäß sind. Ich warne davor, dies zum Schwerpunkt der heutigen Beratung machen zu wollen. Damit würde man nämlich eine Phantom-Diskussion führen, weil der Bürgerschaft suggeriert würde, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hänge allein oder wesentlich von der Verfassungswidrigkeit oder Verfassungsmäßigkeit der Verträge ab. Das stimmt aber so nicht. Das haben wir auch in unserer Gemeinderatsdrucksache nochmals ausgeführt. In der Verwaltungsvorlage ist auch im Einzelnen aufgeführt, aus welchen Gründen die Verwaltung das Bürgerbegehren für unzulässig hält.

Zwei der wichtigsten Gründe haben mit der Verfassungsmäßigkeit der Verträge ja überhaupt nichts zu tun: Nämlich die Gründe "Verstreichung der Sechs-Wochen-Frist" und "Ausschluss von Finanzierungsfragen". Alle gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auszuführenden Gründe sind übrigens nicht neu. Sie waren ja auch schon beim ersten Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 zu prüfen und wurden von der Stadt, vom Regierungspräsidium und nicht zuletzt auch vom Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem rechtskräftigen Urteil vom 17.07.2009 anerkannt.

Wenn jetzt die angebliche Nichtigkeit der Projektverträge in den Vordergrund gestellt wird, soll damit offenbar die Tatsache überspielt werden, dass das neue Bürgerbegehren an denselben unheilbaren Krankheiten leidet wie auch das alte. Und deshalb sagt die Verwaltung mit aller Deutlichkeit: Selbst wenn wir einmal unterstellen, dass die Projektverträge nichtig sind, würde das Bürgerbegehren dadurch auch nicht zulässig! Da sind sich die Rechtsgelehrten in dieser Beziehung auch einig.

Außerdem meinen wir, der Bürgerschaft darf man nicht weismachen, die Projektverantwortlichen ließen sich durch die Argumentation beeindrucken, die Verträge seien nichtig und ein zulässiges und erfolgreiches Bürgerbegehren könne das Ende des Projekts S 21 herbeiführen. Denn eines ist ja selbst den Initiatoren des Bürgerbegehrens, denke ich, klar: Auch ein erfolgreiches Bürgerbegehren hätte keinerlei rechtliche Bindung für den Projektverantwortlichen zur Folge. Weder - und das muss man nochmals ausdrücklich betonen, weil die Frage ja etwas kompliziert ist -, weder der Stuttgarter Gemeinderat noch die Stuttgarter Bürgerschaft hat die Befugnis, die Nichtigkeit von Verträgen bindend festzustellen. Dies einleitend und ergänzend zu den ausführlichen rechtlichen Würdigungen, die wir in der Gemeinderatsdrucksache gemacht haben.

Nun noch eine kurze mündliche Beantwortung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN. Da wurde zuerst die Frage nach der Rechtfertigung des Anstiegs der städtischen Kostenbeteiligung gestellt. Hierzu sagt die Verwaltung Folgendes: Ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum - nicht ein Ermessensspielraum, sondern ein Beurteilungsspielraum - bei der Bemessung der Höhe des Finanzierungsbeitrags eines Aufgabenträgers beinhaltet es auch, dass die betreffende Einschätzung sich im Laufe der Zeit ändern kann. Als Ursache kommen ja Umstände hinzu, neue Umstände, weitere Umstände auch wegen politischen Neubewertungen, z. B. auch städtebauliche Faktoren. Unabhängig davon spielt das jetzt für die vom Gemeinderat zu entscheidende Zulässigkeit des Bürgerbegehrens keine Rolle, welcher Finanzierungsanteil von der Stadt vor dem Beschluss des Gemeinderats vom 04.10.2007 für angemessen gehalten wurde. Rechtlich relevant - und danach haben wir ja jetzt auch hier nach der Vorlage wieder die Beurteilung vorgenommen - ist der aktuelle Vertragsinhalt, wie wir ihn haben, auch nachdem wir jetzt die Beschlüsse des Gemeinderats haben. Die Frage des Anstiegs also in der Vergangenheit spielt rechtlich gesehen keine Rolle. Wir haben einen Beurteilungs- und keinen Ermessensspielraum.

Zur Frage der Ermittlung des Finanzierungsbeitrags der Stadt. Die Höhe des Finanzierungsbeitrags der Stadt war das Ergebnis harter Verhandlungen. Er wurde auch von den Beteiligten für angemessen angesehen. Auch daran hat sich nichts geändert. Vielleicht auch hier noch eine juristische Bemerkung - ich gebe zu, das ist schwierig, weil wir mit Ermessensspielräumen einerseits und mit Beurteilungsspielräumen andererseits argumentieren müssen: Man könnte auch argumentieren und sagen, dass bei der Existenz eines Beurteilungsspielraums analog der Lage beim Ermessensspielraum Rechtswidrigkeit eintritt, wenn sich die Stadt der Existenz des Beurteilungsspielraums vielleicht nicht bewusst war und wenn nicht die wesentlichen Tatsachen zugrunde gelegt oder sie falsch gewichtet wurden. Das ist aber nicht richtig, denn hier reden wir von einem Beurteilungsspielraum. Und der Beurteilungsspielraum ist eben keine Rechtsfigur, die analog dem Ermessensspielraum ausgestaltet ist. Sondern er soll nur ausdrücken, dass es eine Entscheidung der Verwaltung gibt, die im Ergebnis nicht voll gerichtlich überprüfbar ist.

Ich gebe zu, für Nichtjuristen ist das ein schwieriges Terrain. Aber das muss man einfach akzeptieren, dass wir hier zwei rechtlich andere Beurteilungsgrundlagen und Spielräume haben. Von daher ist die Entscheidung der Stadt und die Entscheidung der Höhe des Finanzierungsbeitrages einfach eine Tatsache, die man nicht nach den Grundsätzen des sonstigen Ermessensspielraums, wie es bei der Verwaltung häufig möglich ist, beurteilen kann.

Zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Finanzierungsbeiträge anderer Projektbeteiligter, die auch angesprochen sind in dem Antrag. Diese Frage ist für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht relevant. Das Land hat nach Kenntnis der Stadt die Verfassungsmäßigkeit seines Finanzierungsbeitrages geprüft, und soweit der VRS angesprochen ist, also der Verband Region Stuttgart, kann die Stadt die Frage nicht beantworten. Was den Flughafen angeht, ist es nach unserer rechtlichen Beurteilung, nach allgemeinrechtlicher Beurteilung sehr fraglich, ob diese privatrechtliche Gesellschaft an Artikel 104 a Grundgesetz - damit wird ja die Frage der Verfassungsmäßigkeit und der Verfassungswidrigkeit gemessen - überhaupt gebunden ist.

Zur Verfristung des Bürgerbegehrens - auch im Fall der Verfassungswidrigkeit der Finanzierungsvereinbarung -, das wird ja auch in dem Antrag angesprochen. Auch in diesem Fall wäre wohl der Gemeinderatsbeschluss vom 04.10.2007 nichtig, aber aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Sechs-Wochen-Frist, egal, wie man das jetzt beurteilt, auf jeden Fall angelaufen. Eine Nichtigkeit lässt trotzdem eine Frist anlaufen.

Zum Schluss noch die Frage der Bindungswirkung eines Gemeinderatsbeschlusses mit einem verfassungswidrigen Inhalt, also wenn der Inhalt verfassungswidrig wäre, kann man eindeutig sagen: Die Stadtverwaltung hält die Verträge für verfassungsgemäß, sodass sich diese Frage derzeit nicht stellt. Solange die Nichtigkeit nicht bindend festgestellt ist, und dieses kann eigentlich nur ein Gericht machen, haben sich alle Projektbeteiligten an die Verträge zu halten, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollen, sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Zu Ziffer 2 kann man einfach sagen, dieser Antrag ist eine bloße Verneinung des Antrags der Verwaltung und sonst gesondert nicht zulässig.

Tut mir leid, wenn wir Ihnen jetzt etwas schwere juristische Kost angeboten haben. Aber das liegt in der Natur der Sache und ist durch die Materie insgesamt begründet. Jetzt eröffne ich die Fragerunde, bitte Herr StR Stopper."

StR Stopper (90/GRÜNE) dankt für die mündliche Beantwortung des Antrags Nr. 239 vom 03.06.2011 und bittet darum, diese Ausführungen auch schriftlich zu machen, um sie genauer prüfen zu können. Darüber hinaus könnte die Beantwortung im weiteren Verfahren des Bürgerbegehrens von Bedeutung sein. Er stimmt BM Dr. Schairer insoweit zu, als es eine schwierige juristische Materie und keine politische Debatte über Stuttgart 21 ist. Für die Auseinandersetzung über die rechtliche Zulässigkeit des
Bürgerbegehrens müsse man in die Materie einsteigen. Die Ausführungen von BM Dr. Schairer und jene in der Verwaltungsvorlage entsprechen jedoch in entscheidenden Teilen nicht dem, wie seine Fraktion das Bürgerbegehren und dessen Anliegen interpretiert.

Es gehe zwar auch um die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierungsvereinbarungen, aber nicht nur. Insofern sehe man dieses Bürgerbegehren auch nicht als erneute Täuschung der Bürger, sondern als begrüßenswerten Versuch, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung möglichst rasch und frühzeitig zu klären. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit gebe es ein Rechtsgutachten eines anerkannten Verfassungsrechtlers, der zu dem eindeutigen Schluss gekommen ist - sowohl für das Projekt S 21 als auch für die Neubaustrecke -, dass die Finanzierungsvereinbarung verfassungswidrig ist. Richtig sei, dass dies nicht der Gemeinderat oder der Bürger entscheiden kann, sondern durch ein Gericht zu klären ist. Seine Fraktion meint, man müsse jeden möglichen Weg beschreiten, um diese Verfassungsfrage gerichtlich zu klären. Das Bürgerbegehren gebe der Stadt und den Bürgern die Möglichkeit, eine solche gerichtliche Klärung dieser Frage herbeizuführen.

Die Nichtigkeit der Verträge aufgrund einer möglichen Verfassungswidrigkeit könne nicht einfach vom Tisch gewischt werden, da es erhebliche Konsequenzen hätte, wenn im weiteren Gang des Projektes von jemand anderem eine solche Verfassungswidrigkeit vor Gericht geklärt würde. Das oberste Anliegen der Stadt müsse es sein, diesbezüglich für Klarheit zu sorgen. Auf der anderen Seite sei das Bürgerbegehren eine Möglichkeit, "um den von uns immer beklagten demokratischen Makel bei diesem Projekt wenigstens partiell noch einmal zu korrigieren." Seit der Rahmenvereinbarung von 1995 hätten die Bürger keine Möglichkeit mehr gehabt, sich direkt an diesem Projekt zu beteiligen.

Das Begehren wurde von mehr als 35.000 Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet. Für seine Fraktion heiße dies, das Thema ernst zu nehmen. Die Verantwortlichen des Bürgerbegehrens und die Bürger hätten einen Rechtsanspruch darauf, dass Gemeinderat und Oberbürgermeister sich unvoreingenommen mit der rechtlichen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens beschäftigen. Der Oberbürgermeister habe mit der Gemeinderatsdrucksache 353/2011 eine Entscheidungshilfe dafür gegeben. "Wir sind der Ansicht, dass sowohl die Vorlage als auch das Gutachten des Gutachters Prof. Dolde nicht geeignet sind, um den Gemeinderat in dieser Frage angemessen zu beraten."

Die rechtlichen Begründungen der Unzulässigkeit haben nicht nur zu tun mit der Verfassungswidrigkeit, sondern auch mit den anderen Unzulässigkeiten des Bürgerbegehrens, wie dies von BM Dr. Schairer ausgeführt wurde. So heiße es in der Vorlage und dem Gutachten, das Bürgerbegehren verfolge ein rechtswidriges Ziel. Diese Behauptung stütze sich auf die Konstruktion, dass verfassungswidrige Verträge nicht kündbar sind. Dies und ob dies vor Gericht standhält erachtet seine Fraktion für äußerst fraglich und die Begründung folglich für nicht zulässig.

Die im Bürgerbegehren unterstellte Verfassungswidrigkeit werde in der Vorlage zurückgewiesen und durch das Gutachten von Prof. Dolde als nicht zutreffend bezeichnet. Das Bürgerbegehren stütze sich jedoch ausdrücklich auf das Gutachten von Prof. Meyer, während die Argumente von Prof. Dolde zur Verfassungsmäßigkeit sich auf die "unechte Gemeinschaftsaufgabe" stützt. Letzteres hält die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜ-NEN für rechtlich wesentlich problematischer als die Ausführungen von Prof. Meyer zu dieser Rechtsfigur. Auch handle es sich bei der Rechtsauffassung von Prof. Dolde keineswegs um eine allgemein anerkannte Rechtslage, sondern bei solchen Mischfinanzierungen habe es in der Vergangenheit keinen Kläger gegeben. Beim Projekt Stuttgart 21 sei dies anders. Hier müsse man ernsthaft mit den vorgetragenen Argumenten des Gutachtens von Prof. Meyer umgehen.

In einer anderen Beantwortung habe die Verwaltung ausgeführt, dass es bis zum Gutachten von Prof. Meyer nie eine gutachterliche Überprüfung der Verfassungsfrage im Zusammenhang mit der Finanzierung von S 21 gegeben habe. Für seine Fraktion sei dies Grund genug, mit Sorge auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Finanzierungsverträge zu blicken. Folglich sollte man sich um eine gerichtliche Klärung bemühen, was durch das Bürgerbegehren ermöglicht werde, weil es sich auf dieses Gutachten stützt. Völlig egal sei es, "ob diese mögliche Verfassungswidrigkeit uns passt am konkreten Projekt oder nicht". Vielmehr müsse man mit dem Risiko umgehen, dass diese Verfassungswidrigkeit besteht, und es minimieren. "Denn sonst sitzt die Stadt Stuttgart irgendwann auf einem halbfertigen Projekt und die Finanzierungsvereinbarung bricht zusammen". Dies sei der Hintergrund des Bürgerbegehrens.

Hintergrund des zusätzlichen Antrags seiner Fraktion sei die Frage, wie die Finanzierungsvereinbarung aussieht, wenn man sich auf die Argumentation von Prof. Dolde einlässt. Nach den Ausführungen von BM Dr. Schairer bestünden immer noch Zweifel, dass auch die Argumentation der unechten Gemeinschaftsaufgabe stichhaltig ist in Bezug auf den Risikotopf: Dort habe man zunächst eine 1 %-Beteiligung der Stadt Stuttgart, dann plötzlich eine 18 %-Beteiligung am Risikotopf und im Endeffekt eine 6 %-Beteiligung am Gesamtprojekt. Er denkt, dies sei, was die Verfassungsmäßigkeit angeht, schwer haltbar.

Zum Verstreichen der Sechs-Wochen-Frist hält seine Fraktion es - wie auch bei der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens bei der Argumentation mit der Kündigung - für eher abwegig zu sagen, eine Sechs-Wochen-Frist bindet, wenn es sich um verfassungswidrige Verträge und Beschlüsse handelt. Das Bürgerbegehren richte sich im Übrigen nicht direkt gegen die Beschlüsse, sondern es sei Rechtsauffassung der Initiatoren des Bürger-begehrens, dass die Beschlüsse nichtig sind, weil sie gegen das Grundgesetz verstoßen und somit verfassungswidrig sind. Das Bürgerbegehren verlange von der Stadt lediglich, dass sie sich auf die Verfassungswidrigkeit der Verträge beruft und für die Zukunft keine Zahlungen mehr erbringt.

Das Argument, Finanzierungsfragen dürften in einem Bürgerentscheid nicht behandelt werden, treffe nicht zu, da es im Kern um die Mitgliedschaft im Projekt Stuttgart 21 geht, welche förmlich beendet werden soll. Dass damit der Stadt Beitragszahlungen entfallen, sei eine logische Folge. Er zitiert aus einer Antwort der Verwaltung auf den Antrag der SPD-Fraktion vom Juli 2009 "Stuttgart 21 - Bürgerentscheid bei Mehrkosten": "Ein Bürgerentscheid ist nämlich nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die zu treffende Entscheidung auch finanzielle Auswirkungen hat, weil dies bei nahezu jeder kommunalpolitisch bedeutsamen Gemeindeangelegenheit zutrifft und sonst entgegen der Absicht des Gesetzgebers kaum noch Spielräume für eine direkte Beteiligung der Bürger an kommunalen Entscheidungen bestünden."

Diese Argumentation muss nach Auffassung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN auch für ein Bürgerbegehren gelten. Insgesamt betrachte man die Vorlage als nicht ausreichend, um das Bürgerbegehren zurückzuweisen. Daher hält er den Antrag seiner Fraktion aufrecht, wonach der Gemeinderat der Verwaltungsvorlage nicht zustimmt, sondern das Bürgerbegehren zulässt und einen Bürgerentscheid ansetzt.

Nach dem Eindruck von StR Kotz (CDU) sind sich alle einig in der Einschätzung, dass es im Prinzip um eine Rechtsfrage und nicht um eine politische Entscheidung heute geht und dass es auch keinen Ermessensspielraum gibt, den sich ein Gemeinderat nehmen kann. Daher findet er die Regelung in der Gemeindeordnung problematisch, wonach ein politisches Organ wie das Hauptorgan überhaupt darüber zu entscheiden hat. In der Öffentlichkeit werden Beschlüsse des Gemeinderats immer so wahrgenommen, dass politische Entscheidungen getroffen werden. Dies sei in diesem Fall nicht so.

Mit dem Sachverstand eines gewählten Stadtrats, der kein juristisches Staatsexamen oder ähnliches hat, müsse man sich auf das verlassen, was die Verwaltung dazu aussagt. Seine Fraktion könne auch bei gründlicher Durcharbeitung der Vorlage nichts erkennen, was deren Einschätzung widerspricht. Die CDU-Fraktion könne der Verwaltung folgen und die vom Gutachter dargelegte Argumentation nachvollziehen.

"Dass wir die Entscheidung heute so treffen müssen, tut uns leid vor dem Hintergrund von über 35.000 Unterschriften, die aktive Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt geleistet haben, vor dem Hintergrund, dass wir sagen, ein Stück mehr direkte Demokratie in unserer Gesellschaft bei den entsprechenden Fragen tut uns gut und vor dem Hintergrund, dass ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger - wir haben das ja alle in den letzten Monaten in dieser Stadt erlebt - mit ihren Listen an allen möglichen Orten uns gegenübergetreten sind und für ihre Sache geworben haben und aktiv waren. Vor diesem Hintergrund tut es uns leid, dass wir heute aufgrund dieser rein rechtlichen, juristischen Fragestellung diesen Ermessensspielraum nicht haben, sondern so entscheiden müssen, wie es die Verwaltung vorschlägt."

Die CDU-Fraktion habe bereits am 01.03.2011 eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt mit der Bitte, den Sachverhalt schnell zu prüfen, "bevor man wieder in eine Situation kommt, wo ein riesiger Aufwand ehrenamtlich erbracht wurde, wo viele Hoffnungen geweckt wurden und viel diskutiert wurde über das neue Verfahren". Am 11.03.2011 habe die Antwort der Verwaltung vorgelegen mit der gleichen Aussage wie heute: "Die Stadtverwaltung ist der Auffassung, dass auch das neuerliche Bürgerbegehren für einen Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21 rechtlich unzulässig ist". Seine Fraktion nehme für sich in Anspruch, alle Möglichkeiten ergriffen zu haben, um sehr frühzeitig darauf hinzuweisen, dass es zu der heutigen Situation kommen kann. Anscheinend seien jedoch die vorgebrachten Argumente seitens derjenigen, die für das Bürgerbegehren verantwortlich zeichnen, nicht zur Kenntnis genommen worden.

Bei dem jetzigen Bürgerbegehren gehe es letztendlich nicht darum, zu wissen, ob es verfassungskonform ist oder nicht. Den Menschen, die unterschrieben haben, gehe es letztlich nicht darum, die Verfassungsfrage zu stellen, sondern darum, das Projekt zu verhindern. Laut Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung wird es vermutlich zu einem Bürgerentscheid noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres kommen. Er traut der neuen Landesregierung zu, dies juristisch korrekt zu machen. Daher frage er sich auch, ob sich der Gemeinderat jetzt auf die gerichtliche Klärung einer Verfassungsfrage einlassen muss, wo die Meinungen von Experten sehr stark gegenüberstehen, wenn genau zur gleichen Fragestellung - zwar mit anderen Detailfragestellungen, aber mit dem gleichen Ziel "Ausstieg aus dem Projekt bzw. Beendigung des Projektes" - ein rechtlich relativ sicherer Weg noch aufgezeigt wird und gegangen werden kann. Er spricht sich dafür aus, lieber gemeinsam den juristisch sicheren Weg zu gehen, den die neue Landesregierung aufzeigt und vom juristisch sehr unsicheren Weg, den die Stadtverwaltung gehen müsste, Abstand zu nehmen. Die CDU-Fraktion stimme in dieser Gesamtabwägung der GRDrs 353/2011 zu.

"Aus Respekt vor dem Verfahren" schlägt StR Kanzleiter (SPD) vor, die heute mündlich erfolgte Antwort der Verwaltung auf den Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN zur Kenntnis zu nehmen und sich fraktionsintern zu beraten. Folglich soll die Vorlage heute ohne Votum in die Vollversammlung verwiesen werden, um morgen dort eine Entscheidung zu treffen. Dies soll jedoch nicht heißen, dass die SPD-Fraktion nach bisheriger Bewertung der Situation in Zweifel gekommen ist, betont er ausdrücklich.

Klarstellen wolle er auch, "dass die SPD-Fraktion nach wie vor zum Projekt Stuttgart 21 steht und respektiert, dass die neue Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag ein Verfahren festgelegt hat, welches zu einer Befriedung im Land Baden-Württemberg beitragen soll, nämlich ggf. in einer Volksabstimmung zu klären, ob die Baden-Württemberger der Meinung sind, dass das Land sich weiterhin an der Finanzierung beteiligt oder aus dieser aussteigt. Wenn die Mehrheit der Baden-Württemberger diese Beteiligung nicht möchte, so wäre das Land bereit, den Schadensersatz zu begleichen". Auch darüber sind seiner Ansicht nach noch Fakten aufzuarbeiten, damit geklärt ist, über was überhaupt abgestimmt wird.

Der Stadtrat geht ferner davon aus, dass die CDU wie auch die sonstigen Oppositionsparteien sich die Frage stellen, ob dies ein Thema ist, das einer rechtlichen Klärung zugeführt werden muss. Die von der SPD beauftragten Juristen seien zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Weg gangbar ist. Was den weiteren Baufortschritt angeht, so hoffe man nicht, "dass am Schluss der Schadensersatz ins Unendliche und damit die Abstimmung durch das Volk zur Farce getrieben wird!"

Gegenüber StR Stopper merkt er an, er habe gehofft, dass die GRÜNEN selbst das Bürgerbegehren als Wahlkampfbeitrag erkannt haben. Hinsichtlich des "demokratischen Makels" macht er darauf aufmerksam, dass sämtliche Angriffe auf das Projekt Stuttgart 21 unter rechtlichen Gesichtspunkten durch die Gerichte abgewiesen worden sind. Er geht davon aus, dass dies auch jetzt der Fall sein wird, da die Argumentation in der Verwaltungsvorlage schlüssig sei. Der Verweis auf die Unterschrift von 35.000 Bürgern zeige daher eher auf, "dass diese Wahlkampflinie auch gefruchtet hat". Da der Gemeinderat keine Entscheidungskompetenz in der Sache hat, sondern nur die Kompetenz hat festzuhalten, was aus seiner Sicht rechtlich zulässig ist und was nicht, könne man der Vorlage folgen.

Was das Thema der Mischfinanzierung angeht, so sei es nur logisch und entspreche der Rechtslage: Wer ein Interesse an etwas hat, der müsse auch bereit sein, einen finanziellen Beitrag zu leisten, damit dieses Interesse realisiert wird. "Wir haben ein großes Interesse, dass das Projekt Stuttgart 21 realisiert wird, und zwar aus städtebaulichen Gründen, aus verkehrlichen Gründen bei der Einbindung unserer Stadt in die Verkehrsinfrastruktur Europas und der Republik und bei der Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Region." Dieses seien elementare kommunale Interessen, die durch dieses Projekt realisiert werden, weshalb es nach Meinung der SPD eine zutreffende und richtige politische Abwägung darstellt, sich mit 1 % bis maximal 6 % - je nach Rechenweise - an dem Projekt finanziell zu beteiligen, zumal erhebliche Einnahmen zu erwarten sind aus Gewerbesteuer und wirtschaftlicher Betätigung, aus der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region usw. All dies gehöre in die Bewertung aufgenommen. Die Mischfinanzierung entspreche daher durchaus den Realitäten von politischen Zusammenhängen und könne nur als gerechtfertigt angesehen werden.

Abschließend macht er darauf aufmerksam, dass der SPD-Antrag 2009 zum Ziel hatte, "dass, wenn jemand kommen sollte - sei es die Bahn, das Land oder sonst wer - und sagt, ihr müsst mehr bezahlen, um das Projekt Stuttgart 21 zu realisieren als das, was vertraglich vereinbart ist und was den Finanzierungsgrundlagen entspricht, also obendrauf noch etwas kommen muss, dann erneut eine politische Entscheidung des Gemeinderats gefordert ist." Dann stehe tatsächlich die Frage an, ob ein Bürgerentscheid notwendig wäre. Bisher jedoch habe noch niemand zusätzliches Geld von der Stadt Stuttgart gefordert, um das Projekt realisieren zu können, sondern man bewege sich im Rahmen geschlossener Verträge. Seine Fraktion halte es für einen elementaren Grundsatz, dass Verträge in jeder Beziehung eingehalten werden müssen. Er bittet Herrn Dr. Porsch oder Herrn Paßler darum, zum Inhalt des Vertrags Stellung zu nehmen. Seine Fraktion werde der Vorlage in der Vollversammlung morgen wahrscheinlich zustimmen.

StR Prof. Dr. Dr. Lübbe (FDP) erklärt, die FDP-Gemeinderatsfraktion befürworte grundsätzlich im Sinne einer Basisdemokratie ein solches Bürgerbegehren, wenn dieses rechtsstaatlich fundiert und unangreifbar ist. In der Verwaltungsvorlage werde jedoch ausführlich und juristisch einwandfrei die Unzulässigkeit des Antrags auf Zulässigkeit eines solchen Bürgerbegehrens dargelegt. Vor allem im Gutachten von Prof. Dolde würden unmissverständlich Fakten aufgezählt, wie die Verfolgung eines rechtswidrigen Ziels, Verstreichen der Sechs-Wochen-Frist, unzureichende Begründung und andere Punkte mehr. Auch bei der Gegenüberstellung des Gutachtens von Prof. Meyer ergebe sich keine andere Auslegung, als den Antrag für unzulässig zu erklären.

Die Ausführungen von BM Dr. Schairer waren für StR Zeeb (FW) eindeutig und hilfreich. "Wir, die Freien Wähler, wollen 35.000 Bürger nicht wissentlich in die Irre führen und falsche Hoffnungen wecken. Und man kann von uns gewählten Freie-Wähler-Stadträten nicht verlangen, dass wir eine andere Position vertreten sollen, als die hier von der Verwaltung schlüssig dargestellte." Er stellt weiter klar, dass man zulässige Bürgerbegehren immer unterstützen werde. So wünsche man sich ein solches, wenn es z. B. um die Kosten der möglichen stadteigenen Energieversorgung geht. Der Stadtrat hält das, "was hier von einigen Seiten betrieben wird, für einen völlig unnötigen Aktionismus im Gemeinderat. Das können wir doch jetzt unserer hochkompetenten Landesregierung und allen, die damit zu tun haben, überlassen."

Nach Auffassung von StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) trifft es zwar zu, dass weder Verwaltungsausschuss noch Verwaltung und die jeweiligen Berater ein Gericht sind, doch bleibe gerade deshalb nichts anderes übrig, als heute eine politische Entscheidung zu treffen auf der Grundlage juristischer Beratung. Folglich habe man sich heute mit der Stichhaltigkeit der Verwaltungsvorlage zu beschäftigen. Über die Zulässigkeit entscheide hinterher ein Gericht. Seine Fraktionsgemeinschaft komme dabei zu ganz anderen Beurteilungen als seine direkten Vorredner. Er schließt sich der "ernsthaften Überprüfung, die die GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion beantragt hat" an bei der Argumentation der Verfassungswidrigkeit der Verträge, die gerechtfertigt wird von den Gutachtern dahingehend, dass Gemeinschaftsaufgaben sowohl von der Stadt finanziert werden können, wenn es um die Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe der Stadt geht, wie Stadtumbau, Wirtschaftsförderung usw. Was den Ermessensspielraum/Bewer-tungsspielraum angeht, vertritt er die Meinung, dass, wenn ein Beurteilungsspielraum vorhanden ist, es wesentlich sei, auf welcher Grundlage diese Beurteilung zustande gekommen ist. Diese Frage sei BM Dr. Schairer schuldig geblieben.

Um beurteilen zu können, ob es sich um städtische Aufgaben handelt, fordert er in Ergänzung zum Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die kompletten Kosten aufzulisten, die die Stadt trägt. Dazu gehöre der Aufwand für Werbung, für Beiträge an die Region etc., künftige Kosten für Altlastenbeseitigung, Grundstückserwerb, "Zinsgeschenke" usw. Dadurch ergebe sich, ob Aufwand und Nutzen noch im Einklang stehen. Eine solche Kostentransparenz habe die Stadt Stuttgart bis heute nicht hergestellt.

Im Hinblick auf die Verwaltungsvorlage möge es zwar sein, dass in den Verträgen kein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen ist und somit nach Verstreichen der Frist vom 31.12.2009 auch kein außerordentliches, doch besteht nach Meinung der Frak-tionsgemeinschaft "natürlich ein außerordentliches Kündigungsrecht. Dauerschuldverhältnisse können aus wichtigen Gründen gekündigt werden". Darüber, ob ein wichtiger Grund vorliegt, könne man vor Gericht streiten. Es wäre darüber hinaus sittenwidrig, solche Verträge zu schließen, aus denen man nicht mehr herauskommt, wenn die Geschäftsgrundlage entfällt oder das Vertrauensverhältnis empfindlich gestört ist, "z. B. gegenüber der Bahn AG, weil sie uns das Grundwassermanagement verschwiegen hat, was da wirklich an Risiken drin ist, weil sie uns die wirklichen Kosten verschwiegen hat, weil sie z. B. selbst bei der Entscheidung am 31.12. bahnintern schon mit 5,2 Mrd. € gerechnet hat..."

Zu den Begründungen in den Absätzen 5 bis 7 der Verwaltungsvorlage ergänzt er, es gebe neuere Rechtsprechungen vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, der darin ausgeschlossen habe, dass die Bürger grundsätzlich keine Sachkompetenz in finanziellen Fragen haben.
Die "unzureichende Begründung" anzuführen (Abs. 6 und 7) betrachtet er als "Frechheit". Ähnlich wie schon beim letzten Bürgerbegehren würden enorme Anforderungen gestellt. Die Stadt dürfe sich dem nicht anschließen, da die Verwaltung ein Bürgerbegehren so zu prüfen habe, dass sie es im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die keine Juristen sind, macht.

Der Stadtrat kommt insgesamt zu dem Schluss, dass das Bürgerbegehren zulässig ist, da die Verwaltungsvorlage nicht stichhaltig sei. "Wenn der Gemeinderat heute erklärt, das Bürgerbegehren ist zulässig, so stehe man nicht vor der Entscheidung, das Bürgerbegehren zu übernehmen oder einen Bürgerentscheid zu machen. Sondern es habe zur Folge, dass er anerkennt, dass die Verträge verfassungswidrig und damit nichtig sind." Er beendet seinen Wortbeitrag mit der Wiederholung der Forderung, die Stadt möge sämtliche - auch die versteckten - Kosten auflisten, um beurteilen zu können, ob es sich um städtische Aufgaben handelt. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE lehnt die Verwaltungsvorlage ab und stimmt dem Bürgerbegehren zu.

BM Dr. Schairer erklärt, die Verwaltung werde versuchen, die gestellten Fragen bis morgen schriftlich zu beantworten. Gegenüber StR Rockenbauch macht er deutlich, "wir wollen heute keine politischen Entscheidungen treffen, sondern wir diskutieren über Rechtsfragen. Das ist das Entscheidende, und deshalb sind viele Ausführungen, die Sie gemacht haben, hier nicht das Thema. Abgesehen davon, und das muss ich auch Herrn Stopper nochmals sagen: Ein Bürgerbegehren ist nicht die Eier legende Wollmilchsau, die alle Fragen, die Sie bewegen und die Sie gestellt haben, lösen kann." Er bittet zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Bürgerbegehren hier nicht das taugliche Mittel ist, um sich mit Hilfe der Argumentation der Verfassungswidrigkeit von Verträgen eine Gestaltung zu machen. Dies gelte genauso wie die Tatsache, dass heute wieder über Themen geredet wurde, die schon längst gerichtlich geklärt sind und in der Verwaltungsvorlage rechtlich ausgeführt worden sind.

Anschließend begrüßt er Herrn Dr. Porsch als Mitverfasser des Gutachtens und bittet ihn, zu den aufgeworfenen rechtlichen Fragen Stellung zu nehmen.

Herr Dr. Porsch greift zunächst die Frage auf "Was will das Bürgerbegehren eigentlich?" Das Bürgerbegehren sei von einigen Juristen ausformuliert worden. Es wird gefordert, die Verträge zu kündigen. Zur Begründung stütze man sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Meyer, welches von der Landtagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingeholt wurde. Lese man das Gutachten zu Ende, so werde man die klare rechtliche Aussage haben. Sofern man unterstellt, "dass Herr Meyer recht hat, sind die Verträge nichtig, und zwar von Anfang an. Man braucht dazu kein Jurist zu sein - einen nichtigen Vertrag kann man nicht kündigen! Dann braucht man auch kein Gestaltungsrecht, um ihn zu kündigen. Das heißt, selbst wenn man den Herrn Meyer beim Wort nimmt, dann sind die Verträge eben nichtig und nicht kündbar."

Wenn die Verträge von Anfang an nichtig sind, so sei dann auch die Sechs-Wochen-Frist abgelaufen. Im Jahr 2007 hätte man dies zum ersten Mal geltend machen können und müssen, als der Gemeinderat zum ersten Mal über die Verträge und die Zustimmung zu diesen beschlossen hat.

Zum Einwand, die Frist gelte nicht, denn die Verfassung stehe über allem und man müsse dies geltend machen können, merkt Herr Dr. Porsch gegenüber StR Stopper an: "Mit dieser Behauptung stehen Sie - denke ich - zu Recht ziemlich alleine!" Wenn eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll, weil man sich grob verfassungswidrig behandelt fühlt, so müsse dennoch die Monatsfrist gewahrt werden. Wenn diese Monatsfrist um ist, wird die Verfassungsbeschwerde als unzulässig abgewiesen, ohne dass sich das Verfassungsgericht in der Sache mit den Einwendungen beschäftigt. Solche Fristen hätten den Sinn, die Rechtsordnung vorhersehbar und rechtssicher zu machen. Die Sechs-Wochen-Frist habe ebenfalls genau den Sinn, dem Gemeinderat irgendwann die Sicherheit zu geben, dass seine Beschlüsse nicht mehr durch ein Bürgerbegehren angegriffen werden können.

Seinerseits würde ihn interessieren, woher - wenn man sich auf das Gutachten Meyer beruft - die Initiatoren des Begehrens das Kündigungsrecht nehmen. In der Begründung finde sich diesbezüglich kein Satz, weshalb er diese Begründung für nicht ausreichend hält.

Bezüglich der Frage der Höhe der Finanzierungsbeiträge sage das Bundesverwaltungsgericht, "Die Finanzierungsbeiträge müssen angemessen sein im Verhältnis zur jeweiligen Aufgabenerfüllung". Tatsächlich seien es schwierige Entscheidungen, ob etwas angemessen ist oder nicht mehr angemessen. Diese Problematik sei den Verwaltungsrichtern bekannt. Diese wissen, dass zunächst diejenigen, die über den Vertrag verhandeln, das erste Zugriffsrecht haben und darüber entscheiden, was angemessen ist und was nicht. "Der Richter bekommt die Akten auf den Tisch und soll darüber entscheiden, dass die Stadt in diesem Fall z. B. 6 % übernimmt und das Land um die 20 %. Weil er sich damit sehr schwer tut, beschränkt er sich - und dies ist allgemein anerkannt in der Rechtsprechung - auf eine bloße Willkürkontrolle." Er achte somit darauf, ob das Ergebnis einigermaßen vertretbar ist im Vergleich zu den Vorteilen, die die Stadt hat. Seines Erachtens sind 6 % völlig unkritisch bei Betrachtung der Vorteile, die auch Prof. Meyer in seinem Gutachten klar einräumt und sagt: "Es ist ein Stadtumbauprojekt". Selbst das Doppelte oder das Dreifache der 6 % wird nach seiner Überzeugung ein Richter nicht beanstanden.

StR Rockenbauch bittet darum, auf die §§ 314 und 732 BGB einzugehen. Nicht überzeugend waren für ihn die Ausführungen zu den besonderen Ansprüchen an die Begründung für ein Bürgerbegehren. Als Willkür betrachtet er darüber hinaus, wenn zum Zeitpunkt des ersten Vertragsabschlusses die Aufgabe mit 1 % bewertet wird, die die Stadt Stuttgart mit 30 Mio. € belastet, später aber mit 260 Mio. € und noch mehr.

Mit dem Hinweis auf das Beurteilungsermessen des Gerichts und darauf, dass der Verwaltungsausschuss sich darauf verständigt hat, die Vorlage ohne Votum an den Gemeinderat zu verweisen, schließt BM Dr. Schairer den Tagesordnungspunkt ab und stellt die Vorberatung der GRDrs 353/2011 fest.
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