Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau und Umwelt
Gz: StU
GRDrs 1207/2013
Stuttgart,
11/08/2013



Haushalt 2014/15

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 13.11.2013



Leitantrag: Stuttgart – Stadt der ökologischen Nachhaltigkeit

Beantwortung / Stellungnahme

Zu Leitantrag: Stuttgart – Stadt der ökologischen Nachhaltigkeit

Die Berechnung des Ecological Footprints für die Stadt bedürfte eines Konzepts, das die Standards des GLOBAL FOOTPRINT NETWORK STANDARDS COMMITTEE berücksichtigt und die Verfügbarkeit entsprechender Daten prüft. Dieses Konzept kann in der Kürze der Zeit für die Haushaltsberatungen nicht erstellt werden, unabhängig von seiner fehlenden Finanzierung. Sofern der Gemeinderat entsprechende Haushaltsmittel zur Konzepterstellung bereit stellt, kann die Verwaltung ein Konzept erstellen lassen. Die Kosten für die Konzepterstellung werden grob auf etwa 50.000 Euro geschätzt. Diese Mittel sind im Haushalt bisher nicht enthalten. Eine Umsetzung ist erst nach Vorliegen des Konzepts ab 2016 denkbar.


Zu Klimaschutzsatzung für Stuttgart

Gemeinden können Satzungen erlassen, soweit sie dazu durch ein Gesetz ermächtigt sind. Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg (KSG BW) enthält keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Klimaschutzsatzung durch Gemeinden.

Nach dem Klimaschutzgesetz BW haben die Gemeinden eine allgemeine Vorbildfunktion beim Klimaschutz, die sie in eigener Verantwortung zu erfüllen haben. Die Stadt unternimmt umfangreiche Anstrengungen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und sich dem unvermeidbaren Klimawandel anzupassen. Seit 1997 (mit Fortschreibung 2007) gibt es das Klimaschutzkonzept KLIKS. Im Jahr 2012 wurde dem Gemeinderat das Klimawandelanpassungskonzept Stuttgart (KLIMAKS) vorgelegt (GRDrs 299/2012).

Die Stadt bilanziert jährlich die Treibhausgasemissionen (CO2) nach einem Verfahren des Klimabündnisses europäischer Städte bzw. der Europainitiative „Konvent der Bürgermeister“ und verpflichtet sich dadurch den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um mindestens 20 % bis 2020 zu reduzieren. Um den Erfordernissen des europäischen Energie- und Klimaschutzpakets auf kommunaler Ebene gerecht zu werden, soll zudem der Energieverbrauch der Stadt bis 2020 um 20 % reduziert und der Anteil erneuerbarer Energien an der Energiebereitstellung auf 20 % erhöht werden. Zu diesem Zweck wurden Maßnahmen für die Gesamtstadt identifiziert, die innerhalb des Konvents der Bürgermeister in den Aktionsplan für nachhaltige Energie (Sustainable Energy Action Plan, SEAP) eingingen.

Energetisch relevante Maßnahmen im Energieaktionsplan werden mit dem Projekt Stadt mit Energieeffizienz bewertet, angestoßen sowie durch weitere wirksame Maßnahmen ergänzt. Zur Überprüfung der Energieverbrauchsentwicklung wird die Energiebilanz für Stuttgart im Zwei-Jahres-Rhythmus erhoben. Die Entwicklung der Maßnahmen in SEE wurde dem Gemeinderat jährlich vorgestellt. Zuletzt wurde mit der GRDrs 170/2013 am 30.04.2013 im Umwelt- und Technikausschuss berichtet. Am 20. September 2013 wurde mit interessierten Gemeinderatsmitgliedern das Projekt vertieft.

Das Monitoring der Energieverbrauchsentwicklung ist in SEE für 2012 und 2014 bereits gesichert, sollte jedoch über die Laufzeit des Projekts hinweg fortgesetzt werden. Dazu ist aber eine feste Stelle im Amt für Umweltschutz notwendig, die noch geschaffen werden muss (Stellenantrag „Energiekonzepte Stuttgart“; lfd. Nr.1202).

Jede Beschlussvorlage an den Gemeinderat hinsichtlich der Zielerreichung zu bewerten, erscheint vom Aufwand nicht praktikabel. In jedem Einzelfall müsste eine Bilanzierung der CO2-Emissionen erfolgen, was zum Teil sehr schwierig und aufwändig werden und zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen von Beschlüssen führen dürfte.

Bei geplanten Neubauvorhaben enthält die Vorlage zum Baubeschluss ein energetisches Datenblatt, das den Energiebedarf des neuen Gebäudes ausweist. Daraus kann der Einfluss auf den Gesamtenergiebedarf der städtischen Liegenschaften abgeschätzt werden. Es ist denkbar, dieses Datenblatt weiter zu entwickeln, um auch die CO2-Emmissionen darzustellen. Eine Steigerung läuft immer den Zielen der Energieeinsparung oder den Klimaschutzbemühungen zuwider.


Zu Stadtwerke Stuttgart: Innovativer Energiedienstleister

Bei der Verwendung des Begriffs „Contracting“ ist beim Einsparcontracting zwischen Sanierung oder Erneuerung einer Anlage und der Sanierung des gesamten Gebäudes zu unterscheiden. Im Falle des Anlagencontractings bleibt die Anlage anschließend im Eigentum des Contractinganbieters, die Investition refinanziert sich über regelmäßige Zahlungen. Ob eine vergleichbare Konstellation im Rahmen des Einsparcontractings (Wärmedämmung) möglich ist, wird gerade im Projekt SEE untersucht.

Das Thema Anlagen-Contracting sehen die Stadtwerke Stuttgart als ihre Kernaufgabe. Das Geschäftsfeld ist bei den Stadtwerken Stuttgart bereits im Aufbau. Pilotprojekte in verschiedenen Stadtteilen sind in Vorbereitung. Parallel haben die Stadtwerke Stuttgart bereits mit bestehenden Gruppierungen (u.a. IHK, Innung für SHK und Elektro, Kreishandwerkerschaft) einen fachlichen Austausch begonnen. Ob darüber hinaus ein weiteres zusätzliches Gremium, wie z.B. ein Beirat, in gleicher Angelegenheit zur Erreichung der Ziele dienlich ist, muss sorgfältig geprüft werden.

Mit Hilfe der Erfahrungen aus dem stadtinternen Contracting entwickelt das Amt für Umweltschutz im Rahmen von SEE in Kooperation mit dem Energieberatungszentrum eine Contracting-Dienstleistung für die Sanierung privater Wohngebäude. Das Contracting-Modell ist eine der Maßnahmen, die im Runden Tisch Wohnsektor diskutiert werden. Am Runden Tisch, der 2012 ins Leben gerufen wurde, nehmen neben den Vertretern der Stuttgarter Wohnungswirtschaft, die Mieter- und Eigentümervereine, das Energieberatungszentrum sowie das Stadtplanungsamt und das Amt für Liegenschaften und Wohnen teil. Die Stadtwerke Stuttgart wurden in Austauschgesprächen mit dem Amt für Umweltschutz über relevante Entwicklungen informiert und werden zu den künftigen Treffen des Runden Tischs eingeladen. Weitere Arbeitsgruppen zu ausgewiesenen Sanierungsgebieten wie die „Facharbeitsgruppe Energie“ für Stöckach sind empfehlenswert, bedürfen jedoch einer zentralen Stelle zur Koordination. Diese Aufgabe kann durch die beantragte Stelle „Energiekonzepte Stuttgart“ (lfd. Nr. 1202) im Amt für Umweltschutz wahrgenommen werden.

In SEE wurde mit der Entwicklung einer Gebäudesanierungs-Dienstleistung bereits begonnen. Mit oben genannter Stelle können eine weiterführende Konzeption vorgenommen und erste Vorhaben hinsichtlich der Umsetzbarkeit abgeschätzt werden. Erst im Anschluss an diese fachliche Bewertung steht die Höhe des Finanzbedarfs für das Contracting fest.

Die Vertreter aus dem Stuttgarter Wohnungsbereich nehmen bereits halbjährlich am Runden Tisch Wohnsektor teil. Diese Plattform kann auch von den Stadtwerken zum Austausch über Energiethemen genutzt werden.


Zu Sozialtarife für Strom und Gas einführen

Die Regelsätze der Sozialhilfe bzw. die Regelleistungen des SGB II sind niedrig bemessen und erfordern von den Leistungsberechtigten ein zielgerichtetes und sehr überlegtes Verbrauchs- und Ausgabeverhalten. Die Höhe dieser Leistungen ist inzwischen mehrfach von Sozialgerichten und dem Bundessozialgericht als sachgerecht und ausreichend bestätigt worden.

Sozialtarife sind ein Thema der Energieversorgungsunternehmen; diese lehnen bisher staatlich verordnete Sozialtarife ab. Sie verweisen darauf, dass Sozialpolitik eine staatliche Aufgabe sei und dass der Strompreis zu etwa 40 % aus staatlichen Abgaben und Steuern besteht, die z. T. ausdrücklich als Anreize zum Energiesparen eingeführt worden seien. Diese politisch gewollten Abgaben nun durch Subventionen zu verwässern, sei nicht sinnvoll und würde einen unzulässigen Eingriff in den Wettbewerb unter den Stromanbietern bedeuten.

Auch Träger der freien Wohlfahrtspflege, z. B. der Paritätische Wohlfahrtsverband, lehnen Sozialtarife ab und plädieren stattdessen für Maßnahmen des Verbraucherschutzes oder auch weitere Änderungen des Wohngeldgesetzes.


Die verbindliche Umsetzung eines tatsächlichen Sozialtarifs, d. h. eines Sozialtarifs, der für eine zu bestimmende Zielgruppe eine günstigere Alternative bietet, ist unter Berücksichtigung der Vielzahl der Stromanbieter und eines fairen Wettbewerbs zur Zeit nicht absehbar und könnte mittelfristig durch die Auswirkungen auf die Einkommens- und Verbraucherstichprobe zu einer Absenkung der Regelleistungen führen.


Sowohl über das SGB II in § 22 Abs. 8 als auch über das SGB XII in § 36 Abs. 1 besteht ein Sozialleistungsanspruch bei einer (drohenden) Energiesperre. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, von welchem Energieversorger der Leistungsberechtigte seinen Strom bezieht. Im Jahr 2012 wurden im SGB II in knapp 600 Fällen und im SGB XII in ca. 100 Fällen Darlehen wegen drohender bzw. erfolgter Stromsperrung gewährt. Die Leistungsgewährung erfolgt unter Würdigung der individuellen Umstände als Beihilfe und/oder als Darlehen mit Rückzahlungsverpflichtung. Diese Verfahren für alle Kunden der SWS Vertriebsgesellschaft mbH anders zu gestalten, ist rechtlich nicht möglich und würde einen Eingriff in den Wettbewerb unter den Energieversorgern darstellen. Darüber hinaus würden die Wahlfreiheit und die Autonomie der Leistungsbezieher eingeschränkt. Gründe für die Stromschulden waren in der Regel nicht die gestiegenen Strompreise, sondern vielmehr nicht bezahlte Vorauszahlungen (Strom, Gas, Wasser) an das Energieversorgungsunternehmen, obwohl die Bedarfe vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt entweder über den Regelbedarf, einen Mehrbedarf oder/und die Kosten der Unterkunft bei der Leistungsgewährung berücksichtigt wurden. Dies macht die individuelle Prüfung, in welcher Höhe und in welcher Form Schulden für die Energieversorgung übernommen werden können, notwendig.

In der Regel legen die Leistungsberechtigten den Mitarbeitern des Jobcenters oder der Sozialhilfedienststelle bereits Mahnungen oder Androhungen von Stromsperren des Energieversorgungsunternehmens vor. Im Vorfeld einer Sperre bieten diese z. B. dann den Betroffenen Unterstützung bei der Vereinbarung von Ratenzahlungen an und vermitteln nicht selten zwischen den Leistungsberechtigten und dem Energieversorgungsunternehmen.

Nach der Erfahrung des Sozialamts sind die Energieversorgungsunternehmen i. d. R. bereit, einer ratenweisen Tilgung des Rückstandes zuzustimmen. Auf Beratungsangebote zu Energiesparmöglichkeiten (z. B. Stromspar-Check durch den Caritasverband für Stuttgart e. V. oder Energieberatung der einzelnen Stromanbieter) werden die Leistungsberechtigten regelmäßig hingewiesen.

§ 22 Abs. 7 SGB II bzw. § 35 Abs. 1 SGB XII berechtigt das Jobcenter bzw. den Sozialhilfeträger bei Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, Leistungen direkt an das Energieversorgungsunternehmen oder andere Empfangsberechtigte, z. B. den Vermieter, zu zahlen. Dies kann auch auf Antrag des Betroffenen erfolgen. Mit dieser Verfahrensweise kann das Entstehen derartiger Rückstände für die Zukunft in vielen Fällen vermieden werden.

Mit diesem umfänglichen Leistungs- und Hilfeangebot kann somit die wirtschaftliche Notlage in vielen Fällen auch nachhaltig behoben werden.


Zu Maßnahmen zum Gesamtkonzept Stadt mit Energieeffizienz ausfinanzieren

Derzeit werden im Projekt SEE die bereits begonnenen Energiesparmaßnahmen abgearbeitet. Im nächsten Schritt erfolgt die fachliche Prüfung und Konzepterstellung für noch offene Maßnahmen. Eine Umsetzung kann danach ab 2015 erfolgen, wobei die Finanzierung noch offen ist. Ein Teil dieser Maßnahmen setzt die Einrichtung der Stelle „Energiekonzepte Stuttgart“ (lfd. Nr. 1202) voraus, um sowohl Quartierskonzepte als auch Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Antrag „Kommunikationskonzept Energie“) umzusetzen. Wenn es mit vertretbarem Aufwand möglich ist, wird im Rahmen der Schulhaussanierungen entweder der Bau von Photovoltaik-Anlagen umgesetzt oder es werden die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen zu einer späteren Installation durchgeführt. Beim stadtinternen Contracting wird auf die GRDrs 539/2013 verwiesen.
Zu Energienutzungsplan für Stuttgart

Die Entwicklung der o. g. Energienutzungspläne ist als kommunalen Energie- und Bauleitplanung notwendig, um die Energiewende mit Gebäudesanierungen, der Nutzung bestehender Energieversorgungsinfrastrukturen (Fernwärme) und dem Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Vom Amt für Umweltschutz wird in SEE ein Konzept für ein Stuttgarter Energiekataster erarbeitet. Dieses soll in verschiedenen Betrachtungsebenen neben Energiesenken auch nutzbare Energiearten (z. B. Abwärme) darstellen. Weiter wird eine „Road Map“ Energie entwickelt um aufzuzeigen, wie Stuttgart zu einer Stadt mit effizienter, nachhaltiger Energieversorgung gewandelt werden kann. Für die dauerhafte Integration der Erkenntnisse aus SEE in die städtischen Planungsprozesse – vornehmlich der Bauleitplanung – sowie der Übertragung geobasierter Energiedaten in die bestehenden Geoinformationssysteme der Stadt und der Ableitung von Energienutzungsplänen fehlen der Verwaltung derzeit die Ressourcen. Das Amt für Umweltschutz hat eine unbefristete Vollzeitstelle in EG13 zur Entwicklung integrierter Energiekonzepte für die Gesamtstadt Stuttgart beantragt (Stellenantrag lfd. Nr. 1202). Mit der beantragten Stelle können die o. g. Aufgaben abgedeckt werden.

Aufbauend auf Erfahrungen aus laufenden Projekten (z. B. Energiekonzeption Neckarpark) sollen die Erkenntnisse zielgerichtet für eine energetisch nachhaltige Bauleitplanung, aber auch Wirtschaftsförderung, in die Planungsprozesse der Stadt eingebracht und die Handlungsweisen verstetigt werden, so dass öffentlichkeitskritische Vorhaben, wie beispielsweise das Rosensteinviertel, von der ersten Idee begleitet und bis zur Besiedelung der Gebiete energetisch optimal gestaltet werden und zu aktuellen Diskussionen (z. B. Sanierung IBM-Campus) zeitnah energetisch wegweisende Konzepte eingebracht werden können. Erst im Anschluss an diese fachliche Bewertung steht fest, ob und in welcher Höhe weitere Finanzmittel für die Umsetzung ab 2015 notwendig sind.

Mit der beantragten Stelle wird auch die Fähigkeit des Amts für Umweltschutz gestärkt, im Themengebiet „Energie“ Gestaltung und Wandel internationaler, nationaler und regionaler Förderprogramme zu beobachten, förderfähige Vorhaben zu initiieren, diese intern und extern mit beteiligen Stellen abzustimmen sowie fachlich fundierte Förderanträge auszuarbeiten und diese rechtzeitig zu stellen.





Matthias Hahn
Bürgermeister



Vorliegende Anträge/Anfragen

813/2013 SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft








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