Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
341
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VerhandlungDrucksache:
667/2014
GZ:
OB
Sitzungstermin: 05.11.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Flüchtlingsunterbringung 2015 / Standorte Tranche 2

Vorgang:

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 10.10.2014, öffentlich, Nr. 102
Ergebnis: Ziffer 1 A und 2: einmütige Zustimmung
Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 20.10.2014, öffentlich, Nr. 77
Ausschuss für Umwelt und Technik vom 21.10.2014, öffentlich, Nr. 447
jeweiliges Ergebnis: Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 26.09.2014, GRDrs 667/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Festlegung von Standorten

A) Flüchtlingsunterkünfte in anzumietenden Objekten

Von der Anmietung der folgenden 4 Objekte zur Schaffung von 296 weiteren Unterkunftsplätzen wird zustimmend Kenntnis genommen:


- Wildunger Straße 53 (Liebfrauenheim),
Bad Cannstatt
122 Unterkunftsplätze
- Forststraße 71, S-West
(derzeit bereits 60 Unterkunftsplätze auf Tagessatzbasis, somit künftig insgesamt 120 Unterkunftsplätze)
60 Unterkunftsplätze
- Herschelstraße 30, Vaihingen-Dürrlewang
(derzeit bereits 35 Unterkunftsplätze auf Tagessatzbasis, somit künftig insgesamt 59 Unterkunftsplätze)
24 Unterkunftsplätze
- Gottfried-Keller-Straße 18-20, Zuffenhausen
(derzeit bereits 60 Unterkunftsplätze auf Tagessatzbasis, somit künftig insgesamt 150 Unterkunftsplätze)
90 Unterkunftsplätze

Die Mietverträge sind mit einer Festmietzeit von jeweils 5 Jahren bzw. 6 Jahren vorgesehen und mit einer jeweils fünfmaligen Option zur Verlängerung um 1 Jahr.

Über die Konditionen und die Finanzierung der Anmietungen wird in einer gesonderten Vorlage entschieden (vgl. GRDrs. 729/2014).

B) Flüchtlingsunterkunft in Systembauweise

- Dem Standort Solitudestraße 121, Flst. 6021/1 in Stuttgart-Weilimdorf zur Errichtung von zwei Flüchtlingsunterkünften in Systembauweise (Systembauten) zur Schaffung von 156 weiteren Unterkunftsplätzen wird zugestimmt.

- Das bestehende Bauwerk in der Solitudestraße 121 (Veranstaltungsgebäude/
Gaststätte) wird zu diesem Zweck abgebrochen.


- Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) wird bevollmächtigt, die Systembauten entsprechend der bestehenden Vereinbarung im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt zu errichten.

- Die Nutzung an diesem Standort ist auf einen Zeitraum von 5 Jahren befristet.

- Auf einen gesonderten Vorprojekt-, Projekt- und Baubeschluss wird verzichtet.

2. Für die Errichtung der unter Beschlussantrag Ziffer 1 B) aufgeführten Systembauten inklusive Planungsmittel und Ausstattung entsteht ein Gesamtaufwand von rd. 3.454.000 €.

Hinzu kommen Aufwendungen für den Abbruch des Bestandsgebäudes in Höhe von ca. 150.000 €, die Altlastensanierung auf dem Gelände in Höhe von ca. 350.000 € sowie die Vergütung der SWSG in Höhe von rd. 80.200 €. Insgesamt ist somit mit Kosten in Höhe von rd. 4.034.200 € zu rechnen.

Die Kosten für die Systembauten werden wie folgt gedeckt:

Teilfinanzhaushalt 230 - Amt für Liegenschaften und Wohnen, Projekt-Nr. 7.233106 Flüchtlingsunterkünfte, Systembauten, Ausz.Gr. 7871 - Hochbaumaßnahmen

2015: 3.934.200 €

Teilfinanzhaushalt 500 - Sozialamt, Projekt-Nr. 7.509314, Sonstige Investitionen Soziale Einrichtungen 50, Ausz.Gr. 783, Erwerb von beweglichem Sachvermögen

2015 : 100.000 €

Der Betrieb der Systembauten verursacht in 2015 Kosten in Höhe von 84.240 €. Diese Kosten sind im Teilergebnishaushalt 230 - Amt für Liegenschaften und Wohnen, Amtsbereich 2307030 - Immobilienverwaltung, Kontengruppe 42410 - Bewirtschaftung Grundstücke und bauliche Anlagen finanziert.


Aufgrund der bereits erfolgten Vorberatung im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen, dem Sozial- und Gesundheitsausschuss und dem Ausschuss für Umwelt und Technik geht EBM Föll davon aus, auf eine Vorstellung der einzelnen Standorten verzichten zu können. Die Standorte seien darüber hinaus in den jeweils betroffenen Bezirksbeiräten erörtert worden. Letztere hätten mit einer Ausnahme entweder mehrheitlich oder einstimmig den Standorten zugestimmt. Die Erweiterung der Unterkunft Gottfried-Keller-Straße in Zuffenhausen habe der Bezirksbeirat Zuffenhausen mit Stimmengleichheit abgelehnt. Nichtsdestotrotz halte die Verwaltung an diesem Standortvorschlag fest.

Informiert habe man außerdem darüber, welche Kapazitäten aufgrund der aktualisierten Prognose der Zuweisungszahlen bis Ende 2015 benötigt werden. Die GRDrs 667/2014 enthalte noch den alten Stand vom Ende September 2014. Inzwischen werde für die Stadt Stuttgart im Jahr 2015 eine Erhöhung der monatlichen Zuweisungen von 120 auf ca. 150 Personen/Monat erwartet. Bezogen auf eine Platzprognose bedeute dies nach Beschlussfassung der Tranche 2 ein Defizit von rund 380 Plätzen, für welche die Verwaltung noch in diesem Jahr weitere Vorschläge in einer Tranche 3 unterbreiten werde. Damit wäre Stuttgart in der Lage, die gesetzliche Unterbringungspflicht zu erfüllen und dies in einer angemessenen und der großen humanitären Aufgabenstellung entsprechenden Weise zu tun. Bisher sei es bei Systembauten meist gelungen, dass zwischen Beschlussfassung durch den Gemeinderat und der Übergabe, sprich Fertigstellung der Einrichtungen, nicht mehr als 9 bis 10 Monate vergehen.


Dies sei einschließlich Baugenehmigungsverfahren, Ausschreibung und Umsetzung eine bemerkenswert zügige zeitliche Realisierung.

StR Dr. Reiners (CDU) verweist auf den bisherigen Beratungsverlauf und lobt das Konzept insgesamt als sehr überzeugend, auch mit Blick auf andere Städte. Sowohl die Kosten für die Systembauten seien gedeckt als auch der Betrieb für 2015 finanziert, wenngleich die Kosten in den Hintergrund treten, blicke man auf die menschlichen Schicksale der Flüchtlinge. Sein besonderer Dank gelte der Verwaltung insgesamt, die mit Präzision agiert habe, und seitens seiner Fraktion somit große Zustimmung für ihre Vorlage erhalte.

Für StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) sind die Aufnahme und die menschliche Unterbringung von Flüchtlingen eine gesetzliche Pflichtaufgabe und ein menschliches Gebot. Die GRÜNEN blieben daher bei ihrer Zustimmung und danken der Verwaltung für die gute, mühsame und erfolgreiche Arbeit, die sie in dem Bereich leistet.

StR Körner (SPD) erklärt ebenfalls Zustimmung, freut sich sehr, dass diese so breit erfolgt, und dankt der Verwaltung, den Mitgliedern der Bezirksbeiräte und insbesondere den Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern, die das Thema vor Ort besonders intensiv kommunizieren mussten und müssen. Nach seinem Eindruck hatte das Abstimmungsergebnis in Zuffenhausen auch damit zu tun, "dass nicht ganz klar war, dass man sich nicht enthalten sollte". Er verweist darüber hinaus auf den Antrag seiner Fraktion, wonach man sich in der Zukunft speziell um Kinder und Jugendliche kümmern muss, was das Thema Kitas, Schulen und duale Ausbildung angeht.

Aus Sicht der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS ist die heutige Zustimmung zur Vorlage eine Selbstverständlichkeit, so StR Rockenbauch. Es müsse auch weiterhin darauf geachtet werden, dass die menschenwürdige Unterbringung für Flüchtlinge, die in existenzielle Not geraten sind, auch in Stuttgart zügig gelingt. Sein Dank richte sich an alle, die daran professionell arbeiten, damit dies vom kulturellen Begleitprogramm bis zur Stellenschaffung hierfür gelingt. Angesichts der neuen Prognosezahlen hofft er, auch die Tranche 3 erfolgreich bewältigen zu können und dass dies auch beim Thema Kinder und Jugendliche gelingt. Den Antrag der SPD-Fraktion unterstütze man daher gerne.

Auch die Freien Wähler stimmen der Vorlage zu, teilt StRin von Stein (FW) mit. Sie dankt der Verwaltung für deren Arbeit insgesamt und dafür, im Falle von Weilimdorf die bestehenden Zweifel erschöpfend ausgeräumt zu haben. Was Zuffenhausen anbelangt, so habe dort vor allem die Beobachtung, dass im Stadtteil bereits schon viele andere Einrichtungen, wie z. B. Fürsorgeunterkünfte, verortet sind, zur Ablehnung geführt. Die Mitglieder des Bezirksbeirats hätten mit ihrem Votum deutlich machen wollen, dass sie die Verwaltung intensiv dazu auffordern, für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in alle Stadtbezirke zu sorgen.

StR Klingler (FDP) erklärt, seine Fraktion stehe natürlich zur gesetzlichen Aufgabe, alle Flüchtlinge in Stuttgart menschenwürdig unterzubringen.


Er habe sich alle vorgeschlagenen Standorte angesehen und sei bei allen Bezirksbeiräten gewesen. Der Bezirksbeirat Zuffenhausen habe eine lange, intensive Diskussion geführt, weil man für diese Fläche an der Gottfried-Keller-Straße seit Jahren eine Stadtentwicklung vorgesehen hatte. Aus diesem Grund sei viel Kritik geäußert worden. Weil aber letzten Endes dort etwas getan werden müsse, trage seine Fraktion diesen Standort für eine Interimsnutzung mit.

Da ihn die Argumente zum Blick Solitude bei Weitem nicht überzeugen, beantragt der Stadtrat, über die Beschlussantragsziffern 1a und 1b gesondert abzustimmen. Es leuchte den Menschen nicht ein, "dass wir permanent städtische Immobilien verkaufen, wo man den dezentralen Weg hervorragend fortführen könnte, und gleichzeitig aber hier ein jetzt erworbenes Gebäude, das dringend für Gemeinbedarfsflächen in Weilimdorf benötigt wird, abgerissen werden soll." Er könne angesichts der auf S. 8, Anlage 2 dargestellten Flächeneinteilung nicht nachvollziehen, warum der Blick abgerissen werden muss, wenn doch die Systembauten hinter dem Gebäude untergebracht werden. Die Entwicklung der Fläche Blick Solitude könnte daher trotzdem fortgeführt werden. Im Bezirksbeirat Weilimdorf sei ein Prüfauftrag gegeben worden, was auf dieser Fläche alles unterzubringen möglich wäre. Leider sei ihm das Ergebnis dieser Prüfung nicht bekannt.

Laut einer Kostenschätzung müsse "für eine Behebung der sicherheitstechnischen Mängel und eine Substanz erhaltende Ertüchtigung des Gebäudes ein Betrag von rund 2 Mio. € in das Gebäude investiert werden". Nach seiner Ansicht hätte man den Stadträten auch diese Kostenschätzung zur Verfügung stellen müssen, denn darin heiße es nämlich: "Die Gebäude-Grundsubstanz kann als solide bewertet werden. Unverzügliche Maßnahmen sind nötig. Diese Maßnahmen sind bereits teilweise umgesetzt. Für eine Inbetriebnahme des Gebäudes sind 1 Mio. € erforderlich."

Es gebe außerdem noch eine zweite Variante, die auf einen Neubaustand kommt, und die rund 2 Mio. € kosten würde. Folglich hätte man für 1 Mio. € ein Gebäude, welches in Weilimdorf dringend benötigt werde, bekommen können. Außerdem könnte man auf der Fläche einige Parkplätze wegnehmen, so lange wie das Gebäude Blick Solitude geschlossen bleibt. Zu prüfen wäre außerdem das Gebäude Solitudestraße 111, das ebenfalls in einem schlechten Zustand sei. Auch auf die diesbezügliche Frage habe es im Bezirksbeirat Weilimdorf keine Antwort gegeben. Seine Fraktion lehne den Standort Blick Solitude aus den genannten Gründen ab.

StR Dr. Maier (AfD) stimmt der Vorlage zu und begrüßt insbesondere, dass das Prinzip der dezentralen Unterbringung durchgehalten werden kann. Zwar sei zu erkennen, dass "der eine oder andere Standort nicht zu 100 % optimal ist", aber die Vorlage sei im Grundsatz zielführend.

Der Vorsitzende informiert, natürlich habe die Verwaltung den Standort Weilimdorf betreffend geprüft, ob die Fertigbauten auch unter Erhalt des Blick Solitude möglich sind.


Jedoch müsste man dann bei den ebenfalls notwendigen Außenanlagen erheblich in den Parkplatz eingreifen. Der Parkplatz sei jedoch für die Funktionsfähigkeit des Sportgebiets von essentieller Bedeutung. Darüber hinaus das sei von StR Klingler angesprochene Gutachten diesem auf seine Bitte hin zur Verfügung gestellt worden. Es enthalte tatsächlich eine Variante, in der die Maßnahmen auf die ausschließliche Wiederinbetriebnahme des Gebäudes beschränkt dargestellt sind und die 1,1 Mio. € kosten würde. Damit werde jedoch dem dauerhaften Sanierungsbedarf des Gebäudes nicht Rechnung getragen. Jener sei mit 900.000 € zu veranschlagen und müsse einkalkuliert werden, wenn man dauerhaft das Objekt erhalten wolle.

Nachvollziehbar sei es, wenn solche Veränderungen vor Ort auch kritisch gesehen werden. Es treffe außerdem zu, dass es in Weilimdorf ein Thema gibt bezüglich Flächen für Gemeinbedarfsnutzungen. Jedoch habe man einen Teil davon mit der Sanierung des Alten Rathauses befriedigen können. Es sei nicht die abschließende, dauerhafte Lösung, doch trage man zumindest einem Teil des Bedarfs vor Ort Rechnung. Die Verwaltung halte die Vorgehensweise für vertretbar, angemessen und den Standort für geeignet.

StR Körner ist der Meinung, dass Verwaltung und der vorherige Gemeinderat das Thema hervorragend gemanagt haben. Außerordentlich positiv beeindruckt habe ihn auch das einstimmige Votum des UTA zu dieser Vorlage. Er bedauert, dass StR Klingler dieser offenbar nicht zustimmen will und denke zudem, es sei "für die FDP nicht klug, die AfD rechts überholen zu wollen".

StR Klingler nimmt dies zur Kenntnis und wiederholt, er habe sich alle Standorte angeschaut, an den Sitzungen der betroffenen Bezirksbeiräte teilgenommen und tausend Gespräche mit den Menschen geführt. Er empfiehlt StR Körner, "mehr am Ball zu bleiben" und findet dessen Aussage "völlig daneben". Er spreche sich nur gegen den Standort Weilimdorf aus, weil dafür der Blick Solitude geopfert werden müsste, obwohl man aus seiner Sicht die Systembauten auch unterbringen könnte, wenn man ein paar Parkplätze wegnehmen würde. Seines Erachtens müsste eher das Gebäude 111, in dem die Geschäftsstelle der SG untergebracht ist, abgerissen werden.

EBM Föll geht davon aus, dass der Abriss des Gebäudes Nr. 111 das Problem nicht lösen würde, da die Flächen gründlich geprüft worden seien. Gegenüber StR Dr. Reiners stellt er klar, die Standorte der Tranche 2 seien über den Haushalt finanziert, nicht jedoch die Tranche 3. Im Haushalt 2015 kämen somit zusätzliche Aufgaben auf die Stadt zu, da man in der Prognose nicht von diesen hohen Zugangszahlen ausgegangen sei. Gleichzeitig bemühe sich die Verwaltung mit den kommunalen Spitzenverbänden darum, dass das Land seine Kostenerstattung verbessert, da der aktuelle Kostendeckungsgrad bei nur zwischen 50 % und 60 % liege. Man betrachte eine angemessene Kostenerstattung durchaus als Landesaufgabe. Beim Flüchtlingsgipfel habe OB Kuhn diese Auffassung deutlich gemacht und es sei allgemein in Aussicht gestellt worden, dass das Land Baden-Württemberg 2015 zu einer Verbesserung diesbezüglich kommt. Es gelte nun, an dem Thema zu bleiben. EBM Föll sagt zu, über Fortschritte zu berichten.



Abschließend stellt er fest:

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