Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 725/2014
Stuttgart,
10/09/2014



Musikbetonte Ganztagsgrundschule für musikalisch besonders begabte Kinder



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Schulbeirat
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
11.11.2014
16.12.2014
17.12.2014



Beschlußantrag:

1. Von den Überlegungen zur Einrichtung von einer oder mehreren musikbetonten Ganztagsgrundschulen für musikalisch besonders begabte Kinder als Vorstufe bzw. Unterbau zum Musikgymnasium und die dafür notwendigen Schritte wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Kultusministerium Kontakt aufzunehmen, um gemeinsam das musikpädagogische Konzept weiterzuentwickeln sowie die Unterstützungsmöglichkeiten des Landes auszuhandeln. Über das Ergebnis wird zu gegebener Zeit wieder berichtet und anschließend über das weitere Vorgehen entschieden.


Begründung:


Ausgangsüberlegungen

Zum Schuljahr 2013/2014 konnte am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium das erste Musikgymnasium in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule und der Stuttgarter Musikschule den Betrieb aufnehmen. Damit sollen junge Talente früher gefördert und die intensive musikalische Bildung mit der allgemeinen schulischen Bildung zeitlich besser in Einklang gebracht werden.

Im Musikzug für Hochbegabte befinden sich in Klassenstufe 5 insgesamt 14 Schüler/innen. 24 weitere Schüler/innen verteilen sich als „Seiteneinsteiger“ auf die weiteren Klassenstufen der Sekundarstufe I und II. Im Schuljahr 2014/2015 gibt es aktuell 10 Anmeldungen für die neue Klassenstufe 5.

Das Einzugsgebiet ist die gesamte Region Stuttgart. Bei der Talentsichtung und vor allem Förderung sollte sehr viel früher als beim Wechsel in die Sekundarstufe I angesetzt werden, um einen guten „Unterbau“ zu schaffen. Hier geht es um die Frage, wie im vorschulischen Alter und in der Grundschule dafür Strukturen geschaffen werden können.

In einem ersten Gespräch zwischen Frau Bürgermeisterin Dr. Eisenmann mit dem Präsidenten des Landesmusikrats, Herrn Professor Dr. Herrmann J. Wilske, wurden dazu folgende weiteren Gesichtspunkte ausgetauscht und mögliche Handlungsfelder entwickelt:

· Durch den konsequenten Ausbau von Ganztagsgrundschulen wird es für musikalisch begabte Kinder, deren Eltern voll erwerbstätig sind und diese ganztägigen Angebote nutzen müssen oder wollen, zeitlich immer schwieriger, in der verbleibenden Zeit diese Begabung außerschulisch zu praktizieren und weiter zu entwickeln.

· Daraus entstand die Überlegung, gerade im derzeitigen Ausbaustadium des Musikgymnasiums die Chance zu nutzen, um an ausgewählten Grundschulen im gebundenen Ganztag mit einer musikbetonten Ausrichtung des pädagogischen Konzepts ein besonderes Angebot für musikalisch begabte Kindern einzurichten.

· Zudem könnten so im Hinblick auf eine angestrebte Chancengerechtigkeit gezielt auch musikbegabte Kinder aus Familien angesprochen werden, die dort keine oder zu wenig Unterstützung und Förderung ihrer Begabung erhalten.

· Die mangels Nachfrage zunehmend anstehenden Schließungen von Werkrealschulen, die in der Regel im Verbund mit einer Grundschule geführt werden, bieten zudem die Möglichkeit, die freiwerdenden Räume auch speziell für die Anforderungen einer musikbetonten Ganztagsschule neu zu strukturieren und auszustatten.

Anzustreben wäre deshalb in der Primarstufe die Schaffung eines entsprechenden schulisch-sozialen „Umfeldes“, das in erster Linie von Verständnis für das besondere musikalische Interesse dieser Kinder geprägt, deren Begabung zielgerichtet und qualitativ hochwertig fördert und strukturell auf diese Bedürfnisse ausgerichtet ist, da diese Kinder bereits in jungen Jahren an Wettbewerben etc. teilnehmen wollen. Die Gestaltung des Ganztagsbetriebs in der Verzahnung von lehrplangerechtem Lernen und freizeitpädagogischen Angeboten ist daher schwerpunktmäßig auf die musikalische Förderung dieser Begabungen und Bedürfnisse auszurichten.


Konzeptionell-inhaltliche Ansätze

Diese Ausgangsüberlegungen konnten zwischenzeitlich von der Musikschule und dem Schulverwaltungsamt konzeptionell-inhaltlich weiterentwickelt und erste Umsetzungsmodalitäten geprüft werden.


Schulorganisatorische Überlegungen

Die 72 Grundschulstandorte sind so auf das Stadtgebiet verteilt, dass die Schulen in der Regel im Einzugsgebiet zu Fuß zu erreichen sind. An einem dieser bestehenden Standorte sollte daher dieses musikbetonte Profil an einer Ganztagsgrundschule angesiedelt werden. Da eine musikbetonte Ganztagsgrundschule natürlich auch musikalisch begabte Kinder aus anderen Schulbezirken aufnehmen muss, wäre mindestens ein weiterer Zug (für ca. 20 bis 25 Kinder pro Jahrgang) räumlich einzuplanen.

Bei rd. 4.500 Kindern pro Jahrgang (bezogen auf Stuttgart) sind rd. 6 bis 7 %, also rd. 200 bis 300 Kinder musikalisch sehr begabt. An Ganztagsgrundschulen ist deshalb mit 100 bis 150 interessierten Kindern zu rechnen, die einen ausreichenden Unterbau für Hochbegabungen darstellen.


Zugang zur Musikbetonten Grundschule und Umsetzung

Talentsichtung:
Um musikalisches Interesse von Kindern unabhängig von ihrem familiären und sozialen Umfeld feststellen zu können, sollte der Zugang auch für Kinder ohne musikalische Vorprägungen gewährleistet sein. Ein solches Anliegen würde sich vor allem an das Land richten, da auch der vorschulische Bereich (beispielsweise die im Übergang zu den Grundschulen kooperierenden Kindertagesstätten) mit einzuschließen wäre. Dies könnte beispielsweise auch durch eine für alle Kinder verpflichtende Musikalische Grundausbildung in der ersten Grundschulklasse erreicht werden. Mit dem Land wäre deshalb abzustimmen, ob und ggf. in welcher Form eine breitere Talentsichtung in Grundschulen der Stadt Stuttgart, aber auch in der Region entwickelt und finanziert werden kann. Beispielsweise könnte ein auf eine intensivere Talentsichtung ausgelegtes Förderprogramm (in Anlehnung an das im Juli 2012 vom Land eingestellte Förderprogramm in der Grundschule „Singen, Bewegen, Sprechen“) eine solche Möglichkeit bieten. Hier könnte ein ggf. gemeinsam zu entwickelndes Pilotprojekt zwischen Stadt und Land, das wie oben beschrieben insbesondere die pädagogische Feststellung der musikalischen Neigung der Kinder in den Fokus stellt, eine Lösung darstellen.

Einbindung in das Stuttgarter Ganztagsschulkonzept:
Musikalische Bildungsangebote im Zeitrahmen des gebundenen Ganztags könnten sein:

· Das sogenannte Musikalisierungsangebot (Musikalische Grundausbildung)

· Spätestens ab der 2. Klasse sollte die individuelle musikalische Bildung auf dem Instrument und/oder mit der Stimme erfolgen.

· Die Übebetreuung hilft Kindern das „Üben zu üben“. Dieses Angebot richtet sich vor allem an Kinder, die kein musikalisch vorgeprägtes Zuhause haben und ist somit Grundvoraussetzung für eine Bildungsgerechtigkeit in der musikalischen Bildung.

· Angebote in einem modularen System (z.B. Musiktheorie, Gehörbildung, Musiktheater, Interkultures Instrumentenkarussell, Ensemble- und Orchesterspiel, etc.) sollen den musikalischen Horizont der Kinder erweitern und öffnen.

Wie sich dies in die Stundenpläne der ersten und zweiten Klassenstufe einer gebundenen Ganztagsgrundschule mit einem Zeitumfang von 4 x 8 Stunden einbauen ließe, ist der Anlage zu entnehmen.


Räumliche Voraussetzungen
Wie eingangs erwähnt, müssten im Rahmen der zusätzlich zu schaffenden Ganztagsräume einschließlich Mittagessensbereich besondere musikbetonte Anforderungen berücksichtigt werden. Dies sind vor allem
· Überäume (mit Schallschutz)
· Unterrichtsräume für den Instrumental- und Vokalunterricht
· Instrumente (Anschaffung „großer“ Instrumente z.B. Flügel, Leihinstrumente, Klaviere für den Übebetrieb, etc.)
· Lagerräume

Hierzu wäre auch mit dem Land abzuklären, inwieweit hier bei zusätzlich notwendigen Flächen eine „Sonderförderung“ für bauliche Maßnahmen eingeräumt werden könnte.


Konzeptionelle/Inhaltliche Voraussetzungen

Das schulspezifische pädagogische Konzept für die musikbetonte Grundschule müsste neben den Vorgaben des vom Gemeinderat beschlossenen Pädagogischen Rahmenkonzepts folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:

· Zeitliche Freikorridore für das Üben am Nachmittag

· Übebetreuung

· Entwicklung Modulangebote (z.B. Musiktheorie, Gehörbildung, Üben üben, , etc.)

· Verzahnung des Bildungsplans der Grundschule mit Lehrplan der Musikschule (Unterstufe bis Mittelstufe)

· Verzahnung zwischen Grundschule und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium

Mit dem vom Gemeinderat beschlossenen hohen personellen Standard an Stuttgarter Ganztagsgrundschulen lässt sich ein großer Teil dieser Anforderungen bereits erfüllen. Der Schwerpunkt Musik muss sich bereits bei der Auswahl der Lehrer an dieser Schule im Rahmen der Lehrerdeputate des Landes niederschlagen. Ebenso werden im freizeitpädagogischen Teil mehr Musikpädagogen benötigt, die der Träger der Jugendhilfe in enger Kooperation mit der Stuttgarter Musikschule einbringen müsste.

Eine Besonderheit stellt die individuelle Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler dar. Wie beim Musikgymnasium sind dafür im nächsten Schritt zusammen mit dem Land gezielt konzeptionelle Lösungsansätze zu erarbeiten.

Mit einen so gestalteten „Unterbau“ für das Musikgymnasium wäre Stuttgart im Land Baden-Württemberg die erste Stadt mit einem über alle Schulstufen hinweg durchgängigen musikspezifischen Bildungsangebot in den allgemeinen Schulen (Grund-, Sekundastufe I und II) über eine öffentliche Musikschule bis hin zur Musikhochschule, das sich gezielt an Kinder und Jugendliche mit besonderen musikalischen Begabungen richtet.






Vorgesehene weitere Schritte:

Nun steht aktuell die Aufnahme der Ganztagsgrundschule ins Schulgesetz an, so dass inzwischen auch mehr Klarheit über die vom Land vorgesehenen organisatorischen Rahmenbedingungen herrscht und diese in die weiteren konzeptionellen Überlegungen mit einbezogen werden können. Folgende Schritte sind vorgesehen:

Erster Schritt:
Zu den hier aufgezeigten Vorüberlegungen für eine oder mehrere musikbetonte Ganztagsgrundschulen als struktureller „Unterbau“ für das Musikgymnasium sollte zunächst von Seiten der Gemeinderatsfraktionen grundsätzliche Zustimmung signalisiert werden.

Zweiter Schritt:
Beauftragt durch den Gemeinderat würde die Verwaltung dann mit Unterstützung des Landesmusikrats diese Überlegungen dem Kultusministerium vorstellen. Folgende Punkte wären dabei zu verhandeln:

· Das Land sollte eine breite Talentsichtung – ggf. auch in der Region – unter Einbindung von vorschulischen Einrichtungen organisieren, damit gezielt begabte Kinder an die musikbetonte Grundschule verwiesen werden können.

· Für die musikbetonte Ganztagsgrundschule für besonders musikalisch begabte Kinder sind gemeinsam die aufgezeigten musikpädagogischen Ansätze ggf. weiterzuentwickeln und die pädagogischen, personellen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Umsetzung an einer oder ggf. auch an mehreren Grundschulstandorten zu klären.

Dabei sind die Unterschiede für die in Stuttgart möglichen Zeit-Modelle von 4 mal 8 oder 4 mal 7 Wochenstunden im gebundenen Ganztag zu berücksichtigen. In den Anlagen 1 und 2 sind die möglichen Stundenpläne für das Modell 4 mal 8 Wochenstunden dargestellt. Zur Sicherstellung des hier aufgezeigten umfassenden Angebots im Ganztagszeitrahmen bis 16 Uhr und im Blick auf die angestrebte Chancengerechtigkeit sollte für die musikbetonte Ganztagsgrundschule grundsätzlich das Modell 4 mal 8 Wochenstunden vorgegeben werden. Das Modell 4 mal 7 Wochenstunden ist zeitlich zu knapp ausgerichtet, um die anspruchsvollen musikalischen Anforderungen und die Vorgaben des Bildungsplanes in einer kindgerechten Rhythmisierung zu realisieren.

Da der Landesmusikrat seine Unterstützung für die musikbetonte Ganztagsgrundschule bereits zugesagt hat, ist auch ein positives Interesse des Landes an diesem Vorhaben zu erwarten.

Über die Ergebnisse und ggf. Auswirkungen werden anschließend zunächst die gemeinderätlichen Gremien informiert.



Dritter Schritt:
Erst nach einem entsprechenden Grundsatzbeschluss wäre dann der Weg frei, gezielt auf eine (Innenstadt) oder ggf. auch auf mehrere Grundschulen (dann gezielt verteilt über das Stadtgebiet) zuzugehen, die zum einen gebundene Ganztagsgrundschule werden wollen, die zum anderen interessiert und von den räumlichen Gegebenheiten her geeignet sind, diesen musikbetonten Schwerpunkt in ihr pädagogisches Konzept einzubauen.

Über einen entsprechenden Antrag beim Land entscheidet dann der Gemeinderat.


Finanzielle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen können abhängig von den Verhandlungen mit dem Land erst in den weiteren Schritten ermittelt und konkretisiert dargestellt werden.


Beteiligte Stellen

keine




Dr. Susanne Eisenmann

Anlagen

Musikbetonte Grundschule - Stundenplanbeispiele




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Anlage 1 zur GRDrs. 725_2014.docAnlage 1 zur GRDrs. 725_2014.doc