Protokoll:
Verwaltungsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
550
14
Verhandlung
Drucksache:
971/2016
GZ:
AKR 0504-04
Sitzungstermin:
21.12.2016
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Dr. Mayer
Berichterstattung:
der Vorsitzende
Protokollführung:
Herr Häbe
pö
Betreff:
Eingruppierung von Fachkräften im Gruppendienst in den städtischen Kindertageseinrichtungen - Ergebnisse und Umsetzung der Schlichtung
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 15.12.2016, GRDrs 971/2016, mit folgendem
Beschlussantrag:
1. Der Empfehlung der Schlichtungsstelle im Beschluss vom 07.09.2016 zum Schlichtungsstellenverfahren Nr. 6, die Gruppenleitungen in Einrichtungen mit ver-änderten Öffnungszeiten (6-stündige Betreuung) anstelle von Entgeltgruppe S 8a in Entgeltgruppe S 8b einzugruppieren, wird gefolgt.
2. Der Empfehlung der Schlichtungsstelle im Beschluss vom 07.09.2016 zu den Schlichtungsstellenverfahren Nrn. 3, 4 und 5, die Zweitfachkräfte in den Einrichtungen der Kinder- und Familienzentren anstelle von Entgeltgruppe S 8a in Entgeltgruppe S 8b einzugruppieren, wird nicht gefolgt.
3. Der Empfehlung der Schlichtungsstelle im Beschluss vom 07.09.2016 zum Schlichtungsstellenverfahren Nr. 8, zu überprüfen, inwieweit die Tätigkeiten der Zusatzfachkräfte in den Altersgruppen 0 - 6 einer Tätigkeit von Erzieherinnen bzw. Erziehern in Entgeltgruppe S 8a entsprechen, wird gefolgt.
4. Die für den städtischen Träger zur Umsetzung der Empfehlung gemäß Beschlussantrag Ziffer 1 zusätzlich erforderlichen Mittel in Höhe von 211.000 EUR werden im Haushaltsjahr 2017 im THH 510 - Jugendamt, Kontengruppe 400 Personalaufwendungen, überplanmäßig bereitgestellt. Zur Deckung der Mehraufwendungen kann im Jahr 2017 auf freie Mittel der Deckungsreserve Personal zurückgegriffen werden.
5. Die analog für die freien Träger zur Umsetzung der Empfehlung gemäß Beschlussantrag Ziffer 1 zusätzlich erforderlichen Mittel in Höhe von 643.000 EUR werden im Haushaltsjahr 2017 im THH 510 - Jugendamt, Kontengruppe 430 Zuschüsse für lfd. Zwecke, bereitgestellt. Zur Deckung der Mehraufwendungen kann im Jahr 2017 auf freie Mittel aus der Kita-Betriebskostenpauschale zurückgegriffen werden.
Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Die Anträge Nr. 388/2016 (SÖS-LINKE-PluS) vom 01.12.2016 und Nr. 389/2016 (SPD) vom 02.12.2016 sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Von BM
Dr. Mayer
wird an die Beratungen im Personalbeirat am 22.11.2016 sowie im Jugendhilfeausschuss am 05.12.2016 erinnert. Zudem erläutert er den Beschlussantrag. Zur Beschlussantragsziffer 1 merkt er an, hier gehe die Verwaltung an die Grenze tarifrechtlich Vertretbaren. Eine Umfrage bei baden-württembergischen Städten mit über 100.000 Einwohnern und bei weiteren Städten der Größenklasse 1 bundesweit habe 20 Rückmeldungen ergeben. Dabei habe sich gezeigt, dass außer Stuttgart nur drei weitere Städte Gruppenleitungen in S 8b eingruppierten. Mit der Beschlussantragsziffer 1 finde also eine sehr weitgehende Auslegung des Tarifvertrages statt.
Zu den Zweitkräften in den Kinder- und Familienzentren (KiFaZ), Beschlussantragsziffer 2, werde vorgeschlagen, der Empfehlung der Schlichtungsstelle nicht zu folgen. Es könne nicht erkannt werden, dass die Anforderungen, die der Tarifvertrag an eine solche Bezahlung stelle, erfüllt würden. Hierfür müsse nämlich eine besonders schwierige Tätigkeit vorliegen. Solche besonders schwierigen Tätigkeiten seien tarifrechtlich definiert. Zum einen fielen darunter Tätigkeiten in Integrationsgruppen (mit behinderten Kindern) und zum anderen Tätigkeiten in Gruppen mit behinderten Kindern oder Kindern mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten. Nach der Rechtsprechung liege eine wesentliche Erziehungsschwierigkeit dann vor, wenn die Erziehungsschwierigkeit weit über das Normalmaß an Erziehungsschwierigkeiten hinausgehe, und zwar soweit, dass diese wesentliche Erziehungsschwierigkeit einer wesentlichen Behinderung gleichzusetzen sei und bei einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung begründe. Nach Einschätzung der Verwaltung seien diese tarifrechtlichen Merkmale bei Zweitkräften in den KiFaZ nicht gegeben. Bei dort betreuten Kindern einkommensschwacher Eltern könnten wesentliche Erziehungsschwierigkeiten, die einer wesentlichen Behinderung gleichkommen, nicht pauschal unterstellt werden. Die Verwaltung jedenfalls könne nicht erkennen, dass bei den zu betreuenden Kindergruppen in den KiFaZ eine solche Prägung zu sehen sei.
Weiter stellt er den Gegensatz zu den Fördergruppen des Jugendamtes heraus. Beim Jugendamt gebe es zwei spezielle Fördergruppen mit jeweils 10 Kindern. Dabei handle es sich um heilpädagogische Fördergruppen. In diesen würden im Unterschied zu den KiFaZ-Gruppen tatsächlich verhaltensauffällige, entwicklungsverzögerte und damit erziehungsschwierige Kinder im Vorschulalter ambulant und sozial-/heilpädagogisch betreut. Um in eine solche Gruppe aufgenommen werden zu können, werde eine fachärztliche und psychologische Diagnose benötigt. In solchen Gruppen werde die besonders schwierige Tätigkeit gesehen, die einen Anspruch auf die Entgeltgruppe S 8b begründe.
Da der dritten Schlichtungsempfehlung nach dem Vorschlag der Verwaltung nachgekommen werden sollte, laute der Beschlussantrag der Verwaltung zu den auf Seite 3 der Vorlage oben genannten drei Schlichtungsempfehlungen zusammengefasst, den Empfehlungen 1 und 3 zu folgen und der 2. Empfehlung nicht zu folgen.
Die Anträge Nrn. 388/2016 und 389/2016 werden im Verlauf der Beratung durch StRin
Vowinkel
(SPD) und StR
Rockenbauch
(SÖS-LINKE-PluS) begründet. Sie unterstreichen dabei, dass ihre Fraktionen mit den beiden Anträgen sich vollumfänglich dem Schlichtungsergebnis anschließen.
StRin
Ripsam
(CDU) und StRin
von Stein
(FW) bezeichnen die Beschlussantragsziffer 1 als nachvollziehbar.
Im Zusammenhang mit der Beschlussantragsziffer 3 spricht StRin
Ripsam
das Thema Kinderpflegerin an. Sie erinnert dabei an in der Vergangenheit dazu gestellte Anträge ihrer Fraktion. Die Staadträtin geht davon aus, dass es an Hauptschulen viele junge Frauen, in Zukunft vielleicht auch junge Männer, gibt, denen mit dem Ausbildungsgang Kinderpflegerin die Möglichkeit eröffnet werden kann, im Erziehungsbereich eine Tätigkeit aufzunehmen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung biete sich dann auch für einige dieser jungen Frauen die Möglichkeit, sich zur Erzieherin fortzubilden. Einvernehmen sollte darüber bestehen, dass in Zukunft ein Einstieg in den Erzieherberuf auf einem solchen einfachen Niveau ermöglicht werden sollte. Für nicht sinnvoll erachtet sie, Kinderpflegerinnen gleich wie Erzieherinnen zu vergüten; die Einrichtungen hätten sich in den letzten Jahren sehr stark von Betreuungs- in Bildungseinrichtungen entwickelt. Sie bittet die Verwaltung, dies in ihre weiteren Überlegungen einfließen zu lassen. Für das Offenhalten einer entsprechenden Entwicklungsmöglichkeit plädieren zudem StRin
Vowinkel
und StRin
von Stein.
Im weiteren Verlauf signalisiert StRin
Ripsam
die Zustimmung der CDU-Gemeinde-ratsfraktion zu den Beschlussantragsziffern 4 und 5.
Die von der Verwaltung vorgetragene Argumentation zu der Beschlussantragsziffer 2 ist für StRin Ripsam nachvollziehbar. Abhebend auf die beiden gleichlautenden Antragsziffern 1b der Anträge Nrn. 388/2016 und 389/2016 bitten StRin
Vowinkel
und StR
Rockenbauch,
die Beschlussantragsziffer 2 separat zur Abstimmung zu stellen. Gegenüber StRin Vowinkel ergänzt der
Vorsitzende
seine einführenden Ausführungen zur Beschlussantragsziffer 2, indem er vorträgt, es sei tarifrechtlich nicht möglich, das soziale Umfeld und die Verhältnisse der Eltern von KiFaZ-Kindern in die Bewertung einfließen zu lassen. Bei den wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten gehe es um die Kinder und nicht um die Eltern.
StR
Lazaridis
(90/GRÜNE) plädiert dafür, dass Tarifrecht und Kinderpädagogik nicht vermischt werden. Er unterstützt im Namen seiner Fraktion den Beschlussantrag. Sozialdatenerhebungen zeigten, dass es beispielsweise nicht geboten sei, alle Stadtteile gleich zu behandeln. Definiert sei, wo es besondere Problemlagen gebe. Diesen werde durch Schwerpunkt- bzw. Brennpunkt-Kitas, die seitens des Bundes gefördert würden, Rechnung getragen. Im Interesse der Kinder wäre es richtig, über den Personalschlüssel in den KiFaZ zu sprechen. Er regt an, dazu in den kommenden Etatberatungen Überlegungen anzustellen. Dem schließt sich StRin
Ripsam
prinzipiell an.
StR
Körner
(SPD) wirbt dafür, die Arbeit in den KiFaZ tarifrechtlich und politisch als besonders schwierige Tätigkeit anzusehen. Die Richterin in der Schlichtungsstelle nehme hierzu eine andere Bewertung vor als die Verwaltung. Seine Fraktion schließe sich der Bewertung der Richterin an. Des Weiteren sei doch die Kita-Arbeit in sozialen Brennpunkten schwieriger. Daraus leitet er die Frage ab, ob dies nicht gewürdigt werden muss, indem tarifrechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Sinngemäß äußert sich StR
Rockenbauch.
Von BM
Dr. Mayer
wird an dieser Stelle nochmals betont, seitens der Verwaltung werde eine solche tarifliche Möglichkeit nicht gesehen.
Indem StRin
von Stein
anmerkt, dass in Kitas, die sich in wohlhabenden Gebieten befinden, über das Thema Wohlstandsverwahrlosung nachgedacht werden muss, widerspricht sie der Einschätzung, dass beispielsweise die Arbeit in Kitas im Gebiet Stöckach schwieriger ist als in anderen Gebieten. Sie unterstützt die Beschlussantragsziffer 2.
Mit der Haltung der Verwaltung zu Fachentwicklungen, so Herr
Freitag
(GPR), würden diejenigen Beschäftigten benachteiligt, die fachliche Weiterentwicklungen vorantrieben. Die in den letzten 20 Jahren im Jugendamt stattgefundene fachliche Weiterentwicklung sei offenbar an der Zentralverwaltung vorbeigegangen. BM Dr. Mayer habe sich auf einen offenen Beispielskatalog aus dem Jahr 1991 bezogen, und die zitierte Rechtsprechung stamme aus den Jahren 1996 und 1998. Eine der durch das KJHG eingetretene fachliche Veränderung sei, dass es zwischenzeitlich nicht mehr um erziehungsschwierige Kinder gehe, dies stehe vielleicht noch im Tarifvertrag, sondern vom Grundsatz her seien aktuell die Eltern anspruchsberechtigt. Die Eltern hätten dann einen Anspruch, wenn sie sich in schwierigen Lebensumständen befänden. Genau dies sei die Definition für die KiFaZ (riskante, gefährliche, schwierige Lebensumstände z. B. durch Einkommensschwierigkeiten/Alleinerziehende). Das KJHG habe diesen Anspruchswechsel vorgenommen, da aktuell der Ansatz verfolgt werde, präventiv zu arbeiten. Seit 1991 bis heute habe das Jugendamt 20 bis 25 Spezialeinrichtungen geschlossen. Übrig geblieben seien gerade noch zwei solcher Einrichtungen, da Möglichkeiten benötigt würden, um Kinder, die in Regeleinrichtungen nicht mehr betreut werden könnten, aufnehmen zu können. Die Kinder, die in diesen Spezialeinrichtungen seien, stationär oder ambulant, würden alle in Kitas betreut. Mit der Vorgehensweise der Verwaltung würden alle Regeleinrichtungen, die sich um Inklusion bemühten, bestraft. Vor diesem Hintergrund müsse das Personal wie im Schlichterspruch vorgesehen vergütet werden, um die Inklusion und die Fachentwicklung voranzutreiben. Die Aussage der Verwaltung sei aber, wenn eine höhere Bewertung gewünscht werde, müsse zurück zu Spezialeinrichtungen gegangen werden. Entscheidend ist für Herrn Freitag, dass Tarifvertrag und fachliche Entwicklung zusammenkommen. Getrennte Bewertungen könnten dazu führen, dass im Tarifvertrag letztlich Tätigkeiten bewertet würden, die es in der Praxis nicht mehr gebe.
Darauf eingehend macht BM
Dr. Mayer
geltend, dass, wenn seitens der Verwaltung wie hier eine Empfehlung bewertet wird, zunächst nach den anzuwendenden gültigen Rechtssätzen geschaut werden muss. Dabei sei es nicht relevant, zu welchem Zeitpunkt eine Entscheidung getroffen worden sei, sondern ob die Entscheidung noch gültig sei oder nicht. So würden heute in manchen Bereichen noch BGH-Entscheidungen aus den 50er-Jahren angewendet. Der in Rede stehende Katalog sei in den letzten Tarifverhandlungen bestätigt worden bzw. auf diesen sei dort Bezug genommen worden. Insofern habe man sich als Mitglied im KAV an diesen zu halten. Ein Ausstieg aus der Tarifbindung werde nicht angedacht.
Zum Abschluss der Aussprache stellt BM
Dr. Mayer
fest:
Der Verwaltungsausschuss
lehnt
die gleichlautenden Ziffern 1 b der Anträge
Nrn. 388/2016 (SÖS-LINKE-PluS) und 389/2016 (SPD), dass Zweitfachkräfte in den Kinder- und Familienzentren nach S 8b bezahlt werden, bei 7 Ja-Stimmen und 10 Gegenstimmen mehrheitlich
ab.
Danach stellt er fest:
Der Verwaltungsausschuss
stimmt
der GRDrs 971/2016 wie beantragt einmütig
zu.
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