Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 477/2021
Stuttgart,
09/29/2021



Das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (2014);
Umsetzung für die Jagdgenossenschaft Stuttgart




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
12.10.2021
13.10.2021
14.10.2021



Beschlußantrag:


1. Dem Entwurf zur Neufassung der Satzung für die Jagdgenossenschaft Stuttgart (Anlage 1), die aufgrund des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes vom 25.11.2014 erforderlich ist, wird zugestimmt. Für den Fall, dass die Versammlung der Jagdgenossenschaft Änderungen beschließt, wird die Vertretung der Landeshauptstadt Stuttgart ermächtigt, der Satzung trotzdem zuzustimmen, soweit es sich lediglich um unwesentliche Änderungen handelt. 2.
3. Sofern die Versammlung der Jagdgenossenschaft eine Verwendung des Reinertrags wie in der Neufassung der Satzung als Soll-Regelung in § 14 Ziff. 1 der Satzung vorgesehen beschließt, wird seitens der Landeshauptstadt Stuttgart weiterhin sowohl auf eine bestimmte Entgeltpauschale als auch auf einen bestimmten Prozentsatz vom Reinertrag der jagdlichen Nutzung als Kostenersatz für die Verwaltung verzichtet. Dies entspricht der bisherigen Regelung, dass der Reinertrag für Zwecke des Wald- und Feldwegeausbaus sowie - wie in der Neufassung der Satzung vorgesehen - auch für Naturschutzzwecke, Maßnahmen und Projekte für dem Jagdrecht unterliegende Wildtiere in der Stadt sowie Öffentlichkeitsarbeit und pädagogische Aktivitäten zum Thema Jagd- und Wildtiermanagement verwendet wird.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Bis zur Föderalismusreform im Jahr 2006 war das Jagdwesen in Baden-Württemberg durch das Bundesjagdgesetz als Rahmengesetz und ergänzend durch das Landesjagdgesetz geregelt. Im Zuge der Föderalismusreform wurde das Jagdwesen in die konkurrierende Gesetzgebung aufgenommen.

Mit dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) vom 25.11.2014, in Kraft getreten am 01.04.2015, und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung (DVO JWMG) vom 02.04.2015, in Kraft getreten am 18.04.2015, hat das Land Baden-Württemberg von der ihm zustehenden Abweichungskompetenz der Länder Gebrauch gemacht. Mit Ausnahme des Jagdscheinrechts, welches von der Abweichungskompetenz ausgeschlossen ist, enthält das JWMG mit DVO alle Regelungen im Bereich des Jagdwesens. Es ist mithin ein Vollgesetz.

Gemäß § 19 Abs. 1 DVO JWMG musste bis spätestens 31.03.2021 eine Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart stattfinden. Diese Frist wurde von der unteren Jagdbehörde bis zum 01.04.2022 verlängert.

Aufgaben der Jagdgenossenschaftsversammlung sind insbesondere der Beschluss einer neuen Satzung der Jagdgenossenschaft Stuttgart sowie die Wahl eines Jagdvorstandes.

Der Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart soll - sofern aus dem Kreis der bei der Versammlung der Jagdgenossenschaft anwesenden Jagdgenossinnen*Jagdgenossen kein Jagdvorstand gewählt wird - das Angebot zur Beibehaltung der Verwaltung durch den Gemeinderat gemacht werden. Die Wahl eines Jagdvorstandes wäre in dem Fall nicht erforderlich. Der Beschluss zur Übertragung der Verwaltung ist nach §15 Absatz 7 JWMG auf die Dauer von 6 Jahren beschränkt, kann aber - mit erneuter Zustimmung des Gemeinderats - beliebig oft gefasst werden. Der Gemeinderat bzw. das beauftragte Garten-, Friedhofs- und Forstamt würde in diesem Fall die Aufgaben des Vorstandes wahrnehmen.

Die Satzung ist Grundlage für die Verwaltung der Jagdgenossenschaft. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat einerseits als Jagdgenossin und anderseits in Form des Gemeinderats als Verwalter der Jagdgenossenschaft falls diese Aufgabe wieder auf ihn übertragen wird über deren Inhalt mit zu entscheiden.

Der Entwurf der Neufassung der Satzung orientiert sich an den Satzungsmustern des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, des Städtetags und des Verbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer Baden-Württemberg.

In den 1.100 Gemeinden Baden-Württembergs existieren rund 1.600 Jagdgenossenschaften. Weniger als ein Drittel hiervon sind selbstverwaltet. Insbesondere in den Land- und Stadtkreisen in der Landesmitte werden die Jagdgenossenschaften von den Gemeinden verwaltet.



Finanzielle Auswirkungen

Die Jagdgenossenschaft Stuttgart hat keine finanziellen Auswirkungen auf die Landeshauptstadt Stuttgart. Die Jagdgenossenschaft finanziert sich durch Pachteinnahmen sowie im Bedarfsfall im Umlageverfahren. Einnahmen und Ausgaben werden im städtischen Haushalt als nicht haushaltsrelevante Vorgänge gebucht.



Ausführliche Begründung

1. Grundsätzliche Erläuterungen und Situation in Stuttgart

1.1 Eigenjagdbezirke und gemeinschaftlicher Jagdbezirk

Nach dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) steht das Jagdrecht auf einem Grundstück der Person zu, in deren Eigentum das Grundstück steht. Das Jagdrecht darf nur in Eigenjagdbezirken oder gemeinschaftlichen Jagdbezirken ausgeübt werden. Eigenjagdbezirke sind zusammenhängende Grundflächen (mit land-, forst- oder fischereiwirtschaftlicher Nutzung) eines Eigentümers mit einer Größe von mindestens 75 Hektar. Alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 Hektar umfassen. Nur die Eigentümer*innen der bejagbaren Grundflächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks sind Jagdgenossinnen*Jagdgenossen und bilden kraft Gesetzes eine Jagdgenossenschaft (sogenannte Zwangsmitgliedschaft). Bejagbar ist eine Grundfläche dann, wenn auf ihr nicht die Jagd ruht, zum Beispiel wegen Befriedung.

Auf der Gemarkung Stuttgart gibt es 18 Eigenjagdbezirke (EJB) mit einer Gesamtfläche von ca. 5.700 Hektar. Davon gehören 10 der Landeshauptstadt Stuttgart, 6 dem Land Baden-Württemberg und jeweils einer der Stadt Esslingen und der Flughafen GmbH (letzterer nur teilweise auf Stadtgebiet Stuttgart). Die Eigenjagdbezirke der LHS werden - soweit sie nicht verpachtet sind – vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt bewirtschaftet (Regiejagd).

Der gemeinschaftliche Jagdbezirk Stuttgart hat eine Gesamtfläche von ca. 15.000 Hektar, davon sind ca. 4.800 Hektar bejagbar. Diese bejagbare Fläche umfasst rund 38.000 Grundstücke, die im Eigentum von rund 15.000 Jagdgenossen stehen. Der Anteil der Landeshauptstadt Stuttgart am gemeinschaftlichen Jagdbezirk, das bedeutet die Summe aller städtischen Grundstücke, die zusammenhängend kleiner als 75 ha sind, beträgt ca. 1.400 Hektar (bei ca. 8.500 Flurstücken).


1.2 Jagdgenossenschaft

Die Jagdgenossenschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Organe der Jagdgenossenschaft sind die Versammlung der Jagdgenossen und der Jagdvorstand. Aufsichtsbehörde ist die untere Jagdbehörde beim Amt für öffentliche Ordnung.


1.3 Umsetzung des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes in Stuttgart

Nach Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes im Jahr 1953 und des Landesjagdgesetzes 1954 fand im Jahr 1955 die erste Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart statt. Damals wurde beschlossen, dass die Jagdgenossenschaft sich nicht selbst verwaltet, sondern die Verwaltung auf den Gemeinderat übertragen wird. In den folgenden Jahrzehnten hatte die Gemeinde damit das Recht, den gemeinschaftlichen Jagdbezirk in treuhänderischer Funktion zu verwalten und die Jagd zu verpachten.

Durch eine Änderung des Landesjagdgesetzes im Jahr 1996 wurden die Jagdgenossenschaften verpflichtet, bis zum Jahr 2002 eine Satzung zu erlassen und ein Jagdkataster, also ein Verzeichnis der Mitglieder der Jagdgenossenschaft unter Angabe ihrer jeweiligen Grundstücksflächenanteile, zu erstellen. Nach umfangreichen administrativen und technischen Vorbereitungen fand am 12.09.2002 die zweite Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart statt, an der sieben stimmberechtigte Jagdgenossen teilnahmen. Auch bei dieser Versammlung hat die Jagdgenossenschaft auf die Wahl eines Jagdvorstandes verzichtet und dem Gemeinderat, der sich zuvor zur Übernahme dieser Aufgabe bereit erklärt hatte, die Verwaltung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks übertragen.

Das JWMG beinhaltet folgende Änderungen, die zur Stärkung der Jagdgenossenschaft hinsichtlich der Vertretung der Interessen der Grundeigentümer beitragen sollen und Auswirkungen auf die Verwaltung haben:



2. Begründung zu den Beschlussanträgen im Einzelnen:


2.1 Zu Beschlussantrag 1 (Neufassung der Satzung der Jagdgenossenschaft Stuttgart):

Die Jagdgenossenschaft hat eine Satzung zu beschließen, die der Genehmigung der unteren Jagdbehörde bedarf. Die oberste Jagdbehörde (Ministerium für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz) hat in der Durchführungs-Verordnung zum JWMG Mindestanforderungen für die Satzung aufgestellt. In § 1 DVO sind Vorschriften über die Einberufung, Bekanntgabe und Durchführung der Versammlung der Jagdgenossenschaft aufgestellt, das Verfahren bei der Verpachtung gemeinschaftlicher Jagdbezirke sowie die Rechnungslegung der Jagdgenossenschaft geregelt.

Die Satzung ist Grundlage für die Verwaltung der Jagdgenossenschaft. Der Gemeinderat hat als Jagdgenosse und als Verwalter der Jagdgenossenschaft – falls diese Aufgabe wieder auf ihn übertragen wird – über deren Inhalt mit zu entscheiden. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 3 Abs.1 Nr. 43 HS.



2.2 Zu Beschlussantrag 2 (Übernahme der Verwaltung der Jagdgenossenschaft):

Durch Beschluss des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen vom 15.03.2002 (GRDrs 205/2002) hatte sich die Landeshauptstadt Stuttgart bereit erklärt, die Verwaltung der Jagdgenossenschaft zu übernehmen. Die Aufgaben des Jagdvorstandes, u.a. sämtliche Verwaltungsaufgaben und die Vorbereitung und Durchführung von Jagdverpachtungen wurden seinerzeit dem Amt für Liegenschaften und Wohnen übertragen. Durch eine Verwaltungsvereinbarung im Jahr 2013 gingen die Aufgaben auf das Garten-, Friedhofs- und Forstamt über. Eine Befristung der Aufgabenübertragung war nicht vorgesehen.

Nach § 15 Abs. 7 JWMG ist die Übertragung der Verwaltung der Jagdgenossenschaft auf den Gemeinderat mit dessen Zustimmung zulässig. Die Zuständigkeit des Gemeinderats folgt hier aus § Abs. 3 Nr. 2 HS (Übernahme freiwilliger Aufgaben). Die Zustimmung des Gemeinderats ist jedoch nur noch befristet jeweils bis zu einer Höchstdauer von sechs Jahren zulässig (gesetzliche Mindestpachtzeit). Hierzu ist jedes Mal ein Beschluss der Jagdgenossenschaft erforderlich. Auf diese Weise sollen zum einen die Rückbindung der Entscheidungen an die Mitglieder und zum anderen die Kontrollmöglichkeiten der Jagdgenossenschaft gestärkt werden.


Für die Umsetzung der neuen Vorschriften musste spätestens bis zum 01.04.2021 eine Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart einberufen werden. Diese Frist wurde von der unteren Jagdbehörde bis zum 01.04.2022 verlängert. Gründe hierfür war zum einen ein Personalwechsel beim mit der Verwaltung der Jagdgenossenschaft zuständigen Garten-, Friedhofs- und Forstamt sowie die Tatsache, dass bis zur Änderung des JWMG im Juni 2020 (und der Streichung von § 15 Abs. 4 Satz 4 JWMG) vor der Neuverpachtung der Jagdbögen die Jagdgenossenschaftsversammlung durchgeführt werden muss. Wegen des hohen Aufwands für die Vorbereitung einer solchen Versammlung sowie die Notwendigkeit der jeweiligen Neuerstellung des Jagdkatasters, welches kostenintensiv ist, war es geboten, die Versammlung der Jagdgenossenschaft in zeitlicher Nähe zum Abschluss der neuen Pachtverträge (zum 01.04.2022) stattfinden zu lassen. Zur Beschlussfassung über die Neufassung der Satzung und zur eventuellen Übertragung der Verwaltung der Jagdgenossenschaft auf den Gemeinderat soll die dritte Versammlung der Jagdgenossenschaft Stuttgart am 26.01.2022 stattfinden.

Beschlüsse der Jagdgenossenschaft bedürfen sowohl der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Jagdgenossinnen*Jagdgenossen, als auch der Mehrheit der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundfläche. Die Versammlung ist nicht öffentlich. Teilnahmeberechtigt sind nur Mitglieder der Jagdgenossenschaft Stuttgart. Die Einladung zur Versammlung erfolgt mindestens 14 Tage zuvor durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt Stuttgart.



2.3 Zu Beschlussantrag 3 (Kosten der Geschäftsführung):

Die Kosten der Geschäftsführung trägt die Jagdgenossenschaft (§ 15 Abs. 7 JWMG).

Der gemeinschaftliche Jagdbezirk Stuttgart ist in zehn Jagdbögen (verpachtungsfähige Einheiten) aufgeteilt, die je nach Größe an zwei bis vier Jäger*innen verpachtet sind. Bei einigen Jagdbögen wurden angrenzende Eigenjagdbezirke der Landeshauptstadt (in der Regel Waldgebiete) zur besseren Reviergestaltung mitverpachtet. Die Gesamtpachteinnahmen für den gemeinschaftlichen Jagdbezirk betragen derzeit jährlich rund 18.500 Euro. Die Mittel werden für Verwaltungskosten der Jagdgenossenschaft (z.B. Führung bzw. Erstellung des Jagdkatasters, Pläne, Durchführung von Versammlungen der Jagdgenossenschaft usw.) verwendet. Nach Abzug dieser Kosten können die Mittel entsprechend einem Beschluss der letzten Versammlung der Jagdgenossenschaft für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, insbesondere für den Wegebau, eingesetzt werden. Im Entwurf zur Neufassung der Satzung ist vorgesehen, dass der Reinertrag aus der Jagdnutzung zweckgebunden für folgende Zwecke eingesetzt wird:
Personalkosten für die laufenden Verwaltungsaufgaben wurden in der Vergangenheit nicht angesetzt.




Beteiligte Stellen

Referat SOS

Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Dirk Thürnau
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1: Satzung der Jagdgenossenschaft Stuttgart




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