Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 621/2022
Stuttgart,
10/21/2022



Nachholung von Zinsfestsetzungen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich26.10.2022



Beschlußantrag:

1. Es wird davon Kenntnis genommen, dass die Abteilung Gewerbesteuer und Aufwandsteuern der Stadtkämmerei aufgrund einer Änderung der Abgabenordnung (§ 233a in Verbindung mit § 238) vom Juli 2022 gesetzlich dazu verpflichtet ist, die seit August 2021 ausgesetzten Zinsfestsetzungen entsprechend der gesetzlichen Zeitvorgaben nachzuholen.

2. Vom zusätzlichen vordringlichen Stellenbedarf in Höhe von 1,0 Stellen in EG 8 TVöD mit KW-Vermerk 01/2027 bei der Stadtkämmerei, Abteilung Gewerbesteuer und Aufwandsteuern, wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffung ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2024 zu treffen.


Begründung:


Die Gewerbesteuer (Nachzahlungen und Erstattungen) ist gemäß § 233a der Abgabenordnung zu verzinsen. Die Verzinsungsvorschriften sahen einen Zinssatz von 0,5 vom Hundert für jeden vollen Monat vor. Dieser Zinssatz war Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren, da die Kläger/Antragsteller die Auffassung vertreten haben, dass dieser Zinssatz verfassungswidrig sei.

Die Verfahren waren beim Bundesverfassungsgericht seit 2014 bzw. 2017 anhängig. Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung bestimmte Zinssatz von 6 % jährlich seit dem 01.01.2014 zwar verfassungswidrig, aber noch für den Zinszeitraum bis zum 31.12.2018 anwendbar ist, jedoch ab dem 01.01.2019 wegen der Verfassungswidrigkeit nicht mehr zur Anwendung kommen darf.

Aus diesem Grund musste die Stadtkämmerei die Vollverzinsung nach der Abgaben-ordnung ab August 2021 einstellen, da das Fachverfahren die Verzinsung von Teil-Zeiträumen (bis 31.12.2018) und spätere Nachholung des Teil-Zeitraums ab dem 01.01.2019 nicht durchführen kann. Die Festsetzung der Gewerbesteuer erfolgt seit August 2021 ohne entsprechende Zinsfestsetzung mit dem Hinweis, dass diese nach der Gesetzesänderung nachgeholt wird. Aktuell sind bereits ca. 10.000 Fälle zur Nachholung der Zinsfestsetzung vorgemerkt; dies muss dann parallel zu den laufenden Gewerbesteuerveranlagungen mit Zinsfestsetzungen erfolgen.

Die Abgabenordnung wurde nunmehr im Juli 2022 geändert. Das Fachverfahren muss nun der neuen Gesetzeslage angepasst und zunächst getestet werden, bevor dieses in den laufenden Betrieb geht. Bis zu diesem Zeitpunkt werden erfahrungsgemäß pro Monat ungefähr weitere 900 Fälle dazukommen.

Die Vollverzinsung nach der Abgabenordnung gehört zu den äußerst komplexen Themenbereichen des Abgabenverfahrensrechts. Neben dem Gesetzestext bilden der Anwendungserlass zur Abgabenordnung sowie die Handreichung des Städtetags in einem Umfang von fast 50 Seiten die Informationsgrundlagen für die Veranlagungssachbearbeiter*innen. Hinzu kommt, dass Zinsfestsetzungen, die sonst in einem zeitlichen Abstand nacheinander erfolgen, vom Programm gleichzeitig berechnet werden müssen. Dies führt voraussichtlich zu einer erheblich höheren Fehlerquote des Veranlagungsprogramms und zu einem erhöhten Kontrollaufwand durch die Veranlagungssachbearbeiter*innen. Es ist deshalb zu erwarten, dass der Zeitaufwand für diese nachzuholenden Zinsfestsetzungen aus der Vergangenheit wesentlich höher sein wird als für zeitnahe Zinsfestsetzungen. Auch wird der Klärungsbedarf bei den Steuerpflichtigen aufgrund der schlechteren Nachvollziehbarkeit der Zinsberechnungen erheblichen Arbeitsaufwand verursachen.

Für die Festsetzung der Zinsen beträgt die Verjährungsfrist nunmehr zwei Jahre. Die für das Jahr 2021 festzusetzenden Zinsen sind bis Ende 2023 und die für das Jahr 2022 festzusetzenden Zinsen bis Ende 2024 nachzuholen.

Wegen der zu erwartenden Widersprüche werden eine Vielzahl der Zinsbescheide zunächst nicht bestandskräftig und sind innerhalb der Rechtsbehelfsverfahren zu kontrollieren und möglicherweise zu ändern. Bei der Eingabe solcher Änderungen ins System muss darauf geachtet werden, dass das Steuerkonto so gepflegt wird, dass weitere nachfolgende Zinsfestsetzungen maschinell berechnet werden können. Diese Tätigkeit dürfte noch mindestens weitere zwei Jahre nach Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31.12.2024 für die nachzuholenden Zinsfestsetzungen in Anspruch nehmen.


Finanzielle Auswirkungen

Es entstehen zusätzliche durchschnittliche Personalaufwendungen in Höhe von 55.700 EUR jährlich.

Mitzeichnung der beteiligten Stellen:

Referat AKR hat die Vorlage mitgezeichnet.



Thomas Fuhrmann
Bürgermeister







Anlagen

<Anlagen>



zum Seitenanfang