Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 1385/2015
Stuttgart,
12/04/2015



Haushalt 2016/2017

Unterlage für die 2. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 07.12.2015



Substanzerhalt der städtischen Infrastruktur sicherstellen!

Beantwortung / Stellungnahme

Vorab ein paar grundsätzliche Ausführungen zu den Begrifflichkeiten Rücklagen bzw. Rückstellungen und deren Bedeutung beim kameralen bzw. doppischen Rechnungsstil nach dem neuen kommunalen Haushaltsrecht (NKHR).

Kamerale Rücklage

Beim kameralen Rechnungsstil führen Rücklagenzuführungen zu einer Ergebnisverschlechterung bzw. Rücklagenentnahmen zu einer Ergebnisverbesserung im Abschlussjahr. Beim doppischen Rechnungsstil werden die Rücklagen im Rahmen der Ergebnisverwendung gebildet bzw. verändert und führen deshalb zu keiner Ergebnisveränderung. Das im Antrag angeführte „Freiburger Modell“ beruht noch auf dem kameralen Rechnungsstil. Die Stadt Freiburg hat erst zum 01.01.2015 von der Kameralistik auf die Doppik umgestellt. Kamerale Rücklagen entstehen durch Zuführungen aus dem Vermögenshaushalt, wobei diese Zuführungen im Rahmen des Haushaltsausgleichs zu decken sind. Rücklagen sind kameral auch zulässig für Vorgänge, die in der Doppik als Rückstellung abzubilden sind. Der kamerale Rücklagenbegriff darf daher nicht mit den Rücklagen in einer nach NKHR aufgestellten Bilanz verwechselt werden.

Rücklagen und Rückstellungen im NKHR

Gemäß § 90 GemO i.V.m. § 23 GemHVO sind Überschüsse der Ergebnisrechnung grundsätzlich den hierfür vorgesehenen Rücklagen zuzuführen. Für Überschüsse des ordentlichen Ergebnisses und Überschüsse des Sonderergebnisses sind gesonderte Ergebnisrücklagen zu führen.

Rücklagen für andere Zwecke können nur gebildet werden, wenn ein entsprechendes ordentliches Ergebnis erzielt wurde und keine Kreditaufnahme vorgenommen wird.

Die (doppischen) zweckgebundenen Rücklagen sind Bestandteil der Kapitalposition (Eigenkapital) und haben eine ausschließliche Informationsfunktion. Sie dokumentieren, in welcher Höhe vom erwirtschafteten Eigenkapital Mittel für einen bestimmten Zweck reserviert sind. Die Zweckbindung verhindert eine pauschale Ansparung bzw. Bevorratung für unbestimmte Zwecke. Allerdings liegen die zweckgebundenen Rücklagen nicht zwingend auch als Kassenbestand oder Bankguthaben vor.

Damit die Mittel entsprechend den Vorgaben im Gemeindehaushaltsrecht für ihren Zweck (rechtzeitig) zur Verfügung stehen, müssen die notwendigen liquiden Mittel verwaltungsintern entsprechend reserviert werden. Dies geschieht bei der LHS dadurch, dass die vorhandene Liquidität um den ausgewiesenen Betrag der zweckgebundenen Rücklagen reduziert und damit die freie Liquidität in den entsprechenden Übersichten ausgewiesen wird.

Rücklagen werden im Rahmen der Ergebnisverwendung beim Jahresabschluss gebildet, bzw. Mittel zugeführt oder entnommen. Eine Mittelzuführung zu zweckgebundenen Rücklagen ist dabei nur sinnvoll, wenn auch tatsächlich entsprechende zusätzliche Liquidität vorhanden ist. Eine Kreditaufnahme hierfür ist nicht zulässig. Vorhaben, die aus den zweckgebundenen Rücklagen „finanziert“ werden sollen, sind im Haushalt grundsätzlich zu veranschlagen.

Demgegenüber stellen die Rückstellungen Verbindlichkeiten dar, die lediglich hinsichtlich ihrer Höhe oder Bestehens ungewiss sind, deren Eintritt aber mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit erwartet wird. Die Bildung oder Veränderung von Rückstellungen führt (im Gegensatz zu den Rücklagen) zu einer Ergebnisveränderung, da der Aufwand dem Haushaltsjahr des Entstehens zugeordnet werden muss.

Zu den konkreten Fragen:

Zu 1

Die in der städtischen Vermögensrechnung (Bilanz) auf der Passivseite unter 3.6 Sonstige Rückstellungen abgebildete Wahlrückstellung „Unterlassene Instandhaltung“ spiegelt den Sanierungsstau bei den Schul- und Verwaltungsgebäuden wider (Stand 31.12.2014: 72,8 Mio. EUR). Hierbei handelt es sich um eine sog. Aufwandsrückstellung, welche die Selbstverpflichtung der Stadt darstellt, bereits geplante und finanzierte Instandhaltungen des Schulverwaltungsamts bzw. des Amts für Liegenschaften und Wohnen innerhalb von zwei Jahren nachzuholen. D.h. die Rückstellung finanziert konkrete Teile des geplanten Schulsanierungsprogramms bzw. geplante Instandhaltungen an Verwaltungsgebäuden, die bisher aus verschiedenen Gründen (u.a. aus zeitlichen, witterungsbedingten, vergabebedingten Gründen) entgegen der ursprünglichen Planung nicht vollzogen werden konnten. Aus dieser Rückstellung können deshalb nur darin enthaltene Maßnahmen finanziert werden.

Um weitere wesentliche Rückstellungen beim Jahresabschluss für Sanierungen bilden zu können, müssten diese Sanierungen im abzuschließenden Jahr bereits konkret geplant und die hierfür notwendigen Haushaltsmittel auch im Haushaltsplan bereitgestellt worden sein.

Zu 2

Wie bereits in den allgemeinen Ausführungen zu den Rücklagen dargestellt, können Rücklagen nur im Rahmen der Ergebnisverwendung beim Jahresabschluss gebildet werden. Eine Mittelzuführung zu einer möglichen zweckgebundenen „Sanierungsrücklage“ ist dabei nur sinnvoll, wenn auch tatsächlich entsprechende zusätzliche Liquidität vorhanden ist. Eine Kreditaufnahme hierfür ist nicht zulässig. Sanierungsvorhaben, die aus dieser zweckgebundenen Sanierungsrücklage „finanziert“ werden sollen, sind im Haushalt zu veranschlagen.

Zu 3

Beim Jahresabschluss sind Verbesserungen grundsätzlich den Rücklagen zuzuführen und erhöhen i.d.R. auch die Liquidität. Diese Verbesserungen werden bisher zunächst dazu verwendet die veranschlagte Kreditermächtigung zu reduzieren. Damit ist auch der haushaltsrechtliche Grundsatz erfüllt, wonach erwirtschaftete freie Liquidität aus Vorjahren grundsätzlich der Finanzierung von Investitionen dient (§ 61 Ziff. 15 GemHVO „Finanzierungsreserven“). An dieser Vorgehensweise sollte aus finanzwirtschaftlicher Sicht zwingend festgehalten werden. Dem Gemeinderat bliebe es allerdings unbenommen bei entsprechenden Verbesserungen im laufenden Haushaltsjahr für konkrete Maßnahmen (die zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Haushaltsreife haben und von der Verwaltung auch umgesetzt werden können) über- bzw. außerplanmäßige Aufwendungen zuzulassen.

Zu 4

Der Bildung einer pauschalen zweckgebundenen Rücklage für Sanierungen sollte aus Sicht der Verwaltung nicht näher getreten werden, da wesentliche „unterlassene Instandhaltungen“ bereits über die bestehende Rückstellung finanziert sind. Möchte man über diesen Stand hinaus weitere Sanierungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen durchführen, so sollten die laufenden Unterhaltungsmittel durch eine entsprechende Prioritätensetzung im Rahmen der Haushaltsberatungen aufgestockt werden.

Eine geordnete Instandhaltung kann nur durch im Haushalt veranschlagte Unterhaltungsmaßnahmen erfolgen, da hierfür nicht nur finanzielle sondern auch personelle Ressourcen in Eigen- bzw. Fremdleistung notwendig sind und diese Maßnahmen bereits eine entsprechende Planungs-/Haushaltsreife besitzen müssen. Ansonsten liefe man Gefahr, dass die bereitgestellten Haushaltsmittel nicht abfließen und sich hierdurch die ohnehin schon hohen Ermächtigungsübertragungen noch weiter erhöhen würden.




Vorliegende Anträge/Anfragen

1024/2015 Bündnis 90/DIE GRÜNEN




Michael Föll
Erster Bürgermeister




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