Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 179/2011
Stuttgart,
03/10/2011



Bürgerhaushalt Stuttgart
Verfahren zur Beteiligung der Bürger an der Aufstellung des
Doppelhaushaltes 2012/2013




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
23.03.2011
24.03.2011



Beschlußantrag:

1. Dem vorgeschlagenen Verfahren zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2012/2013 wird zugestimmt.

2. Der Gesamtaufwand von voraussichtlich 232.000 EUR wird im Teilhaushalt der Stadtkämmerei, Amtsbereich 201112 Finanz- und Beteiligungsverwaltung bei der Kontengruppe 400 Personalaufwendungen bzw. Kontengruppe 44310 Geschäftsaufwendungen finanziert.

Die Finanzverwaltung wird ermächtigt, überplanmäßige Aufwendungen in der erforderlichen Höhe zu bewilligen. Die Deckung erfolgt aus der Deckungsreserve.

3. Zur Bearbeitung der zu bewältigenden zusätzlichen Aufgaben entsteht bei der Stadtkämmerei ein zusätzlicher Personalbedarf. Die Verwaltung wird ermächtigt, eine Absolventin bzw. einen Absolventen der Hochschule für öffentliche Verwaltung oder ggf. eine andere Vollzeitkraft der Entgeltgruppe 9 TVÖD in der Zeit vom 01.04.2011 bis 31.01.2012 außerhalb des Stellenplans zu beschäftigen.


Begründung:


Vorbemerkung

Die SPD-Gemeinderatsfraktion (Antrag 320/2010 vom 28.10.2010) hat die Durchführung einer Bürgerbeteiligung für den Doppelhaushalt 2012/2013 beantragt. Mit Stellungnahme vom 09.12.2010 hat die Verwaltung dargelegt, dass sie den Ansatz aufgreifen und bis Ende des ersten Quartals 2011 ein Konzept zur Beteiligung der Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger an der Aufstellung des Stadthaushalts vorlegen wird.

Nach der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg beschließt der Gemeinderat den Doppelhaushalt der Landeshauptstadt. Daran wird auch das Verfahren zur Beteiligung der Bürgerschaft nichts ändern. Gleichwohl besteht die Möglichkeit und die Chance, die Bürgerinnen und Bürger konkreter und direkter in das Aufstellungsverfahren einzubeziehen, einmal in Form zusätzlicher Informationen über Zusammenhänge und Inhalte des Stadthaushalts und zudem über das Angebot, eigene Vorschläge in das Verfahren einzubringen.

Verschiedene Kommunen sind diesen Weg in der Vergangenheit schon gegangen und haben hierzu Erfahrungen gesammelt. Die Verwaltung hat sich mit mehreren größeren Städten in Verbindung gesetzt und über die allgemein vorliegenden Informationen und Berichte hinaus konkret mit deren Beteiligungsverfahren beschäftigt.


Erfahrungen anderer Städte

In Köln konnten Vorschläge online über das Internet, schriftlich mittels Fragebogen, telefonisch beim städtischen Call-Center oder persönlich bei diversen Veranstaltungen eingereicht werden. Jeder auf diesem Weg eingegangene Vorschlag wurde auf die
elektronische Online-Plattform übernommen, wo er von den Bürgerinnen und Bürgern kommentiert und bewertet werden konnte. Die Bandbreite, zu der Vorschläge unterbreitet werden konnten, war auf verschiedene Themenbereiche beschränkt (z.B. zum Haushalt 2007 auf die Bereiche „Straßen/Wege/Plätze, Grünflächen und Sport“ und zum Haushalt 2010 auf die Themen „Bildung/Schule und Umweltschutz“).

Die 100 am besten bewerteten Vorschläge je Themenbereich wurden von der Verwaltung geprüft und den Gremien (Bezirksbeirat, Finanzausschuss und Rat der Stadt) zur Entscheidung vorgelegt. Die Stellungnahmen der Verwaltung, die Entscheidungen der Gremien und der Stand der Umsetzung der Maßnahmen werden zu jedem der „TOP 100 Vorschläge“ auf der Online-Plattform veröffentlicht.

In Anlehnung an das Kölner Modell hat die Stadt Trier ebenfalls eine vorschlagsorientierte Bürgerbeteiligung durchgeführt. Der Schwerpunkt lag in Trier auf einer Online-Plattform. Es war aber auch möglich, sich schriftlich, telefonisch oder persönlich zu beteiligen. Hierfür wurde ein Ansprechpartner aus der Verwaltung benannt. Die Online-Plattform zum Trierer Bürgerhaushalt, die verständlich und übersichtlich aufgebaut ist, wurde mit einem Internet-Award für Barrierefreiheit ausgezeichnet.

In beiden Städten lag der Schwerpunkt auf der Internet-Beteiligung. Darüber hinaus wurde mit verschiedenen Veranstaltungen versucht, die unterschiedlichen Gruppierungen (z.B. Jugendliche, Senioren) gezielt zu erreichen. Auch wurde zur Begleitung des Verfahrens ein Beirat aus Politik, Verwaltung und Interessengruppen gebildet.

Beide Städte erhielten die beste Resonanz über die Internetbeteiligung. Insgesamt haben sich in Trier (2009) 1.538 Bürgerinnen und Bürger (entspricht 1,8% der Wahlberechtigten), in Freiburg i. Br. (2008) 1.860 (1,3%) und in Köln (2007) 7.586 Bürger/innen (1,1%) am Verfahren beteiligt und Vorschläge unterbreitet. Andere Beteiligungsformen, wie etwa die Durchführung von Versammlungen, sind hingegen nur auf vergleichsweise geringes Interesse gestoßen. Die Stadt Bonn, die eine Bürgerbeteiligung ausschließlich über Versammlungen organisierte, erreichte bei drei Veranstaltungen nur etwas mehr als hundert Besucher. Auch die Stadt Freiburg i. Br., die über die Internet-Plattform hinaus eine Vielzahl von Veranstaltungen in den Stadtbezirken durchführte, wird aufgrund ähnlicher Erfahrungen künftig von der Organisation dezentraler Veranstaltungen absehen.

Positiv aufgenommen wurden regelmäßige Presseberichterstattungen (z.B. Tageszeitungen, Amtsblatt, Plakate) und Medienberichte (z.B. über Radio, lokale Fernsehsender, Facebook/Twitter) zur Bürgerbeteiligung sowohl im Vorfeld als auch begleitend während des Verfahrens.

Köln und Trier hatten für die Entwicklung der Online-Plattform und die Durchführung des Verfahrens (z.B. Moderation der Online-Plattform und der Veranstaltungen) eine externe Unterstützung. Die Durchführung der Bürgerbeteiligung war für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmereien aber dennoch sehr zeitaufwändig und mit einer ganz erheblichen Mehrarbeit verbunden. In Köln wurde eine Mitarbeiter/in nur für das Thema Bürgerhaushalt eingestellt, in Trier wurden für die neue Aufgabe 0,5 Stellenanteile geschaffen.

Die bereits durchgeführten Bürgerhaushaltsverfahren haben gezeigt, dass von den Bürgern nicht nur Vorschläge gemacht werden, die mit Mehraufwendungen verbunden sind. Es werden durchaus auch kostenneutrale Vorschläge, Einnahme- oder Sparvorschläge unterbreitet.


Stuttgarter Bürgerbeteiligung

Aufgrund der Erfahrungen anderer Städte und im Hinblick auf die vergleichsweise kurze Vorbereitungszeit sowie die erforderliche Integration in das bestehende Verfahren zur Aufstellung des Doppelhaushalts 2012/2013 wird für Stuttgart der folgende Ablauf für ein Bürgerbeteiligungsverfahren vorgeschlagen:


1Beschluss des Gemeinderates über die Durchführung eines Bürgerhaushaltsverfahrens
VA 23.03.
GR 24.03.
2Öffentlichkeitsarbeit (wie Haushaltsbroschüre, Infoblätter, Amtsblattbeilage, Einbeziehung Lokalredaktionen, Radio- und Fernsehsender und Facebook/Twitter; das Konzept wird derzeit erarbeitet)
ab Ende März 2011
3Erstellung und Verteilung einer Bürgerbroschüre zum Haushalt der Landeshauptstadt Stuttgart
bis Juni
2011
4Öffnung der Internetplattform vor den Sommerferien für drei Wochen für Vorschläge und zur Abstimmung und eine Woche nur zur Abstimmung über die registrierten Vorschläge

Zeitgleich regelmäßige Erfassung der bis zum 22.7. in Papierform oder auf andere Weise eingegangenen Vorschläge auf der Internetplattform
01.07.-22.07./ 29.07.2011
5Bearbeitung der TOP 100 Bürgervorschläge durch die Verwaltung

(Alle weiteren Vorschläge können dem Gemeinderat nachrichtlich zur Verfügung gestellt werden bzw. sind über die Online-Plattform abrufbar)
August / September
2011
6Vorlage der TOP 100 Bürgervorschläge samt Stellungnahmen der Verwaltung in den Gemeinderat
Mitte Oktober 2011
7Behandlung TOP 100 Bürgervorschläge im Rahmen der Haushaltsberatungen
November / Dezember 2011
8Eine Rückmeldung über das Ergebnis der Behandlung und eine Stellungnahme der Verwaltung werden auf der Internetplattform zur Verfügung gestellt
Januar 2012
9Der Stand der Umsetzung der angenommenen Vorschläge wird auf der Internetplattform bis zu deren Schließung dokumentiert.
ab Januar 2012
10Evaluation des Verfahrens
Frühjahr 2012


Beschreibung des Verfahrens

Am Bürgerhaushalt beteiligen kann sich jede Person, die in Stuttgart mit Wohnsitz gemeldet ist. Die Vorschläge können online über eine Beteiligungsplattform, schriftlich, telefonisch oder persönlich abgegeben werden. Eine Altersbeschränkung wird nicht vorgeschlagen, d.h. beteiligen können sich auch und gerade jüngere Menschen, die noch nicht wahlberechtigt sind.

Jeder Stuttgarter und jede Stuttgarterin kann Vorschläge unterbreiten zu Aufgaben und Themen, die über den Stadthaushalt gestaltet werden. Hierzu zählen Vorschläge die ausgaben- oder einnahmenbezogen sind, aber natürlich auch Spar- oder Konsolidierungsvorschläge. Im weiteren Ablauf ist es jedoch weder möglich, noch notwendig, praktisch alle eingehenden Vorschläge von der Verwaltung zu bearbeiten. Auf der Grundlage der Vorgehensweise und der Erfahrungen anderen Kommunen hält es die Verwaltung für sachgerecht, die Bearbeitung auf jene hundert Vorschläge zu konzentrieren, die von den Bürgerinnen und Bürgern selbst am höchsten bewertet werden.

Es wird vorgeschlagen, die Bürgerbeteiligung in den ersten drei Juliwochen durchzuführen, d.h. in diesem Zeitraum wird es möglich sein, über Internet, schriftlich, telefonisch oder persönlich Vorschläge zu unterbreiten. Alle bis zum 22. Juli 2011 eingegangen Vorschläge werden auf der Internet-Plattform gesammelt und bereitgehalten. Die Abstimmung oder Bewertung der eingegangenen Vorschläge durch die Bürgerinnen und Bürger ist im gleichen Zeitraum und zusätzlich noch in der vierten Juliwoche möglich. Um Mehrfachabstimmungen möglichst auszuschließen, kann die Bewertung nur über die Online-Plattform oder schriftlich per Formular vorgenommen werden.

Die Bewertung der Bürgerschaft zu den eingegangenen Vorschlägen führt dann in der Folge zu einem Ranking und es findet eine Auseinandersetzung der Bürgerinnen und Bürger mit aktuellen Sachthemen und dem städtischen Haushalt statt.

Die in dieser Weise am höchsten bewerteten hundert Bürgervorschläge werden dann von der Verwaltung geprüft und mit einer Stellungnahme der Verwaltung dem Gemeinderat zur weiteren Behandlung im Rahmen der Haushaltsberatungen vorgelegt. Der Gemeinderat kann dem Vorschlag zustimmen, ihn ablehnen oder die Verwaltung mit der weiteren Prüfung oder Planung des Vorschlages beauftragen.

Das Ergebnis der Behandlung des Gemeinderates und der Stand der Umsetzung werden auf der Online-Plattform veröffentlicht.

Ziel der Verwaltung ist es, allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit einzuräumen, sich zum Stadthaushalt zu informieren und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, zum Doppelhaushalt 2012/2013 Vorschläge zu machen. Im Vordergrund steht die Absicht, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und sie auf dieses Angebot hinzuweisen. Gleichzeitig ist die Verwaltung bestrebt, den damit verbundenen erheblichen zusätzlichen Aufwand beherrschbar zu halten.

Einen Beirat als zusätzliches Gremium zur Beteiligung verschiedener Gruppen des bürgerschaftlichen Engagements soll daher nicht eingerichtet werden. Aufgrund der Erfahrungen anderer Städte soll auch auf die Durchführung von gesonderten Veranstaltungen zum Bürgerhaushalt verzichtet werden. Der Schwerpunkt soll auf der Internet- bzw. der schriftlichen Beteiligung liegen. Auch die Stadtbezirke und die Bezirksbeiräte sollten nach dem bisherigen Verfahren einbezogen werden, wonach die Bezirksbeiräte ihre Vorschläge direkt den Gemeinderatsfraktionen übermitteln und diese dann darüber entscheiden, welche Vorschläge ggf. in die eigenen Haushaltsanträge übernommen werden.

Zur Entlastung der Verwaltung und zur Verbesserung der Beratungsqualität sollte die Online-Plattform während der Öffnung extern moderiert werden. Aufgabe der Moderation ist es unter anderem, das Geschehen auf der Online-Plattform zu überwachen und Rückfragen zur Online-Plattform zu beantworten. Da nach den Erfahrungen anderer Städte die meisten Vorschläge und Bewertungen am Abend und an den Wochenenden eingehen, ist die Moderation vor allem zu diesen Zeiten wichtig. Nach Schließung der Online-Plattform wird die Moderationsunterstützung ggf. auch noch für die Aufbereitung der Vorschläge bzw. die gewünschten Auswertungen benötigt.


Öffentlichkeitsarbeit

Bei einem in dieser Weise auf die Bürgerschaft ausgerichteten Verfahren hat die Öffentlichkeitsarbeit einen besonderen Stellenwert. Dies gilt sowohl für die Informationen zum Stadthaushalt wie auch zum Inhalt und zu den Regeln der Verfahrensbeteiligung. Das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist es, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ihr Interesse zu wecken und sie auf einer guten Informationsgrundlage zu einer Beteiligung zu ermuntern. Vorgesehen ist u.a. eine Ergänzung der LHS-Internetseite, Werbung über Plakatierung, Infoscreenflächen an Stadt- bzw. S-Bahn-Haltestellen, Zeitungsanzeigen, Amtsblattbeilage, ggf. Pickup-Karten etc. und die Erstellung einer Bürgerbroschüre zum Stadthaushalt. Die Gesamtkosten werden auf ca. 75.000 EUR geschätzt. Das detaillierte Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit wird derzeit erarbeitet.


Internet Plattform

Die zu erstellende Online-Plattform muss sich in das bestehende Internetangebot der Landeshauptstadt einfügen. Deshalb soll die Erstellung der Plattform innerhalb des vom Gemeinderat beschlossenen Rahmenvertrags „eGovernment 2010“(GRDrs 875/2010) erfolgen. Nach einer groben Kostenschätzung ist für die Entwicklung der Plattform, die Anpassung an die städtische Internetseite und die begleitende Moderation von Kosten in Höhe von etwa 100.000 EUR auszugehen.


Personalbedarf

Die Durchführung der Bürgerbeteiligung ist insbesondere für die Haushaltsabteilung der Stadtkämmerei mit einer erheblichen Zusatzbelastung verbunden in einer Zeit, in der die Abteilung mit der Aufstellung und Beratung des Doppelhaushalts ohnehin stark beansprucht wird. Zur (teilweisen) Entlastung wird deshalb die befristete Beschäftigung einer Absolventin bzw. eines Absolventen der Hochschule für öffentliche Verwaltung oder ggf. einer anderen geeigneten Vollzeitkraft der Entgeltgruppe 9 TVÖD für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 31.01.2012 vorgeschlagen.


Finanzielle Auswirkungen

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird für die Durchführung des Bürgerbeteiligungsverfahrens mit Gesamtaufwendungen von 232.000 EUR gerechnet, die sich wie folgt verteilen:

Personalaufwand (für befristete Stelle) 52.000 EUR
Aufwand für die Online-Plattform samt Moderation 100.000 EUR
Öffentlichkeitsarbeit (Haushaltsbroschüre, Werbung etc.) 75.000 EUR
Sonstiger Sachaufwand 5.000 EUR

Die anfallenden Aufwendungen werden im Teilergebnishaushalt der Stadtkämmerei im Amtsbereich 201112 Finanz- und Beteiligungsverwaltung bei der Kontengruppe 400 Personalaufwendungen bzw. Kontengruppe 44310 Geschäftsaufwendungen gedeckt bzw. ggf. zusätzlich bereitgestellt. Der Anteil für die Entwicklung der Online-Plattform in Höhe von etwa 70.000 EUR wird über die veranschlagten IuK-Mittel des eGoverment-Rahmenvertrags finanziert. Soweit die Mittel in anderen Teilhaushalten bewirtschaftet werden, erfolgt eine entsprechende Mittelumsetzung.






Michael Föll
Erster Bürgermeister




Finanzielle Auswirkungen





Beteiligte Stellen








Anlagen






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