Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 424/2023
Stuttgart,
05/15/2023



Sicherstellung des Dienstbetriebs im Sozialamt - Ermächtigungen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
19.06.2023
21.06.2023
22.06.2023



Beschlußantrag:


1. Von den aktuellen Entwicklungen im Sozialamt aufgrund diverser Reformprozesse und den Auswirkungen aus der Bewältigung multipler Krisen wird Kenntnis genommen.

2. Mehrere zum Teil sehr kurzfristige und komplexe Reformprozesse sowie die Bewältigung multipler Krisen (Flüchtlingskrise, Energiekrise, etc.) und damit verbundene verwaltungsinterne Organisationänderungen führen in den nachstehenden Abteilungen des Sozialamts zu einem vordringlichen Personalmehrbedarf im Umfang von insg. 5,0 VZK. Diese verteilen sich folgendermaßen:
3. Von diesen vordringlichen zusätzlichen Personalmehrbedarfen wird Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird ermächtigt, ab sofort Personal im Umfang von insg. 5,0 VZK (Beschlussziffer 2.1 – 2.3) außerhalb des Stellenplans einzustellen.
Alle Ermächtigungen sind bis 31.12.2023 befristet. Über etwaige Stellenschaffungen ist im Rahmen des Stellenplanverfahrens 2024/2025 zu entscheiden.
4. Eine unbefristete Ausschreibung und Besetzung aller Ermächtigungen ist möglich, sofern das Amt eine weitere Beschäftigung der Mitarbeiter/-innen nach dem 31.12.2023 gewährleisten kann. 5. Die Personalmehraufwendungen für das Haushaltsjahr 2023 in Höhe von 197.550 EUR werden im THH 500, Sozialamt, Kontengruppe 400 – Personalaufwendungen gedeckt.

Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zu Ziff. 1 des Beschlussantrags:

Die Bewältigung multipler Krisen und die Vielzahl an komplexen und zum Teil sehr kurzfristigen Reformprozessen bringen auch das Stuttgarter Sozialamt an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Allein in den vergangenen drei Jahren hatten z.B. die Corona-Soforthilfen von Bund und Land, die Pflegereform, die Betreuungsrechtsreform, die Einführung des Bürgergelds, die Wohngeldreform und das neue Bundesteilhabegesetz enorme Auswirkungen auf die Aufgabenbereiche des Sozialamts. Darüber hinaus kommt dem Sozialamt eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Bewältigung der Herausforderungen geht, die aus der Flüchtlingskrise, der Energiekrise und der steigenden Inflation folgen.

Im Sozialamt mussten aufgrund der sehr kurzfristigen, massiven Aufgabenmehrung seit Mitte 2021 rund 20 Ermächtigungen für den Wohngeldbereich, 45 Ermächtigungen in den Flüchtlingsbereichen sowie rund 15 zusätzliche Stellen, davon 4,0 im Vorgriffverfahren für den Stellenplan 2024 geschaffene Stellen für die Reform des Betreuungsrechts aufgebaut werden. Insbesondere für die Umsetzung der Wohngeldreform als Teil des Entlastungspaketes III wird noch weiteres Personal benötigt. Zum Jahresbeginn waren rund 110 von 537,28 (Anm.: 470,70 Stellen im Stellenplan 2023, 4,0 Vorgriff Stellenplan 2024, 62,58 Ermächtigungen – 30,0 der Ermächtigungen im Wohngeldbereich sind den Bezirksämtern zugeordnet) Stellen und Ermächtigungen im Amt unbesetzt. Aktuell gibt es beim Sozialamt 520 aktiv Mitarbeitende. Wenn alle Stellen besetzt wären, ist bei einer durchschnittlichen Teilzeitquote von rd. 49% von mind. 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszugehen, die aktuell fehlen.

Infolge des massiven Personalmangels kann der Dienstbetrieb derzeit in zwölf Sachgebieten nicht mehr ordnungsgemäß sichergestellt werden. Akut betroffen sind derzeit neben der Wohngeldbehörde die Flüchtlingsbereiche des Sozialamts (die gesamte Abteilung Flüchtlinge (50-6), die für die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Sachgebiete 50-271, 50-272 und 50-273 sowie das im Oktober 2022 neu eingerichtete Sachgebiet Soziale Arbeit und bürgerschaftliches Engagement für Geflüchtete (50-41)) und die Abteilung Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung – Eingliederungshilfe (50-7) mit insgesamt fünf Sachgebieten. Bei allen Bereichen handelt es sich um kommunale Pflichtaufgaben. Der Anteil der unbesetzten Stellen liegt hier zwischen 28% und 38%, die Fluktuationsquoten reichen momentan von 22% bis 40%.

Das Sozialamt hat einen Katalog an Sofortmaßnahmen erarbeitet, die unter Beteiligung der Mitarbeitenden und des örtlichen Personalrats sukzessive umgesetzt werden. Für die Umsetzung der Sofortmaßnahmen in Eigenregie des Sozialamts, soweit erforderlich mit Unterstützung des Haupt- und Personalamtes, DO.IT.- Amt für Digitalisierung, Organisation und IT sowie der Stadtkämmerei, und um eine schnellst mögliche Entlastung der Situation zu erreichen, wurden dringende Personalbedarfe im Umfang von 5,0 VZÄ identifiziert. Über den dauerhaft erforderlichen Personalbedarf ab dem 01.01.2024 muss der Gemeinderat im Rahmen seiner Beratungen zum Doppelhaushalt 2024/2025 entscheiden.

Zu Ziff. 2.1 des Beschlussantrags – Personalmehrbedarf in der Abteilung Verwaltung

Sachbearbeitung Personalentwicklung – 1,0 VZK EG 11 TVöD
Die Herausforderungen (z. B. Fachkräftemangel) der sich verändernden Arbeitswelt, insbesondere der Digitalisierung, unter Beachtung der Diversität der sozialen Aufgaben und dem dafür erforderlichen Spezialwissen im Sozialamt erfordern dauerhaft die Entwicklung, Umsetzung und ständige Aktualisierung eines amtsspezifischen Konzepts. Wichtiges Ziel ist es, die Mitarbeitenden bei diesen Herausforderungen zu unterstützen, zu begleiten und so motivierte und kompetente Mitarbeitende an das Amt zu binden.
In allen Bereichen laufen Prozesse in immer höherer Geschwindigkeit, auf die zwangsläufig flexibler reagiert werden muss. Um damit sicher umgehen zu können, muss sich das Sozialamt mit seinen Mitarbeitenden ständig weiterentwickeln. Mitarbeitende und Führungskräfte müssen sich auf Veränderungen einstellen und darauf vorbereitet bzw. entsprechend unterstützt werden.
Die Zahl der aktuell freien Stellen im Sozialamt zeigt die dringende Notwendigkeit, Personal zu halten und neues zu gewinnen. Die Stelle der Personalentwicklung soll eine Personalstrategie entwickeln und umsetzen, die dringend erforderlich ist, um dauerhaft den Dienstbetrieb in den Dienststellen des Sozialamts sicherzustellen. Einzelne Elemente der Personalstrategie finden sich in den akut erforderlichen Sofortmaßnahmen wieder, die schnellst möglich umgesetzt werden müssen.

Sachbearbeitung Organisation – 1,0 VZK EG 10 TVöD
Seit Beginn der Zuwanderung von Flüchtlingen ab 2014 ist das Sozialamt kontinuierlich von großen organisatorischen Veränderungen geprägt. Dazu zählen u. a. die Einrichtung der Abteilung Flüchtlinge sowie der Abteilung Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung – Eingliederungshilfe, die Eingliederung von Sozialplanerischen Aufgaben und Stellen des Gesundheitsamtes und die schrittweise Weiterentwicklung der Organisation der Wohngeldbehörde. Aktuell wird an der organisatorischen Neuaufstellung des gesamten Sozialamts gearbeitet, die in den nächsten Jahren sukzessive umgesetzt werden soll. Dies bedeutet weitere größere organisatorische Veränderungen, die ohne eine Stellenschaffung nicht begleitet werden können.
Vor allem erfordern die aktuellen o.g. Entwicklungen weitere, deutlich kurzfristigere organisatorische Maßnahmen, wie z.B. die Installation spezialisierter Einsatzteams im Teilhabemanagement der Abteilung 50-7 zur Bewältigung des Umstellungsprozesses auf den neuen Landesrahmenvertrag SGB IX (Umsetzung BTHG).

In der derzeitigen akuten Situation sind beide Stelle dringend erforderlich, um die erarbeiteten Sofortmaßnahmen unter Beteiligung der Mitarbeitenden und des örtlichen Personalrats zu konkretisieren, in die Umsetzung zu bringen und nachzuhalten. Konkret soll z.B. der Einsatz von Aushilfskräften in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter ausgebaut, ein Springerpool erprobt, die Einarbeitung insb. von Quereinsteiger*innen konzeptioniert und eine Akquise-Kampagne zur Gewinnung neuer Mitarbeitenden realisiert werden. Diese und weitere dringend notwendige Sofortmaßnahmen können ohne die Ermächtigung und Besetzung beider Stellen im Vorfeld zum Stellenplan 2024/25 nicht umgesetzt werden.

Zu Ziff. 2.2 des Beschlussantrags – Personalmehrbedarf in der Abteilung Flüchtlinge

Koordination Geflüchteter und Wohnungsnotfallhilfe – 1,0 VZK EG 13 TVöD
Aufgrund des seit Jahren angespannten Wohnungsmarktes ist es für wohnungssuchende Menschen wie Geflüchtete und Menschen in Wohnungslosigkeit besonders schwierig geworden, Wohnraum zu finden. Die Stadt Stuttgart ist jedoch gesetzlich dazu verpflichtet, Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und Geflüchtete mit Wohnraum zu versorgen.

Das Sozialamt bringt im Rahmen der Wohnungsnotfallhilfe 5.350 Personen aus 3.024 Haushalten unter (Quelle Bundeswohnungslosenstatistik 2022). Darüber hinaus bringt das Sozialamt derzeit rd. 8.800 Geflüchtete unter (Stand März 2023), die eine Anschlussunterbringung in eigenem Wohnraum benötigen.

Mit den GRDrs 648/2020 „Die Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe 2021 - Grundlagen und Ziele“ und GRDrs 188/2021 „Projekt: Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften“ wurde vom Gemeinderat die Weiterentwicklung des Systems der Wohnungsnotfallhilfe beschlossen. Das Ziel bezogen auf die beantragte Stelle ist eine Reduzierung der Verweildauer in Sozialunterkünften und perspektivisch eine Abkehr vom Betreibersystem, um mehr Steuerungsmöglichkeiten zu erhalten. Bisher gibt es für die Wohnraumversorgung von Geflüchteten und wohnungslosen Menschen trotz ähnlicher Bedarfe keine einheitliche Strategie und kein einheitliches Controlling, um eine nachhaltige Lösung der genannten Herausforderungen zu erreichen. Die neu zu schaffende Stelle soll eine Strategie für das Belegungsmanagement für Zielgruppen mit akutem Wohnraumbedarf entwickeln und die Umsetzung begleiten, sowie die Weiterentwicklung der Notübernachtung mit Bezug auf den veränderten und erhöhten Bedarf konzipieren und umsetzen. Des Weiteren soll die neu zu schaffende Stelle, die Koordination einer nachhaltigen Wohnraumversorgung für Geflüchtete und Wohnungslose auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt übernehmen.

Das zusätzliche Personal im Umfang von 1,0 VZÄ wird aufgrund des kurzfristigen Platzaufbaus dringend benötigt. In den nächsten Monaten werden voraussichtlich mehrere hundert zusätzliche Plätze über die gesamte Stadt hinweg aufgebaut werden müssen. Die Koordination rund um die Zurverfügungstellung und Inbetriebnahme in der verfügbaren Zeit ist für die Abteilung Flüchtlinge (50-6) kaum mehr zu leisten. Gleichzeitig müssen für ein nachhaltiges und vorausschauendes Vorgehen die o.g. strategischen Weichen bereits zum jetzigen Zeitpunkt richtig gestellt werden, was ohne das zusätzliche Personal nicht möglich wäre.




Zu Ziff. 2.3 des Beschlussantrags – Personalmehrbedarf in der Abteilung Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - Eingliederungshilfe

Sachbearbeitung Recht, Qualität und Vergütung – 1,0 VZK EG 11 TVöD
Der Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe ist mit umfangreichen Rechtsänderungen auf der Grundlage des BTHG verbunden. Die Erfahrungen seit Inkrafttreten des SGB IX zum 01.01.2020 zeigen, dass die Aufgabenmehrung im Zusammenhang mit der Individualisierung der Hilfeleistungen im Fachbereich Recht, Qualität und Vergütung deutlich umfassender sind, als dies bei der Konfiguration der neuen Abteilung 50-7 abzusehen war.

Für die Umsetzung des neuen Rechts fehlen zu vielen Fragenstellungen Umsetzungshinweise, Richtlinien und Rechtsprechungen. Einzelfälle werfen regelmäßig Grundsatzfragen auf, die es v.a. für den laufenden Umstellungsprozess innerhalb verbindlicher von Bund und Land vorgegebener Fristen (Umstellungsfrist 31.12.23) auszuarbeiten und mit einer Vielzahl von Akteuren abzustimmen gilt.

Da das BTHG sich noch in der Umstellungsphase befindet kommt es in dem Zusammenhang auch zu einem Anstieg der Widersprüche und Klagen der leistungsberechtigten Personen, die wiederum von grundlegender Bedeutung für den Umstellungsprozess sind.

Sachbearbeitung Verträge und Vergütungen
Im Kern des BTHG steht der personenzentrierte Ansatz, damit die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen verbessert werden. Auf Grund dessen wurden die Fachleistungen von den Existenzsicherungsleistungen getrennt. Dies erfordert den Abschluss neuer Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsträgern. Für die Landeshauptstadt Stuttgart müssen bis zum 30.06.2023 insgesamt 170 Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit 22 Leistungsträgern individuell verhandelt und vereinbart werden, ohne dafür auf, wie sonst üblich, entsprechende Rahmenregelungen in der Landesrahmenvereinbarung zurückgreifen zu können. D.h. zusätzlich muss in jedem Fall zuerst eine Vergütungssystematik ausgearbeitet und ausgehandelt werden, bevor überhaupt in die Verhandlung von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen eingestiegen werden kann.

Der Abteilung 50-7 ist die ordnungsgemäße Leistungsgewährung nach dem SGB IX (BTHG) ohne eine zusätzliche Stelle bei der Landeshauptstadt Stuttgart nicht möglich. Der KVJS geht bei der Umsetzung des BTHG von Kostensteigerungen von bis zu 80% aus. Werden im Bereich der Vergütungsverhandlungen nicht zusätzliche Ressourcen eingesetzt, wird kein Finanzcontrolling und keine Kostentransparenz hergestellt, sowie keine Steuerung möglich sein, was durch das Sozialamt nicht verantwortet werden kann.

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) sieht insb. aufgrund der landesweiten Uneinheitlichkeit die Entscheidungen in den Einzelverhandlungen immer stärker beim kommunalen Kostenträger. Der inhaltliche Aufgabenschwerpunkt verändert sich damit und stellt das Sozialamt vor neue Herausforderungen. Im April 2023 lagen noch nicht alle Verhandlungsaufforderungen der Leistungserbringer vor. Derzeit ist eine 1,0 VZK Sachbearbeitung Verträge und Vergütungen besetzt, eine weitere Stellenbesetzung (1,0 VZK) findet in Kürze statt.

In beiden Aufgabenbereichen, Sachbearbeitung Recht, Qualität und Vergütung sowie Sachbearbeitung Verträge und Vergütung, reichen die Ressourcen für die laufende Umstellungsphase und für die dauerhafte Aufgabenbewältigung nicht aus. Die Ermächtigung und Besetzung von insgesamt 2,0 VZK in diesen Bereichen ist daher dringend erforderlich, um den Umstellungsprozess beschleunigen und einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherstellen zu können.



Finanzielle Auswirkungen

Amt
Anzahl Stellen
Entgelt-gruppe
Bedarf ab
Rechnerischer Personalmehraufwand 2023 (EUR)
Sozialamt1,0EG 1101.07.2023
38.950
1,0EG 1001.07.2023
36.100
1,0EG 1301.07.2023
44.600
1,0EG 1101.07.2023
38.950
1,0EG 1101.07.2023
38.950
Personalbedarf/-aufwand gesamt5,0
197.550

Die Maßnahmen führen im Haushaltsjahr 2023 zu überplanmäßigen Personalaufwendungen i. H. v. 197.550 EUR im Teilhaushalt 500 – Sozialamt.

Die Finanzierung erfolgt aus der Deckungsreserve Personal im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 – Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 – Sonstige ordentliche Aufwendungen.



Beteiligte Stellen

Die Referate AKR und WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin


Anlagen

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