Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 16.06.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Schmidt
Betreff: Standort Skulptur "Chronik einer grotesken Entgleisung" von Peter Lenk - Antrag Nr. 168/2021 vom 04.05.2021 (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, PULS)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


OB Dr. Nopper nimmt einleitend zum Sachverhalt Stellung und übermittelt vier Botschaften:
1. Die Landeshauptstadt Stuttgart wolle die satirische, hintergründig-humorvolle Skulptur "Chronik einer grotesken Entgleisung" sehr gerne in Stuttgart behalten, weil Selbstironie und das "Sich-nicht-ganz-so-ernst-nehmen" aller an der Diskussion um Stuttgart 21 Beteiligten ein Weg zur Befriedung des S21-Konfliktes sein könne. 2. Der Standort vor dem Stadtpalais werde dauerhaft nicht für den geeigneten Standort gehalten. 3. Als Ersatzstandort werde der Stockholmer Platz im Europa-Viertel vorgeschlagen, da dieser sehr nahe am Projekt S21 liege. Inhalt und Standort der Skulptur fänden damit zusammen. Außerdem könne dort die Skulptur prominent in der Mitte des Platzes platziert werden. Der Stockholmer Platz werde nicht von Autoverkehr umtost, liege in der Nähe der Stadtbibliothek, von wo aus Führungen zur Skulptur starten könnten, und gewinne in den nächsten Jahren enorm an Bedeutung. 4. Die Arbeit und das künstlerische Engagement von Peter Lenk werde geschätzt, man erhoffe sich jedoch vonseiten des Künstlers Kompromissbereitschaft, ein Einlenken beim "Lenk-Mal" und "dass er beim schwäbischen Laokoon, im Unterschied zur antiken Laokoon-Figur, sich aus dem Griff gewundener Schlangen aus seiner sehr schnell, meines Erachtens zu schnell, gefassten Meinung gegen den Stockholmer Platz befreit".
Herr Lenk hält zu Beginn seiner Ausführungen fest, es gebe keine juristische Grundlage, um die Skulptur zu entfernen. Es seien keinerlei Verträge vorhanden und keine Unterschriften geleistet worden. Andererseits handle es sich hier um eine Probeaufstellung, und nach jeder Probeaufstellung entscheide der Gemeinderat, wie es weitergehe. Bereits als Student sei ihm klar gewesen, dass satirische oder systemkritische Figuren niemals im öffentlichen Raum platziert werden können. Um dies jedoch zu erreichen, komme die zu früheren Zeiten übliche Denkmalenthüllung infrage. Diese habe den Vorteil, dass nicht bekannt sei, was sich unter dem Tuch befinde. Allerdings sei eine solche Denkmalenthüllung nur möglich und von ihm gewünscht, wenn es später eine entsprechende Abstimmung darüber geben könne. Damit nehme man den Stadträten die Angst vor einer Aufstellung. Eine erste Probeaufstellung sei in den 1980er-Jahren in Berlin erfolgt ("Schwäbische Floßfahrer"). Er nennt als weiteres Beispiel das "Revolutionsdenkmal" in Schopfheim, zu dem zehn Jahre später ein großes Fest gefeiert worden sei. Dies bedeute, Kunst dürfe nicht Stadträten oder Kunstgremien überlassen werden; Kunst sei frei. An diesen Weg halte er sich eisern, auch bei der Skulptur zu S21.

Herr Dr. Giese (Direktor StadtPalais - Museum für Stuttgart) sei zunächst von der Skulptur begeistert gewesen, so Herr Lenk weiter, und habe gesagt, vielleicht sei dieser Humor, diese Satire die Form im Umgang mit S21, die einen vom Destruktiven ins Konstruktive nachdenken lasse. Zu einem späteren Zeitpunkt sei seine Meinung aufgrund des zu kleinen Feigenblattes zum Vulgärkünstler umgeschwenkt. Wie dieser Stimmungswandel zustande gekommen sei, könne er nicht nachvollziehen. Nachdem sich nun herausgestellt habe, dass vor dem StadtPalais erst 2022 gebaut werde, verbleibe als einziger Grund für die Beendigung der Probeaufstellung die Aktion "Stuttgart am Meer". Es sei nicht einzusehen, warum bei einer Fläche von 2.000 Quadratmetern nicht 30 Quadratmeter entbehrt werden könnten. Dies habe bereits bei der Spiegel-Ausstellung wunderbar funktioniert; das Denkmal habe nicht gestört. Dem Vorwurf von Herrn Dr. Giese, Herr Lenk greife in die künstlerische Freiheit ein, widerspricht der Künstler. Aufgrund dieser Entwicklung stelle sich nun die Frage nach einem Alternativplatz oder vielleicht auch einem Alibi-Platz. Der nun angebotene Standort am Stockholmer Platz sei für ihn vollkommen ausgeschlossen. Ein Kunstwerk, das im öffentlichen Raum ausgestellt werde, müsse mit den umliegenden Gebäuden harmonieren. Die Gebäude am Stockholmer Platz seien viel zu hoch bzw. das Denkmal zu klein. Außerdem sei der Platz nicht ausreichend belebt. Er mache in dieser Hinsicht keine Kompromisse. Auf die Frage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nach dem Unterschied zwischen Künstlern und Politikern habe er geantwortet, Politiker lögen und machten Kompromisse, Künstler lögen genauso, machten aber keine Kompromisse. Es sei nicht Aufgabe der Kunst, Kompromisse zu schließen. Er verfüge über eine ausgezeichnete Alternative, nämlich den Skulpturengarten in Bodman. Der Gemeinderat müsse nun entscheiden, ob die Skulptur stehenbleibe oder nicht. Er sei bereit für den Abbau, denn er wolle auf keinen Fall in den Verdacht geraten, die Aktion verlängern zu wollen. Auch Herr Dr. Giese habe signalisiert, dem Votum des Gemeinderates zu folgen.

Für die Verwaltung nimmt Herr Gegenfurtner (KultA) Stellung, der weitere Aspekte in die "teilweise überhitzt wirkende" Diskussion einbringt. Er greift zunächst die Frage der Befristung auf und hält fest, die Aufstellung sei von Anfang an als zeitlich befristet mit Herrn Lenk vereinbart gewesen. Es habe weder mit Willkür noch politischen Beweggründen zu tun, wenn die Baustelle vor dem StadtPalais einen Abbau erforderlich mache. Der Standort vor dem StadtPalais sei Herrn Lenks zweiter Vorschlag gewesen, nachdem klar geworden sei, dass der erste Standortvorschlag gegenüber des Hauptbahnhofes angesichts Tausender ÖPNV-Nutzer ungünstig sei. Die Stadt und ihre ämterübergreifende Verwaltung habe von Beginn an nicht nur die Bereitschaft, sondern auch einen konstruktiven Umgang und vor allem Humor und Liberalität für die Aufstellung des Laokoons gezeigt. Herr Dr. Giese sei seit Feststehen des Wunschstandortes einbezogen und Befürworter der temporären Unternehmung gewesen. Das StadtPalais habe - auch mit Beteiligung des Künstlers - stark für das Kunstwerk geworben. Er betont, Herr Dr. Giese sei nach wie vor kein Gegner des Themas, des Künstlers oder des Werkes; er sei zudem deutlich verkürzt zitiert worden. Der Direktor des StadtPalais habe sagen wollen, dass aus seiner persönlichen Sicht das Thema durch die teils expliziten Darstellungen in der Vermittlung als zu vulgär wahrgenommen werden könnte. Keinesfalls sei dadurch eine künstlerische Einschätzung vorgenommen worden. Herr Gegenfurtner hält es für grenzwertig, wenn Herr Dr. Giese nur deshalb zum Feind gemacht werde, weil es einem bestimmten Narrativ dienlich sei, das nicht der Realität entspreche. Dadurch werde der pflegliche und konstruktive Umgang miteinander gerade in kulturellen Zusammenhängen diskreditiert. Er wünsche sich stattdessen einen sachlichen und ehrlichen Diskurs über Kunst im öffentlichen Raum, was der Kultur- und Kunstgeschichte in Stuttgart eher entspräche.

Die Aktion "Stuttgart am Meer" sei wiederholt - auch von Herrn Lenk - als "Grillparty" verunglimpft worden, so der Referent weiter. Dieses zum dritten Mal angesetzte Festival sei eine Attraktion für die gesamte Stadtgesellschaft, weil es eben nicht eine Party sei, sondern Ausstellungen, Workshops und Veranstaltungen zusammenbinde, um eine sehr breite Stadtgesellschaft anzusprechen. Dabei werde das gesamte Gelände von der Künstler*innen-Gruppe "Studio Umschichten" auf optimale Platzausnutzung nachhaltig und mit vorhandenen und immer wieder zu verwendenden Materialien konzipiert. Es handle sich somit um ein Konzept, das nicht "mal schnell" umgeplant werden könne, sondern das neben Vorlauf auch den gesamten Platz benötige. Hinzu komme beispielsweise eine Ausstellung des Architekturmuseums Frankfurt über begrünte Architektur und Stadtplanung. Dies alles zeige, dass der Platz vor dem StadtPalais gut genutzt, besucht und ausgelastet sei. Dafür dürfe man den Direktor nicht öffentlich "bashen", sondern sollte ihn und sein Team loben.

In seiner Zusammenfassung bittet Herr Gegenfurtner alle Beteiligten darum, sich an Vereinbartes zu halten, denn nur durch gegenseitige Verlässlichkeit ließen sich Herausforderungen in der Zukunft gemeinsam und vertrauensvoll lösen. Aus diesem Grund seien zahlreiche Standorte geprüft worden, die für Herrn Lenks Werk infrage kommen könnten. Der bahnhofsnahe Stockholmer Platz verfüge über eine attraktive Sichtachse auf S21 und mit der Stadtbibliothek über eine hochfrequentierte Kultureinrichtung in der Nachbarschaft. In dieser neuen Umgebung sei eine erweiterte Wirkkraft des Werkes vorstellbar. Eine Platzierung müsse nicht auf Dauer sein, sondern könne zunächst temporär erfolgen, bis ein noch besserer Standort gefunden sei. Dies halte nicht nur er für ein faires Angebot.

Antragsteller StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) dankt für die Gelegenheit zum pointierten Streit über Kunst und Kultur im öffentlichen Raum. Die Haltung von Herrn Lenk, wonach der Künstler am Ende entscheide, sei nachvollziehbar. Letztendlich gehe es nicht nur um eine Skulptur, sondern um eine Auseinandersetzung mit einem Konflikt, der die Stadt jahrelang beschäftigt habe. Der Prozess der Probeaufstellung und die heutige Diskussion gehörten zu diesem Kunstbegriff dazu. Er bitte darum, dies als Freiheit des Künstlers zu verstehen. Er glaube, dass alle Konzepte im öffentlichen Raum wie "Stuttgart am Meer" wunderbar auf Diskurse in der Stadt reagieren und sich gegenseitig sogar befruchten könnten. Dadurch könne gemeinsam ein Mehrwert geschaffen werden. Durch eine Vermischung beider Aspekte gewinne nicht nur die Skulptur, sondern auch das Konzept einer parallelen Veranstaltung. Dies könne nicht an den Quadratmeterzahlen scheitern. Einen Anlass, die Skulptur im Juni 2021 abzubauen, sieht der Stadtrat nicht. Dadurch könne im Gegenteil Zeit gewonnen werden, um einen angemessenen Standort zu finden, der auch vom Künstler akzeptiert werde. Das Argument der Umgebungsbebauung sei nachvollziehbar; Kunst könne nicht einfach "überall irgendwo" hingestellt werden. Der Stockholmer Platz sei kein gutes Angebot. In der Gesamtbewertung sei es dem Prozess und der Kunst nicht angemessen, wenn von einem Künstler verlangt werde, über das "Stöckchen des Oberbürgermeisters" zu springen.

Zustimmung zur Arbeit des StadtPalais äußert StR Winter (90/GRÜNE), der erklärt, durch zahlreiche temporäre Ausstellungen sei es gelungen, viele Menschen jeglichen Alters in Stuttgart anzusprechen und ernsthafte Auseinandersetzungen zu Geschichte und Gegenwart anzustoßen. Politisch zu fordern, den Standort für die Skulptur dauerhaft zu erhalten, greife ebenfalls in die künstlerische Freiheit und die Gestaltungsmöglichkeiten einer Intendanz ein. Im Beirat des StadtPalais sowie im Gemeinderat sei über die temporäre Platzierung gesprochen worden. Es sei spannend zu beobachten, wie im Umfeld der Skulptur viele Erinnerungen wach würden und über die Thematik diskutiert werde. Von "Stuttgart am Meer" als "Grillparty" zu sprechen, halte er für diffamierend. Die Fläche vor dem StadtPalais sei sehr wichtig und werde für viele andere Veranstaltungen benötigt. Seine Fraktion sei eindeutig der Meinung, dass diese Ausstellungen weiterhin ihren Fortgang haben müssten. Die Diskussion um einen neuen Standort sei wichtig und der Vorschlag eines weiteren temporären Standortes gut. Wenn ein neuer Platz gestaltet werde, werde selbstverständlich auch über Kunst nachgedacht. Er befürworte es, wenn die Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum oder in der Frage des Bauens grundsätzlich verbindlicher geführt würde. Er bitte um Verständnis, wenn eine Wechselausstellung zum Ende komme; dies habe nichts mit Einschränkung künstlerischer Freiheit oder Humorlosigkeit zu tun. Seine Fraktion stehe zu den Plänen des StadtPalais.

StR Kotz (CDU) befürwortet ebenfalls die heutige Diskussion, da in den vergangenen Wochen ein merkwürdiger Prozess abgelaufen sei. OB Dr. Nopper und EBM Dr. Mayer hätten sich persönlich stark im Dialog mit Herrn Lenk eingesetzt. Die nachfolgende Presseberichterstattung habe Entrüstung bei ihm ausgelöst, da dies nicht die übliche Art der Zusammenarbeit sei, "was in welcher Art entsprechend an die Presse geht". Der Stadtrat ist immer noch sehr stolz darauf, dass der Gemeinderat es erreicht habe, das Gebäude des StadtPalais baulich auf den heutigen Stand zu bringen und eine personelle Leitung zu beschließen. Herr Dr. Giese leiste hervorragende Arbeit, die seine Anerkennung finde. Angesichts der Lebensart von Herrn Lenk müsse sich dieser in einem Gemeinderat sicherlich unwohl fühlen, denn dessen Wesen sei es, Kompromisse zu schließen. Nur durch Kompromisse funktioniere demokratisches Zusammenleben. An menschlichem Leben fehle etwas, wenn man nicht kompromissbereit sei. Aussagen wie "Politiker lügen" relativierten sich nicht dadurch, wenn man dies mit der Allgemeinheit in den Raum werfe zu sagen, Künstler lögen auch. Dies sei nicht die Art, wie im Gemeinderat miteinander umgegangen werde. Der Gemeinderat folge den Gesetzen, die sich der deutsche Staat, das Land Baden-Württemberg oder die Stadt Stuttgart gegeben hätten. Es habe von Anfang an ein Missverständnis gegeben, denn Herr Lenk spreche von einer Probeaufstellung, wo hingegen im Gemeinderat ganz klar eine temporäre Aufstellung kommuniziert worden sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt darum gegangen zu sagen, "wir stellen es da mal hin und kucken mal, wie es ankommt, und wenn es ankommt, dann bleibt es da". Im Übrigen halte er die Kunst Peter Lenks für sehr attraktiv. Die Selbstironie in Stuttgart und im Rathaus sei spätestens seit Manfred Rommel in Qualität vorhanden, und die nehme er auch für den heutigen Gemeinderat in Anspruch. Der Stadtrat begrüßt es, wenn der Künstler das Angebot der Stadt annimmt, die Skulptur prominent auf dem Stockholmer Platz mit klarem Bezug zu den Entwicklungsflächen von S21 aufzustellen. Andererseits handle es sich um das Kunstwerk von Peter Lenk. Und wenn dieser zu dem Schluss komme, der neue Standort sei nicht angemessen, müsse die Skulptur zurück an den Bodensee.

Zu Beginn seiner Ausführungen richtet StR Perc (SPD) einen Dank an Herrn Lenk. Es sei seltsam, dass ein Projekt, das die Stadt jahrzehntelang beschäftigt und Konflikte befördert habe, des Impulses von außen bedurfte, um sich künstlerisch damit auseinanderzusetzen. Es sei bitter notwendig, das folgenreiche Projekt S21 auf- und künstlerisch zu verarbeiten. Beides leiste diese Skulptur, die Teil der Aufarbeitung und der Auseinandersetzung mit diesem Bahnhof sei. Der Stadtrat bestätigt, dass der Gemeinderat einer temporären Bespielung des Platzes vor dem StadtPalais zugestimmt habe. Es sei nie die Rede von einer Probeaufstellung gewesen. Er halte es für sehr wichtig, temporäre Aufstellungen zuzulassen, denn sie hätten den Mut zu experimentieren und sich auf Neues einzulassen. Er wolle sich nicht ausmalen, was es für die Entscheidungsfreude der Verwaltung und des Gemeinderates bedeute, wenn eine temporäre Aufstellung stets zu einer dauerhaften Lösung führe. Der Vorschlag der Verwaltung finde die Zustimmung seiner Fraktion, da er eine Nähe zur behandelten Thematik habe. Eine Auseinandersetzung mit dem Objekt stärke dessen künstlerische Aussage. Sollte es weitere Alternativen geben, könne eine weitere Prüfung befürwortet werden. Am StadtPalais müsse jedoch die Flexibilität für andere Aktionen erhalten bleiben. Der Stockholmer Platz werde zukünftig eine deutlich höhere Passantenfrequenz aufweisen, und er begrüße es, wenn dies kombiniert werden könne.

Vor nicht allzu langer Zeit sei die Stadtgesellschaft in Befürworter und Gegner von S21 gespalten gewesen, so StR Dr. Oechsner (FDP), beginne nun aber damit, ihren Frieden mit sich und dem neuen Bahnhofsgelände zu machen. Die Skulptur von Peter Lenk habe dazu einen Beitrag geleistet. Er persönlich halte sie für ein gelungenes Werk, das zum Nachdenken anrege. Aus diesem Grunde würde der Stadtrat es sehr bedauern, wenn die Skulptur Stuttgart verließe. Andererseits habe der Künstler signalisiert, heute könne nur darüber entschieden werden, ob das Kunstwerk am StadtPalais bleibe oder wegkomme. Diese Aussage könne er nicht nachvollziehen. Der Vorschlag der Verwaltung, die Skulptur nochmals temporär am Stockholmer Platz aufzustellen, sei hervorragend, "denn vielleicht wirkt es dort ja doch". Im Nachgang könne dann ein noch geeigneterer Standort gefunden werden. Im Übrigen wirke Kunst verstärkt, wenn sie an verschiedenen Standorten zu sehen sei. Wenn für Herrn Lenk nur die Alternativen "StadtPalais oder nicht Stuttgart" infrage kämen, müsse er leider sagen "dann nicht Stuttgart".

Für Herrn Lenk kommt als weiterer Standort eine Aufstellung im Bahnhof infrage. Dies sei für ihn die einzige Alternative. Dazu erklärt OB Dr. Nopper, dies sei aktuell nicht möglich, da dort Bauarbeiten stattfänden. Insofern sei der Stockholmer Platz als temporärer Standort bis zu einer endgültigen Lösung ein vernünftiger Kompromissvorschlag.

In Ergänzung zu ihren Vorrednern StR Winter, StR Kotz und StR Dr. Oechsner weist StRin von Stein (FW) darauf hin, dass immer klar gewesen sei, dass es sich um eine temporäre Aufstellung handle, auf die sich der Künstler eingelassen habe. Nun sich davon zu verabschieden, erinnere sie an ein trotziges Verhalten, womit sie schlecht umgehen könne. Den Vorschlag der Verwaltung halte sie für gut, da sich der Standort näher am Bahnhof befinde. Die Stadträtin bezweifelt, dass bei der Erschaffung der Skulptur der zukünftige Standort eine Rolle gespielt habe. Das StadtPalais müsse weiterhin temporären Nutzungen zur Verfügung stehen. Man vergebe sich die Möglichkeit, temporär auf bestimmte Entwicklungen reagieren zu können, wenn nun Skulpturen dauerhaft aufgestellt würden.

StR Ebel (AfD) hält es für lohnenswert, die Original-Laokoon-Gruppe zu betrachten und einen Vergleich mit dem Kunstwerk zu ziehen. Nachdem er sich als Lügner habe charakterisieren lassen müssen, gehe er davon aus, dass der Künstler wenig beleidigt sei, wenn er die Werke Lenks zum Großteil als vulgär und karikaturhaft empfinde.

Zustimmung zum Kunstwerk äußert StRin Schumann (PULS), die die Skulptur nicht als vulgär betrachtet. Ebenso könne sie sich der Meinung anschließen, wonach die Aktion "Stuttgart am Meer" für die Stadt sehr wichtig und keinesfalls eine "schlappe Grillparty" sei. Das Dilemma dieser beiden wichtigen Aktionen sei ihrer Fraktion bewusst, dennoch wolle sie mit dem Antrag dafür werben, den temporären Kompromiss einzugehen, bis ein zufriedenstellender Standort gefunden sei. Aufgrund der verwendeten Stilmittel sei es nachvollziehbar, wenn der Künstler den Stockholmer Platz ablehne. Sie regt an zu prüfen, ob ein Standort zwischen Bahnhof und Landtag möglich wäre. Zudem müsse in Betracht gezogen werden, das Werk nach Abschluss der Bauarbeiten am Bahnhof zu platzieren. Diese Alternativen müssten untersucht werden, um eine Entscheidung zwischen "entweder oder" zu vermeiden.

Auf Bitte von OB Dr. Nopper erläutert EBM Dr. Mayer die Gründe, warum die Skulptur nicht am StadtPalais stehenbleiben kann. Die Aktion "Stuttgart am Meer" sei als Veranstaltung nicht "irgendeine Idee", die etwa im nächsten Jahr umgesetzt werde. Die Aufbauten dafür fänden in den kommenden Wochen statt, wobei die Materialien zum großen Teil bereits produziert seien. Dieses Programm könne nicht umgesetzt werden, wenn die Skulptur vor dem StadtPalais stehenbleibe. Wenn Änderungen vorgenommen werden müssten, bliebe nur noch eine Rumpfversion von "Stuttgart am Meer" übrig. Dies sei der Grund, warum man unter Handlungsdruck stehe. Hinzu kämen die Bauarbeiten für die vom Gemeinderat beschlossene Freitreppe. Die Entscheidung sei nicht leichtgefallen, zumal in Stuttgart ohnehin Flächenknappheit - auch für kulturelle Veranstaltungen - herrsche. Er erinnert an das von StR Winter angesprochene Deserteur-Denkmal, das vom Pragsattel in die Innenstadt umgezogen sei. Dieser Prozess habe mehrere Jahre in Anspruch genommen, da es trotz sorgfältigster Prüfung nicht gelungen sei, schnell gute Alternativen zu finden. Selbstverständlich gebe es noch Optionen für die S21-Skulptur, die möglicherweise noch offen seien, wie etwa Flächen des Landes oder der Bahnhof, der auch nicht der Stadt Stuttgart gehöre. Aus diesen Gründen schlage die Verwaltung vor, den Stockholmer Platz als temporären Standort zu nutzen, um dann mit genügend Zeit die Standorte zu prüfen, über die keine direkte Verfügungsgewalt bestehe. Somit könne ein "vollständiger Scan" der Innenstadt erfolgen.

Herr Lenk merkt an, die Skulptur, an der er ohne Honorar fast drei Jahre lang gearbeitet habe, sei sehr empfindlich. Wenn sie nicht den Schutz einer Kultureinrichtung habe, werde sie schnell zum Klettergerüst und nehme Schaden. Die Kritik von StRin von Stein weist er vehement zurück. Wenn er trotzig sei, müsse die Skulptur stehenbleiben. Es gebe keine Rechtsgrundlage für eine Entfernung. Trotzdem werde er die Entscheidung des Rates akzeptieren.
Bezug nehmend auf die Erläuterungen von EBM Dr. Mayer erklärt StR Rockenbauch, es sei nach wie vor nicht nachvollziehbar, warum nicht beides räumlich möglich sei. "Stuttgart am Meer" könne abgeändert werden. Es sei nicht erläutert worden, warum nicht beides umgesetzt werden könne.

EBM Dr. Mayer möchte gegenüber StR Rockenbauch differenzieren zwischen "nicht verstehen und nicht verstehen wollen". Der Rest des Gemeinderates habe die Argumentation sehr gut nachvollziehen können. Das Festival sei geplant und vorbereitet, und die Arbeiten begännen in den kommenden Wochen mit großen Aufbauten, die nicht ein paar Tage vorher abgeändert werden könnten. Das StadtPalais sei der Meinung, dass dann von der Veranstaltung nicht mehr viel übrigbleibe.

Alle Argumente seien nun ausgetauscht worden, so StR Sauer (CDU). Der Informationsfluss habe stattgefunden, alle Positionen seien formuliert worden, und nun könne darüber abgestimmt werden.

Dieser Aussage kann sich StR Winter anschließen, der StR Rockenbauch darauf hinweist, dass dessen Fraktion ebenfalls im Beirat des StadtPalais vertreten sei. Diese Mitglieder könnten sicherlich bestätigen, dass die Vorbereitungen für die nun anstehende Veranstaltung getroffen seien.

Für die umfangreiche Diskussion zu und Beschäftigung mit dem Thema, dem Künstler, dem Kunstwerk und der Frage nach dem Gesamtkunstwerk dankt BVin Kienzle (Mitte). "Wer sich mit Lenk einlässt, der hat eine Menge Freude, aber auch eine Menge Ärger." Dies habe sich heute und in den vergangenen Wochen gezeigt, da verschiedene Sichtweisen aufeinanderstießen. Das Angebot, das der Künstler der Stadt gemacht habe, sei auf große Resonanz und öffentliches Interesse gestoßen. Trotz ähnlicher Uneinigkeit über den Standort im Bezirksbeirat Mitte sei dieser der Meinung, dass das Kunstwerk in Stuttgart bleiben müsse. Das Kunstwerk könne über den Humor ein Akt zur Befriedung sein. Die Bezirksvorsteherin hält den Stockholmer Platz grundsätzlich für ausgezeichnet für eine Skulptur, allerdings sei das Umfeld dergestalt, dass die Skulptur Lenks untergehen würde. Ein farbiges Monument sei besser geeignet. Herr Gegenfurtner habe mit seinen Ausführungen den Kern der Debatte getroffen. Man benötige eine gute Debatte über Kunst im öffentlichen Raum und die Frage nach der temporären Aufstellung. Sie halte es für wichtig, dass die Thematik - ähnlich wie bei "Kunst am Bau" - verantwortlich bearbeitet werde. Die heutige Frage drehe sich um "Kompromiss oder nicht Kompromiss". Es komme nun auf den Künstler an, ob dieser das Kunstwerk den Stuttgartern beließe. Abschließend dankt sie herzlich für die Anregung durch den Künstler und die daraus resultierenden Aufgaben, denen man sich gerne annehmen wolle.

StR Rockenbauch akzeptiert, dass eine gleichzeitige Umsetzung beider Aktionen nicht möglich ist. Er erklärt, der Künstler kämpfe leidenschaftlich um seine Kunst. Dies tue er zugespitzt und provokant wie seine Kunst, und dies gehöre zum "Gesamtpaket Lenk" dazu. Es sei wichtig, den Unterschied zwischen politischem Prozess und künstlerischem Akt festzuhalten. In der Demokratie gebe es Religions- und Kunstfreiheit, damit die Prozesse des üblichen Aushandelns und der Taktik durch Satire und Kunst befruchtet werden können. Kompromisse gehörten in der Demokratie und den politischen Prozessen dazu, aber dazu würden diejenigen benötigt, die den Spiegel vorhielten und herausforderten. Insofern sei es richtig, wenn der Künstler mitteile, was für ihn akzeptabel sei. Ihm im Umkehrschluss den Schwarzen Peter zuzuschieben, halte er für eine fiese Taktik. Diese Provokation sei dringend notwendig, was auch die Reaktion der AfD-Fraktion zeige. Demokraten müssten die Kunstfreiheit verteidigen und Provokationen aushalten. Eine liberale Stadtgesellschaft müsse einen Umgang finden und dürfe nicht beleidigt tun, wenn Emotionen im Spiel seien. Die "Alles-oder-nichts-Option" lehne er ab, denn der Stockholmer Platz mit seiner "Investorenarchitektur der Belanglosigkeit" sei in der Tat nicht geeignet für das Kunstwerk Lenks. Er ermahnt den Rat, diesen Prozess offen zu halten. Es gebe genug Räume für diese Kunst; das Land sei in dieser Hinsicht sicherlich gesprächsbereit.

Dass Demokratie Widerspruch und Satire benötige und aushalten müsse, bestätigt OB Dr. Nopper. Zum jetzigen Zeitpunkt sei jedoch eine praktische Lösung vonnöten. Nach einem intensiven Suchlauf könne derzeit kein anderer Standort als der Stockholmer Platz vorgeschlagen werden. Das Angebot an den Künstler laute, diesen als temporären Standort zu nutzen und in einem weiteren Suchlauf gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg Alternativen zu eruieren. Möglicherweise komme in einigen Jahren sogar ein Standort am oder im Bahnhof zustande.

EBM Dr. Mayer betont gegenüber StR Rockenbauch, es gehe nicht um "Kunst/Kultur gegen irgendwas", sondern um "Kultur oder Kultur", was der Kulturverwaltung natürlich am liebsten sei. Aus diesem Grunde sei die Verwaltung maximal aufgeschlossen, noch einen anderen Standort zu finden. Gegenüber Herrn Lenk äußert er das Versprechen, mit dem Land und der Bahn ins Gespräch zu kommen, um nach anderen Standorten zu suchen, die für den Künstler geeignet seien. Der Erste Bürgermeister erklärt, er sei von Anfang an angetan gewesen davon, die Skulptur in Stuttgart zu zeigen. Wohlwissend, dass das Vorhaben nicht einfach werde, sei dem Gemeinderat dieser Vorschlag gemacht worden. Nichtsdestotrotz sei man den Interessen des StadtPalais verpflichtet, das ebenfalls eine große Erfolgsgeschichte in Stuttgart sei. Er sei stolz darauf, dass mit "Stuttgart am Meer" junges, nicht klassisch-museales Publikum und die Gesellschaft in ihrer Breite angesprochen werde. Selbstverständlich solle beides ermöglicht werden. Insofern sei die Standortsuche von dem Geist geprägt gewesen, eine Alternative möglich zu machen.

Das, was StR Rockenbauch eingefordert habe, so StR Kotz, sei im Verwaltungsvorschlag enthalten, die Skulptur an den Stockholmer Platz zu versetzen. Eventuell ergebe sich in der weiteren Entwicklung nach Abschluss der Bauarbeiten am Bahnhof ein weiterer Standort. Er bestätigt, dass Kunst, Religion und Satire zur Demokratie dazugehörten. Klar sei allerdings auch, dass darüber entschieden werden müsse, wann wo welche Kunst gezeigt werde. Gegenüber Herrn Lenk merkt er an, der Grund und Boden, auf dem das Kunstwerk stehe, gehöre der Stadt Stuttgart, und selbstverständlich habe diese jegliches Recht, die Skulptur zu entfernen, wenn sie nach der vereinbarten temporären Aufstellung nicht mehr gewünscht werde. Es dürfe kein falscher Zungenschlag darüber entstehen, wer was zu entscheiden habe. Er unterstütze nach wie vor den Vorschlag der Verwaltung, nach dem Umzug an den Stockholmer Platz weitere Alternativen zu prüfen.

OB Dr. Nopper bestätigt die Ablehnung des Stockholmer Platzes vonseiten des Künstlers. Dieser schlägt als Kompromiss vor, die Skulptur auf sein Grundstück am Bodensee zu bringen. Die Stadt könne diese dort jederzeit abholen, wenn es einen Standort gebe, auf den man sich verständigt habe. Er betont, dies geschehe aus freien Stücken, da er die demokratische Entscheidung des Rates respektiere.

Nachdem EBM Dr. Mayer den Wunsch des Ausschusses wahrgenommen hat, die Skulptur in Stuttgart zu behalten, sagt er zu, dass sich die Verwaltung bemühen wird, einen geeigneten Standort zu finden. Dem kann Herr Lenk zustimmen.

OB Dr. Nopper hält abschließend fest, durch dieses Ergebnis habe sich eine Abstimmung erübrigt und schließt den Tagesordnungspunkt ab.
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