Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 1147/2021
Stuttgart,
11/12/2021



Haushalt 2022/2023

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 15.11.2021



Ausfallbürgschaften für Bauvorhaben von Sportvereinen

Beantwortung / Stellungnahme

Grundsätzliche Überlegungen
Die Sportförderung hat bei der Landeshauptstadt Stuttgart einen hohen Stellenwert. Gemeinnützige Vereine erhalten von der Stadt unter anderem Investitionszuschüsse nach den „Richtlinien zur Förderung von Sport und Bewegung“ (C 2.3.1). Darüber hinaus werden Bauvorhaben in aller Regel auch vom WLSB bezuschusst. Es wird jedoch regelmäßig auch erwartet, dass sich die Vereine mit einem Eigenanteil einbringen.
Die Finanzierung von Investitionen der Vereine beruht somit auf den Säulen

Sofern die Stadt zusätzlich zu einem Zuschuss – also über die Sportförderrichtlinien hinaus - noch eine Bürgschaft für den kreditfinanzierten Eigenanteil des Vereins und darüber hinaus auch noch die Zwischenfinanzierung oder eine Bürgschaft für einen noch nicht ausbezahlten Zuschuss des WLSB übernehmen würde, würde sich quasi das gesamte wirtschaftliche Risiko des Bauvorhabens auf die Stadt verlagern, während die Vereine und der WLSB entlastet würden.

Die Gewährung einer Bürgschaft ist mit einem hohen Prüf- und Verwaltungsaufwand verbunden (s. Darstellung im Folgenden). Da nicht absehbar ist, wie viele Bürgschaftsanträge künftig gestellt werden, kann derzeit noch nicht gesagt werden, ob eine verstärkte Bürgschaftsgewährung für Sportvereine mit der vorhandenen Personalausstattung möglich wäre.


Rechtliche Grundlagen für eine Bürgschaftsgewährung (Einzelfallprüfung)

1. § 88 Absatz 2 Gemeindeordnung Baden-Württemberg

· Bürgschaften dürfen nach § 88 Absatz 2 GemO von Gemeinden nur im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung übernommen werden; dies gilt sowohl für freiwillige Aufgaben als auch für Pflichtaufgaben. Bei der Beurteilung, ob die Übernahme einer Bürgschaft einer gemeindlichen Aufgabe dient, ist ein strenger Maßstab anzulegen; dabei sind im Wesentlichen folgende Fragestellungen zu prüfen:
· Bürgschaften dürfen nur für Investitionskredite gewährt werden und nur dann, wenn der Verein die ggf. geforderten Sicherheiten nicht erbringen kann. Voraussetzung ist also stets, dass eine andere Sicherstellung als die Bürgschaft nicht möglich ist. Die dingliche Absicherung auf vereinseigenem Grundvermögen kommt vorrangig in Betracht, aber auch eingeräumte Erbbaurechte können als dingliche Absicherung dienen. Sollten Kreditinstitute diese Absicherung bei einem Sportverein nicht akzeptieren, wäre dies von diesen schriftlich zu bestätigen und die Gründe darzulegen.

· Die Bürgschaftsübernahmen müssen mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Stadt im Einklang stehen. Sie dürfen nur in Form einer Ausfallbürgschaft gegeben werden. Dazu muss anhand von Jahresabschluss und Wirtschaftsplan des Vereins geprüft werden, ob dieser in der Lage ist, seine Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Die Stadt wird sich hier Informations- und Prüfungsrechte ausbedingen.

Grundsätzlich sollte das Bürgschaftsobligo der Stadt möglichst gering gehalten werden, da bei jeder Bürgschaft aufgrund der meist längeren Laufzeiten trotz sorgfältiger Prüfung die Möglichkeit einer künftigen Inanspruchnahme besteht. Da dies also in der Regel nicht vorhersehbar ist, können auf die Stadt in einem solchen Fall kurzfristig unabweisbare Ausgaben zukommen.

Sämtliche gewährten Sicherheiten sind als Haftungsverhältnisse unter der Bilanz aufzuführen, sie sind also nicht aufwandswirksam zu buchen. Muss jedoch mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft mit mehr als geringer Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, ist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis eine aufwandswirksame Rückstellung zu bilden.

· Je nach Höhe der Bürgschaft ist eine Beschlussfassung durch den Verwaltungsausschuss (>250.000 Euro bis 2 Mio. Euro) oder des Gemeinderats
(> 2 Mio. Euro) erforderlich. Des Weiteren bedürfen Bürgschaften der Einzelgenehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde, wenn sie sich nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung bewegen.

2. § 77 Absatz 2 Gemeindeordnung Baden-Württemberg

Generell ist auch der allgemeine Wirtschaftlichkeitsgrundsatz einzuhalten, d.h. eine Bürgschaft darf nur dann übernommen werden, wenn dadurch die Aufgabe wirkungsvoller und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.

3. EU-Beihilferecht

Eine Bürgschaftsgewährung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit dem Beihilferecht zu prüfen.

In der Regel dürfte es sich bei einer Bürgschaft für Bauvorhaben von Stuttgarter Vereinen schon vom Tatbestand her nicht um eine Beihilfe handeln, da das Merkmal „Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten“ aufgrund der lokal begrenzten Wirkung in aller Regel nicht zu bejahen ist. Eine abweichende Einschätzung könnte sich zum Beispiel ergeben, wenn eine Konkurrenzsituation zu privaten Anbietern gegeben ist (Wettbewerbsvorteil durch die Bürgschaftsgewährung?) oder wenn die Sportbauten (auch) für Veranstaltungen mit internationalem Publikum genutzt werden.

In jedem Fall muss auch diese Thematik immer in die Prüfung einbezogen werden.



Verzicht auf Gebühren für die Übernahme einer Bürgschaft

Für die Übernahme von Ausfallbürgschaften erhebt die Stadt grundsätzlich eine einmalige Gebühr in Höhe von 0,5% des verbürgten Betrages (§ 2 Abs. 1 Verwaltungsgebührensatzung iVm Anlage 1 Ziff. 3.1). Mit der Gebühr sollen zum einen der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Bürgschaftsgewährung, zum anderen zumindest teilweise das Risiko der Bürgschaftsübernahme abgedeckt werden.

Ein Gebührenverzicht unterliegt den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Verwaltungs-gebührensatzung. Danach kann die Stadt im Einzelfall von der Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist.

Nach Auffassung der Verwaltung kann bei der Gewährung von Bürgschaften an Sportvereine nicht allgemein vom Vorliegen dieser Voraussetzung ausgegangen werden. Insbesondere ist dabei auch eine mögliche Präzedenzwirkung zu beachten. Von einem grundsätzlichen Verzicht auf die Gebührenerhebung bei Bürgschaften für Sportvereine wird deshalb abgeraten.


Verspätet ausbezahlte Zuschüsse des WLSB
a) Eine systematische Gewährung von Bürgschaften für Kredite, die Sportvereine zur Zwischenfinanzierung von verspätet ausbezahlten Zuschüssen anderer Stellen aufnehmen, ist aus folgenden Gründen problematisch: b) Im Einzelfall könnte durch die Stadt auch eine Zwischenfinanzierung für Kredite und Zuschüsse, welche die Vereine aus anderen Bereichen (WLSB, Bund) erhalten, deren Auszahlung sich jedoch verzögert, ermöglicht werden. Voraussetzung wäre das Vorliegen einer formalen Förderzusage des Dritten. Außerdem bedürfte es einer entsprechenden Abtretungserklärung des Vereins zugunsten der Stadt. Das Gesamtprojekt würde im Rahmen des Haushaltsplanverfahrens (Projekte mit Baukostenzuschuss über 300.000 EUR) dargestellt. Hierbei würde neben dem eigentlichen Baukostenzuschuss auch der Zwischenfinanzierungsbedarf für das Projekt dargelegt, d.h. es müssten im Haushalt entsprechende Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt werden

Insgesamt muss nach Auffassung von Referat WFB die mit der verspäteten Zuschusszahlung des WLSB zusammenhängende Problematik direkt zwischen den Vereinen und dem WLSB gelöst werden und nicht über die Stadt.



Vorliegende Anträge/Anfragen

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464/2021 Bündnis 90/DIE GRÜNEN, 605/2021 CDU, 938/2021 Die FrAKTION




Thomas Fuhrmann
Bürgermeister




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