Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 10.04.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Dr. Mayer, BM Dr. Schairer
Berichterstattung:die Herren Hahn (CIS), Thomas, Dr. Stadler (beide AföO) und Kroll (in.Stuttgart)
Protokollführung: Herr Häbe de
Betreff: "Schaden durch B14-Demonstrationen beenden!"
- Antrag und Anfrage Nr. 4/2019 vom 07.01.2019 (CDU)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 13.03.2019, öffentlich, Nr. 117
Ergebnis: Zurückstellung

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

BM Dr. Schairer begrüßt zu diesem Tagesordnungspunkt vom Amt für öffentliche Ordnung die Herren Dr. Stadler und Thomas (Leiter IVLZ), von der City-Initiative Stuttgart e.V. (CIS) Herrn Hahn sowie den Geschäftsführer der in.Stuttgart/Ver-anstaltungsgesellschaft mbH und Co. KG, Herrn Kroll.

Anschließend erläutert StR Kotz (CDU) zum Antrag 4/2019, in der Öffentlichkeit werde darüber gesprochen, ob solche Demonstrationen auf den Hauptverkehrsachsen stattfinden müssten.

Von Herrn Dr. Stadler (AföO) wird vorgetragen, im Jahr 2018 habe es insgesamt acht relevante Versammlung auf der B 14 gegeben. Kleinere Veranstaltungen, die die B 14 lediglich geringfügig betroffen hätten, würden heute nicht thematisiert. Von diesen acht Veranstaltungen hätten sieben an Sonntagen und eine an einem Donnerstag stattgefunden. Bei den Anmeldern habe es sich fünf Mal um SÖS, zwei Mal um die Bürgerinitiative Neckartor und einmal um den Verein Aufbruch Stuttgart gehandelt. Teilgenommen hätten zwischen 10 und 450 Personen. Bei den vier im ersten Halbjahr 2018 erfolgten Veranstaltungen habe einmal eine halbseitige und dreimal eine Vollsperrung der B 14 vorgenommen werden müssen. Dies habe man zum Anlass genommen, auf die Anmelder zuzugehen mit dem Ziel, Vollsperrungen zu verhindern. Zu der damals angestandenen Versammlung habe ein Gerichtsverfahren über halbseitige oder eine Vollsperrung stattgefunden. Das Gericht sei der Verwaltung insoweit gefolgt, als es die halbseitige Sperrung ausgeurteilt habe. Zu den seither stattgefundenen vier Veranstaltungen hätten sich die Anmelder in Kooperationsgesprächen jeweils mit halbseitigen Sperrungen einvestanden, obwohl sie sich zunächst Vollsperrungen gewünscht hätten. Aktuell gebe es für den 14. April 2019 durch SÖS eine Versammlungsanmeldung für den Bereich zwischen Charlottenplatz und Österreichischem Platz. Auch hier sei in einem Kooperationsgespräch eine halbseitige Sperrung vereinbart worden. Für diese Versammlung seien 500 Teilnehmer angemeldet. Die Verwaltung rechne eher mit einer geringeren Anzahl.

Zu den Veranstaltungen 2018 macht er folgende weiteren Angaben:

- 11. Januar 2018 Bürgerinitiative Neckartor "Demonstration an der Feinstaub messstelle“
Die für den 14. April 2019 angemeldete Versammlung, so abschließend Herr Dr. Stadler, habe den Titel "Wir suchen das Gelbe vom Ei/für eine andere Mobilität".

Detailinformationen über die verkehrlichen Auswirkungen der genannten acht Versammlungen trägt in der Folge Herr Thomas analog der Präsentation vor. Es handle sich um Auswertungen der IVLZ. Nicht berücksichtigt seien Umfahrungsverkehre durch Wohngebiete. Hervorgehoben wird von ihm dabei folgendes:
Aus Sicht der IVLZ laute das Fazit der Auswertungen des Jahres 2018 bezogen auf die verkehrlichen Auswirkungen, dass Sperrungen unter der Woche in den Hauptverkehrszeiten zu den größten Auswirkungen führten. Die Sperrungen sonntags seien dann verkehrlich verträglich, wenn diese vormittags erfolgten. An Sonntagnachmittagen gebe es durch halbseitige Sperrungen erträglichere Situationen.

Herr Hahn (CIS) berichtet, in Stuttgart gebe es jährlich rund 1.400 Demonstrationen. Für die Gewerbetreibenden und die Kulturbetriebe die ihren Sitz an den Standardrouten dieser Veranstaltungen haben, würden sich natürlich Beeinträchtigungen ergeben. Die Versammlungsfreiheit werde von diesen, und natürlich auch nicht von der CIS in irgendeiner Form in Frage gestellt. Vor 2010 habe sich die Anzahl von Demonstrationen noch auf 400 - 600/Jahr belaufen.

Grundsätzlich sei für die Händler in der Innenstadt die Erreichbarkeit ein extrem wichtiges Thema. Aus den acht Veranstaltungen könnten nicht die Auswirkungen auf den Handel insgesamt abgeleitet werden, aber die Frage die sich hier nach Auffassung der CIS stelle, laute, ob sich die Mobilitätspolitik auf die innerstädtischen Frequenzen auswirke oder nicht. Bisher seien die Frequenzen in den Einkaufsstraßen stichprobenartig per Hand erfasst worden. Diese Methode sei aber nicht präzise und wenig verlässlich. Seit einiger Zeit finde in Echtzeit eine digitale Erfassung der Frequentierungen statt. Die Resultate würden seit Mai 2018 für jedermann kostenlos zugänglich im Internet bereitgestellt. Dies helfe der CIS sehr bei der Bewertung eigener Veranstaltungen. Eine Recherche habe ergeben, dass es entsprechendes Zahlenmaterial auch für den Zeitraum vor Mai 2018 gebe. Unternehmen würden diese Daten gegen Kostenersatz anbieten. Für belastbare Frequentierungsaussagen müsste ein mittlerer bis höherer vierstelliger Betrag aufgebracht werden. CIS könne diese Mittel nicht finanzieren und er gehe davon aus, dass nicht nur CIS ein Interesse an diesen Zahlen habe. CIS wolle das heute zur Beratung stehende Thema auf einer vernünftigen Faktenbasis weiter diskutieren. Daher sollte eine Möglichkeit gefunden werden, diese Zahlen zu erwerben.

Herr Kroll (in.Stuttgart) bezieht sich zunächst auf die Versammlung am 09.12.2018 sowie auf den damals laufenden Weihnachtsmarkt. Teilweise hätten Busse nachdem sie zwei, drei Stunden nicht vorangekommen seien, umgedreht. Busunternehmen hätten sich gemeldet und von empörten Fahrgästen sowie darüber gesprochen, dass sie Stuttgart nicht mehr anfahren würden.

Die Stauauswirkungen Richtung Bad Cannstatt am 14.10.2018 führt er auf den damaligen letzten Tag des Cannstatter Volksfestes zurück. Weiter geht er die Versammlung am 22.07.2018 ein. An diesem Tag seien die Fantastischen Vier im Rahmen der Jazz Open auf dem Schlossplatz aufgetreten. Zudem habe es im Daimler Stadion einen Auftritt von Helene Fischer gegeben. Damals habe sich nichts mehr bewegt.

Generell sei zu sagen, bei Veranstaltungen in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle, in der Porsche Arena etc. könnten Künstler aufgrund von Folgeveranstaltungen die Anfangszeiten ihrer Shows nicht endlos nach hinten schieben. Somit könnten verspätete Besucher die Shows entweder nur teilweise oder gar nicht mehr miterleben.

Zum rechtlichen Rahmen bezüglich der im Antrag gestellten Fragen weist Herr Dr. Stadler darauf hin, dass die Versammlungsfreiheit ein hochwertiges Gut des Grundgesetzes ist. Daher sei sie im Versammlungsgesetz auch so ausgestattet, dass eine Versammlung nur angemeldet werden müsse. Das AföO erteile also keine Genehmigungen, sondern angesichts des hohen Verfassungsrangs müsse der Veranstalter lediglich beim AföO Ort, Zeit und Art der Versammlung anmelden. Dann könne das Amt nur über Auflagen gegensteuern. Im Extremfall könne es sich dabei auch um die Zuweisung eines anderen Versammlungsortes handeln. Die Rechtsprechung sei hier relativ eindeutig. Nur wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliege, könne an Auflagen gedacht werden. Ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, allerdings stelle dies eine hohe Hürde dar. Teilweise würden diesbezüglich Gerichte Berechnungen vornehmen (Teilnehmeranzahl, Anzahl der betroffenen Verkehrsteilnehmer). Dafür, dass aus Verkehrsgründen eine Versammlung verlegt werden könne müsse sich eine sehr hohe Anzahl betroffener Verkehrsteilnehmer ergeben. Von den Gerichten würden in den Abwägungen die Interessen des Handels sowie die persönliche Bewegungsfreiheit nicht berücksichtigt.

Gemeinsam mit der Straßenverkehrsbehörde, der IVLZ und vor allem mit der Polizei würden Kooperationsgespräche mit dem Ziel geführt, möglichst reibungslose Versammlungsabläufe zu erreichen. Dabei sei es wichtig, die Anzahl der Versammlungsteilnehmer und die Anzahl der Betroffenen abzuwägen. Je geringer die Teilnehmerzahl, desto eher werde versucht, lediglich eine Fahrspur oder nur eine Fahrtrichtung (halbseitige Sperrung) für die Versammlung freizugeben. Unter der Woche (z. B. Montagsdemonstrationen vor dem Hauptbahnhof) wirkten sich Versammlungen verkehrlich erheblich aus. Sonntags seien die Auswirkungen geringer, wobei vormittags besser sei als nachmittags.

Bei dem erwähnten Gerichtsverfahren sei es für das Gericht bei seiner Entscheidung, lediglich eine halbseitige Sperrung zu genehmigen, sehr bedeutsam gewesen, dass es sich um den "Superveranstaltungstag" im Sommer 2018 gehandelt habe.

Als alternative Flächen zur B 14 würden in der Regel der Wilhelmsplatz, die Eugenstraße (Vorplatz vor dem Haus der Geschichte) oder die Theodor-Heuss-Straße angeboten. Solche Angebote würden allerdings in der Regel abgelehnt. Wenn es einen Bezug zwischen Versammlungsgegenstand zur Versammlungsörtlichkeit gebe, könne dagegen nur schwer rechtlich vorgegangen werden. Die Symbolik der B 14 als Kulturmeile, als Stadtautobahn und als Feinstaubmessstelle sei einfach gegeben.

Für die Vorträge bedanken sich StR Kotz, StR Körner (SPD) und StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS). Dabei macht StR Rockenbauch darauf aufmerksam, dass die von SÖS durchgeführte Demonstration am 01.01.2018 nicht aufgeführt wurde. StR Kotz bittet um Überlassung der Präsentation.

Die StRe Kotz und Winter 890/GRÜNE) bekräftigen, dass es sich beim Versammlungsrecht um eines der höchsten Güter des Grundgesetzes handelt.

Für StR Kotz lässt sich der starke Anstieg der Demonstrationen in Stuttgart nicht nachvollziehen. Er appelliert an die Veranstalter bei der Wahrnehmung ihres selbstverständlich verbrieften Demonstrationsrechts, zu hinterfragen, ob nicht von der B 14 als Veranstaltungsort abgesehen werden sollte. Auf ein im Zusammenhang mit der B 14 stehendes Ziel hinzuwirken könne auch durch die beiden alternativen Versammlungsorte, die unmittelbar an diese Straße angrenzten, erreicht werden. Wenn dies auf keine Akzeptanz stoße stelle sich schon die Frage, ob ein Ziel solcher Versammlungen sei, den Verkehr lahmzulegen.

Für StR Winter liegt es in der Natur der Sache, dass wenn sich Menschen versammeln um für etwas einzutreten, die Frage der Wahrnehmung wichtig ist. Wichtig sei bei der heutigen Beratung, die Inhalte von Demonstrationen nicht auszublenden. Das Interesse des Handels sei auf ein Mobilitätskonzept gerichtet, und Ziel einer klugen Mobilitätspolitik sei eine hohe Verlagerung auf den ÖPNV. Wenn eine Demonstration das Thema habe "Beruhigung der B 14" müsse diese Straße selbstverständlich als Versammlungsort genutzt werden.

Er, so StR Körner, verstehe den Antrag so, dass die CDU-Gemeinderatsfraktion an die Versammlungsveranstalter appellieren wolle, sich etwas zurückzunehmen. Er bezweifelt jedoch, ob dafür der Verwaltungsausschuss der richtige Ort ist. Besser wäre, mit den Verantwortlichen ein Gespräch zu führen.

Wert legt StR Rockenbauch darauf, dass SÖS durch das angesprochene Gerichtsurteil nicht nur die von der Verwaltung angebotenen zwei Fahrspuren, sondern die Hälfte der B 14 als Versammlungsort erhalten hat. Seines Erachtens kann rechtlich nicht davon ausgegangen werden, dass das Urteil für diesen besagten Sonntag für künftige Fälle als Handlungsanweisung dienen kann. An einem Sonntag mit weniger Veranstaltungen in der Stadt würde ein anderes Urteil gefällt werden. Weiter betont er, SÖS habe sich in den Kooperationsgesprächen bewegt, indem halbseitigen Sperrungen zugestimmt worden sei. Zudem habe SÖS den Versammlungsort durchaus verändert. Der größte Schaden für die Landeshauptstadt sei die CDU-Gemeinderatsfraktion im Gemeinderat. Mit dem heutigen Angriff auf das Versammlungsrecht schade diese Fraktion einer modernen, weltoffenen und bürgerfreundlichen Kommune. Bei Sonntagsdemonstrationen mit den Interessen des Handels zu argumentieren, zeige, welches Ziel verfolgt werde, nämlich eine schöne, ruhige Stadt in der die Bürgerschaft an Sonntagen zu Hause bleiben solle, und wenn dann doch demonstriert werde, durch die Menschen berücksichtigt werden sollte, wem sie damit schaden. Die CDU blockiere ein Mobilitätskonzept. Wenn es ein solches Konzept und eine wirkliche Mobilitätskultur zum Wohle der Innenstadt und des Handels geben würde, also wenn Menschen nicht mehr in Staus stehen müssten, würde sich SÖS sonntags nicht die Mühe machen, für saubere Luft, für einen ÖPNV-Ausbau und eine Reduzierung des Kfz-Verkehrs zu demonstrieren. Er vertrete die These, wenn der Mut bestünde die Konrad-Adenauer-Straße zu sperren (von der Oper bis zum Wilhelmsplatz), gäbe es weniger Verkehr, schließlich seien die Menschen intelligent und planten die zur Verfügung stehende Infrastruktur in ihr tägliches Verhalten ein.

Jegliche Art von Politik, zumindest Kommunalpolitik, so StR Dr. Oechsner (FDP), lebe von Kompromissen. Wenn dazu keine Bereitschaft bestehe, werde auch Verkehrspolitik schwierig. Wenn die B 14 schon untertunnelt wäre, bestünde schon längst die Möglichkeit an der Oberfläche zu flanieren. Die von StR Rockenbauch als gute Beispiele erwähnten Städte hätten sich vor 20 - 30 Jahren auf den Weg gemacht, um Infrastrukturen zu schaffen, die Möglichkeiten eröffneten, Innenstädte autofrei zu machen. Dagegen sei niemand. Unwahr sei die Unterstellung, dass alles für Autos gemacht werde. Konsequent und zu akzeptieren wäre es von SÖS zu sagen "Wir wollen keine Autos". Der Grund, die B 14 als Versammlungsort zu wählen seien nicht die verfolgten Ziele, sondern der damit ausgelöste Stau.

Von StR Rockenbauch wird entgegnet, wenn SÖS ihre Versammlungen auf Donnerstage, 17 Uhr, legen würde, hätte StR Dr. Oechsner recht, dass es um Staus gehe. In den letzten Etatberatungen habe seine Fraktionsgemeinschaft Anträge in Höhe von 58 Mio. € zusätzlich zu den ohnehin bereitgestellten Mitteln für den ÖPNV beantragt. Da es aber für solche Schritte keine Mehrheiten gebe, sei es "billig" wie StR Dr. Oechsner zunächst einen Ausbau der Park & Ride-Plätze an der Stuttgarter Peripherie zu fordern. Städte wie Madrid, Paris und Helsinki gingen beim Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur mutig vor.

Die B 14 und B 27 bezeichnet Herr Thomas als Hauptschlagadern des Kfz-Verkehrs in Stuttgart. Diese würden sich am Charlottenplatz treffen. An StR Kotz gewandt teilt er mit, der Verkehr an Sonntagen sei nicht 90 %, sondern lediglich 35 % geringer als an Werktagen.

Herr Hahn nimmt das Angebot, Gespräche zu führen, an. In den ersten Tagen seiner CIS-Tätigkeit seien ihm viele Ideen nahegebracht worden (z. B. alternative Nutzung von Parkhäusern in Zeiten, in denen diese nicht belegt sind/Fahrradstationen). Solche Dinge scheiterten häufig aufgrund fehlender politischer Unterstützung und genehmigungsrechtlicher Probleme.


Entsprechend eines von StR Körner gestellten Geschäftsordnungsantrages wird dieser Tagesordnungspunkt anschließend von EBM Dr. Mayer abgeschlossen; BM Dr. Schairer musste zur Wahrnehmung eines anderen Termins die Sitzung verlassen.

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