Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 1225/2013
Stuttgart,
11/05/2013



Haushalt 2014/2015

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 11.11.2013



Leitantrag: Mobilität in Stuttgart – sozial und ökologisch

Beantwortung / Stellungnahme

Vorbemerkung:

Die von der Fraktionsgemeinschaft SÖS und Linke im Leitantrag dargestellten Ausgangspunkte und empfohlenen Lösungsansätze sind im Wesentlichen im Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ enthalten und werden schrittweise in den einzelnen Handlungsfeldern des Aktionsplanes bearbeitet.

Zum Leitantrag Nr. 817/2013 der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE „Mobilität in Stuttgart – sozial und ökologisch“ nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung. Die Beantwortung sämtlicher Ziffern ist aufgrund fehlender Grundlagen derzeit allerdings nicht möglich.

Stadt der kurzen Wege

Zu Ziffer 1

Die Beantwortung der Ziffer 1 erfolgte mit der Mitteilungsvorlage GRDrs 826/2013.

Zu Ziffer 2 und 3

Die Verwaltung wird nach der Bekanntgabe der Neufassung der Landesbauordnung zu diesem Punkt Stellung nehmen.

Zu Ziffer 4

Für die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen gelten die bundesweit verbindlichen Vorschriften der StVO und die Verwaltungsvorschriften zur StVO. Ob die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind muss daher in jedem Einzelfall geprüft werden, ebenso wie die Frage, ob eine solche Regelung von den Betroffenen gewünscht ist.

Zur Realisierung möglicher und gewünschter verkehrsberuhigter Bereiche sind nicht nur Planungsmittel, sondern vor allem Mittel für die bauliche Umgestaltung der jeweiligen Straße erforderlich. Verkehrsberuhigte Bereiche setzen einen i.d.R. niveaugleichen Umbau der Straßen voraus.

Öffentlicher Personennahverkehr

Zu Ziffer 1

Inhaber einer Bonuscard können folgende MonatsTickets zu einem ermäßigten Preis erwerben: 9-Uhr-Ticket; SeniorenTicket; 14-Uhr-JuniorTicket. Der Zuschuss beträgt 15,50 Euro (für 9-Uhr-Ticket und SeniorenTicket) bzw. 9,50 Euro (14-Uhr-JuniorTicket).

Anstatt des 9-Uhr-Umwelttickets kommt für Bonuscard-Inhaber auch das Jedermann-Ticket in Betracht. Dieses wird unabhängig von der gewählten Zonen-Anzahl ebenfalls mit 15,50 EUR bezuschusst. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 141.558 Tickets mit der BonusCard erworben. Der städtische Zuschuss betrug rund 2,1 Mio. Euro, die Zahl der BonusCard-Inhaber lag bei 66.483.

Die Verwaltung unterstützt den Grundsatz, das Thema Sozialticket nicht als Tarifangebot der VVS zu sehen, sondern über öffentliche Transferleistungen zu finanzieren. Dieser Grundsatz findet bereits in den bestehenden Zuschussmöglichkeiten für Bonuscard-Inhaber beim Kauf für bestimmte Karten des Verkehrs- und Tarifverbundes Anwendung. Mit den im Rahmen der Stuttgarter Freiwilligkeitsleistungen bestehenden Bonuscard-Regelungen steht der Zielgruppe ein attraktives und praktikables Verfahren zur Verfügung.

Durch die Einführung eines Sozialtickets zum Preis des in der Regelbedarfsstufe 1 enthaltenen Fahrtkostenanteils und ohne Beschränkungen würde der Zuschuss für ein Ticket auf 78,02 Euro ansteigen. Bei einer durchschnittlichen Inanspruchnahme von VVS-Tickets durch 11.697 Bonuscard-Inhaber im Jahr müsste der Haushaltsansatz auf ca. 11 Mio. Euro erhöht werden. Bei einer höheren Bezuschussung der Monatstickets und dem Wegfall der Beschränkungen müsste zusätzlich mit einer wesentlich höheren Inanspruchnahme gerechnet werden.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Fahrtkostenanteile im Regelsatz aus der Einkommens- und Verbraucherstichprobe resultieren, also einen durchschnittlichen tatsächlichen Aufwand für die Mobilität darstellen. Durch diese Ausgestaltung des Regelbedarfs erhält der Leistungsberechtigte die Autonomie, selbst über den Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Finanzmittel zu entscheiden, d. h. er kann durch Umschichtung seiner Ausgaben auch seine Fahrtkosten bestreiten.

Das Thema war auch wiederholt Gegenstand der Beratungen im SSB-Aufsichtsrat. Man hat sich verständigt, eine Veranstaltung zu diesem Thema durchzuführen. Der VVS wurde mit der Organisation beauftragt. Die Veranstaltung soll im Frühjahr 2014 stattfinden.

Zu Ziffer 2

Schüler/innen, die in Stuttgart eine Schule besuchen, können am Abo-Verfahren „Scool“ teilnehmen und erhalten hierzu nach der Schülerbeförderungssatzung einen Zuschuss von der Stadt. Die Stadt finanziert das Scool-Abo jährlich mit rund 4,1 Mio. Euro. Hinzu kommen die Leistungen aus dem Stuttgarter Schülerbonus in Höhe von rd. 0,8 Mio. Euro.

Seit dem Beginn des Schuljahres 2013/14 gilt das Scool-Abo ohne zeitliche Einschränkung im gesamten VVS-Netz, die bisherige Sperrzeit bis 12 Uhr ist aufgehoben. Damit ist die Planung und Organisation von Ausflügen, Exkursionen und sonstigen schulisch bedingten Unternehmungen künftig erheblich einfacher, denn alle Scool-Abonnenten brauchen keine zusätzlichen Tickets mehr, egal um welche Uhrzeit und wohin die Fahrt im VVS führt.

Bereits im Herbst 2008 konnten vom Gemeinderat beschlossene Leistungen zur besseren Teilhabe von Kindern finanzschwacher Familien dazu beitragen, dass die Fahrten dieser Kinder künftig nicht mehr an der Finanzierung scheitern. Seit Anfang 2009 gibt es für die Schulen ein Sonderbudget, dessen Höhe sich an der Zahl der Kinder mit Bonuscard bemisst. Es soll u. a. dazu dienen, die Finanzierung solcher Fahrten für Schüler/innen zu erleichtern, die kein „Scool-Abo“ haben. Eine Möglichkeit bestünde darin, dass über die Schulen 4er-Tickets für diejenigen Schüler/innen, die über kein Scool-Abo verfügen, ausgegeben werden. Diese Tickets würden von der SSB auf Kommissionsbasis zur Verfügung gestellt und zur Verwaltungsvereinfachung mit der Schulverwaltung gebündelt einmal im Jahr abgerechnet.

Seit 2011 werden zudem anspruchsberechtigten Schüler/innen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) die Kosten für das Scool-Abo teilweise ersetzt. Darüber hinaus werden auch die Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten im Rahmen des BuT übernommen.

Eine vollständig freie Fahrt für alle Schüler/innen würde die Stadt, nur im Bereich des Scool-Abo, derzeit zusätzlich rd. 13,7 Mio. Euro kosten. Die Fahrten von Schüler/innen, die kein Scool-Abo haben, sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Von Seiten der Verwaltung wird daher keine Veränderung vorgeschlagen.

Zu Ziffer 3

Das Personenbeförderungsgesetz, auf dessen Grundlage unter anderem die SSB ihre Nahverkehrsleistungen erbringt, fordert eine einheitliche Anwendung des Tarifes. Es kennt kein Wohnortprinzip. Insoweit ist eine tarifliche Bevorteilung von Stuttgarter Bürger/innen bei der Nutzung des ÖPNV gegenüber anderen ÖPNV-Kunden nicht möglich. Dies würde zudem auch dem Verbundgedanken innerhalb des VVS widersprechen. Fahrgäste aus der Region, die nach Stuttgart oder durch die Zonen 10 und 20 fahren, müssten dann weiterhin auch für das Stadtgebiet Stuttgart bezahlen. In den Randbereichen des Stadtgebietes sind dann Mitnahmeeffekte zu erwarten, indem mit dem Auto bis zur ersten Haltestelle innerhalb Stuttgarts gefahren und dort dann auf den kostenlosen ÖPNV umgestiegen wird.

Im VVS wurden im Jahr 2012 Fahrgelderlöse in Höhe von 420,8 Mio. Euro erzielt, mehr als die Hälfte davon entfällt auf Verkehre in der Stadt Stuttgart. Demzufolge würde ein kostenloser Nahverkehr innerhalb Stuttgarts Mindererlöse in Höhe von mehr als 200 Mio. Euro pro Jahr bedeuten.

Hinsichtlich der im Antrag genannten alternativen Finanzierungsformen (Nahverkehrsabgabe, Citymaut und Modelle zur Mitfinanzierung der Wirtschaft) fehlt es derzeit noch an einer Rechtsgrundlage für die Landeshauptstadt Stuttgart, so dass auf die Erhebung von Fahrgelderlösen nicht verzichtet werden kann.

Zu Ziffer 4

Die SSB führt bereits seit dem Jahr 2001 ein Zuzugs-Marketing durch. Zuziehende nach Stuttgart erhalten seither in allen Bürgerbüros der Landeshauptstadt ein Willkommens-Paket mit Informationen zum ÖPNV und können weitere Informationen per Postkarte nachbestellen bzw. im Internet herunterladen. Ursprünglich konnten die Neubürger mit einer im Willkommens-Paket enthaltenen Anforderungskarte ein kostenloses, netzweit gültiges Monats-Testticket bestellen.

Seit September 2011 wird stattdessen ein Schnupper-Abonnement angeboten. Die Kunden können damit das Abonnement für drei Monate testen und zum Ablauf des dritten Monats das Abonnement ohne die sonst übliche Nachzahlung beenden.

Die Neubürger erhalten auf diesem Wege sofort einen „richtigen“ Verbundpass, der über das Schnupper-Abo hinaus komfortabel als dauerhaftes Abo genutzt werden kann. Neben dem Jedermann- können auch das 9-Uhr-Umwelt- und das SeniorenTicket als Schnupper-Abo bezogen werden. Damit entfällt der bisherige Bruch nach Ablauf des Neubürgerangebots, der Übergang ins reguläre Tarifangebot ist nunmehr nahtlos möglich.

Das Neubürger-Paket wird derzeit durch alle Stuttgarter Bürgerbüros sowie in den Bürgerbüros der Städte Ostfildern, Remseck, Gerlingen, Korntal-Münchingen, Fellbach und Filderstadt ausgegeben. Der VVS plant darüber hinaus, das Zuzugs-Marketing im kommenden Jahr auf die größeren Städte in den Verbundlandkreisen auszudehnen.

Zu Ziffer 5

Im GVFG-Programm sind die Ausbauvorhaben U12, U6 und S2 enthalten.

Zu Ziffer 6

Die IVLZ hat das Ziel, einen reibungslosen Ablauf des Gesamtverkehrs zu erreichen. Hierzu gehört in hohem Maße die Beobachtung und Einflussnahme auf den Betriebsablauf von Bussen und Stadtbahnen. Aus diesem Grund unterstützt die IVLZ seit ihrer Inbetriebnahme 2006 erfolgreich die Busbevorrechtigung an Ampelanlagen. Bereits an vielen Stellen im Stadtgebiet konnte das gesetzte Ziel einer Erhöhung der Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit des Bus- und Stadtbahnverkehrs erreicht werden. Die IVLZ unterstützt diese Maßnahme zusätzlich durch gezielte Ampelschaltungen an den Stellen, wo die normale Busbevorrechtigung aufgrund von zu langen Staus nicht umfassend wirken kann. Bei besonderen Ereignissen wie Unfällen, Baustellen, Veranstaltungen oder Demonstrationen, bei denen durch Straßensperrungen ein Schienenersatzverkehr oder eine Umleitung von Buslinien erforderlich ist, unterstützt die IVLZ die Busse auf den Umleitungsrouten und gewährleistet einen reibungslosen Ablauf mit möglichst wenig Verlustzeiten.

Barrierefreie Bushaltestellen mit Buskaps wurden im Programm 2012/13 in der Reins­burgstraße und Am Kräherwald (Nikolauspflege) gebaut.

Wenn es die Situation zulässt, werden im Zuge des barrierefreien Ausbaus vermehrt Buskaps gebaut, durch die die Bushaltestelle bis an den Fahrbahnrand geführt wird. Die wesentlichen Vorteile sind:

- sie ermöglichen den Linienbussen ein gerades und präzises Anfahren an den Bord,

- lassen den Linienbus geradlinig in dem von ihm benutzten Fahrstreifen weiterfahren,

- setzen den Linienbus an die Spitze des Fahrzeugpulks,

- erleichtern das Freihalten des Haltestellenbereichs von parkenden Fahrzeugen,

- eignen sich besonders bei hohem Parkdruck, da keine Ein- und Ausfahrstrecken freizuhalten sind,

- erfordern eine geringe Länge,

- vergrößern im Vergleich zur Busbucht die Wartefläche für die Fahrgäste und schaffen Platz für das Aufstellen von Wetterschutzeinrichtungen, Fahrkartenautomaten usw.,

- erhöhen die Sicherheit der Fahrgäste,

- haben wegen der Parallelität der Fahrbahnränder und des Verzichts auf Fahrbahnerweiterungen stadtgestalterische Vorteile,

- bieten Vorteile beim Winterdienst.

Entschleunigte Stadt

Zu Ziffer 1 und 2

Aus Umweltgesichtspunkten sind Geschwindigkeitsreduzierungen zu begrüßen, wenn sie gleichzeitig zu einer Verkehrsverflüssigung führen. Der Verkehrslärm wird reduziert. Bei der Luftschadstoffbelastung ist die Verflüssigung entscheidend, denn nach einem Gutachten im Auftrag von Stadt und Regierungspräsidium könnte eine Temporeduzierung auf ebenen Straßen in ungünstigen Fällen auch zu einer Schadstofferhöhung führen. Auf Steigungsstrecken wurde eine Reduzierung der Belastung errechnet. Die Hohenheimer Straße (Tempo 40 mit Verflüssigung) ist hier ein positives Beispiel für den deutlichen Rückgang der Stickstoffdioxidbelastung.

50 km/h ist nach wie vor die Regelgeschwindigkeit in Städten. Ohne Änderung der StVO ist die Verwaltung daran gebunden und braucht für Abweichungen nachvollziehbare und rechtssichere Begründungen. In Stuttgart sind 2/3 des Straßennetzes Tempo-30-Zonen. Für LKW gilt im Stadtgebiet Stuttgart auf Außerortsstrecken maximal Tempo 60, für PKW maximal 80 km/h.

Die weiteren Planungen zum Thema Temporeduzierung sind in der GRDrs 673/2013 dargelegt.

Zu Ziffer 3

Wie die Diskussion der Bewohnerparkregelungen in den inneren Stadtbezirken zeigt, ist bei einem Parkraummanagement die örtliche Situation unbedingt zu beachten. Insbesondere sind erhebliche Parkraumdefizite mit hohem Fremdparkeranteil Voraussetzung sowohl für solche Regelungen, wie auch für die Akzeptanz durch die Bürgerschaft.

Die Verwaltung geht davon aus, dass in den inneren Stadtbezirken diese Gegebenheiten am ehesten zutreffen, hat entsprechende Untersuchungen veranlasst und einen Zeitplan gemäß GRDrs 317/2013 erstellt.

Zu Ziffer 4

Am 23.07.2013 hat der Ausschuss für Umwelt und Technik die Zielplanung für die Schillerstraße (GRDrs 611/2013) zur Kenntnis genommen. Die Planungen für den öffentlichen Raum im Bahnhofsumfeld und insbesondere der Schillerstraße sind weiter zu führen und zu konkretisieren. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die Planungen der Bahn und die Zielplanung der Stadt aufeinander abgestimmt werden sollen.

Zu Ziffer 5

Die Verwaltung wird die Frage von autofreien Sonntagen prüfen und zu gegebener Zeit zu diesem Thema erneut berichten.

Intelligente Logistik

Zu Ziffer 1, 2 und 3

Im Handlungsfeld Wirtschaftsverkehr des Aktionsplans „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ wird dieses Thema aufgegriffen. Dabei ist festzuhalten, dass die Stadt bei diesen Themen vorrangig unterstützend tätig werden kann. Sofern ein „Binnenstadtservice" durch Lieferdienste oder ähnliche Dienstleistungen angeboten werden sollen, wären die Konzepte dazu von den Betreibern / Anbietern zu erarbeiten.

Der Stadtverwaltung fehlt es bezüglich des Themenkreises an nötigem Hintergrundwissen, z.B. bezüglich der Kundenanforderungen. Daher kann die Verwaltung derzeit nicht beurteilen, ob und wo dezentrale Güterverkehrszentren sinnvoll sind und welche Anforderungen diese erfüllen müssten. Wenn Anbieter von Logistikdienstleistungen mit dem Wunsch nach Flächen für Güterverkehrszentren auf die Stadtverwaltung zukommen, werden sie dabei unterstützt.



Vorliegende Anträge/Anfragen

817/2013, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft




Fritz Kuhn



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