Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 5815-02
GRDrs 281/2010
Ergänzung
Stuttgart,
09/15/2010



Haushaltssicherungskonzept 2009
- Einführung einer Waffenbesitzsteuer
- Massnahmen zur Abdeckung der Globalen Minderausgabe und entstehender Fehlbeträge bei der Umsetzung




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
22.09.2010
23.09.2010



Beschlußantrag:

1. Vom Bericht zur Waffenbesitzsteuer wird Kenntnis genommen. Die Einführung einer Waffenbesitzsteuer wird derzeit nicht weiterverfolgt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat ein Konzept vorzulegen, um die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition durch verstärkte Kontrollen weiter zu verbessern und die Höhe der Gebühren der unteren Waffenbehörde zum 1. Januar 2011 zu überprüfen.

3. Vom Bericht zur Abdeckung der globalen Minderausgabe 2010/11 und der entstehenden Fehlbeträge bei der Umsetzung des Haushaltssicherungskonzepts 2009 aus Mehreinnahmen bei der Vergnügungssteuer wird zustimmend Kenntnis genommen.


Begründung:


1. Waffenbesitzsteuer Die Verwaltung hat dem Gemeinderat mit GRDrs 281/2010 die Einführung einer Waffenbesitzsteuer zum 1. Januar 2011 vorgeschlagen. Nach einer vorsichtigen Schätzung wurde davon ausgegangen, dass das jährliche Aufkommen je nach Abgabensatz und der Zahl der Waffen, die von der Abgabe erfasst werden, netto etwa 1,2 bis 1,8 Mio. Euro betragen wird.

Bei der Beratung der GRDrs 281/2010 am 28. Juli 2010 im Gemeinderat wurde eine abschließende Behandlung auf den 23. September 2010 vertagt. Die Verwaltung wurde beauftragt, die rechtlichen Bedenken, die Herr Prof. Dr. Dietlein in einem Gutachten vom 23. Juli 2010 geäußert hat, im Kontakt mit dem Gutachter des Städtetages Baden-Württemberg, Herrn Dr. Volker Stehlin von der Kanzlei Graf von Westphalen, Freiburg i.Br., zu klären. Zudem wurde die Verwaltung beauftragt, die Zahl der Waffen, die einer Besteuerung unterliegen, nach Prüfung der für die Jagdausübung notwendigen Waffen sowie weiterer Regelungsinhalte (z.B. Ausnahmen für Sportschützen) zu aktualisieren.

Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt Dr. Stehlin vom 19. August 2010 (Anlage) zu den aufgeworfenen Rechtsfragen
In seiner Stellungnahme legt Herr Dr. Stehlin u.a. dar, dass die Ausführungen von Herrn Prof. Dr. Dietlein in seiner gutachterlichen Stellungnahme in rechtlicher Sicht zwar vertretbar seien, jedoch nach seiner Ansicht dort nicht durchgreifen, wo angezweifelt wird, ob die Voraussetzungen für die Erhebung einer kommunalen Aufwandssteuer vorliegen. Dies gilt im Wesentlichen für die Frage, ob das Innehaben einer Waffe für eine Besteuerung ausreicht oder – wie von Herrn Prof. Dr. Dietlein geäußert – nur ein Konsumaufwand, der seiner Auffassung nach nicht vorliegt, Grundlage für die Erhebung einer kommunalen Aufwandsteuer sein kann.

Unter Hinweis auf die Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuer, bei der auch das Eigentum, also schon das Innehaben einer Wohnung für eine Besteuerung ausreicht und im Hinblick darauf, das auch beim Waffenbesitz ein laufender Aufwand für die Reinigung, Pflege, Munitionierung, Instandsetzung und Verwahrung entsteht, vertritt Herr Dr. Stehlin weiterhin den Standpunkt, dass die Grundvoraussetzung für die Einführung einer Waffenbesitzsteuer gegeben ist.

Zur Frage der generellen Befreiung von Sportschützen
Eine generelle Befreiung von Sportschützen wird von Herrn Dr. Stehlin nicht empfohlen. Er weist darauf hin, dass die Befreiung einzelner Gruppen von Waffenbesitzern nicht willkürlich sein darf, sondern im Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz im Einzelfall sachlich begründet sein muss. Eine solche sachliche Begründung ist nicht erkennbar, weshalb die generelle Befreiung von Sportschützen die Rechtmäßigkeit der Satzung als Ganzes in Frage stellt.

Zur Frage der Örtlichkeit
Was den örtlichen Bezug betrifft, der bei einer kommunalen Aufwandssteuer gegeben sein muss, wird von Herrn Dr. Stehlin festgestellt, dass nicht der Hauptwohnort des Waffenbesitzers, sondern der Aufbewahrungsort der Waffe (Belegenheit) maßgebend für eine Besteuerung ist.

Zur Frage der Anzahl der Waffen, die zur Jagdausübung von der Waffenbesitzsteuer befreit werden müssen
Unabhängig von der rechtlichen Stellungnahme von Herrn Dr. Stehlin hat die Verwaltung mit dem Ministerium für ländlichen Raum als Höherer Jagdbehörde ein Gespräch geführt zu der Frage, wie viele Waffen von einem Jäger zur waidgerechten Jagdausübung benötigt werden. Das Ministerium hat darauf hingewiesen, dass im Jagdgesetz die Anzahl der für die Jagd erforderlichen Waffen nicht begrenzt ist, was im Blick auf regionale und andere Unterschiede ohnehin sehr schwierig wäre. Die Höhere Jagdbehörde hält – bei aller Vorsicht – aufgrund ihrer fachlichen Einschätzung die Vorhaltung von mindestens zehn (im Einzelfall auch mehr) Waffen für eine Jagdausübung für notwendig.

Zur Frage der Erbfälle
Insgesamt sind in der Landeshauptstadt Stuttgart gegenwärtig rd. 29.000 Waffen registriert, davon sind rd. 7.000 Waffen aus (Alt-)Erbfällen. Aus der Klärung von rund 250 repräsentativen Erbfällen kann abgeleitet werden, dass maximal 10 % der Waffen tatsächlich in den Waffenbesitz der Erben übergehen und somit zu einer Waffenbesitzsteuer herangezogen werden können. Die meisten Waffen sind entweder nicht mehr vorhanden oder werden aufgegeben.

Auswirkungen auf das Steueraufkommen aus einer Waffenbesitzsteuer
Die Verwaltung ist bei ihrer bisherigen Schätzung davon ausgegangen, dass rund die Hälfte der rd. 29.000 Waffen tatsächlich zu einer Waffenbesitzsteuer herangezogen werden können. Dies ist nach den aktuellen Erkenntnissen bezüglich der zu befreienden Jagdwaffen und der Erbfälle nicht mehr haltbar.

Bei angenommenen durchschnittlich acht Waffen je Jäger (insgesamt rd. 1.100 registrierte Jäger in Stuttgart) würden rd. 8.800 Waffen aus der Steuerpflicht fallen. Hinzu kommen die entfallenden Waffen aus Alterbfällen (90 % aus rd. 7.000 Waffen, entspricht 6.300 Waffen). Im Ergebnis bedeutet dies, dass lediglich 6.000 bis 7.000 Waffen realistisch für eine Waffenbesitzsteuer herangezogen werden können. Bei einem Steuersatz von 100 Euro je Waffe würden Einnahmen von 600.000 bis 700.000 Euro erzielt werden, bei einem Steuersatz von 150 Euro bis zu 1 Mio. Euro.

Dem deutlich reduzierten Steueraufkommen steht auf der anderen Seite ein höherer Verwaltungsaufwand gegenüber, der bislang mit 150.000 Euro ermittelt wurde. Bei der Ermittlung wurde davon ausgegangen, dass im Rahmen der Veranlagung auf das Waffenregister zurückgegriffen werden kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Zuge der Einführung eines automatisierten Waffenregisters durch Rechtsverordnung ein Zugriff auch für steuerliche Zwecke für zulässig erklärt wird; allerdings kann davon, wie die Prüfung ergeben hat, nicht verlässlich ausgegangen werden, sodass für die Veranlagung ein um rd. 50.000 Euro höherer Verwaltungsaufwand zu veranschlagen ist.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass bei einer Waffenbesitzsteuer nach Abzug der Verwaltungskosten je nach Steuersatz nur noch mit Einnahmen zwischen rd. 400.000 und 800.000 Euro zu rechnen ist.

Empfehlung
Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Erkenntnisse besteht die Gefahr, dass der mit der Erhebung der Steuer verbundene Verwaltungsaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Steuerertrag steht. Die Verwaltung empfiehlt deshalb, von der Einführung einer Waffenbesitzsteuer zumindest vorerst abzusehen und die dadurch entstehende Finanzierungslücke durch andere Maßnahmen (vgl. Ziffer 3) zu schließen.


2. Verbesserte Kontrollen und Gebührensituation

Neben der Einnahmenerzielung hat für die Verwaltung die bislang vorgeschlagene Waffenbesitzsteuer auch das Ziel, die öffentliche Sicherheit zu verbessern und Missbrauch von Waffen zu verhindern. Deshalb soll dem Gemeinderat bis Jahresende ein Konzept vorgelegt werden, wie insbesondere die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition verstärkt kontrolliert werden kann.

In diesem Zusammenhang soll die Höhe der einzelnen Gebühren der unteren Waffenbehörde zum 1. Januar 2011 überprüft werden, da ein Gebührenvergleich mit Karlsruhe, Mannheim und Freiburg ergeben hat, dass in der Landeshauptstadt tendenziell die niedrigsten Gebühren erhoben werden – beispielsweise:

Ausstellung einer Waffenbesitzkarte:Stuttgart: 61 Euro
Freiburg: 65 Euro
Ein- und Austrag je Waffe:Stuttgart: 14 Euro
Freiburg: 20 Euro
Erteilung kleiner Waffenschein:Stuttgart: 54 Euro
Freiburg: 75 Euro

Hinzu kommt, dass die untere Waffenbehörde auch unter Berücksichtigung der anteiligen Zuweisungen nach § 11 Abs. 1 FAG für die Wahrnehmung von Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde nur einen Kostendeckungsgrad von ca. 35 % hat.


3. Abdeckung der Globalen Minderausgaben 2010 / 2011 und entstehender Fehlbeträge bei der Umsetzung des HSK 2009

Gegenüber dem Stand der Einbringung der GRDrs 281/2010 (Stand 30. Juni 2010) haben sich die Finanzierungslücken im Zuge der Beratung im Gemeinderat, durch Änderungen beim Vollzug des HSK 2009 sowie durch den o.g. Vorschlag der Verwaltung zum Thema Waffenbesitzsteuer wie folgt geändert (Angaben in TEUR):

Stand bei Einbringung des HSK 2009

2010
2011
2012
HSK Vorgabe
-58.604
-70.543
-74.626
HSK Ist
-57.375
-69.756
-74.108
Saldo
-1.229
-787
-518
Globale Minderausgabe
-1.500
-6.000
-6.000
Summen/Konsolidierungsbedarf
-2.729
-6.787
-6.518
Vorschläge zur Abdeckung der Globalen Minderausgaben gem. GRDrs 281/2010
35
3.630
4.780
Einsparung von Zinsen beim
Haushaltsvollzug 2010/2011
2.500
2.500
----
Im HH-Vollzug noch zu erwirtschaften
-194
-657
-1.738
Aktueller Stand
Stellenbesetzungssperre
-1.100
----
----
Werkfeuerwehr-Vertrag mit EnBW
-250
-250
-250
Waffenbesitzsteuer (vgl. Ziffer 1)
-1.500
-1.500
Ablehnung Stellenstreichungen Stadtmessungsamt
-150
-150
Ablehnung Zusammenlegung Sportamt / Bäderbetriebe
___
-200
-350
Noch zu erwirtschaften
-1.544
-2.757
-3.988


Im HSK 2009 wurde davon ausgegangen, dass mit der 12-monatigen Stellenbesetzungssperre eine Haushaltsentlastung von 4,08 Mio. Euro verbunden ist. Im Zwischenbericht vom 30. Juni 2010 (GRDrs 281/2010) hat die Verwaltung dargelegt, dass noch nicht absehbar ist, ob in 2010 die angestrebte Entlastung tatsächlich erreicht werden kann. Aufgrund der Entwicklung (Fluktuation, Zahl der Ausnahmen) bis September 2010 ist festzustellen, dass bis Jahresende das Einsparziel 2010 um voraussichtlich 1,1 Mio. Euro unterschritten wird.

In der Vorbereitung des HSK 2009 ist die Branddirektion davon ausgegangen, dass aufgrund einer konkreten Nachfrage der EnBW mit der Übernahme der Werkfeuerwehr-Funktion für das Gaswerk Gaisburg zusätzliche Einnahmen von jährlich 250.000 Euro generiert werden können. Die Vereinbarung mit der EnBW liegt im Entwurf vor; allerdings hat die EnBW zwischenzeitlich entschieden, die Werkfeuerwehr-Funktion weiterhin in eigener Regie zu erfüllen.

Wie die Übersicht zeigt, verbleibt nach dem Verzicht auf die Einführung einer Waffenbesitzsteuer sowie unter Berücksichtigung der vom Gemeinderat abgelehnten Maßnahmen und aktueller Entwicklungen eine Konsolidierungslücke von 1,5 Mio. Euro in 2010, 2,75 Mio. Euro in 2011 und von 4,0 Mio. Euro im Jahr 2012, die aus Sicht der Verwaltung durch Mehreinnahmen im Bereich der Vergnügungssteuer ausgeglichen werden kann.

Im Zuge der Umstellung und der Erhöhung der Vergnügungssteuer zum 1. Januar 2010 wurden bei der Veranschlagung die in 2009 aufgestellten Gewinngeräte (rd. 1.750 Geräte) zu Grunde gelegt. In 2010 ist die Zahl der Gewinngeräte erheblich gestiegen – Mitte August 2010 waren es knapp 2.900 Geräte. Ursache für den starken Anstieg ist einerseits die steigende Zahl von Spielhallen und andererseits die verstärkte Überprüfung durch einen Außendienstmitarbeiter. Im Ergebnis wird der Haushaltsansatz von 5,34 Mio. Euro um voraussichtlich 3,5 Mio. Euro überschritten. Die Zusatzeinnahmen im Bereich der Vergnügungssteuern sind daher ausreichend, um die für die Jahre 2010 und 2011 noch zu erwirtschaftenden Finanzierungslücken zu schließen.

Der erhebliche Anstieg der Geräte (einschl. der Umstellung der Steuerberechnung auf die Nettokasse) ist mit einem deutlich höheren Arbeitsaufwand verbunden; die Verwaltung wird den Personalbedarf im Zusammenhang mit der im Herbst geplanten Aktualisierung des Stellenplans konkretisieren.


Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen



Stellungnahme von Herrn Dr. Stehlin vom 19. August 2010


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Anlage_zur_GRDrs_281_2010_Ergänzung.pdf