Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau und Umwelt
Gz: StU
GRDrs 385/2015
Stuttgart,
07/08/2015


Weiterentwicklung der stadtklimatischen Modellrechnungen und Maßnahmen für eine nachhaltige und klimagerechte Stadtentwicklung



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2016/2017


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und Technik
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
21.07.2015
29.07.2015

Bericht:

Weiterentwicklung der stadtklimatologischen Modelluntersuchungen

Durch den globalen Klimawandel und die notwendigen Bemühungen um die Reduzierung der Luftbelastung sind die Anforderungen an die Berücksichtigung des Stadtklimas in der Bauleitplanung gestiegen.
Auch durch den gesetzlich geforderten Innenentwicklungsvorrang wachsen, trotz aller Berechtigung im Sinne einer nachhaltigen und klimagerechten Stadtentwicklung, die Anforderungen an eine
klimaoptimierte Verdichtung von Stadtstrukturen. Eine hinsichtlich stadtklimatischer Belange hohe Qualität kann zusätzlich durch gestalterische Maßnahmen (Grün-/Freiraum, Oberflächen) erreicht werden. Die sachgerechte Einbringung dieser Belange erfordert die Quantifizierung insbesondere der thermischen Wirkung von Bebauung. So bedingt die stadtentwicklungspolitische und ökologisch begründete Forderung nach Innen- vor Außenentwicklung die Folgen des Klimawandels (z. B. überwärmte Innenstädte, Starkniederschläge) in den städtebaulichen Planungen stärker zu berücksichtigen.

Das Baugesetzbuch wurde im Jahr 2011 durch das „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden“ novelliert.
§ 1a (5) BauGB regelt nun, dass den Erfordernissen des Klimaschutzes sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden soll. Letztlich ist auch hier eine Quantifizierung der Anpassungsleistung gefordert, auch vor dem Hintergrund der zusätzlichen Kosten für Anpassungsmaßnahmen.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat 2012 das Klimawandelanpassungskonzept Stuttgart (KLIMAKS, GRDrs 299/2012) beschlossen. In dieser GRDrs wurde die Verwaltung beauftragt, die Maßnahmen zu konkretisieren und dem Gemeinderat für Einzelbeschlüsse vorzulegen. Zur Umsetzung der Maßnahmen P1.1 „Klimatische Optimierung von Planentwürfen“ und P3.2 „Qualifizierung Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart NBS - Klimaplanungspass“ sind künftig detailliertere Modellberechnungen zur Quantifizierung der Maßnahmenwirkung erforderlich (Maßnahmenbeschreibungen siehe Anlage 1). Die dortige Kostenschätzung geht noch von Sachmitteln in Höhe von rund 25.000 Euro pro Jahr aus, die aber nach aktuellem Kenntnisstand und den bisherigen Projekterfahrungen nicht anfallen werden. Ebenfalls beabsichtigt Amt 61 nicht, eine Stelle zu beantragen. Die benötigte Simulations-Software (ENVIMET) ist in einer entsprechenden Community kostenlos verfügbar.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist 2014 der EU-Initiative „Mayors Adapt“ beigetreten (GRDrs 601/2014). Dies setzt künftig höhere Maßstäbe an die Berücksichtigung des Klimas in der Planung. Nur so lassen sich in den gegenüber der EU erforderlichen zweijährigen Berichten weitere Erfolge dokumentieren. In dieser GRDrs wurden weitere Maßnahmenbeschlüsse angekündigt.

Weiterhin schreibt das Land Baden-Württemberg im Rahmen des EU – Vertrags-verletzungsverfahrens den Luftreinhalteplan Stuttgart erneut fort. Darin wird im Rahmen der Zuständigkeit der Stadt Stuttgart die Maßnahme „Konsequente Begrünung von Fassaden und Dächern“ definiert.

Fachliche Inhalte

Um den o. g. gesetzlichen und durch Gemeinderatsbeschlüsse formulierten Anforderungen gerecht zu werden, sind die bisherigen klimatischen Modellberechnungen weiterzuentwickeln. Im Rahmen von Förderprojekten (EU-Projekt UHI und KLIMOPASS-Förderprogramm des Landes BW) konnten erste Erfahrungen mit dem von der Wissenschaft entwickelten Instrumentarium (Stadtklimasimulationsmodell ENVIMET) gesammelt werden. Es steht seit kurzem als „Stand der Technik“ zur Verfügung und wir schlagen vor, dies in Stuttgart zukünftig anzuwenden (Beispiel siehe Anlage 2).
Im KLIMOPASS-Projekt wurde ein Bewertungsverfahren für Bau-/NBS-Flächen entwickelt und als vertiefende Untersuchung ENVIMET-Simulationen für ausgewählte Planfälle durchgeführt. Daraus lassen sich zwei wesentliche Punkte ableiten:

1. Mit ENVIMET können die thermischen Auswirkungen einer geplanten Bebauung quantifiziert und durch geeignete Maßnahmen minimiert werden. Dies ermöglicht eine systematische Bewertung von Bauflächen und erhöht die Akzeptanz der städtebaulichen Entwicklung.
2. Es ist ein transparenter, iterativer Prozess pro Planungsfall zwischen Planung und Umweltsimulation möglich, um die geforderte klimaoptimierte Verdichtung zu erreichen.

Mit dem Modell lassen sich die Auswirkungen von Bebauung auf das Lokalklima kleinräumig und im Detail quantifizieren und die Planungen klimatisch optimieren. Dies ist selbst für die LHS mit ihren langjährigen Erfahrungen in der Stadtklimatologie ein neuer, innovativer Ansatz. Bisher konnten vielfach nur qualitative Bewertungen erfolgen. Beispielsweise können alleine durch eine günstige Gebäudeausrichtung und die richtige Platzierung von Begrünungen und Baumpflanzungen Zonen mit gesundheitsunverträglichem Hitzestress vermieden werden. Dazu sind zukünftig durch die Modellberechnung quantitative Aussagen (z. B. inwieweit sich Temperaturen (Lufttemperatur bzw. die auf der menschlichen Energiebilanz beruhende physiologisch äquivalente Temperatur) durch Bebauung oder Begrünung partiell ändern), also Aussagen über die konkrete Wirkung von Maßnahmen, möglich.

Insbesondere sind die derzeit ca. 360 Flächen des nachhaltigen Bauflächenmanagements (NBS-Flächen) für die künftige bauliche Nutzung zu bewerten und die künftige Bebauung klimatisch zu optimieren (sukzessive nach Überbauungsbedarf und stadtklimatischer Relevanz).

Insgesamt ergeben sich dadurch folgende neue oder erweiterte Aufgaben im Bereich Klimasimulationen:

- Quantitative Bestimmung der thermischen Auswirkungen (Hitzestress etc.) in der Bauleitplanung in klimatisch sensiblen Bebauungsplänen zur Einbringung in den Abwägungsprozess als Daueraufgabe.
- Stadtklimatische Optimierung der derzeit ca. 360 NBS-Flächen.
- Quantifizierung von Anpassungsmaßnahmen bei Vorhaben im Rahmen der Innenentwicklung, z. B. im Zusammenhang mit dem Rahmenplan Stuttgart-West.
- Optimierung der Aufenthaltsqualität bei der Gestaltung öffentlicher Räume.

Die Aufgabenerweiterung kann mit dem vorhandenen Personal nicht bewältigt werden. Eine Aufgabenumverteilung ist nicht möglich. Andere Aufgaben können nicht entfallen. Für die Durchführung der klimaoptimierten Modellrechnungen und Maßnahmen besteht ein zusätzlicher Stellenbedarf einer Personalstelle EG 12 im dauerhaften Aufgabenbereich der stadtklimatischen Bewertung von Bauflächen bzw. Bebauungsplänen.

Auswirkungen

Die geplanten Verfahren gehörten bisher nicht zum Standard bei der Berücksichtigung des Klimas in der Bauleitplanung. Sie schließen eine Lücke in der sachgerechten Berücksichtigung des Stadtklimas in Planung und Bebauung, indem sie Optimierungsbedarf und entsprechende Maßnahmen quantitativ aufzeigen. Damit wird die Bevölkerung vor Gesundheitsnachteilen und -schäden durch den Klimawandel bedingten Hitzestress geschützt (vorzeitige Todesfälle, Kreislaufkrankheiten, mehr Aufwand für Pflegedienste usw.). Weiterhin können Folgekosten fehlender Anpassung an den Klimawandel vermieden oder reduziert werden, die - auch wenn sie im Moment nicht genau beziffert werden können - weitaus höher liegen dürften als die Kosten der erweiterten Aufgabe.


Finanzielle Auswirkungen

Zur Erfüllung der Aufgabe entsteht ein Stellenbedarf von 1,0 Stellen in Besoldungs-/
Entgeltgruppe 12. Da die Berechnungen mit ENVIMET in jedem Einzelfall sehr aufwändig sind, lassen sich mit 1,0 Stellen nicht alle (ca. 100/Jahr), sondern nur die klimatisch besonders relevanten Bebauungspläne (ca. 50 %) quantitativ bewerten (Daueraufgabe). Dazu kommt die Abarbeitung der derzeit 360 NBS-Flächen. Der Arbeitsaufwand für eine Planung bzw. NBS-Fläche liegt geschätzt im Mittel bei etwa 5 Arbeitstagen. Darin eingeschlossen sind die Erhebung oder Beschaffung von Eingangsdaten, z. B. meteorologische Daten, Gelände- oder Gebäudedaten, deren Aufbereitung und die anschließende Ergebnisvisualisierung und -interpretation. Der reine Rechenaufwand (Simulationszeit auf einem Standard-PC) beträgt derzeit im Normalfall etwa 2 Wochen (Standardgebietsgröße und -auflösung), fällt dann aber mehrfach pro Fall an, da die Optimierung jeweils eine meist mehrfache Änderung des Entwurfs nach sich zieht. Jede Änderung muss neu geprüft, also simuliert werden. Ein Erfahrungswert aus dem o. g. KLIMOPASS-Projekt ist die Simulation von 8 NBS-Flächen bei einer Projektlaufzeit von rund einem Jahr, andererseits steht in der Abteilung ein zusätzlicher Simulations-PC zur Verfügung und evtl. können reine (vorbereitete) Simulationen ausgelagert werden. Damit wären im Idealfall (3 PCs und 3 Simulationen pro Fall) rund 26 Flächenuntersuchungen möglich. Die Stelle wird dem Sachgebiet Luftreinhaltung und Klimaschutz zugeordnet.

Stellenbedarf (Mehrungen und Minderungen):
Beschreibung, Zweck, Aufgabenbereich
Anzahl Stellen zum Stellenplan
2016
2017
später
100%-Stelle in Entgeltgruppe EG 12 TVöD für den Aufgabenbereich Klimaschutz – Anpassung an den Klimawandel/Klimagerechte Stadtentwicklung des Amtes für Umweltschutz
1
Folgekosten (aus oben dargestellten Maßnahmen und evtl. Stellenschaffungen):
Kostengruppe
2016
TEUR
2017
TEUR
2018
TEUR
2019
TEUR
2020
TEUR
2021 ff.
TEUR
Laufende Erlöse
Personalkosten
90.1
90.1
90.1
90.1
90.1
90.1
Sachkosten
Abschreibungen
Kalkulatorische Verzinsung
Summe Folgekosten
90.1
90.1
90.1
90.1
90.1
90.1
(ersetzt nicht die für Investitionsprojekte erforderliche Folgelastenberechnung!)


Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Referat WFB hat Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.

Referat AK hat ebenfalls Kenntnis genommen und nimmt wie folgt Stellung:

Es liegt zu diesem Thema ein Stellenplanantrag des Amts für Umweltschutz vor. Da jedoch kein Schaffungskriterium erfüllt ist, wird diese Stelle keinen Eingang in den Verwaltungsvorschlag finden.



Erledigte Anträge/Anfragen

Keine.




Matthias Hahn
Bürgermeister



Anlagen:

Anlage 1 Maßnahmenblätter
Anlage 2 Beispiel einer Klimaberechnung



Sektor/Bereich:

Planung
Maßnahme Nummer:

P 1.1
Bezeichnung der Maßnahme:
Klimatische Optimierung von Wettbewerbsentwürfen und Bebauungsplanentwürfen
Beschreibung der Maßnahme:

Der gesetzlich geforderte Innenentwicklungsvorrang muss, um den Belangen einer nachhaltigen Stadtentwicklung gerecht zu werden, auch den Schutz vor weiterer Überwärmung dicht bebauter Gebiete berücksichtigen. Eine frühzeitige Prüfung und Bewertung von Entwürfen ist notwendig. Zur planerischen Optimierung sind weitere Vernetzung und Querschnittsdenken erforderlich.

Mit je einer neuen Stelle beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung und beim Amt für Umweltschutz können frühzeitig Entwürfe stadtklimatologisch optimiert werden. Die erforderlichen Maßnahmen sind in verbindliche Festsetzungen nach BauGB und BauNVO zu überführen.

Bei der Auslobung von Wettbewerben und der Ausarbeitung städtebaulicher Entwürfe ist als Aufgabe das Thema „klimatisch optimierte Stadtplanung; Anpassung an den Klimawandel“ aufzunehmen und eine entsprechende computergestützte Bewertung der Entwürfe vorzunehmen.
Einflussmöglichkeit der Kommune:
Groß
Verantwortliche Stelle:
Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Amt für Umweltschutz
Kostenschätzung für die Umsetzung:
Stellenschaffung: je 1 Personalstelle EG 12 beim Amt für Umweltschutz und beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung*.
Mittel für Gutachten und Vergaben: ca. 25.000 Euro p. a*.
Risikopotential:
Verstärkung des Wärmeinseleffektes.
Zeithorizont für die Umsetzung:
Fortlaufend nach Stellenschaffung.
Stand der Umsetzung:
    · Sofern projektbezogen Mittel vorhanden, schon heute beachtet.
    · Aus personellen Gründen keine systematische Bearbeitung aller Wettbewerbsentwürfe und Bauleitplanentwürfe.
    · Sofern Kapazitäten verfügbar, werden Entwürfe mit speziellen Softwareprogrammen simuliert.
Hemmnisse:
    · Fehlendes Personal.
    · Fehlende Haushaltsmittel.
Lösung:
    · Mittelbereitstellung ab DHH 2014/2015
    · Stellenschaffungen ab DHH 2014/2015
* = Stellenbedarf beim Amt 61 sowie Mittelbedarf mit 25 T€ fallen nicht an (s. Seite 2 der Vorlage).


Sektor/Bereich:

Planung
Maßnahme Nummer:

P 3.2
Bezeichnung der Maßnahme:
Qualifizierung NBS – Klimaplanungspass Stuttgart (KlippS)
Beschreibung der Maßnahme:

Die in der Landeshauptstadt Stuttgart etablierte Informationsplattform „Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS)“ soll um einen „Klimaplanungspass Stuttgart (KlippS)“ als Grundlage für weitere planerische Entscheidungen erweitert werden.
Dieser Pass soll Auskunft über die klimatischen Rahmenbedingungen am jeweiligen Standort geben. Im Hinblick auf eine qualifizierte Dichte sollen Planungsempfehlungen und Handlungsstrategien für die einzelnen Standorte im Kontext einer gesamtstädtischen Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategie entwickelt und dokumentiert werden.

Die planerische Grundlagenarbeit hierzu ist größtenteils gemacht. In einem nächsten Schritt geht es um die Erfassung und Auswertung der klimatischen Basisinformation für alle Flächenpotenziale und die Erarbeitung des Klimaplanungspasses sowie die Implementierung der entsprechenden Inhalte in die NBS-Datenbank und SIAS.

S. a. G 1: Test und Weiterentwicklung von KlippS als „pilot action“ im Rahmen des EU-Projektes „UHI“.
Einflussmöglichkeit der Kommune:
Groß
Verantwortliche Stelle:
Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Amt für Umweltschutz
Kostenschätzung für die Umsetzung:
75.000 Euro im Bearbeitungszeitraum.
Risikopotential:
Verstärkung des Wärmeinseleffektes durch Beeinträchtigung klimarelevanter Flächen (Kalt-/ Frischluftschneisen, Kaltluftentstehungsgebiete, Frei-/Grünflächen), dadurch bioklimatische Nachteile mit entsprechenden Folgen für menschliche Gesundheit und Wohlbefinden.
Zeithorizont für die Umsetzung:
2013, danach fortlaufende Datenpflege.
Stand der Umsetzung:
Grundlagenarbeit liegt vor.
Hemmnisse:
Bei Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung sind keine HH-Mittel vorhanden, diese sind zu gegebener Zeit außerplanmäßig bereit zu stellen.
Lösung:
Die Finanzierung durch das EU-Projekt UHI ist denkbar.




Anlage 2 zu GRDrs 385/2015






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