Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz:
GRDrs 686/2023
Stuttgart,
07/12/2023


Erforschung der NS-Geschichte - aktueller Sachstandsbericht



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
25.07.2023
26.07.2023

Bericht:


Der Gemeinderat hat die Verwaltung im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2018/19 beauftragt, einen Projekt- und Finanzierungsplan zur Erforschung der NS-Geschichte der Stadt Stuttgart, ihrer Ämter, Krankenhäuser und Einrichtungen vorzulegen. Bereits aufgrund des Haushaltsantrags 954/2017 hat der Gemeinderat 33.000 Euro zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas „Arisierung und Rückerstattung“ bereitgestellt.

Zu den Haushaltsplanberatungen 2020/2021 beantragte die Verwaltung mit Mitteilungsvorlage 1048/2019 Mittel für drei Promotionsstipendien zur Erforschung der Kommunalverwaltungsgeschichte im Nationalsozialismus:
Die Stipendien sollten einen Förderzeitraum von 30 Monaten umfassen und mit je
45.000 Euro (1.500 Euro/Monat) dotiert werden.

Die Mittel in Höhe von insgesamt 135.000 EUR verteilt auf die Jahre 2020 - 2022 wurden zum DHH 2020/2021 vom Gemeinderat bereitgestellt und die Verwaltung mit der Umsetzung beauftragt.
In der gleichen Mitteilungsvorlage wurde der Gemeinderat informiert, dass das ursprünglich angestrebte Dissertationsstipendium zum Thema „Arisierung und Rückerstattung“ aufgrund einer geplanten großen Publikation der Landeszentrale für politische Bildung und des Landesarchivs zu diesem Thema nicht ausgeschrieben wurde.

Umsetzung

Alle drei Stipendien zur Erforschung der Kommunalverwaltungsgeschichte im Nationalsozialismus wurden vergeben. Die Arbeit an der Dissertation zur Geschichte der städtischen Krankenhäuser läuft seit dem 1. Juni 2021. Die Arbeit an der Dissertation zu „Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit“ läuft seit dem 1. September 2021. Der dritte Bearbeiter hat aus persönlichen Gründen die Arbeit an der Dissertation nicht aufgenommen und auf das Stipendium verzichtet. Eine Nachrückerliste gab es nicht, da keine weiteren Bewerbungen vorlagen. Nachdem erhebliche Anstrengungen unternommen worden waren, geeignete Kandidat*innen auf die Stipendienausschreibung aufmerksam zu machen, wurde eine erneute Ausschreibung für wenig zielführend erachtet.
Beim Thema „Arisierung und Rückerstattung“ erschien es zweifelhaft, ob eine Dissertation, die einen forschungsbasierten grundsätzlichen Wissenszuwachs liefern muss, in diesem Themenfeld noch möglich war. Zudem hatte sich gerade gezeigt, dass es sehr schwierig geworden ist, für Stipendien Bewerber*innen zu finden. Dennoch bestand weiterhin eine große Wissenslücke hinsichtlich des örtlichen Verlaufs der Arisierung und Rückerstattung in Stuttgart. Um diese zu schließen und die bereitgestellten Mittel ihrem Zweck entsprechend auszugeben, wurde eine bereits erfahrene wissenschaftliche Kraft mit der Erstellung einer Studie beauftragt. Eine wissenschaftliche Studie größeren Umfangs kann im Rahmen eines Werkvertrags für den Betrag von 33.000 Euro nur erstellt werden, wenn die beauftragte Kraft mit der vorhandenen Forschungsliteratur zum Thema bereits vertraut ist und die einschlägigen Archive und Quellenbestände kennt. Das Stadtarchiv hat daher mehrere Wissenschaftler*innen, die bereits einschlägig geforscht haben, um ein Angebot gebeten. Nach Klärung der formalen Fragen konnte der Werkvertrag im Juni 2023 an den Autor des Standardwerks über die württembergische und die badische Finanzverwaltung im Nationalsozialismus, die ein zentraler Akteur bei der Arisierung war, vergeben werden. Die wissenschaftliche Studie, die nun dem Auftrag entsprechend zuallererst das Stuttgarter Geschehen in den Mittelpunkt stellt, wird einen Umfang von mindestens 100 Seiten haben, einschlägige Fallbeispiele präsentieren und einen erheblichen lokalen Wissenszuwachs liefern.
Eine analoge Behandlung des Themas „Kommunale Personalpolitik im Kontext von Kontinuität und ‚Entnazifizierung‘“ konnte nicht erfolgen, da sich die Ausgangslage auf wissenschaftlicher Ebene hier ganz anders darstellt. Es wäre sehr viel Grundlagenarbeit zu leisten, die in diesem finanziellen Rahmen in einem Werkvertrag nicht darstellbar ist. Falls eine Weiterverfolgung seitens des Gemeinderates befürwortet werden soll, erscheint ein Vorgehen beispielsweise analog zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte Stuttgarts derzeit am erfolgversprechendsten.

Weiteres Vorgehen

Bei der Umsetzung zeigte sich, dass nicht nur die Vergabe von Stipendien schwierig ist, auch der Förderzeitraum ist knapp bemessen. Beide Stipendiaten beantragen eine Verlängerung des Förderzeitraumes bis Ende des Jahres 2024.
Für beide Projekte haben sich die gleichen Gründe verzögernd ausgewirkt:
Um das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen befürwortet die Verwaltung die Verlängerung der Stipendienlaufzeiten um 10 bzw. um 13 Monate. Zur Finanzierung sind Mittel in Höhe von 34.500 EUR erforderlich. Die Finanzierung erfolgt aus den nicht verwendeten Mitteln (45.000 EUR) des nicht vergebenen dritten Stipendiums.

Werden die Stipendien nicht verlängert, besteht die Gefahr, dass die Arbeiten nicht abgeschlossen werden. Wenn die Bearbeiter für ihren Lebensunterhalt eine Arbeit annehmen müssen, finden sie möglicherweise nicht mehr die Zeit für den Abschluss ihrer Dissertationen. Alternativ schließen sie die Arbeit in aller Eile im Rahmen der vorgesehenen Stipendienlaufzeit mit stark reduzierter Qualität und großen inhaltlichen Einbußen ab.

An der Fertigstellung der Arbeiten in hoher Qualität besteht ein Interesse der Stadt Stuttgart selbst, die mit Rücksicht auf die Verantwortung von Institutionen für ihre eigene Geschichte und zur historischen Selbstvergewisserung diese Stipendien aufgelegt hat. Die Arbeiten schließen wissenschaftliche Lücken. Nicht zuletzt stoßen die beiden Arbeiten in der Stadtgesellschaft auf großes Interesse, wie sich bei der Vorstellung von Zwischenergebnissen im Oktober 2022 im Stadtarchiv zeigte.


Beteiligte Stellen

Referat WFB


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Fabian Mayer
Erster Bürgermeister





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