Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 190/2020
Stuttgart,
03/06/2020



Neue E-Lastenradförderung mit sozialer Komponente



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
17.03.2020
18.03.2020
19.03.2020



Beschlußantrag:

1. Zur Ausweitung der E-Lastenradförderung auf eine Förderung mit sozialer Komponente wird die Verwaltung beauftragt, die vorgestellten Modelle A.1. (Erhöhung des städtischen Zuschusses) und B (Verleih) in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 umzusetzen

2. Der Oberbürgermeister wird gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 Gemeindeordnung für Ba-den-Württemberg (GemO) dazu ermächtigt, die zur Umsetzung der Ziffer 1 notwendigen Richtlinien zu erlassen und entsprechende Detailregelungen zu treffen.

3. Zur Umsetzung der neuen Förderrichtlinien ist aus dem jährlichen Gesamtbudget in Höhe von 500.000 Euro ein jährlicher Teilbetrag von bis zu 250.000 Euro veranschlagt. Die Auszahlungen in den Jahren 2020 und 2021 werden im Teilfinanzhaushalt 810 - Bürgermeisteramt, Projekt-Nr. 7.109851 - E-Lastenräder für Stuttgarter Familien, AuszGr. 781 - Investitionszuweisungen und -zuschüsse an Dritte gedeckt.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Auf die GRDrs. 1069/2017 zur Haushaltsberatung 2018/2019, die GRDrs. 784/2018, 974/2018 und GRDrs. 134/2019, die Vorstellungen im Unterausschuss UTA Mobilität vom 29.01.2019 und 28.01.2020 sowie die GRDrs. 102/2020 wird verwiesen.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 wurde von mehreren Gemeinderatsfraktionen angeregt, neben dem bereits 2018 aufgelegten und auch im Doppelhaushalt 2020/2021 fortgesetzten Förderprogramm der Landeshauptstadt Stuttgart „E-Lastenräder für Stuttgarter Familien“ ab 2020 eine weitere E-Lastenradförderung unter Berücksichtigung sozialer Komponenten einzuführen. Die Modalitäten dieser Förderung sind auf der Grundlage der vorliegenden GRDrs. zu beschließen.

Ausführliche Begründung

Wesentlicher Kern der bereits mit GRDrs. 102/2020 beschlossenen Richtlinie ist die Förderung von Kauf oder Leasing von E-Lastenrädern durch Stuttgarter Familien mit mindestens einem Kind. Unabhängig von dieser klassischen E-Lastenradförderung soll auf Wunsch des Gemeinderates die Einführung einer ergänzenden Förderung mit sozialen Komponenten beschlossen werden. Dafür sind im Doppelhaushalt 2020/2021 Haushaltsmittel in gleicher Höhe (1/2 von 500.000 Euro) vorgesehen.

Die Nachfrage nach der bereits beschlossenen E-Lastenradförderung ist weiterhin vorhanden. Allerdings kann sich eine Familie mit geringem Einkommen und ohne nennenswerte finanziellen Reserven die Anschaffung eines eigenen E-Lastenrades für bspw. 3.000 Euro auch mit einem Zuschuss von 1.000 Euro wirtschaftlich nicht leisten.

Da aber gerade diese Haushalte oftmals über kein Auto verfügen, wäre für diese ein E-Lastenrad ein sinnvolles und ökologisches Transportfahrzeug. Um diesen Haushalten den Zugang zu einem E-Lastenrad zu ermöglichen, hat die Verwaltung auf Vorschlag mehrerer Fraktionen nachstehende Modelle konkretisiert. Diese basieren alle auf der Annahme, dass Familien mit der Bonuscard + Kultur bzw. der FamilienCard einer besonderen finanziellen Förderung bedürfen.


Die Anforderungen, die Familien an die Nutzung eines E-Lastenrades haben, sind durchaus unterschiedlich.

a.) Familie A benötigt das E-Lastenrad mehrmals täglich, z.B. um Kinder in die Kita zu bringen. Für sie ist eine zuverlässige Verfügbarkeit und ein kurzer Weg zum E-Lastenrad zwingend notwendig. Dieser Lebensabschnitt umfasst meist drei bis fünf Jahre, bei mehreren Kindern entsprechend länger. Für diese Familie wäre der Kauf (Modell A) oder die langfristige Miete (Modell B) das richtige Fördermodell.

b.) Familie B benötigt das E-Lastenrad zwar regelmäßig, z.B. für größere Einkäufe, für Ausflüge und für den sonstigen Lastentransport, deren Frequenz ist jedoch nicht mehr ganz so hoch/täglich und nimmt möglicherweise im Lebensverlauf sogar noch weiter ab. In dieser Familie wird das E-Lastenrad nicht mehr jeden Tag genutzt, mit der negativen und dem Auto vergleichbaren Folge, dass das Rad relativ lang ungenutzt steht. Für Familie B wäre ein kleiner Fußweg zum E-Lastenrad völlig in Ordnung, trotzdem sollte dieses in einer einigermaßen vernünftigen Entfernung verfügbar sein. Familie B ist auch flexibler, was die Ausleihzeiten angeht, muss sich aber darauf verlassen können, dass das E-Lastenrad ein bis zwei Mal pro Woche kurzfristig für ein paar Stunden ausleihbar ist. Für diese Familie ist ein niederschwelliger Verleih mit möglichst kurzer Ausleihzeit (Modell C) das richtige Fördermodell.

Aus diesen unterschiedlichen Anforderungen ergeben sich folgende denkbare Fördermodelle:

Modell A: Kauf

A.1.) Vorstellbar wäre eine Erhöhung des städtischen Zuschusses, ggfs. könnte dieser Zuschuss zur Vermeidung einer Vorfinanzierung und auf Wunsch des Antragstellers von der Verwaltung auch direkt an den Händler ausbezahlt werden. Die Umsetzung dieses Modells wäre von allen im Rahmen dieser Drucksache vorgelegten Möglichkeiten am einfachsten realisierbar. Was offen bleibt, ist das nicht zu unterschätzende Risiko von dolosen Handlungen und die Frage, wie in solchen Fällen verfahren werden soll, vor dem Hintergrund, dass bei der betroffenen Zielgruppe wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen kaum erfolgreich sein dürften.

Vorstellbar wäre eine Erhöhung des städtischen Zuschusses auf bspw.

- 1.500 Euro für Haushalte mit einer Bonuscard + Kultur

- 800 Euro für Haushalte mit FamilienCard (nicht Familienpass des Landes Baden-Württemberg)

jeweils zuzüglich der mit GRDrs. 102/2020 beschlossenen E-Lastenradförderung von 1.000 Euro für 2020 bzw. 800 Euro für 2021.

Der Nachhaltigkeitsbonus von 500 Euro ist bei obigen Erhöhungsbeträgen bereits eingerechnet und wird zur Vermeidung einer Überkompensation später nicht mehr ausgezahlt.

Bei einem angenommenen Kaufpreis eines privaten E-Lastenrades von 3.000 Euro würde ein Eigenanteil von 500 Euro bei den Haushalten mit Bonuscard + Kultur verbleiben, was immer noch ein wirtschaftliches Problem darstellen könnte. Dieses gilt es im Einzelfall, ggf. in Abstimmung mit verschiedenen Fachämtern, noch zu lösen. Vorstellbar wäre bspw. eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Händler oder ein Darlehen.

Gleichzeitig sollte zur Vermeidung von Fehlentwicklungen der Grundpreis der förderfähigen E-Lastenräder auf maximal 4.000 Euro und die absolute Förderhöhe auf 90 % für Bonuscard + Kultur und 70 % für FamilienCard Inhaber festgelegt werden.

A.2.) Die Landeshauptstadt beschafft bzw. lässt bspw. über das Sozialunternehmen Neue Arbeit gGmbH ein größeres Kontingent eines preisgünstigen Standard-E-Lastenrades (bspw. zunächst 60 E-Lastenräder plus Option von weiteren 40 E-Lastenrädern) beschaffen. Dieses „Stuttgarter Rößle“ wird allen Stuttgarter Haushalten zum Vorzugspreis und an die Zielgruppe zu einem politisch festgelegten Preis abgeben. Bei der Neuen Arbeit gGmbH entstehen für den administrativen Aufwand der Bestellung, Abholung, Einweisung und Abrechnung (zusätzlich zum städtischen Personalaufwand) Kosten von ca. 100 Euro/E-Lastenrad.

Vorstellbar wären als Verkaufspreise bspw.


Modell B: Langfristige Miete

In diesem Modell kann sich die Verwaltung eine auf die Neue Arbeit gGmbH ausgelagerte, langfristig angelegte Vermietung von städtischen (Sozial)-E-Lastenrädern an alle Stuttgarter Haushalte vorstellen. Um ein möglichst niederschwelliges Angebot bieten zu können, kann und soll dieses auf mindestens zehn Ausgabestellen im Stadtgebiet verteilt werden. Dies kann die Neue Arbeit gGmbH bspw. durch die Einbeziehung ihrer Bonusmärkte leisten.

Bei der Neuen Arbeit gGmbH entstehen dort für deren administrativen Aufwand wie Verleih, Lagerung, Ausgabe und ggf. Abholung, Abrechnung und Buchung der Verleihgebühr etc. (zusätzlich zum städtischen Personalaufwand) Kosten von zunächst ca. 50.000 Euro/Jahr. Hinzu kommen noch die Kosten für den Service der ausgeliehenen (Sozial-)-E-Lastenräder von schätzungsweise 100 Euro pro Rad und Jahr (= 10.000 Euro/Jahr bei 100 Rädern). Ein verpflichtender Radservice soll sicherstellen, dass die vermieteten E-Lastenräder in einem guten (vermietbaren) Zustand bleiben.

Die Ausleihe ist in diesem Modell langfristig angelegt und sollte mindestens sechs Monate am Stück betragen. Danach soll eine Kündigung mit einmonatigem Vorlauf möglich sein. Dieses Modell eröffnet allen Interessierten die Möglichkeit, dass E-Lastenrad über einen längeren Zeitraum ohne erheblichen finanziellen Investitionsaufwand von mehreren Tausend Euro im Alltag zu testen und ggf. danach zurückzugeben.

Da die angedachte Zielgruppe wirtschaftlich nicht in der Lage ist, eine der Leistung angemessene Miete zu bezahlen, muss politisch ein Mietpreis festgelegt werden.

Vorstellbar wären bspw.

- 5 Euro/Monat für Haushalte mit einer Bonuscard + Kultur

- 10 Euro/Monat für Haushalte mit FamilienCard

Alle Mietpreise enthalten den normalen (jährlichen) Service. Bei einem angenommenen Kaufpreis von 3.000 Euro, abzüglich der städtischen E-Lastenradförderung von 1.500 Euro (incl. des Nachhaltigkeitsbonus), einer Nutzungsdauer von 4 Jahren und einer jährlichen Wartungspauschale von 100 Euro ergibt sich eine monatliche Miete (ohne Subventionierung) von rund 40 Euro.

Allen anderen Stuttgarter Haushalten könnte dieses E-Lastenrad bspw. für diesen Mietpreis von 40 Euro/Monat angeboten werden.

Bei den Haushalten mit Bonuscard + Kultur erübrigt sich die Frage nach einer normalerweise üblichen Kaution. Dies bedeutet allerdings im Ergebnis, dass das Risiko des Verschwindens des E-Lastenrades vollständig bei der Landeshauptstadt Stuttgart verbleibt.

Sollte dieses Modell B nicht entsprechend nachgefragt werden, könnten die dann gebrauchten E-Lastenräder nach einer gewissen Zeit an Interessierte der Zielgruppe verkauft werden. Dies könnte dann entsprechend dem Modell A.2 erfolgen, ggf. mit einem weiteren Abschlag.

Modell C: Niederschwelliger Verleih

Für eine kurze, aber flexible Leihdauer (etwa analog zum Carsharing) bieten sich die E-Lastenräder im RegioRadStuttgart an. Vorstellbar ist hier ein Modell, in dem die Zielgruppe individuell einsetzbare Gutscheine für die E-Lastenräder des RegioRadStuttgart bekommt.

Ein zielgruppenbezogener Verweis auf das RegioRadStuttgart ist allerdings nur dann sinnvoll und zulässig, wenn davon ein flächendeckendes Angebot an E-Lastenrädern besteht. Leider werden diese aktuell nur in den fünf Innenstadtbezirken angeboten. Auch mit der bereits beschlossenen Erweiterung des E-Lastenradangebotes im RegioRadStuttgart um zehn auf dann zwanzig E-Lastenräder kann nicht ansatzweise von einem flächigen, gesamtstädtischen Angebot gesprochen werden. Selbst bei einer Erweiterung des Angebotes auf 50 E-Lastenräder erscheint dieses aufgrund der Größe der Stuttgarter Gemarkung nicht gewährleistet.

Zu klären wäre bei diesem Modell zudem die Verteilungsproblematik (Ausgabe der Gutscheine), der Ausschluss missbräuchlicher Nutzung der Gutscheine (Verkauf oder Weitergabe), die technische Begrenzung der Gutscheine (Wertgutscheine) auf die Nutzung eines E-Lastenrades im Hintergrundsystem von RegioRadStuttgart sowie die Sicherstellung, dass nur tatsächlich in Anspruch genommene Gutscheine gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart abgerechnet werden.

Ungeachtet dessen wären Wertgutscheine für das RegioRadStuttgart vorstellbar, bspw. in Höhe von

- 60 Euro/Monat für Haushalte mit einer Bonuscard + Kultur; dies entspricht einer Nutzungsmöglichkeit von 12 Stunden/Monat oder 3 Stunden pro Woche

- 30 Euro/Monat für Haushalte mit FamilienCard; dies entspricht einer Nutzungsmöglichkeit von 6 Stunden/Monat oder 1,5 Stunden pro Woche

Folglich müssten in diesem Zusammenhang dann die RegioRadStuttgart-Stationen mit E-Lastenrädern deutlich erhöht werden. Dies ist, wenn überhaupt, nur mittelfristig zu erreichen.

Exkurs Lastenanhänger

Als Alternative zum E-Lastenrad wird immer wieder die Kombination Pedelec und Lastenanhänger angesprochen. Diese Kombination hat folgende Vorteile:


Allerdings ist der Verwaltung kein Hersteller bekannt, der die Kopplung seines Pedelecs mit einem Lastenanhänger zulässt. Vielmehr schließen diese (oft im Kleingedruckten) diese Kombination aus haftungsrechtlichen Gründen (Überlastung des Motors) aus.

Zusammenfassung und Bewertung

Ein paralleles Angebot der Modelle A.2. und B (Kauf über die Stadt UND langfristig angelegte Vermietung) erscheint nicht sinnvoll, da beide Modelle dieselbe Zielgruppe ansprechen und bei den von der Verwaltung vorgeschlagenen politischen Mietpreisen, die privaten Haushalte mit Modell B wirtschaftlich deutlich besser gestellt werden und zudem die Möglichkeit haben, das E-Lastenrad nach einer bestimmten Zeit (bspw. wenn sich die Familiensituation ändert, sobald die Kinder zu groß sind, um im Rad mitzufahren und damit aus einer Familie A eine Familie B wird, s.o.) wieder zurückzugeben bzw. nur von Frühling bis Herbst zu mieten. Daher wäre im Vergleich der Modelle A.2. und B der Verleih (Modell B) für alle Beteiligten vorteilhafter und daher zu bevorzugen.

Das Modell C ist grundsätzlich attraktiv, birgt aber sowohl in der Nutzung als auch in der Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten, die zumindest kurzfristig, d.h. in den nächsten ein bis zwei Jahren, nicht beseitigt werden können.

Für die verbliebenen Modelle A.1 (Erhöhung des städtischen Zuschusses) und B (Verleih) sprechen jeweils gute und tragfähige Gründe. Beide Modelle schließen sich auch nicht gegenseitig aus. Daher liegt es am Gemeinderat zu entscheiden, ob und welche/s Modelle umgesetzt werden sollen.

Zwingende Voraussetzung für den Erfolg eines oder mehrere der vorgestellten Modelle ist, dass die jeweilige Zielgruppe von diesem Angebot überhaupt qualifiziert Kenntnis erlangt. Dies kann neben der klassischen Öffentlichkeits- und Medienarbeit einerseits durch die Einbeziehung der Jugend- und Sozialämter sowie des Jobcenters als auch direkt durch gezielte Information bei der Beantragung bzw. Ausgabe der Bonuscard + Kultur bzw. FamilienCard erreicht werden.

Aufgabenübertragung auf den Oberbürgermeister

Es handelt sich bei der Übertragung nach Beschlussziffer 2 um einen Fall des § 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 GemO und damit um eine lediglich die konkrete Umsetzung der

Ziffer 1 vorsehende, einzelfallbezogene, Aufgabenübertragung auf den Oberbürgermeister. Eine dauerhafte Übertragung im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 2 GemO, die nur durch die Hauptsatzung und daher nicht durch einfachen Beschluss geregelt werden könnte, liegt in diesem Fall nicht vor.


Finanzielle Auswirkungen

Zur Umsetzung der Förderrichtlinie ist aus dem jährlichen Gesamtbudget in Höhe von 500.000 Euro ein jährlicher Teilbetrag von bis zu 250.000 Euro veranschlagt. Die Auszahlungen in den Jahren 2020 und 2021 werden im Teilfinanzhaushalt 810 - Bürgermeisteramt, Projekt-Nr. 7.109851 - E-Lastenräder für Stuttgarter Familien, AuszGr. 781 - Investitionszuweisungen und -zuschüsse an Dritte gedeckt.



Beteiligte Stellen

Referat WFB




Fritz Kuhn

Anlagen

keine

<Anlagen>



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