Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
574/2015
GZ:
OB 7831-10.00
Sitzungstermin: 01.07.2015
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Prof. Kirchberg (Rechtsanwälte Deubner & Kirchberg)
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Bürgerbegehren "Ausstieg der Stadt Stuttgart aus S 21 aufgrund des Leistungsrückbaus durch das Projekt"
Entscheidung über Zulässigkeit

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 25.06.2015, GRDrs 574/2015, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids "Ausstieg der Stadt Stuttgart aus S 21 aufgrund des Leistungsrückbaus durch das Projekt" wird zurückgewiesen. Das Bürgerbegehren wird für unzulässig erklärt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrags durch Bescheid bekannt zu geben.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Im Vorfeld der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt und der Beratung zum heutigen Tagesordnungspunkt 3 "Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 'Storno 21' / Entscheidung über Zulässigkeit", heutige NNr. 197, wurde der Antrag Nr. 199/2015 "Rederecht für Vertrauenspersonen bei Debatte im Gemeinderat zu "Storno21" und "Leistungsrückbau durch S 21" der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS vom 18.06.2015 beraten und das beantragte Anliegen, Vertrauenspersonen der Begehren im Gemeinderat Rederecht zu erteilen (heutige NNr. 196 a), abgelehnt.

Bezogen auf den im Betreff genannten Tagesordnungspunkt und bezogen auf den Tagesordnungspunkt 3 führt OB Kuhn aus, in der Mitteilungsvorlage GRDrs 371/2015 Neufassung "Informelle Bürgerbeteiligung Rosenstein - Ausschreibung der Konzeption und Durchführung", heutiger nicht öffentlicher Tagesordnungspunkt 2, NNr. 195, habe er beschrieben, was sich zu den Begehren aus der GemO und der GOG ergibt. Demnach gehe es um die rechtliche Prüfung, ob das durch die Begehren Beantragte rechtlich zulässig ist oder nicht. Der Gemeinderat könne kein politisches Ermessen ausüben. Nicht zutreffend sei die laut Presse von StR Rockenbauch in einer Veranstaltung am vergangenen Montag getroffene Aussage, die Verwaltung verhindere, jemanden zu laden. Im Übrigen entscheide der Gemeinderat und nicht der Oberbürgermeister über Fraktionsanträge.

Einführend zu diesem Tagesordnungspunkt merkt der Vorsitzende an, der Beschlussantrag beruhe auf der gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Prof. Kirchberg.

Der einführende Sachvortrag von Herrn Prof. Kirchberg und die grundsätzlichen Stellungnahmen von Ausschussmitgliedern sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

Herr Prof. Kirchberg:
"Da Sie mein Gutachten ja kennen, darf ich mir erlauben, die Fragestellung nochmals etwas anders aufzuzäumen. Zum Ende der Begehrensbegründung wird darauf hingewiesen, eine alsbaldige Klärung seiner Zulässigkeit und etwaiger Lasten, die auf die Stadt Stuttgart zukommen, würden bald zu erreichen sein, weil ja zu erwarten sei, dass dieses Begehren wieder Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens würde, so wie dies bei den ersten beiden Begehren zu S 21 mit negativem Ergebnis für die Initiatoren der Fall war.

Eine solche verwaltungsgerichtliche Entscheidung darüber, ob sich die Frage der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs oder sogar die Frage eines Leistungsrückbaus stellt, hat es bereits gegeben, wenn auch in einem etwas anderen rechtlichen Zusammenhang. Denn ein unmittelbar eigentumsbetroffener Bürger hatte ja bereits beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) vor eineinhalb Jahren den Antrag gestellt, den Planfeststellungsbeschluss von 2005 aufzuheben wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse bzw. wegen neu bekannt gewordener Tatsachen. Das war nicht eine Frage der Aufkündigung der Vereinbarungen, die die Stadt Stuttgart mit den Partnern dieses Vorhabens getroffen hat, sondern der Betreffende hat, wenn auch mit der gleichen Argumentation, versucht, sein Anliegen durchzusetzen, den Planfeststellungsbeschluss wegen neuer Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit rückgängig zu machen. Dieses Anliegen ist vom VGH mit einer Entscheidung von Anfang Juli 2014 zurückgewiesen worden. Es hätten sich keine neuen Tatsachen ergeben, allenfalls in dem einen oder anderen Fall, insbesondere durch von einem sehr engagierten Projektgegner angestellten Berechnungen, die der VGH nicht als allgemein bewiesen bzw. als allgemein anerkannt eingestuft hat. Und von daher ist die jetzt im Rahmen des Bürgerbegehrens in gleicher Weise geltend gemachte Änderung der Verhältnisse eigentlich schon vom VGH negativ beschieden worden.

Es sind auch objektiv keine konkreten Anhaltspunkte gegeben bzw. es sind auch solche nicht mit einer irgendwie nachvollziehbaren Art und Weise in der Begründung des Bürgerbegehrens aufgeführt worden. Das Bürgerbegehren setzt gerade in seiner Begründung eigentlich nahtlos die Diskussion fort, die es bezüglich der Leistungsfähigkeit des Bahnhofs schon immer gegeben hat. Es werden aber keine neuen Erkenntnisse genannt. Ganz unscharf wird erklärt, erst jüngst seien Fehler eingestanden worden, ohne Ross und Reiter zu nennen.

Auf dieser Grundlage kann man die Stadt Stuttgart nicht dazu veranlassen, sich unter Berufung auf die Sonderkündigungstatbestände des § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen."

StR Kotz (CDU):
"Losgelöst von der inhaltlichen Frage empfinde ich die nun zu führende Diskussion als äußerst unangenehm, da nun zum wiederholten Mal Engagement von Bürgerinnen und Bürgern bei Bürgerbegehren aufgrund von Rechtsgutachten und aufgrund von Verwaltungsvorlagen, die aufzeigen, dass es für den Gemeinderat keinen Ermessensspielräume gibt, abgelehnt werden muss. Dies ist schade, da es sich bei Bürgerbegehren um ein sehr hohes wertvolles Instrument handelt. Nicht zuletzt deswegen haben wir ja gesagt, dass im Leitfaden Bürgerbeteiligung den Bürgerinnen und Bürgern eine Möglichkeit gegeben wird, ihr Vorgehen rechtskonform zu gestalten, ohne dafür auf einen Gutachter angewiesen zu sein. Der jetzt gerade begangene Weg, dass man die Bürger aktiv werden lässt und sie dann im Zweifelsfall aufgrund rechtlicher Mängel stoppen muss, kann nicht der richtige sein. Insofern will die CDU-Fraktion darauf drängen, dass sich die Stadt der Aufgabe stellt, wie hier Handreichungen möglich sind, um über Bürgerbegehren entscheiden zu können, denen seitens der Verwaltung auch Zulässigkeit attestiert wird.

Beim vorliegenden Fall hat Herr Prof. Kirchberg ausgeführt, dass der VGH zumindest in einem ähnlich gelagerten Fall bereits eine Entscheidung getroffen hat. Froh bin ich darüber, dass sich die Stadtverwaltung eindeutig so geäußert hat, dass die Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs als gegeben angesehen wird. Daher wollen wir auch am Bahnprojekt S 21 festhalten.

Herr Kollege Rockenbauch, Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Realität. Wenn Sie sagen, da rechtlich ein Projektausstieg nicht möglich ist, sollte man den Ausstieg inhaltlich machen, muss doch realistisch gesehen werden, dass es dafür keine Mehrheit gibt, dass eine solche Mehrheit in nächster Zeit auch nicht erreichbar sein wird und dass die Baumaßnahmen zu S 21 voranschreiten. Schlachten der Vergangenheit sollten nicht erneut geschlagen werden. Lassen sie uns unsere Zeit und unsere Energie dafür nutzen, über die Zukunft der Stadt zu diskutieren. Das Projekt S 21 wird umgesetzt. Es wird Ihnen nicht gelingen, das Projekt zu stoppen."


StR Stopper (90/GRÜNE):
"Meine Fraktion beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit diesem Bürgerbegehren, sondern wir haben es, als es damals initiiert wurde, in der Fraktion sehr ernsthaft geprüft und diskutiert, da wir die Bürgerbeteiligung sehr ernst nehmen. Wir möchten aber darum bitten, weil wir in der letzten Fraktionssitzung das Gutachten noch nicht vorliegen hatten, heute über den Beschlussantrag nicht abzustimmen. In der morgigen Fraktionssitzung wird die Vorlage abschließend beraten. Heute können wir unsere Haltung vortragen.

Zu der Zeit, als das Begehren initiiert wurde, haben wir uns mit der rechtlichen und politischen Einschätzung intensiv beschäftigt. Damals sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir dieses Bürgerbegehren nicht unterstützen können, weil wir es nach dem, was wir in Schlichtung und Stresstest an Diskussionen mit geführt und erlebt haben, auf der rechtlichen Seite für ausgeschlossen halten, dass die Frage der Leistungsfähigkeit eine rechtlich angreifbare Geschäftsgrundlage darstellt. Ihnen, Herr Rockenbauch, will ich empfehlen, das Urteil des VGH aus dem Jahr 2014 anzuschauen. Dieses Urteil macht Ausführungen zur Leistungsfähigkeit, aber auch zur Finanzierung. Diese muss man nicht teilen, inhaltlich schon gar nicht, aber aufgezeigt wird, wie die Versuche, über den Wegfall der Geschäftsgrundlage das Projekt zu kippen, zu bewerten sind. Wenn man ehrlich ist und sich die Bürgerbegehren eins und zwei anschaut sowie die dazu bereits über mehrere Instanzen ergangenen Gerichtsurteile, dann muss man einfach erkennen, dass der rechtliche Weg nicht funktioniert. Wir sind schon in der Vergangenheit, obwohl manche Urteile damals noch nicht vorlagen, ebenfalls zu dieser rechtlichen Einschätzung gekommen.

Politisch haben wir damals gesagt, und das sehen wir auch heute noch so, der Versuch, wenige Monate nach der Volksabstimmung das neben der Kostenentwicklung zentrale Thema der Auseinandersetzung über S 21, nämlich die Leistungsfähigkeit, quasi in exakt der gleichen Weise wie vor der Volksabstimmung wieder zum Thema eines direktdemokratischen Entscheids zu machen, entspricht nicht unserem Umgang mit den Instrumenten der direkten Demokratie. Es wurde vor der Volksabstimmung alles ausführlich diskutiert, was die Leistungsfähigkeit und auch was die Entwicklung der Finanzierung betrifft. Wenige Monate nachdem man in der Volksabstimmung unterlegen ist ohne neue Erkenntnisse wieder mit dem gleichen Thema zu kommen, entspricht nicht unserem Verständnis von direkter Demokratie.

Dennoch haben wir Respekt vor dem Anliegen der Initiatoren und derjenigen, die dieses Bürgerbegehren unterschrieben haben, weil die Frage der Leistungsfähigkeit auch für uns GRÜNE mit das zentrale Thema bei S 21 ist und wir unsere Kritik an der mangelnden Leistungsfähigkeit aufrechterhalten. Auch wir halten S 21 für nicht ausreichend leistungsfähig. Es wird, wie schon in der Broschüre zur Volksabstimmung beschrieben, ein verkehrlicher Bahnengpass gebaut, störanfällig, nicht ausbaufähig, der insbesondere auch für den S-Bahn-Verkehr Nachteile bringt. Diese politische Haltung haben wir schon vor der Volksabstimmung vorgetragen.




Zu dieser Frage der Leistungsfähigkeit gehört aber auch, dass sich die Bahn AG bis heute weigert, einen transparenten Vergleich der unterschiedlichen Modelle und Varianten vorzulegen. Die Bahn muss dieses rechtlich auch nicht. Deswegen hilft es nicht, über das Bürgerbegehren sozusagen die Leistungsfähigkeit anzugreifen, da - und das lässt auch das Urteil des VGH vom Juli 2014 erkennen - die Bahn nicht verpflichtet ist K 21 oder einen ertüchtigten Kopfbahnhof zu simulieren. Daran krankt die Diskussion, aber dies kann nicht dazu führen, dass man in Sachen Leistungsfähigkeit rechtlich vorankommt.

Was die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens anbetrifft, haben wir durchaus Kritikpunkte am Gutachten. Aus unserer Sicht ist es nur bedingt hilfreich, das Bürgerbegehren rechtlich zu beurteilen. Wir teilen beispielsweise nicht die Rechtsauffassung von Herrn Prof. Kirchberg, dass das Begehren nicht konkret genug begründet wäre. Die Anforderungen, die der Gutachter an dieses Begehren und an dessen Begründung stellt, gehen auch aus unserer Sicht über die Anforderungen, die man an ein Bürgerbegehren stellen kann, weit hinaus. Insofern kann das für uns nicht der Grund sein, es für rechtlich unzulässig zu halten. Die Anforderungen an Zahlen und Belegen usw. können nicht auf einem Blatt geliefert werden. Dies ist nicht haltbar. Dann führt der Gutachter beispielsweise an, dass die umfangreiche Stellungnahme der Bahn zur Leistungsfähigkeit keine Erwähnung findet. Diese lag aber zum Zeitpunkt des Bürgerbegehrens noch gar nicht vor. Von daher ist es unfair, den Initiatoren und den Unterstützern vorzuhalten, sie hätten sich nicht darauf bezogen. Insofern halten wir diese rechtliche Begründung der Unzulässigkeit für nicht haltbar.

Bemerkenswert aus unserer Sicht ist aber, dass die vom VGH 2009 und auch von der Bahn extrem strapazierte Unkündbarkeit der Verträge auch von Herrn Prof. Kirchberg ausdrücklich zurückgewiesen wird. Wir sind ja jahrelang von Herrn Grube mit der Aussage konfrontiert worden, Vertrag ist Vertrag. Der Gutachter hat nochmals deutlich gemacht, es gibt tatsächlich Geschäftsgrundlagen, und es gibt Sonderkündigungsrechte, es gibt also keine unkündbaren Verträge.

Das eigentliche rechtliche Problem aus unserer Sicht mit dem Bürgerbegehren ist aber, dass die Geschäftsgrundlage, auf die sich das Begehren hinsichtlich der Leistungsfähigkeit bezieht, schlicht miserabel ist. Es wird halt schlicht vertraglich vereinbart ein schlechtes Bahnprojekt umgesetzt. Davon kommt man nicht weg. Die Verträge geben nicht her, was im Begehren behauptet wird, dass eine Leistungsfähigkeit weit über der, wie sie die Bahn ansetzt und wie sie im Vertrag vereinbart ist, gefordert sein soll. Insofern ist das für uns das zentrale Problem dieses Bürgerbegehrens. Es tut so, als wäre die Geschäftsgrundlage eine andere, als sie tatsächlich ist. Das ist ein anderer Punkt als die politische Auseinandersetzung über die maximale Leistungsfähigkeit, über den Vergleich der Leistungsfähigkeiten K 21 und S 21. Da kann man sich trefflich streiten, und da denken auch wir nach wie vor, dass ein ertüchtigter Kopfbahnhof wirklich die bessere Lösung gewesen wäre. Aber das sind politisch die Schlachten von gestern. Rechtlich hält das eben nicht stand, da die Vertragslagen das nicht hergeben. Wir haben im Stresstest und in der Schlichtung und eben jetzt auch in verschiedenen Urteilen gesehen, dass man auf diesem Weg nicht weiterkommt. Daher ist das Bürgerbegehren aus rechtlicher Sicht zurückzuweisen.

Deshalb werde ich morgen meiner Fraktion empfehlen, dass das Bürgerbegehren nicht für zulässig erklärt wird bzw. dass wir uns der Vorlage der Verwaltung anschließen.

Für diejenigen, die das Begehren unterschrieben haben, und für die Initiatoren möchte ich noch einige politische Dinge ansprechen. Die Frage der Leistungsfähigkeit war der zentrale Gegenstand der Auseinandersetzung im Vorfeld der Volksabstimmung. Es wurden alle Argumente ausgetauscht. Es gab eine Schlichtung, es gab einen Stresstest, es gab jahrelange Beschäftigungen und Vorträge von Bahnfachleuten auf beiden Seiten zu dieser Frage der Leistungsfähigkeit. Es lag alles auf dem Tisch, und die Bürgerinnen und Bürger haben dann in der Volksabstimmung so entschieden. Das ist aus unserer Sicht politisch zu akzeptieren. Wir sehen auch nicht, wie jetzt vor einem Bürgerentscheid die Konstellation so völlig anders sein sollte. Es werden sozusagen die gleichen Leute mit den gleichen Argumenten über das gleiche Thema diskutieren, und dann soll der Bürger wieder entscheiden. Endgültige Wahrheiten liegen nicht auf dem Tisch. Dann steht der Bürger vor der gleichen Situation wie vor der Volksabstimmung. Insofern ist es quasi auch nur der Versuch, die Volksabstimmung zu wiederholen, da man mit dem Ergebnis dieser Abstimmung nicht zufrieden ist. Dafür stehen wir politisch nicht zur Verfügung.

Ich finde aber, dass das Thema Leistungsfähigkeit mit dem Bürgerbegehren nicht abgeschlossen ist. Ich finde, wir können die Frage der Leistungsfähigkeit von S 21 durchaus weiter diskutieren. Da appelliere ich ausdrücklich an die Befürworterseite. Es ist möglich, sich noch intensiv damit zu beschäftigen, wie man das Projekt leistungsfähiger machen kann. Wir GRÜNE wollen einen leistungsfähigen Bahnknoten. Wir GRÜNE sehen, dass die aktuelle Planung nicht so leistungsfähig ist, wie sie sein sollte. Aber es gibt Wege und Möglichkeiten, eine höhere Leistungsfähigkeit herzustellen. Es gab damals von Heiner Geisler in seinem Schlichterspruch Vorschläge, es gab eine Diskussion im Nachgang zum Stresstest. Dies gibt uns Hinweise, wie die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens noch erhöht werden kann. Ich finde, daran sollte der Gemeinderat intensiv weiter arbeiten."

StR Körner (SPD):
"Mich hat die Vorlage in zweierlei Hinsicht positiv überrascht. Das eine ist, dass sie doch zu einem großen Teil inhaltlich auf die Frage 'Was bringt S 21 für den öffentlichen Verkehr in Stuttgart?' eingeht. Dies finde ich gut, da das Gutachten sehr klar ausführt, warum S 21 den öffentlichen Verkehr am Bahnknoten entscheidend voranbringt. Rechtlich wurde das gemacht, da es um konkrete Anhaltspunkte für ein Sonderkündigungsrecht geht. Das zweite, was mich positiv überrascht hat, ist, dass sich der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung dezidiert hinter das Gutachten stellt. Konzentrieren möchte ich mich auf die inhaltliche Frage der Leistungsfähigkeit. Die rechtliche Frage wurde behandelt. Ich schließe mich zur Rechtsfrage den Vorlageninhalten an. Deswegen stimmt die SPD der Vorlage auch zu.

Der Diskussion zur Leistungsfähigkeit möchten wir aber nicht ausweichen. Drei Zitate, wo dieses Thema im Gutachten beleuchtet wird, möchte ich anführen:


- Seite 10 "Darüber hinaus haben sowohl das von der DB-Projektbau in Auftrag gegebene und im Jahr 2005 vorgelegte Gutachten von Prof. Ullrich Martin vom Verkehrswissenschaftlichen Institut der Universität Stuttgart und erst recht der in Konsequenz des Schlichtungsverfahrens zum Projekt S 21 vom Büro SMA & Partner im Jahr 2011 durchgeführte Stresstest deutliche Kapazitätsreserven des neuen Hauptbahnhofs aufgezeigt, die noch über die den Planfeststellungsbeschlüssen von 2005 zugrunde gelegten Annahmen hinausgehen und insbesondere den in der Schlichtung geforderten Nachweis erbringen, dass im neuen Hauptbahnhof ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist. Auf dieser Grundlage hat am 14.03.2012 eine Besprechung zwischen der Deutschen Bahn, dem Baden-württembergischen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, der Nahverkehrsgesellschaft und dem für die Durchführung des genannten Stresstests verantwortlichen Ingenieurbüro SMA & Partner stattgefunden, bei der die Einwendungen gegen die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs erneut besprochen und einvernehmlich widerlegt bzw. als widerlegt bezeichnet wurden."

- Seite 12 "Die Landeshauptstadt Stuttgart hat nach alledem auch objektiv keine Veranlassung davon auszugehen, es habe sich im Nachhinein herausgestellt, dass die Verwirklichung des Projekts S 21 zu einem Leistungsrückbau führen würde und dass insbesondere die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs gegenüber den den einschlägigen Planfeststellungsbeschlüssen zugrunde liegenden Annahmen nicht gegeben sei. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall."

- Seite 13 "Selbst wenn an die Begründung eines Bürgerbegehrens keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, erweisen sich die vorliegend zur angeblich mangelnden Leistungsfähigkeit des Projekts S 21 gemachten Ausführungen deshalb sowohl für sich genommen als auch im Hinblick darauf, dass diese Thematik zum wiederholten Mal, bis in die jüngste Vergangenheit umfassend beantwortet worden ist und dass die entsprechenden Gutachten, Urteile, Tests und Stellungnahmen übereinstimmend zur Bejahung der projektierten Leistungsfähigkeit von S 21 geführt haben, gewissermaßen als 'Schuss ins Blaue' oder auch nur als 'Schlag auf den Busch'."

Diese inhaltlich klaren Formulierungen finde ich gut. Das war ja mit ein Hauptgrund neben dem städtebaulichen Aspekt, warum sich meine Fraktion für das Bahnprojekt ausgesprochen hat. Dass es nämlich den öffentlichen Nahverkehr, aber auch den Fernverkehr im Bahnknoten Stuttgart entscheidend voranbringt.

Über den Hauptbahnhof hinaus möchte ich dazu nochmals drei Punkte nennen. Wir bekommen die überlastete S-Bahn entlastet durch die Verbesserungen bei der Regionalbahn. Wir bekommen eine neue S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße, die den S-Bahn-Knotenpunkt Hauptbahnhof entlastet. Und wir bekommen im Stadtbezirk Vaihingen einen neuen Filderbahnhof mit ganz tollen neuen Verbindungen für Stadtbezirke im südlichen Teil Stuttgarts. Dies ist ein großer Fortschritt. Und mit der Neubaustrecke und dem Fildertunnel kommen wir im Fernverkehr richtig voran. Es ist also verkehrspolitisch ganz wichtig für Stuttgart.



Dass wir das Thema Leistungsfähigkeit weiter diskutieren sollen, unterstütze ich. Es gibt sicherlich noch weitere Ausbaumöglichkeiten (z. B. Wendlinger Kurve). Klar ist aber, das wird Geld kosten. Wir müssen in den nächsten Jahren auch in den ÖPNV mehr Geld investieren.

Die Ausführungen von StR Kotz zu Bürgerentscheiden kann ich nachvollziehen. Wir haben einen konkreten Vorschlag im Zusammenhang mit der Beplanung des neuen Rosensteinviertels. Die Landesverfassung wird jetzt geändert, und zumindest der Aufstellungsbeschluss für Bebauungspläne wird bürgerentscheidsfähig.

Das ist neu, das gab es bisher noch nicht. Ich finde, dass die Stadt Stuttgart bei der Planung des wichtigsten Teils dieser Stadt dieses Instrument anwenden sollte. Ich finde, wir sollten nach Wegen suchen, wie das vernünftig stattfinden kann, da auch diese Vorlage zeigt, dass es nicht einfach ist, der Bürgerschaft eine Frage zur Abstimmung zu stellen, mit der die Menschen nicht hinters Licht geführt werden, sondern mit der es wirklich etwas zu entscheiden gibt, bei rechtlich klarer Zulässigkeit. Dieses sollte genutzt werden, um auch die Stadtgesellschaft wieder etwas mehr zusammen zu bringen. Diese Chance bietet das Rosensteinviertel. Die SPD möchte anregen, dass nach einer Möglichkeit gesucht wird, die eine Abstimmung der Bürgerschaft über dieses Viertel zulässt."

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS):
"Ich kann nicht begreifen, dass bei Betrachtung der Realität noch Vorteile von S 21 gesehen werden. Es sind keine Schlachten von gestern. Es geht wirklich um die verkehrliche und städtebauliche Zukunft dieser Stadt. Die Vogel-Strauß-Politik ist ja fast eine Marotte in diesem Haus. Kaum kommen große Probleme, duckt man sich weg (z. B. Feinstaub). Es ist wirklich in der Landeshauptstadt ein Problem, die Bürger in den nächsten zehn Jahren vor krank machendem Feinstaub zu schützen, wenn S 21 zu den absehbar katastrophalen verkehrlichen Folgen führt. Auch das Wohnen bekommen Sie durch S 21 nicht in den Griff. Schauen Sie sich doch mal an, was jetzt schon an Gentrifizierung (sozioökonomischer Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel) im Nordbahnhofviertel stattfindet. Das ist alles Spekulation mit Blick auf S 21. Das, was dort an bezahlbarem Wohnraum entfällt, kann im Rosensteinviertel nicht ersetzt werden. Auch klimatische Gesichtspunkte werden durch S 21 verschärft.

Im Rahmen des Oberbürgermeisterwahlkampfs hat sich OB Kuhn nie von S 21 überzeugt gezeigt. Gerade bei den Leistungsgesichtspunkten haben Sie gesagt, bei diesem Bahnhof besteht die reale Gefahr, dass er ein Rückbau ist. Ansonsten wären Sie doch auch nicht auf die witzige Idee gekommen, zunächst ein oder zwei Jahre Testbetrieb zu machen. Solche realen Vorschläge haben Sie gemacht, um in der Stadt ein Verkehrschaos zu verhindern.

Wir wissen, dass der neue Bahnhof 49 Züge in der Spitzenstunde nicht erzielen kann. Es ist wirklich mühsam, dass es immer wieder die Bürgerinnen und Bürger sind, die die Diskussion um Zahlen und Fakten in den Gemeinderat bringen müssen, da die politischen Gremien dies nicht von sich aus machen. Eine Volksabstimmung zu machen, wo die Fakten- und die Kostenbasis umstritten ist, ist eine Verarschung der Bürgerinnen und Bürger.

StR Stopper hat recht, wenn er sagt, es gibt keine absoluten Wahrheiten. Darum geht es aber nicht. Sondern es geht darum, dass es Aufgabe der Politik ist, auf einer der Realität entsprechenden Faktenbasis die Folgen, die Kosten eines Projekts zu bewerten. Es ist nicht Aufgabe der Bürgerschaft, einen Stresstest zu machen, auch nicht der Politik. Die dafür erforderlichen Zahlen kennt nur die Bahn. Ich habe mit meinem Betrugsvorwurf gegenüber der Bahn beim Bürgerbegehren "Storno 21" keine Nebendiskussion aufgemacht, sondern das stellt den Kern des Bürgerbegehrens "Storno 21", den Sie nicht sehen wollen, dar. Die Volksabstimmung wurde auf einer nachweislich gefälschten Faktenbasis durchgeführt. Seit der Volksabstimmung haben sich neue Fakten ergeben. Wir sind nicht nur bei den Kosten, sondern auch was die Leistungsfähigkeit angeht klüger.

Der Gutachter hat sehr einseitig nur die Papiere der Bahn AG angeführt. Er sagt nicht, dass kein einziges der auf 100 Seiten angeführten Bahnargumente die Vorwürfe am Stresstest entkräftet. Im Gegenteil, daraufhin wurden über 200 weitere Anträge gestellt, die exakt nachweisen, dass auch bei der Leistungsfähigkeit getäuscht wurde.

2007 hat der damalige Oberbürgermeister Dr. Schuster geschrieben: Wir bleiben bei den Kostenrisiken von 2007. In der GRDrs 609/2007 schreibt die Verwaltung: Damit 50 % mehr Züge den Stuttgarter Hauptbahnhof anfahren können, ist die Umgestaltung des Kopfbahnhofs in einen leistungsstärkeren Durchgangsbahnhof notwendig. Wenn Sie daraus nur den Schluss ziehen, dass es in der Spitzenstunde 50 % mehr Züge sein müssen, als sie der bisherige Bahnhof leistet, dann ist die ganze Veranstaltung S 21 eine Luftnummer, denn dann hätte man ja eigentlich nur den Fahrplan ändern müssen, um die Züge über den Tag zu verteilen. Diese Argumentation legt nahe, dass es darum geht, dass der Kopfbahnhof aus Kapazitätsgründen ausgebaut werden muss. Deshalb ist es so wichtig, dass man nicht nur abstrakt die fiktive Berechnung von 49 Zügen im Faktencheck heranzieht.

StR Körner zitierte aus der MVI-Unterlage (Ministerium für Verkehr und Infrastruktur) von 2013 und das daraus seitens der Stadtverwaltung erfolgte Zitat lautet: Die Schlussfolgerung, dass S 21 einen geplanten Rückbau darstellt, ist daher weder auf Basis eines Vergleichs der Zugzahlen von Status quo und Planfeststellung bzw. Finanzierungsvereinbarung noch bei einem rein quantitativen Vergleich der theoretisch möglichen Zugzahlen eindeutig herleitbar. Dass Sie damit argumentieren, verstehe ich. Eigentlich ist dies aber eine völlige Verfälschung der Aussage des Gutachtens. Denn davor steht nämlich ein entscheidender Satz: Die konkrete Leistungsfähigkeit von S 21 ist daher offen. Ein methodischer Vergleich und eine belastbare Gegenüberstellung der Leistungsfähigkeit des bestehenden und eines ggf. ertüchtigten Kopfbahnhofs mit den Planungen für S 21 liegen nicht vor und scheitern bislang an der Bahn AG. Ein Vergleich ist also nur deswegen nicht möglich, weil sich die Bahn AG bislang geweigert hat, den Kopfbahnhof seriös durchzurechnen.

Weiter steht in diesem Papier, der Gutachter habe dies angeführt, aber nicht der grüne Oberbürgermeister: Keine Aussage ist damit jedoch über einen erweiterten Leistungsbegriff gemacht, der folgende Aspekte umfasst:


Die Frage der betrieblichen Flexibilität im Störungsfall, die Frage der Infrastrukturrestriktion für die Fahrplangestaltung im Sinne eines integralen Taktfahrplans sowie Fragen einer nachträglichen Erweiterbarkeit bzw. Kapazitätssteigerung der Anlage. In diesen Punkten hat der Kopfbahnhof gegenüber dem unterirdischen Durchgangsbahnhof klare Vorteile. Also das Gutachten kommt bei einer nicht fiktiven Betrachtung zum Schluss, dass der Kopfbahnhof klare Vorteile hat. Und die Nahverkehrsgesellschaft sagt auch konkret, dass 50 Züge im heutigen Kopfbahnhof plausibel sind und mit Optimierungen noch mehr. Was ist es denn anderes als ein Leistungsrückbau, wenn man mit Mühe im Stresstest 49 Züge erreicht. Der Stresstest hat keinesfalls das Ergebnis einer guten Betriebsqualität erbracht. Zwischenzeitlich, dies sind neue Erkenntnisse, können wir auch nachweisen, dass bei den Zugängen des Tiefbahnhofs erhebliche Engpässe entstehen aufgrund seiner im Vergleich zum Kopfbahnhof geringeren Gleisfläche. Auch darüber wurde bisher der Gemeinderat getäuscht.

Bei dem von Herrn Prof. Kirchberg angeführten Fall ging es um die Planfeststellung und nicht um die Verträge. In ihren Zitaten belegen Sie ja sogar, dass es in der Planfeststellung immer nur um 32 Züge ging. Neu an den 32 Zügen ist die sehr fundierte Kritik, dass in Sachen Brandschutz der neue Bahnhof mit 32 Zügen völlig überfordert ist. Wenn dieses zutrifft, ist eine rein rechnerische Kapazität vom Bahnhof für einen sicheren Bahnhofsbetrieb überhaupt nicht relevant, sondern dann limitieren die 32 Züge, die planfestgestellt wurden, diesen Bahnhof, wenn man nicht mit fiktiven Rechenspielen kommt. Das sind alles neue Erkenntnisse. Dass dieses vom Gutachter nicht erwähnt wird, dass dieses von Herrn Prof. Kirchberg als Einzelmeinungen abgetan wird, ist eine politische Entscheidung. Ihnen mache ich nicht diesen Vorwurf, sondern dem Oberbürgermeister, der all die Argumente, die er früher hatte, scheinbar nach dem Wahlkampf nicht mehr kennt."

StRin von Stein (FW):
"Herr Rockenbauch, heute haben Sie mehrfach das Wort Betrug verwendet. Wenn dem so ist, wäre es doch einfach nur folgerichtig, wenn sie Anzeige erstatten. Die Freien Wähler können dem Beschlussantrag zustimmen."

StR Prof. Dr. Maier (AfD):
"Das, worum es hier geht, ist letzten Endes das, was man den 'return on investment' nennt (Modell zur Messung der Rendite einer unternehmerischen Tätigkeit, gemessen am Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital). Solange unklar ist, ob die Kapazitäten, die von der einen und von der anderen Seite genannt werden, zutreffen, solange besteht die Gefahr, dass hier eine Vergeudung öffentlicher Mittel in astronomischer Höhe stattfindet. Die Bahn nennt mal diese und mal jene Zahlen. Die Voraussetzungen, die genannt werden für die Kapazitätsberechnungen, gehen bei der Bahn immer von der günstigsten Situation aus. Auch das ist eigentlich nicht Standard bei der Planung solcher Projekte. Ich will in die Details nicht hinein gehen, ich muss auch bekennen, in die Feinheiten der Kapazitätsberechnung habe ich mich nicht intensiv eingearbeitet. Aber ich sehe die Widersprüche, die es überall gibt. Und solange hier Unklarheiten bestehen, meine ich, dass ein solches Bürgerbegehren durchaus dazu beitragen kann, mehr Licht in diesen Tunnel zu bringen. Deswegen werden wir der Vorlage nicht zustimmen."


OB Kuhn erklärt zum Rosensteinareal an StR Rockenbauch gewandt, die Stadt sei in der politischen Gestaltung jederzeit frei. Daher sei es auch möglich geworden, die Konzeptvergabe zum Bau von Sozialwohnungen im Rosensteinviertel neu zu beschließen. Dies habe es früher nicht gegeben. Die Konsequenz sei, dass weniger Grundstückserlöse erzielt werden. Das Wort "Konzeptvergabe" bedeute, dass das Primat der Politik über dem Primat der Ökonomie steht.

Zur Frage der Leistungsfähigkeit des neuen Bahnhofs fährt OB Kuhn fort, hier gebe es eine lange Beschlussgrundlage. An erster Stelle stehe der Planfeststellungsbeschluss. Bei diesem Beschluss habe noch eine Abwägung zwischen verkehrlichen und städtebaulichen Punkten stattgefunden. Dieser Beschluss sei angefochten worden, und dazu gebe es ein rechtskräftiges Urteil des VGH vom 06.04.2006. Der Finanzierungsvertrag beinhalte selbst keine Kapazitätsanforderungen. Allerdings stehe im dritten Vertragsanhang eine 50%ige Verbesserung. Anschließend habe es die Schlichtung zu S 21, den Stresstest und das VGH-Urteil im Jahr 2014 gegeben.

Auf dieses Urteil sei Herr Prof. Kirchberg eingegangen. Entscheidend sei, in einem Vergleich im Jahr 2012 habe der Kopfbahnhof in seiner derzeitigen Form in der Hauptverkehrszeit 21 im Takt verkehrende Züge gehabt; Takt bedeute gleich viele Züge in Richtung und Gegenrichtung. Der S 21-Tiefbahnhof habe 30 Züge aufgewiesen. Dies sei die entsprechende Verbesserung, die auch im Finanzierungsvertrag gemeint sei. Aus der genannten Anlage 3 gehe eindeutig hervor, dass es um Taktzüge gehe und nicht um die Züge in der Spitzenverkehrszeit, die noch zusätzlich hinzukommen. Er habe sich die Unterlagen dazu geben lassen, und aufgrund des damals Gesagten glaube er, dass eines der Hauptprobleme darin besteht, dass systematisch die Taktzüge mit den Zügen in der Spitzenstunde verwechselt / durcheinandergebracht werden. Bei der Frage Spitzenstunde habe der Bahnhof in dem gerechneten, dem derzeitigen Fahrplan, 35 Zugankünfte ergeben (Stresstest 49 Züge).

Für die Beurteilung der heutigen Frage sei entscheidend, ob es sich - wie im Bürgerbegehren beantragt - um einen Rückbau handelt oder nicht. Bedeutsam sei, ob die Vergleichsgröße die Leistungsfähigkeit des heutigen Kopfbahnhofs oder ob die Vergleichsgröße ein unterstellter Ausbau des Kopfbahnhofs, wie er im Gutachten von Viereck & Rössler mit 50 Zügen in der Spitzenstunde angegeben worden sei, ist. Für ihn sei klar, dass nur ein bestehender Bahnhof mit einem Bahnhof, der gebaut werden soll, verglichen werden kann. In der Überschrift des Bürgerbegehrens werde schon zum Ausdruck gebracht, dass durch S 21 ein Leistungsrückbau erfolgt. Dann könne doch die Bezugsgröße nur sein, was der Bahnhof heute leistet und wie viel der künftige S 21-Bahnhof leisten wird. Die genannten Werte "bisher 21 Züge und künftig 30 Züge" stellten eine 50%ige Verbesserung dar. Bei der Entscheidung, und dies mache auch das Gutachten von Herrn Prof. Kirchberg deutlich, müsse gewählt werden, ob man mit der Kategorie Taktzüge oder mit der Kategorie Züge in der Spitzenstunde agiert. Das Baden-Württembergische Verkehrsministerium habe die Zahlen des Stresstests akzeptiert.



Des Weiteren erläutert der Vorsitzende zum Volksentscheid, zu einem Volksentscheid gehöre, dass es unterschiedliche Sichtweisen zur Datengrundlage geben kann. StR Rockenbauch habe an diesem Volksentscheid selbst mitgewirkt, indem er versucht habe, seine Sichtweise der Zahlenbetrachtung der Bevölkerung näherzubringen. Bei einem solchen Volksentscheid stimme die Bevölkerung ja auch über die Argumente der verschiedenen Parteien ab. Das Ergebnis des Volksentscheids könne nicht wie von StR Rockenbauch bezeichnet eine "Verarschung" sein, sondern ein solches Ergebnis sei das Resultat der Abwägung der von den beiden Seiten dargestellten Positionen. Dies könne die unterlegene Seite bedauern, aber es könne nicht sein, dass in einem Volksentscheid für eine bestimmte Stimmabgabe geworben wird, und wenn sich dann ein anderes Ergebnis ergibt, von einer "Verarschung" gesprochen wird. Daran, dass StR Rockenbauch bei einem anderen Ergebnis des Volksentscheids niemals von einer "Verarschung" gesprochen hätte, könne ersehen werden, dass man das Ergebnis der Volksabstimmung nicht einfach beiseiteschieben darf. Für die Zukunft gebe es eine spannende Frage, nämlich ob es seitens der Stadt- oder der Landesverwaltung den Versuch geben kann, das Zahlenwerk nochmals zu bewerten und eine neutrale Darstellung vorzulegen.

Davon halte er schon im Interesse einer verbesserten Transparenz sehr viel.

Selbstverständlich seien die Verwaltungen des Landes, der Region und der Stadt in der Pflicht, weiter zu prüfen, ob die Anforderungen durch den neuen Bahnhof auch im Bereich der S-Bahn tatsächlich geleistet werden können. Auch könne man sich der Frage nicht entziehen, ob das Land, wie im Regionalpakt beschlossen, wirklich den halbstündigen Takt realisieren kann.

Zur Vertiefung der Kapazitätsfrage erteilt der Oberbürgermeister Herrn Arnold, Technischer Vorstand der SSB/Vorstandssprecher der SSB, das Wort. Er, so Herr Arnold, habe die gesamten S 21-Diskussionen bis zurück in die 90er-Jahre begleitet. Dabei habe sich immer wieder die Frage ergeben, welche Zahlen den Beurteilungen der Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt werden. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des derzeitigen Kopfbahnhofs sei es stets problematisch gewesen, zwischen Zugbewegungen zu unterscheiden. Auf der einen Seite gebe es Züge, die diesen Bahnhof befahren, aus denen Fahrgäste ein- und aussteigen. Immer wieder würden auch Zahlen zur Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs aus den 70er-Jahren angeführt. Dabei seien jedoch auch Rangierfahrten (Rosenstein/Bahnhof/Rosenstein) enthalten. Solche Dinge müssten bei einem Vergleich mit dem neuen Durchgangsbahnhof außen vor bleiben. Hinzu komme der Punkt "Vorher-nachher-Vergleich zu Zeiten, als die S-Bahn noch nicht realisiert war". Dieser Punkt habe sich bereits in der Schlichtung als schwierig erwiesen. Vorher hätten sich im Kopfbahnhof Vorortzüge bewegt, die heute mit der tiefergelegten Lösung mit den Gleisen 101 und 102 abgebildet sind. Es seien also große Differenzierungen erforderlich, wenn die Leistungsbilder eines neuen Durchgangsbahnhofs und des heutigen Kopfbahnhofs einander gegenübergestellt werden.




Des Weiteren sei bei der Beurteilung schwierig, wenn man die Leistungsfähigkeit von Anlagen, die heute in ganz anderem Zusammenhang als Durchgangslösungen angedacht sind, rein praktisch betrachtet. Als Beispiel führt er die Stadtbahn-Haltestelle Pragsattel der SSB an. Auf dieser zweigleisigen Anlage, Zulauf von Norden und von Süden, würden über zwei Gleise und ohne irgendwelche kreuzungsfreie Lösungen tagsüber nicht nur in den Spitzenstunden 24 Züge pro Stunde/Richtung gefahren. Natürlich könne darauf verwiesen werden, dass es sich dort um ein homogenes Stadtbahnsystem handelt, aber solche Beispiele müsse man sich schon ab und zu vergegenwärtigen, wenn bei S 21 bis ins Detail über Zugbewegungen diskutiert wird. Die SSB stelle sich der Auseinandersetzung. Es seien auch neue Anforderungen zur Frage "Betriebsstabilität der S-Bahn" hinzugekommen. Dies sei jedoch ein völlig anderes Thema, das in einem anderen Kontext gesehen werden muss. Sollte dies Auswirkungen auf die Gesamtinfrastruktur des Bahnknotens Stuttgart haben, werde dies beispielsweise in der vom Land eingerichteten Expertenkommission zu besprechen sein. Zwischenzeitlich habe er große Schwierigkeiten mit den Zahlenmengen, die einander gegenübergestellt werden, da im Kern nur ein Vergleich der produktiven Leistung des derzeitigen Kopfbahnhofs und des künftigen Durchgangsbahnhofs vernünftig ist.

Er halte auch nichts davon, ständig noch das Phantom K 21 anzuführen; K 21 hätte ja auch entsprechende Infrastrukturinvestitionen erfordert, um einen Zustand zu erreichen, um eine von der S 21-Befürworterseite unterstellte Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Dass der Oberbürgermeister Herrn Arnold das Wort erteilt hat, moniert StR Rockenbauch abhebend darauf, dass es der Ausschuss abgelehnt hat, den Vertrauensleuten der heute zur Behandlung stehenden Bürgerbegehren zur Erläuterung ihrer Positionen das Wort zu erteilen (siehe heutige öffentliche NNr. 196a). Er, so StR Rockenbauch weiter gegenüber Herrn Arnold, habe lediglich die Papiere des Verkehrsministeriums zitiert. Anschließend zitiert er aus einer Pressemitteilung des Baden-Württembergischen Verkehrsministeriums: Der Kopfbahnhof könnte heute schon mehr Züge als S 21 abwickeln. Dies ist für ihn die entscheidende Vergleichsgröße, um einen Leistungsrückbau zu belegen. Wenn Herr Arnold etwas anderes behaupten möchte, sollte die SSB endlich die Bahn dazu bringen, die Kapazitätsgrenze des bestehenden Kopfbahnhofs zu simulieren. Die seitens des Oberbürgermeisters angeführten Taktzüge bezeichnet StR Rockenbauch als "Nebelkerze". Bei der Definition der Kapazitätsgrenze könne es nur um die Spitzenstunde gehen. Für den Wirtschaftsstandort sei die Spitzenstunde entscheidend. Die seitens des Vorsitzenden angesprochene Anlage der Finanzierungsvereinbarung sei Vertragsbestandteil. Von der dort geforderten 50%igen Kapazitätssteigerung sei man so weit entfernt, dass es sich um einen Leistungsrückbau handelt.

Dazu entgegnet OB Kuhn, zu der Finanzierungsvereinbarung von 2009 existiere die Anlage 3.2a. Dort, und nur dort, werde von einer 50%igen Verbesserung im Stuttgarter Bahnhof (30 % im Ulmer Bahnhof) gesprochen. In diesem Papier sei in der Fußnote ausdrücklich angeführt, dass es sich dabei um die im Taktverkehr fahrenden Züge handelt.

Daher sei die Situation des Taktverkehrs bei der Beurteilung der vertraglich geforderten Leistungsfähigkeit relevant.

Abschließend wird von OB Kuhn, einem Wunsch von StR Stopper entsprechend, dem der Ausschuss nicht widerspricht, festgestellt:
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