Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 1153/2015
Stuttgart,
11/02/2015



Haushalt 2016/2017

Unterlage für die 1. Lesung des Verwaltungsausschuss zur nichtöffentlichen Behandlung am 09.11.2015



Grundsicherung von Strom für Geringverdienende und ALG-II-Empfänger_innen sicherstellen

Beantwortung / Stellungnahme

Die Regelsätze der Sozialhilfe bzw. die Regelleistungen des SGB II ist mehrfach von Sozialgerichten und dem Bundessozialgericht als sachgerecht und ausreichend bestätigt worden. Dennoch erfordern sie von den Leistungsberechtigten ein zielgerichtetes und sehr überlegtes Verbrauchs- und Ausgabeverhalten.

Sozialtarife sind ein Thema der Energieversorgungsunternehmen; diese lehnen bisher staatlich verordnete Sozialtarife ab. Sie verweisen darauf, dass Sozialpolitik eine staatliche Aufgabe sei und dass der Strompreis zu etwa 40 % aus staatlichen Abgaben und Steuern besteht, die z. T. ausdrücklich als Anreize zum Energiesparen eingeführt worden seien. Diese politisch gewollten Abgaben nun durch Subventionen zu verwässern, sei nicht sinnvoll und würde einen unzulässigen Eingriff in den Wettbewerb unter den Stromanbietern bedeuten.

Auch Träger der freien Wohlfahrtspflege, z. B. der Paritätische Wohlfahrtsverband, lehnen Sozialtarife ab und plädieren stattdessen für Maßnahmen des Verbraucherschutzes oder auch weitere Änderungen des Wohngeldgesetzes.


Die verbindliche Umsetzung eines tatsächlichen Sozialtarifs, d. h. eines Sozialtarifs, der für eine zu bestimmende Zielgruppe eine günstigere Alternative bietet, ist unter Berücksichtigung der Vielzahl der Stromanbieter und eines fairen Wettbewerbs zur Zeit nicht absehbar und könnte mittelfristig durch die Auswirkungen auf die Einkommens- und Verbraucherstichprobe zu einer Absenkung der Regelleistungen führen. Außerdem ist fraglich, ob die SWS Vertriebsgesellschaft einen Sozialtarif auf Stuttgarter Einwohnerinnen und Einwohner beschränken darf.

Sowohl über das SGB II in § 22 Abs. 8 als auch über das SGB XII in § 36 Abs. 1 besteht ein Sozialleistungsanspruch bei einer (drohenden) Energiesperre. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, von welchem Energieversorger der Leistungsberechtigte seinen Strom bezieht. Im Jahr 2014 wurden im Bereich SGB II rd. 440 Fällen und im Bereich SGB XII in ca. 100 Fällen Darlehen wegen drohender bzw. erfolgter Stromsperrung gewährt. Die Leistungsgewährung erfolgt unter Würdigung der individuellen Umstände als Beihilfe und/oder als Darlehen mit Rückzahlungsverpflichtung. Diese Verfahren für alle Kunden der SWS Vertriebsgesellschaft mbH anders zu gestalten, ist rechtlich nicht möglich und würde einen Eingriff in den Wettbewerb unter den Energieversorgern darstellen. Darüber hinaus würden die Wahlfreiheit und die Autonomie der Leistungsbezieher eingeschränkt. Gründe für die Stromschulden waren in der Regel nicht die gestiegenen Strompreise, sondern vielmehr nicht bezahlte Vorauszahlungen (Strom, Gas, Wasser) an das Energieversorgungsunternehmen, obwohl die Bedarfe vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt entweder über den Regelbedarf, einen Mehrbedarf oder/und die Kosten der Unterkunft bei der Leistungsgewährung berücksichtigt wurden. Dies macht eine individuelle Prüfung, in welcher Höhe und in welcher Form Schulden für die Energieversorgung übernommen werden können, notwendig.

In der Regel legen die Leistungsberechtigten den Mitarbeitern des Jobcenters oder der Sozialhilfedienststelle bereits Mahnungen oder Androhungen von Stromsperren des Energieversorgungsunternehmens vor. Im Vorfeld einer Sperre bieten diese z. B. dann den Betroffenen Unterstützung bei der Vereinbarung von Ratenzahlungen an und vermitteln nicht selten zwischen den Leistungsberechtigten und dem Energieversorgungsunternehmen.

Nach der Erfahrung des Sozialamts sind die Energieversorgungsunternehmen i. d. R. bereit, einer ratenweisen Tilgung des Rückstandes zuzustimmen. Auf Beratungsangebote zu Energiesparmöglichkeiten (z. B. Stromspar-Check durch den Caritasverband für Stuttgart e. V. oder Energieberatung der einzelnen Stromanbieter) werden die Leistungsberechtigten regelmäßig hingewiesen.

§ 22 Abs. 7 SGB II bzw. § 35 Abs. 1 SGB XII berechtigt das Jobcenter bzw. den Sozialhilfeträger bei Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, Leistungen direkt an das Energieversorgungsunternehmen oder andere Empfangsberechtigte, z. B. den Vermieter, zu zahlen. Dies kann auch auf Antrag des Betroffenen erfolgen. Mit dieser Verfahrensweise kann das Entstehen derartiger Rückstände für die Zukunft in vielen Fällen vermieden werden.

Mit diesem umfänglichen Leistungs- und Hilfeangebot kann somit die wirtschaftliche Notlage in vielen Fällen auch nachhaltig behoben werden.



Vorliegende Anträge/Anfragen

761/2015 SÖS-LINKE-PluS




Michael Föll
Erster Bürgermeister




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