Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz: 1414-00
GRDrs 773/2023
Stuttgart,
07/24/2023



Maßnahmen zur Sicherstellung des medizinischen Rettungsdienstes der Feuerwehr Stuttgart aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
26.07.2023
26.07.2023



Beschlußantrag:

1. Der Überlassung eines fachlich geeigneten Arztes als Ärztlicher Verantwortlicher im Rettungsdienst (ÄVRD) durch das Klinikum Stuttgart gKAöR wird zugestimmt. 2. Die hierfür notwendigen Aufwendungen in Höhe von jährlich 15.000 EUR werden im THH 370, Branddirektion, Kontengruppe 42510, Sonstige Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen gedeckt. 3. Die Verwaltung wird ermächtigt, für die gesetzlich vorgeschriebene Fahrzeugbesetzung im Rettungsdienst ab sofort außerhalb des Stellenplans Notfallsanitäter*innen im Umfang von 6,0 VZK in EG P 8 TVöD-P bei der Branddirektion einzustellen. Die Ermächtigung ist zunächst bis 31. März 2029 befristet. 4. Dem hieraus entstehenden überplanmäßigen Personalmehraufwand für das Haushaltsjahr 2023 in Höhe von bis zu 210.000 EUR wird zugestimmt. Die Finanzierung erfolgt in dem betreffenden THH 370 in der Kontengruppe 400 – Personalaufwendungen. Erforderlichenfalls wird sie aus der Deckungsreserve Personalaufwand im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 – Sonstige Allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 400 – sonstige ordentliche Aufwendungen gedeckt. Der Mittelbedarf für die Haushaltsjahre 2024 ff. wird bei Aufstellung der Doppelhaushalte berücksichtigt.





Begründung:


Die Branddirektion ist als Kooperationspartner des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Stuttgart (DRK) in der Notfallrettung in der Landeshauptstadt beteiligt. Dabei werden zwei Rettungswagen (RTW) und ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) auf der Feuer- und Rettungswache 5 aufgrund der Festlegungen im Bereichsplans des Rettungsdienstbereichs Stuttgart und des beschlossenen Feuerwehrbedarfsplans betrieben.

In Baden-Württemberg ist die Besetzung der Rettungsfahrzeuge im Gesetz über den
Rettungsdienst (Rettungsdienstgesetz – RDG) geregelt. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestqualifikation der Besatzung des jeweiligen Rettungsmittels ist in Tabelle 1 aufgeführt.


1 Dürfen seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr eingesetzt werden.
2 Dürfen weiterhin eingesetzt werden.


Auf Grundlage des RDG erwächst für die Branddirektion in der Besetzung ihrer Fahrzeuge die Problematik, dass für Rettungswagen ausschließlich Notfallsanitäter*innen eingesetzt werden dürfen.

Im Rettungsdienst fehlen Fachkräfte. Die Arbeitsbedingungen sind aufgrund der steigenden Anzahl an Einsätzen, Wartezeiten an Kliniken, weiten Fahrwegen und sinkender Wertschätzung wenig attraktiv. Um der außerordentlich angespannten Personalsituation Rechnung zu tragen, hat sich das Innenministerium mit den Leistungsträgern auf weitergehende Maßnahmen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes, insbesondere zur Flexibilisierung der personellen Besetzung von Einsatzfahrzeugen verständigt. Ab dem 1. Juli 2022 ist es im baden-württembergischen Rettungsdienst den Notfallsanitäter*innen möglich, bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen, die ihnen von Ärzt*innen übertragen worden sind. Beispielsweise können Notfallsanitäter*innen bei starken Schmerzen lindernde Medikamente verabreichen, noch bevor Notärzt*innen eingetroffen sind. Die Einführung der sogenannten Vorabdelegation hat der Landesausschuss für den Rettungsdienst (LARD) in seiner Sitzung am 28. Juni 2022 beschlossen. Dadurch gelingt nicht nur eine Verbesserung der Versorgung von Patient*innen, sondern auch die berufliche Anerkennung von hochqualifizierten Notfallsanitäter*innen.


n Ärztlicher Verantwortliche im Rettungsdienst (ÄVRD)

Wer in der Bundesrepublik Deutschland Heilkunde ausüben will, ohne Arzt zu sein, benötigt dazu grundsätzlich eine Erlaubnis. Darüber hinaus können heilkundliche Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen durch Ärzt*innen auch an Personen ohne Heilkundeerlaubnis delegiert werden.

Notfallsanitäter*innen werden dazu ausgebildet, eigenständig im Rahmen der Mitwirkung heilkundliche Maßnahmen anzuwenden. Diese müssen jedoch vorab durch verantwortliche Ärzt*innen für bestimmte notfallmedizinische Lagen standardmäßig vorgegeben, überprüft und verantwortet werden (Vorabdelegation). Die Grundlage bildet die „Konzeption des Landesausschusses für den Rettungsdienst zur Vorabdelegation heilkundlicher Maßnahmen an Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter im Rettungsdienst Baden-Württemberg“, die seit dem 1. Juli 2022 gültig ist.

Die Notfallsanitäter*innen der Branddirektion müssen auf die gültigen Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade für den Rettungsdienst Baden-Württemberg (SAA und BPR BW) umgeschult werden. Dies bedeutet einen erhöhten Aufwand für die Fortbildung der Mitarbeiter*innen. Die gesetzlich vorgeschriebene 30-stündige Pflichtfortbildung wird hierfür nicht ausreichen, da auch andere Fortbildungsnachweise zu erbringen sind (z. B. Hygieneunterweisungen, Medizin-Produkte-Gesetz).

Darüber hinaus müssen Notfallsanitäter*innen künftig jährlich rezertifiziert werden. Dies hat durch den Ärztlichen Verantwortlichen im Rettungsdienst (ÄVRD) zu erfolgen. Sollte keine fachliche Eignung mehr vorliegen, dürfen die Mitarbeiter*innen nicht mehr als verantwortliche Person auf dem RTW eingesetzt werden. Dies unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit der konsequenten Fortbildung der Notfallsanitäter*innen.

Gemäß der LARD-Konzeption muss die Branddirektion einen ÄVRD benennen. Der Arbeitsumfang wird vorläufig auf vier Stunden pro Notfallsanitäter*in pro Jahr angenommen. Der Zeitansatz wird regelmäßig auf Landesebene evaluiert und ggf. angepasst.

Die Branddirektion möchte eine Kooperationsvereinbarung mit dem Klinikum Stuttgart gKAöR zur Überlassung eines fachlich geeigneten Arztes als ÄVRD schließen. Auf Grundlage der aktuellen LARD-Vorgaben würden sich die Kosten auf 15.000 EUR pro Jahr belaufen. Eine anteilige Refinanzierung durch die Kostenträger ist angedacht und beträgt aktuell bis zu 4.600 EUR pro Jahr.


n Befristete Unterstützung zur Funktionsbesetzung

Seit Einführung des NotSanG qualifizierte die Branddirektion erfahrene Rettungsassistent*innen mittels Ergänzungsprüfung zu Notfallsanitäter*innen weiter. Ebenso erhielten interessierte Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, die 3-jährigen Vollausbildung zu absolvieren.

Ergänzend wurde bei Einstellungsverfahren darauf geachtet, dass bei gleicher Eignung vorrangig Bewerber*innen mit einer abgeschlossenen Notfallsanitäterausbildung eingestellt wurden. Dies gilt sowohl für Laufbahnbewerber*innen als auch für berufserfahrende Beamt*innen des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes.

Die Branddirektion verfügt derzeit trotz der beschriebenen Maßnahmen nicht über ausreichend Notfallsanitäter*innen, um die gesetzlich vorgeschriebene Fahrzeugbesetzung dauerhaft sicherstellen zu können. Teilweise mussten bereits Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr zeitweise außer Dienst genommen werden. Weitere Ausfälle sind möglich.

Zur Überbrückung des vollständig abgeschlossenen Personalaufwuchses im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst und des gestiegenen gesetzlichen Aus- und Fortbildungsbedarfs (z.B. 30 h-Fortbildung, Hygieneunterweisungen, Medizin-Produkte-Gesetz, Vorabdelegation), werden daher 6,0 Ermächtigungen in der Entgeltgruppe P8 bis zum
31. März 2029 benötigt. Danach sollte die Branddirektion über ausreichend eigene Notfallsanitäter*innen verfügen.


Die befristeten Stelleninhaber*innen sollen bereits bei der Bewerbung die Einstellungsvoraussetzungen für den Vorbereitungsdienst für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst erfüllen. Somit ist eine Weiterqualifizierung zum Ausbildungsbeginn am 1. April 2029 möglich.


Finanzielle Auswirkungen


n Ärztlicher Verantwortliche im Rettungsdienst (ÄVRD)

Die Kosten belaufen sich auf 15.000 EUR pro Jahr. Eine anteilige Refinanzierung durch die Kostenträger ist angedacht und beträgt aktuell bis zu 4.600 EUR pro Jahr.

Zur Deckung des Aufwands in Höhe von jährlich 15.000 EUR stehen im THH 370, Branddirektion, Kontengruppe 42510, Sonstige Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Es werden zudem Mehrerträge in Höhe von jährlich 4.600 EUR im Bereich THH 370, Amtsbereich 3701270 Rettungsdienst erwartet.


n Befristete Unterstützung zur Funktionsbesetzung

Mangels entsprechender Werte im Rundschreiben Nr. 021/2022 zu den Personalkosten wird für die weiteren Betrachtungen der Mittelwert der Entgeltgruppe P7 und P11 herangezogen. Dieser beläuft sich auf 70.100 EUR je Vollzeitstelle.

Für die 6,0 Ermächtigungen betragen die Personalkosten demnach 420.600 EUR pro Jahr für die nächsten sieben Jahre.

Hieraus entsteht ein überplanmäßiger Personalmehraufwand für das Haushaltsjahr 2023 in Höhe von bis zu 210.000 EUR. Die Finanzierung erfolgt in dem betreffenden THH 370 in der Kontengruppe 400 – Personalaufwendungen. Erforderlichenfalls wird sie aus der Deckungsreserve Personalaufwand im Teilhaushalt 900 – Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 – Sonstige Allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 400 – sonstige ordentliche Aufwendungen gedeckt. Der Mittelbedarf für die Haushaltsjahre 2024 ff. wird bei Aufstellung der Doppelhaushalte berücksichtigt.



Beteiligte Stellen

Referat AKR und Referat WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Dr. Clemens Maier

Anlagen

<Anlagen>



zum Seitenanfang